Autor Thema: Jahrzehnt der Serien  (Gelesen 1031 mal)

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Jahrzehnt der Serien
« am: 22 Dezember, 2009, 07:15 »
Teil 1: The Wire, Rome, The Shield, House MD und Jericho

Kurz vor Ablauf der Nuller Jahre muss man überrascht konstatieren, dass das Jahrzehnt im Vergleich mit anderen eine Vielzahl ganz ausgezeichneter Serien hervorbrachte. Allerdings war ihr Medium nicht mehr das Fernsehen, sondern die DVD. Die beste Produktion des Jahrzehnts lief dem entsprechend in Deutschland gar nicht auf einem frei zugänglichen TV-Kanal. Bei der Zusammenstellung der anderen 9 blieben unter anderem Six Feet Under, Breaking Bad, Carnivale und Alias knapp außen vor. Serien, die bereits in den Neunzigern anfingen, sich aber in die Nuller zogen wurden nicht berücksichtigt. So fielen beispielsweise die Sopranos, Futurama, South Park, Family Guy, die Simpsons und Ally McBeal aus der Wertung heraus.

1. The Wire

Die (relativ) unumstritten beste Serie der Nuller Jahre war The Wire. Tatsächlich enthält ein Vorspann dieser Produktion, die in Telepolis bereits mit einem ausführlichen Artikel gewürdigt wurde, mehr Ideen als sich in einer kompletten Tatort-Folge finden.


In The Wire geht es um die Terrorherrschaft zweier Diktatoren: der Statistik und des Dienstweges. Geschildert wird sie unter anderem anhand der Unterwerfungsökonomie in Ämtern: Hauptsache ist nicht die Aufgabenerfüllung, sondern die rituelle Pflege von Hierarchien. Darüber hinaus zeigt die Serie auch die Strukturen und Auswirkungen der informellen Ökonomie in der US-Mordhauptstadt Baltimore. Durch David Simons langjährige Arbeit als Polizeireporter bei der Baltimore Sun flossen offenbar Informationen über tatsächliche Strukturen und Geschehnisse ein, die The Wire von TV-Standards entfernten und mit Elementen jenseits der Dogmen der veröffentlichten Meinung versahen. Lediglich aus den Albanern machte man (aus welchen Gründen auch immer) Griechen.

2. Rome

Ein Teil der Qualität der Serien in den Nuller Jahren resultierte daraus, dass Talente mitmachten, die vorher für das Kino arbeiteten. Bei The Wire war das unter anderem Milcho Manchevski, der Regisseur von Pred Dozdot und bei Rome John Milius. Wenn sein Protagonist Titus Pullo sagt: "Mir gefallen die einfachen Dinge. Ich töte meine Feinde [....] und vergnüge mich mit ihren Weibern", dann ist Milius' Handschrift aus seinem antizivilisatorischen Meisterwerk Conan der Barbar mehr als deutlich erkennbar.

Die zweitbeste und ebenfalls bereits mit einem längeren Telepolis-Artikel bedachte Serie ist gleichzeitig die pädagogisch wertvollste und zu großen Teilen ein Kommentar zu amerikanischen Zuständen in den Nuller Jahren. Sie beginnt mit dem Schlüsselsatz: "400 Jahre, nachdem der letzte König aus der Stadt gejagt wurde, herrscht Rom über viele Völker - kann sich selbst aber nicht regieren. Trotz der vielen politische Reden wird Rome nie auch nur eine Spur langweilig - weil hinter jeder Rede durch das Zuschauerwissen die eigentliche Absicht und die Hinterlist erkennbar sind. Wobei Milius das wahrscheinlich gar nicht als Kritik meint, sondern als Aufzeigen einer aus seiner Sicht beständigen Natur des Menschen.


Neben expliziter Gewalt (wie im Blut-Cumshot eines geopferten Ochsen auf Atia) gibt es auch viel beiläufige, etwa gegen Sklaven. Manchmal haben die Ausüber der Gewalt Spaß dabei (etwa, als Cleopatra mit einem verkleideten Untertanen die Hirschjagd übt, ihm dabei durch den Hals schießt und sich darüber freut, wie viel sie gelernt hat) - und manchmal nicht (wenn beispielsweise Cäsar nüchtern befindet: "Sie zeigen ihre Unzufriedenheit nicht so deutlich - das gäbe nur Prügel"). Oft jedoch führt das Töten zum Erfolg - genau so, wie in der Geschichte auch. Mit am Beeindruckendsten zeigt sich dies in Lucius Vorenus' verblüffend schlichter Methode, eine gestohlene Standarte wiederzubeschaffen, die er seinem Vorgesetzten wie folgt darlegt: "Ich würde Gefangene nehmen, aus allen Stämmen Galliens, einen nach dem anderen kreuzigen - und schließlich würde mir einer sagen, wo der Adler ist".

Produziert wurde die Serie gemeinsam von HBO (dem amerikanischen Pay-TV-Sender, dem mehrere der besten Serien des letzten Jahrzehnts zu verdanken sind), der BBC und der italienischen RAI. Für die deutsche Fernsehausstrahlung auf RTL2 wurde Rome so radikal gekürzt, dass die einzelnen Folgen Jugendfreigaben ab 16 oder sogar ab 12 Jahren bekamen und deshalb sonntags um 20 Uhr 15 gesendet werden konnten. Allerdings gibt es die Serie mittlerweile auch in mehreren DVD-Editionen. Noch mehr Sex, Gewalt und Menschenverachtung bekommt man freilich in den antiken Quellen selbst, die in vielen Bibliotheken vorhanden sind aber teilweise die Kenntnis alter Sprachen erfordern.

3. The Shield

The Shield ist eine Art Nibelungenlied des 21. Jahrhunderts, in dem es nur Handlungsnotwendigkeiten und danach wechselnde strategische Allianzen, aber keine Helden gibt. Die ultimative Strafe ist am Schluss der Serie trotz aller Brutalität die Büroarbeit als Gefängnis, inklusive Uniformzwang. Außerdem ist The Shield eine Art Anti-CSI, das nicht in einer High-Tech-Erste-Welt, sondern (obwohl in Los Angeles angesiedelt) in einer Low-Tech-Dritte-Welt spielt. Das Polizeirevier ist eine aufgelassene Kirche mit unregelmäßig verputzten Wänden, von denen die Farbe abblättert - und an so etwas wie Gentests ist gar nicht zu denken. Die Rolle, die im Erste-Welt-Szenario von CSI die Technologie einnimmt, nimmt im Dritte-Welt-Szenario von The Shield die Ethnologie ein. Sie zeigt sich beispielsweise in der Wichtigkeit von Nachnamen thailändischer Bergvölker für einen Clankrieg. Seltsamerweise verschlüsselte man auch hier eine Gruppe: Doch anders als in The Wire wurden aus den Albanern keine Griechen, sondern Armenier.


4. House MD

Dass House MD erfolgreich auf RTL lief, ist offenbar die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Der Mediziner Gregory House, eine Mischung aus Sherlock Holmes und Artur Schopenhauer, deduziert nicht nur in einer Weise, dass der Zuschauer im Zweifelsfall etwas Nützliches über die Welt lernt, sondern darf in seiner Rolle auch Wahrheiten wider die sonst gerade im Fernsehen gepflegte emotionale Korrektheit aussprechen. Am besten sieht man das in der großartigen Szene, in der er einem Savant eine nützliche Aufgabe gibt. Allerdings bleibt die (nicht über alle Staffeln hinweg gleich gute) Serie (und das ist ihr wirkliches Verdienst) nicht im grummeligen Zynismus, sondern schafft es teilweise auch, großes Drama zu sein.


5. Jericho

Während die viertbeste Serie des Jahrzehnts in Deutschland mit großem Erfolg lief, zeigte man von der fünftbesten hierzulande nur 14 der 22 Folgen aus der ersten Staffel (und auch die sahen aufgrund der Sendetermine im Sommer nur relativ Wenige). Die bei der deutschen Ausstrahlung fehlenden acht Folgen der ersten Staffel sind jedoch die Besten der ganzen Serie. In ihnen wurden die Soap-Elemente weniger und die politischen mehr. Bei den sieben Folgen der zweiten Staffel ist die Handlung dagegen teilweise zu gedrängt, weshalb die Karten manchmal zu offen auf dem Tisch liegen.

Anders als in den vorher geschilderten Serien lässt sich die Qualität von Jericho nur durch den massiven Einsatz von Spoilern beschreiben, die wiederum den Genuss in diesem Fall tatsächlich erheblich mindern können. Wer Jericho noch nicht kennt, sollte deshalb spätestens hier zu lesen aufhören.

Die Serie verarbeitete nicht nur die Irak-Kriegserfahrung der Amerikaner als erste fruchtbringend, sie schafft es dabei auch, ein fragiles Gleichgewicht zwischen Pathos und Sozialdarwinismus zu halten und (etwa bei der unterlassenen Hausdurchsuchung bei einem schwarzen Undercover-Agenten, von dem der Zuschauer aber zu diesem Zeitpunkt annehmen muss, er sei ein Terrorist) auf ausgesprochen fruchtbare Weise mit den Auswirkungen von Tabus zu spielen.

In Jericho treffen, wenn man so will, John Milius' anschauliche Darlegungen, dass Gewalt eine Lösung sein kann, auf Naomi Kleins Theorien von der bewussten Ausnutzung von Katastrophen zur Privatisierung öffentlicher Infrastruktur. Auch sonst haben sich ihre Macher mit Erfolg beim Guten verschiedenster Richtungen bedient: 24, Alias, John-Ford-Western und Civilization. Im Laufe des Fortgangs der Handlung stellt sich unter anderem heraus, dass die Atombomben, die 23 amerikanische Städte zerstörten, nicht, wie es erst heißt, aus Nordkorea stammten und vom Iran bezahlt, sondern von der CIA aus dem ehemaligen Ostblock aus Sicherheitsgründen aufgekauft und dann von einer einheimischen Verschwörung verwendet wurden. Dass die Serie nicht auf einem der RTL-Sender läuft, ist spätestens dann wenig verwunderlich, wenn klar wird, dass die Superschurkenfirma J&R wie eine Mischung aus Bertelsmann und Haliburton erscheint.


Quelle : http://www.heise.de/tp/

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Jahrzehnt der Serien - Teil 2
« Antwort #1 am: 22 Dezember, 2009, 17:12 »
Dexter, Drawn Together, American Dad, 24 und Aqua Teen Hunger Force

6.Dexter

Auch Dexter wurde an dieser Stelle schon umfassend behandelt. Die erste Staffel der Serie über den Serienmörder, der bei der Polizei beschäftigt ist und ausschließlich andere Serienmörder tötet, ist ein schierer Geniestreich, der lediglich unter dem schließlich doch ins scheinbar unvermeidlich Vulgärpsychologische abdriftenden Schluss leidet. Die zweite Staffel beginnt etwas schwächer, steigert sich aber - und über die dritte sind die Meinungen geteilt. Während die Hauptfigur für manche Zuschauer durch eine stärkere Einbeziehung ihres engeren privaten Umfeldes an Tiefe gewann, sahen andere darin ein Absacken ins Konventionelle.


7.Drawn Together

Die amerikanische Zeichentrickserie ist ein gutes Beispiel dafür, dass man sich heutzutage Parodien leisten können muss. Ihre mittels Anspielungen auf zahlreiche bekannte Cartoonserien und Reality-TV-Shows wie The Real World betriebene Sichtbarmachung und Zerlegung von Regeln und Stereotypen ist nur möglich, weil Drawn Together ein Produkt des Medienkonzerns Viacom ist, der die Rechte an den unterschiedlichsten Cartoonfiguren hält und zu groß und mächtig ist, als dass andere Rechteinhaber eine Klage wagen würden. Nur deswegen können bei Drawn Together eine Betty-Boop-, eine Sponge-Bob/Stimpy- und eine Superman-Parodie zusammen in einem Big-Brother-Haus wohnen. Eigentlich kann man nicht erwarten, dass etwas Interessantes herauskommt, wenn Konzerne wie Viacom selbst die Mash-Up-Parodien zu ihren Produkten liefern und kontrollieren - trotzdem funktioniert die Serie. Wie die Konzepte und Drehbücher die Verantwortlichen passieren konnten und können, bleibt allerdings ein Rätsel.


8.24

Eine Serie, zu der es zwar mehrere Telepolis-Artikel gab, deren wirklich umfassende Würdigung aber immer noch aussteht, ist 24. Trotz Drehbeginns vor dem 11. September 2001 wurde sie noch vor 4400 zur interessantesten Verarbeitung des Homeland Security America. Jack Bauer bricht dafür als Vertreter der Staatsgewalt praktisch jedes grundlegende Bürgerrecht und durchsucht gleich in der ersten Folge der ersten Staffel ganz selbstverständlich/beiläufig das Notiz- oder Tagebuch seiner Tochter, die sich nachts auf eine Party geschlichen hat. Als Bauer meint: "Remember when we were kids?" antwortet seine Ehefrau: "It's a different world now". In den 1970er, den 1980er und den 1990er Jahren hätte der Satz noch bedeutet, dass Teenager mehr Freiheiten genießen - im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wurde er vom Fernsehzuschauer ganz selbstverständlich so verstanden, dass Teenager sich nicht mehr die Freiheiten der letzten Jahrzehnte erlauben können, weil die Welt zu gefährlich geworden ist.

Während in den 1950er Jahren in Propagandafilmen wie Big Jim McLain die Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln als wichtiges Abgrenzungsmerkmal zu anderen zu anderen Staaten dargestellt wird, gilt dies in 24 nicht mehr. John Wayne fällt es in Big Jim McLain sichtlich schwer, den bösen kommunistischen Spion in den gesetzlichen Grenzen zu verfolgen - aber er muss sich daran halten. Bei Jack Bauer ist das Überschreiten dieser Grenzen schlichte Notwendigkeit. Und im Unterschied zu den Dirty-Harry-Filmen der 1970er geschieht es nicht nur auf rein individueller, sondern durchaus auch auf organisatorischer Ebene. In der vierten Staffel sieht beispielsweise auch der Verteidigungsminister ein, dass sein Sohn gefoltert werden muss. Und schließlich wurde nirgendwo das Neocon-Paradoxon besser auf den Punkt gebracht als in folgendem 24-Dialog:

Zitat
   
Niny Myers: "You're lying".
Jack Bauer: "Yes I am - but you're still gonna have to trust me"


9.American Dad

Ebenfalls mit Homeland Security America beschäftigt sich die Parodie American Dad. Die Hauptfigur, der Familienvater und CIA-Agent Stan Smith, ist in gewisser Weise ein Homer-Simpson-Update: Auf das regressionsfreudige, lustprinziphörige Hippie-Kind der Clinton-Ära folgte als aktuelleres WASP-Subjektstellen-Angebot der fröhliche Analcharakter und Überwachungsfanatiker American Dad. In seiner Welt findet die Karriere einer republikanischen Kandidatin ein jähes Ende als herauskommt, dass ihr Zweitwagen ein Toyota Prius ist. Konzipiert und umgesetzt wurde American Dad von Seth McFarlane als eine Art Fortsetzung seines zeitweise eingestellten (und Anfangs stark unterschätzten) Erstlings Family Guy. Ein wenig bekannter aber wichtiger Einfluss für beide Serien war die in den 1970er Jahren auch in Deutschland ausgestrahlte Serie Wait Till Your Father Gets Home, in der eine Art mccarthyistisches Ned-Flanders-Äquivalent seine private Agentenjagd damit beginnt, dass er das Telefonbuch zur Hand nimmt und alle Namen heraussucht, die mit -sky oder -off enden.


10.Aqua Teen Hunger Force

Die Cartoonserie Aqua Teen Hunger Force ist ein Beispiel für eine Serie, die im deutschen Fernsehen nicht ausgestrahlt wurde, sich aber hierzulande dank DVD und Filesharing trotzdem einer gewissen Beliebtheit erfreut. Die Hauptfiguren sind ein egozentrischer Milchshake, ein blöder Hamburger und eine verhältnismäßig vernünftige afroamerikanische Tüte Pommes. Der Soundtrack zur Serie kommt von Schoolly D - und so wie sich dieser (in seiner Frühzeit fast wie Industrial klingende) Rapper zum Rest des Hip Hop verhält, so sehr unterscheidet sich Aqua Teen Hunger Force in seiner Bizarrheit von Rest der Cartoonwelt.


Quelle : http://www.heise.de/tp/

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