Nach fast 30 Jahren präsentieren die Disney Studios mit Tron Legacy den Nachfolger zum Kultfilm Tron. Wieder müssen Menschen in der Computerwelt Grid im Kampf zwischen Gut und Böse eingreifen. Im Nachfolger wurde die ursprüngliche optische Ästhetik modernisiert und die Geschichte in die Gegenwart versetzt.Tron avancierte 1982 mit seinen optischen Effekten und der Geschichte vom Kampf zwischen guten Usern und fiesen Programmen in der Computerwelt Grid zum Kultstatus. Mit teilweise computergenerierten Kampfszenen und nachkolorierten Aufnahmen schaffte der Film eine einzigartige Ästhetik. Die Visualisierung der Innenwelt eines Computersystems und des Kampfes zwischen guten und bösen Programmen dürfte die Fantasie so mancher angehender Programmierer beflügelt haben.
Tron Legacy übernimmt weitgehend die damaligen optischen Effekte, hat sie aber mit moderner Technik aufgepeppt. Statt wie in der Originalversion Szenen, in denen Schauspieler vorkommen, in schwarzweiß aufzunehmen und zu kolorieren, übernimmt in Tron Legacy CGI diese Aufgabe. Die mit den Effekten drapierten Darsteller wirken moderner und schicker, ohne den ursprünglichen Charme zu verlieren. Auf die albernen Hüte, die die Darsteller im ersten Teil noch tragen mussten, haben die Produzenten glücklicherweise verzichtet.
Viel Liebe zum Detail haben die Filmemacher in die Light Cycles gesteckt, jene Kampf- und Transportmittel, die nach dem Erscheinen des ersten Teils für eine Flut von Video- und Computerspiele sorgten. Sie werden in der Neufassung aus Stäben generiert, die die Filmcharaktere in die Hände bekommen. Der Zuschauer verfolgt den sekundenschnellen Aufbau aus Einzelkomponenten; das Resultat wirkt futuristisch und dient einer US-Motorradwerkstatt inzwischen als Basis für die Entwicklung echter Motorräder.
Tron modernisiertDie Geschichte wurde in die Gegenwart versetzt: Der Computerspezialist Kevin Flynn, der schon im ersten Teil von Jeff Bridges gespielt wurde, verschwindet kurz nach seinem ersten Kontakt mit dem Paralleluniversum. Er lässt seinen Sohn Sam – gespielt von Garrett Hedlund, bekannt aus Troja und Eragon - als Besitzer der inzwischen zu einer globalen Firma avancierten ENCOM in der realen Welt zurück. Der aber funkt dem Profitbestreben des Firmen-Vorstands gleich am Anfang des Films gehörig dazwischen - im Namen des Vermächtnisses seines Vaters, das auch Alan Bradley (Bruce Boxleitner, alias Tron im ersten Teil) im Vorstand auf verlorenen Posten vertritt. Die ersten Szenen werden lediglich in 2D gezeigt. Der Zuschauer erhält zu Beginn des Films einen dezenten Hinweis, er möge dennoch seine 3D-Brille aufbehalten.
Erst im Grid setzen die Disney Studios auf 3D-Effekte, die aber eher verhalten eingesetzt werden. Die Interaktionen zwischen den Charakteren des Grids und der realen Welt, die im ersten Teil der Geschichte eine zentrale Rolle spielten, werden in Tron Legacy nicht wieder aufgegriffen. Nachdem Bradley einen Pageranruf aus der ehemaligen Werkstatt Kevin Flynns erhält, wagt sich sein Sohn dorthin und wird in das Paralleluniversum teleportiert - die eigentliche Geschichte entfaltet sich nur im Grid.
Digitale Schönheits-OPIm Grid wird Sam zunächst mit dem Computerprogramm Clu konfrontiert, welches sein Vater entwickelte, um über die Computerwelt zu wachen. Clu ist das Ebenbild seines Vaters - allerdings dreißig Jahre jünger. Hier haben die CGI-Techniker gezaubert und Jeff Bridges ein ordentliches Bad im digitalen Jungbrunnen verpasst. Clu wirkt insgesamt erschreckend natürlich, in vereinzelten Szenen aber deutlich computeranimiert.
Regisseur Joseph Kosinski, der sich zuvor mit CGI-Werbefilmen für Halo 3 und Gears of War einen Namen gemacht hatte, zitiert recht fleißig aus dem Vorgänger, aber auch aus anderen Blockbustern der Vergangenheit: Das Niemandsland zwischen dem Grid und dem Portal in die reale Welt wirkt wie eine Mischung aus Matrix und Der Herr der Ringe, andere Szenen könnten auch der neueren Star Wars Trilogie entsprungen sein. Flynns Behausung erinnert an die Traumszenen aus 2001: Odyssee im Weltraum.
Die Geschichte in Tron Legacy ist weniger holprig als im ersten Teil, wirkt aber mit den philosophischen Diskursen des realen Kevin Flynn, zu dem sein Sohn später stößt, etwas aufgesetzt. Die Autoren hätten dem ein oder anderen Charakter mehr Tiefgang verpassen sollen, statt dem Kampf zwischen Gut und Böse eine verschwurbelte Philosophie zu geben.
Alte und neue GesichterDie im ersten Teil zentrale Figur Tron taucht im Laufe des zweiten Teils wieder auf, allerdings stets als Kampfeinheit hinter einer dunklen Maske. Dafür bereichern neue Figuren den Tron-Nachfolger: Olivia Wilde - bekannte Schönheit aus der Serie Dr. House - spielt Vater Flynns Protégé Quorra mit naivem Charme oder James Frain – er spielte Thomas Cromwell in der TV-Serie The Tudors –, der die opportunistische rechte Hand von Clu mimt. Martin Sheen - Darsteller in den Filmen Frost/Nixon und The Queen - brilliert als dandyhafter End-of-Line-Club-Besitzer Castor/Zuse.
Im End of Line Club treten die Gruppe Daft Punk - wie auch in der realen Welt - als behelmte Djs auf und sind auch für den Soundtrack verantwortlich. Die Filmmusik untermalt Tron Legacy mit passendem hypnotischen Elektrosound, der allerdings das ein oder andere Mal zu laut über die Dialoge abgemischt wurde.
FazitTron-Fans werden von Tron Legacy nicht enttäuscht sein und sich an den zahlreichen Zitaten des Vorgängers erfreuen, selbst Anspielungen auf Jeff Bridges Paraderolle als "The Dude" in dem Kult-Film The Big Lebowski bleiben nicht aus. Die Geschichte rückt dank der üppigen Effekte und Actionszenen oft genug in den Hintergrund. Die Darsteller hatten sichtlich Spaß dabei, ihre Charaktere zu spielen, ohne sie zu überzeichnen.
Neulinge in der Tron-Welt sollten sich den Vorgänger zuerst ansehen, denn trotz Einleitung dürfte ihnen sonst der ein oder andere Bezug verborgen bleiben. Insgesamt ist Tron Legacy ein runder Film, wird aber den Kult-Status des ersten Films vermutlich nicht erreichen.
In den USA kommt der Film bereits am heutigen 17. Dezember offiziell in die 2D- und 3D-Kinos, sowie ins Kuppelkino Imax, und dürfte noch rechtzeitig vor Weihnachten eine weitere Franchise-Welle auslösen. Der Kino-Start in Deutschland ist für den 27. Januar 2011 vorgesehen.
Quelle :
www.golem.de