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Geld pumpen, Party machen, Pleite gehen
« am: 27 Dezember, 2006, 12:05 »
Die Schuldenindustrie floriert. Der Konsumrausch auf Pump treibt immer mehr Verbraucher in die Insolvenz, steigende Ausfallraten und horrende Zinsen bringen die Kreditbranche in Verruf.

Wenige Meter hinter dem Hauptbahnhof bietet Bayerns Hauptstadt nichts Glamouröses. Im Basar an der Ecke gibt es billige Kleider, daneben preiswerte Lampen und Waschmaschinen. Menschen ohne viel Geld kaufen hier ein. Die Münchner Champagnergesellschaft verirrt sich dagegen selten in die graue Häuserschlucht der Schwanthalerstraße.

Hier, direkt neben einer Tiefgarageneinfahrt, liegt der schmucklose Eingang zum Hauptsitz der Kreditbank Dresdner-Cetelem. In der fünften Etage geht es vorbei an einsamen Hydrokulturpflanzen und billig gerahmten Stadtansichten zum Büro von Gerd Hornbergs, Chef des Gemeinschaftsunternehmens der deutschen Großbank und des französischen Finanzgiganten BNP Paribas.

Hornbergs Laune könnte in diesen Tagen nicht besser sein. Seine unauffällige Truppe produziert im Fließbandverfahren Konsumentenkredite für den Allianz-Konzern und kurz vor Weihnachten besonders viele Teilzahlungsfinanzierungen im Einzelhandel.

"2006 wird ein Rekordjahr", jubelt er. Auf "über eine Milliarde Kreditvolumen" schafft es seine Mannschaft in diesem Jahr - ein Plus von 100 Prozent in zwölf Monaten. Auf die Frage nach dem Profit schweigt er und lächelt.

Hornbergs gibt es viele in Deutschland. Seit Jahren erzielen die meisten Chefs der Ratenkreditfabriken gigantische Wachstumszahlen und Traumrenditen. Über 131 Milliarden Euro schuldeten ihnen hiesige Konsumenten Ende September für den Kauf von Urlaubsreisen, Autos oder Möbeln. Zehn Jahre zuvor waren es weniger als 100 Milliarden.

Kurz vor Weihnachten laufen besonders die Direktkredite an den Kassen der Einzelhändler gut. Ob Computer, Flachbildschirm oder Spielkonsole: Immer mehr Deutsche holen sich vor dem Fest Elektronik auf Pump bei Media-Markt & Co. Die Finanzierungen liefern neben Dresdner-Cetelem Branchenriesen wie Santander aus Spanien und das US-Institut Citibank direkt an Ort und Stelle.

Auch sonst fallen die Ausländer in der Szene auf. Abgesehen von der genossenschaftlichen Norisbank, die demnächst unter dem Namen Teambank ihren EasyCredit verkaufen wird, treiben hierzulande in erster Linie die Auslandsbanken das Geschäft mit den Hochzinsschulden aggressiv voran. Innerhalb von sieben Jahren hat sich ihr Volumen auf beinahe 40 Milliarden Euro verdreifacht. Der niederländisch-belgische Fortis-Konzern will republikweit noch weitere 110 Kreditshops eröffnen.

Die hiesigen Banken forcierten dagegen erst vor zwei Jahren das Geschäft. Bei den Sparkassen geht das Volumen sogar leicht zurück.

Seit langem schon geißeln Verbraucherschützer das Geschäft mit den kleinen Krediten, weil Konsumenten durch Zins und Zinseszins immer weiter in die Verschuldung getrieben werden. Neuerdings aber kommen auch mahnende Stimmen aus den eigenen Reihen des Bankgewerbes.

Es gebe "mittlerweile eine Art Konsumentenkreditgeschäft, das wir nicht billigen und nicht mitmachen", sagte kürzlich Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller mit Blick auf die steigende Verschuldung der Haushalte, "hier kommt etwas auf uns zu".

Das Etwas ist längst da: Rund 90.000 Menschen stellten in diesem Jahr einen Insolvenzantrag - 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Derzeit gelten 3,4 Millionen Haushalte in Deutschland als überschuldet. Laut Deutschlands größter Schuldner-Datenbank Schufa, an die Banken oder Telekom-Firmen säumige Kunden melden, "ist der Privatverschuldungsindex für das Bundesgebiet im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen".

Das Leben auf Pump bedroht Verbraucher und Banken gleichermaßen. Der Wettbewerb um die lukrativen Konsumentenkredite tobt inzwischen derart heftig, dass die Banken anfangen, die Vergabekriterien zu lockern.

"Auch schlechte Risiken, sprich Menschen in einer finanziell prekären Situation", erzählt Ben Tellings, Chef der Direktbank ING-Diba, "erhalten nun gegen gigantische Zinsen Kredit."

Die Filter in den ausgeklügelten Computersystemen, die anhand verschiedener Kriterien wie Alter oder Wohnort über die Kreditvergabe entscheiden, werden durchlässiger.

Laut Tellings, dessen Institut das Geschäft aus Imagegründen nicht aktiv bewirbt, führt der Teufelskreis aus Gewinnerwartung der Aktionäre und stetiger Aufweichung der Kriterien die Branche direkt in die Milliardenfalle. "Die Institute verdienen mit Konsumentenkrediten schnell enorm viel Geld", sagt er, aber viele würden bald entdecken, dass das aggressiv betriebene Geschäft nicht der richtige Weg sei. "Die Ausfallquoten werden in naher Zukunft massiv ansteigen", ist Tellings überzeugt, bereits in den diesjährigen Geschäftsabschlüssen werde man eine "massiv gestiegene Risikovorsorge sehen".

Tatsächlich musste etwa Branchenschwergewicht Santander für sein Deutschland-Geschäft schon im vergangenen Jahr das Sicherheitspolster ausbauen. Die Wertberichtigungen auf Konsumentenkredite schnellten wegen der "hohen Arbeitslosenquote, der schlechten Zahlungsmoral und den steigenden Privatinsolvenzen in Deutschland" um 26 Prozent auf 170 Millionen Euro hoch. Zum Trend im ablaufenden Jahr wollen die Verantwortlichen keine Angaben machen.

Auch bei den Kreditversicherern hinterlässt der Boom erste Spuren. So wächst zum Beispiel bei Delta Lloyd die Schadensquote "noch stärker als das Neugeschäft", bestätigt eine Sprecherin.

Dennoch wirbt die Branche immer aggressiver neue Kunden. "Money to go" nennen etwa die Marketingstrategen der Citibank ihr Produkt. "Jetzt kaufen, erst in 2007 zahlen" lautet der Slogan der Amerikaner, die paradiesische Zinssätze ab 3,49 Prozent versprechen. Die französische CreditPlus Bank lockt mit 3,45 Prozent. Und die GE Money Bank "schenkt die erste Rate".

Als unfair kritisiert ein Ex-Banker solche Lockangebote, kaum ein Kunde erhalte diese niedrigen Zinsen, der Rest müsse viel höhere zahlen. Durchschnittssätze von elf Prozent und mehr seien je nach Bonität die Regel.

Es sind die Opfer solcher Versprechen, die zu Leuten wie Frank Wiedenhaupt kommen. Das Büro des Berliner Schuldnerberaters liegt schräg gegenüber einer Übergrößenschneiderei mit dem Motto "Maßlos wohlfühlen" im Hinterhof einer heruntergekommenen Liegenschaft. Hier im Krisenstadtteil Neukölln versuchen Wiedenhaupt und seine Kollegen jeden Donnerstag ab neun Uhr zu retten, was noch zu retten ist. Im Warteraum des Arbeitskreises "Neue Armut" herrscht jedes Mal Gedränge, die Sprechstunde ist für viele die letzte Hoffnung.

"Wir bringen den Leuten vor allem bei, dass sie in einer Notsituation zuerst Miete und Strom zahlen sollen und nicht die Kreditraten der Banken und Versandhändler", erzählt Wiedenhaupt, sonst drohe schnell die Obdachlosigkeit.

Wiedenhaupt weiß genau, wovon er spricht. Vor sieben Jahren hat der gelernte Betriebswirt die Seiten gewechselt. Damals arbeitete er noch für einen Einzelhandelsfinanzierer.

"Das Weihnachtsgeschäft gibt den Leuten oft den Rest", sagt er, es existiere noch kein Schufa-Eintrag, aber Dispo- und Ratenkredit seien ausgeschöpft. "Also holen sie sich den Flachbildschirm im Elektronikmarkt auf Pump und können schon die erste Rate im Januar nicht mehr zahlen."

Der letzte Ausweg aus der Schuldenfalle führt nicht nur Wiedenhaupts Klienten oft direkt zum Richter. Deutschlandweit kommt die Privatinsolvenz immer mehr in Mode. Die Schmach, offiziell Pleite zu machen, schmerzt kaum noch. Dass nach sechs Jahren "Wohlverhalten" die finanziellen Sünden der Vergangenheit angehören, ist das Einzige, was zählt.

Auch die 31-jährige Erzieherin Karin S.* aus Hamburg will mit dieser Methode ihre finanziellen Altlasten entsorgen. Ein Girokonto bei der Citibank war ihr vor sechs Jahren zum Verhängnis geworden.

Zuerst rutschte sie ins Minus, dann schuldeten die Citibanker ihren Dispositionskredit in einen Ratenkredit um. Danach ging es auf dem Konto wieder ins Minus, und es folgte der nächste Ratenkredit. Am Ende der teuflischen Spirale hatte sie bei der Citibank rund 19.000 Euro Schulden - inklusive Zinsen und Bearbeitungsgebühren von mehreren tausend Euro.

"Vor drei Jahren wollte ich die Summe bei einem anderen Institut zu niedrigeren Zinsen umfinanzieren", erzählt S., doch die Deutsche Bank habe sie mit der Begründung abgelehnt, die Citibank habe ihr schon viel zu viel Geld geliehen. Schließlich sei sie bei der CreditPlus Bank gelandet. Dort musste sie für einen Nettokredit von 14.000 Euro beinahe 7000 Euro Zinsen, Gebühren und Versicherungsprämien auf den Tisch legen.

Eine Schwangerschaft und die Trennung vom Lebenspartner brachten das Kartenhaus zum Einsturz. Im vergangenen Frühling reichte S. bei Gericht den Insolvenzantrag ein. Sie ging in die Pleite, obwohl ihr die Banken jeweils für über 1500 Euro Restschuldversicherungen angedreht hatten. "Die musste ich abschließen, sonst hätte ich den Kredit nicht bekommen", erinnert sie sich.

Genau an diesem Punkt setzen Verbraucherschützer an, wenn sie von den dubiosen Methoden in der Branche sprechen. Weil die Kunden das Geld faktisch nur zusammen mit einer astronomisch teuren Restschuldversicherung erhalten, liege der wahre Zinssatz für das Darlehen teilweise weit über 20 Prozent, argumentieren die Kritiker.

Die Banken, die für die Vermittlung der Versicherungen enorme Provisionen kassieren, dementieren diesen Automatismus. "Der Abschluss ist immer freiwillig für den Kunden", sagt eine Sprecherin der CreditPlus Bank.

Dresdner-Cetelem-Banker Hornbergs kennt zwar auch Wettbewerber, deren Zinsen "an der Grenze zum Wucher liegen". Er selbst aber sieht sich lieber als Verkäufer von Träumen.

"Mit 25 wollte ich im Himalaja bergsteigen, hatte aber kein Geld dafür, jetzt sind meine Knie kaputt", preist der Banker die Vorzüge seiner Produkte zur schnellen Befriedigung von Konsumwünschen.

"Und mit einem Kredit hätte ich mir meine schöne neue Espressomaschine schon viel früher kaufen können."

Stattdessen habe er zehn Jahre Filterkaffee trinken müssen.

Quelle : www.spiegel.de

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