Allianz, Telekom, Siemens: In deutschen Konzernen wächst der Einfluss großer, meist ausländischer Investoren. Sie fordern von den Managern höhere Renditen - und manchmal noch viel mehr. Der angelsächsische Kapitalismus setzt sich immer öfter durch. Was bleibt noch vom deutschen Modell?In den Jahren seines steilen Aufstiegs bis an die Spitze der Deutschen Telekom hat René Obermann, 43, Eigenschaften gezeigt, die ihm den Namen "Bulldozer" einbrachten: Härte gegen sich und andere, die Fähigkeit, sich und seinen Willen durchzusetzen, vielleicht auch ein gewisser Mangel an Feingefühl, zumindest aber an diplomatischen Finessen.
Obermann ist, abgesehen vom Alter, das ziemlich genaue Gegenstück zu seinem Freund und langjährigen Weggefährten Kai-Uwe Ricke, 45. Der Telekom-Chef war bei seinen Aufsehern wegen allzu häufigen Zögerns und Zauderns in Ungnade gefallen und musste im November gehen. An seine Stelle setzte Telekom-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel Obermann.
Der Bulldozer machte seinem Namen alle Ehre und räumte erst einmal fast den gesamten alten Vorstand ab. Ansonsten will er alles besser und schneller, aber offenbar gar nicht so viel anders machen.
Vielleicht kann er das auch gar nicht. Immerhin gehört die Deutsche Telekom zu 32 Prozent dem deutschen Staat - und nur zu 4,5 Prozent dem amerikanischen Finanzinvestor Blackstone.
Dem ist der deutsche Bulldozer nicht hart genug. Die Amerikaner hätten lieber einen international erfahrenen Manager vom Schlage Rambos an die Spitze der Telekom gesetzt, wie einer der Beteiligten spottet. Und am liebsten hätten sie Zumwinkel gleich mit abgelöst - so weit aber wollten Finanzminister Peer Steinbrück und Kanzlerin Angela Merkel nicht gehen.
Der Abgang des Duos Ricke/Zumwinkel und ein internationaler Sanierer auf dem Chefsessel des ehemaligen Staatskonzerns - das war ihnen zu viel des durchaus Gewollten. Denn Steinbrück hatte Blackstone ja extra in den Aktionärskreis der Telekom geholt, um Druck auf das Management auszuüben. Der Aktienkurs des Konzerns dümpelt seit Jahren vor sich hin, und deshalb sitzt der Bund immer noch auf seinem Anteil, den er eigentlich loswerden, aber zum derzeitigen Kurs nicht verkaufen will.
Obermann war der Kompromiss - zwischen Blackstone auf der einen und Steinbrück/Zumwinkel auf der anderen Seite. Man könnte auch sagen: zwischen dem amerikanischen Shareholder-Kapitalismus und dem, was vom rheinischen Kapitalismus noch übriggeblieben ist.
Nun muss Obermann den Spagat versuchen, einerseits die Rendite und damit den Aktienkurs hochzutreiben, andererseits Rücksicht zu nehmen auf die Belegschaft und die Öffentlichkeit. An diesem Spagat versuchen sich, mit mehr oder weniger Geschick, derzeit alle deutschen Konzernführer, ob sie nun Klaus Kleinfeld (Siemens) oder Michael Diekmann (Allianz) heißen.
Das Umfeld dieser Manager hat sich entscheidend gewandelt, seit sich die alte Deutschland AG weitgehend auflöste und ein Vakuum hinterließ. In das stoßen nun angelsächsische Finanzinvestoren unterschiedlichster Couleur, vom eher langfristig agierenden Pensionsfonds bis zum hochspekulativen Hedgefonds. Und dann gibt es noch die Petrodollar-Milliardäre aus Russland oder Arabien, die nach lukrativen Investments suchen und ein Auge auf die deutschen Dax-Konzerne geworfen haben.
Die kuscheligen Zeiten, in denen die deutschen Wirtschaftsführer weitgehend ungehindert ihren Geschäften nachgehen konnten, sind jedenfalls vorbei. Es waren die Zeiten, als sich Banken und Versicherungen große Industriebeteiligungen hielten. Die deutsche Wirtschaft glich im Innern einem enggeflochtenen Netz, mit der Deutschen Bank und der Allianz in der Mitte - und nach außen einem Bollwerk. Eindringlinge mussten mit massiver Gegenwehr rechnen.
Von alledem ist in den Zeiten der Globalisierung nicht mehr viel übriggeblieben. Zuerst entdeckten die Banken das angelsächsische Investmentbanking mit seinen gigantischen Gewinnmöglichkeiten, Industriebeteiligungen waren da nur hinderlich - sie wurden abgestoßen.
Rot-Grün beschleunigte den Abbau des alten Modells durch üppige Steuergeschenke: Wer beim Verkauf von Unternehmensbeteiligungen stille Reserven hob, musste dem Finanzamt nichts davon abgeben. Von da an herrschte in der deutschen Wirtschaft eine Stimmung wie im Schlussverkauf.
Das Umfeld ist rauer geworden für die deutschen Konzerne und ihre Manager. Im rheinischen Kapitalismus alter Prägung konnten die Manager weitgehend unkontrolliert tun und lassen, was sie wollten. Die Rendite war nicht so wichtig, die Banken waren eher an Kreditbeziehungen interessiert.
Heute stehen die Manager unter Druck - unter dem Druck der internationalen Kapitalmärkte. Sie müssen die Investoren ständig von ihrer Strategie überzeugen, sie müssen permanent die Rendite steigern und den Aktienkurs nach oben treiben. Sonst sind sie weg - wie Ricke. Oder ihre Konzerne laufen Gefahr, übernommen zu werden.
Das neue Denken hat inzwischen so urdeutsche Institutionen infiziert wie die Deutsche Bank, Siemens oder die Allianz, es wird vorangetrieben von einer neuen Generation von Managern, die ihre beruflichen Erfahrungen auch im Ausland sammelten und für deutsche Befindlichkeiten nur wenig Verständnis zeigen.
Klaus Kleinfeld, Siemens-Chef seit Anfang 2005, sanierte auf dem Weg nach oben die US-Tochter des Konzerns und hat dabei nicht nur die Vorliebe für sein Dauergetränk Cola light entdeckt: Er führt Siemens wie ein angelsächsischer Investmentbanker. Einer seiner Lieblingssprüche heißt: "Fix it, sell it or close it."
Was sich nicht schnell sanieren lässt, wird abgestoßen. Zum Beispiel die Handy-Sparte, die Kleinfeld an den taiwanesischen BenQ-Konzern weiterreichte (und dafür sogar noch 300 Millionen Euro zahlte).
Pech für ihn, dass die Asiaten das Problem genauso wenig in den Griff bekamen wie zuvor Siemens: Sie meldeten für die deutsche Tochter Insolvenz an, die Mitarbeiter fühlten sich von ihrem ehemaligen Arbeitgeber verraten und zogen demonstrierend vor die Siemens-Zentrale. Für Kleinfeld war das der GAU, denn zur gleichen Zeit machte seine persönliche Einkommensmehrung um stattliche 30 Prozent Schlagzeilen, "Frechste Gehaltserhöhung des Jahres!", titelte "Bild".
Das PR-Desaster verdrängte die wichtigere Frage, nach welchen Kriterien ein Konzern wie Siemens eigentlich geführt werden soll. Verfolgt Kleinfelds Portfolio-Management zu kurzfristige Ziele? Wäre es nicht besser, fragen seine Kritiker, die Telekommunikationssparte zu sanieren, statt sie in ein Gemeinschaftsunternehmen unter der Führung von Nokia einzubringen - so wie Kleinfeld einst unter der Ägide seines Vorgängers Heinrich von Pierer die angeschlagene Gesundheitstechnik wieder aufpäppelte? Heute ist sie eine der tragenden Säulen des Konzerns.
Quelle :
www.spiegel.de