Reines Rendite-Denken, horrende Chefgehälter und soziale Kälte - Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche, greift Deutschlands Spitzenmanager an. Die Wirtschaft müsse jetzt im Aufschwung dringend Jobs schaffen. Auch die Löhne sollten steigen.Berlin - Berlins Landesbischof Wolfgang Huber wirft Teilen der deutschen Wirtschaft mangelndes gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein und Maßlosigkeit bei der Bezahlung von Managern vor. Konzerne hätten häufig allein die Entwicklung des Aktienkurses im Blick, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) der "Berliner Zeitung". Es gebe Großkonzerne, in denen das Management Gehälter beziehe, deren Höhe jedes normale Maß übersteige.
Angesprochen auf Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann sagte Huber: "Das Durchschnittseinkommen liegt in Deutschland bei rund 40 000 Euro im Jahr. Wenn ein Manager 20 Millionen Euro verdient, sprengt das jede Vorstellung von Gerechtigkeit."
Zu Recht werde die Frage gestellt, wie viele Arbeitsplätze sich von einem solchen Gehalt sichern ließen. Faktoren wie die Zufriedenheit der Mitarbeiter oder der Kunden stünden zurück. Wer allein am Aktienkurs die Leistung von Managern messe, verliere seine Glaubwürdigkeit.
Zugleich unterstützte Huber Gewerkschaftsforderungen nach höheren Löhnen. "Man darf niemandem einen Vorwurf machen, der seinen gerechten Anteil am Wirtschaftswachstum einfordert", sagte der Bischof. Er wünsche sich allerdings, dass die Arbeitnehmervertreter in den Tarifrunden auch jene im Blick behalten, die ohne Arbeit sind.
Huber forderte in der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" laut Vorabbericht Staat und Wirtschaft zu einer aktiveren Arbeitsmarktpolitik auf als bisher. Der derzeitige Aufschwung müsse wesentlich stärker dafür genutzt werden, Arbeitsplätze zu schaffen. "Mein Appell richtet sich zunächst an die Wirtschaft. Die verbesserte Rendite sollte in Arbeitsplätze investiert und nicht nur abgeschöpft werden", sagte er.
Aber die Hoffnung, dass der normale, erste Arbeitsmarkt, alles regeln kann, sei vor allem für Menschen über 50 trügerisch, betonte der Bischof. "Deshalb sollte es neben dem ersten Arbeitsmarkt und neben dem zweiten Arbeitsmarkt mit seinen zeitlich befristeten, besonderen Arbeitsverhältnissen noch einen dritten Arbeitsmarkt geben, der insbesondere älteren Arbeitslosen einen Neubeginn ermöglicht", schlug Huber vor.
Zur Diskussion um einen EU-Beitritt der Türkei sagte Huber: "Eigentlich darf es keine Gespräche mit der türkischen Regierung geben, bei denen nicht mit Nachdruck die zentrale Bedeutung der Religionsfreiheit hervorgehoben wird und klargemacht wird, dass Religionsfreiheit gerade auch in der Türkei den christlichen Minderheiten zugute kommen muss." Es sei schon eine große Tragödie, dass die Zahl der Christen in der Türkei innerhalb weniger Jahrzehnte dramatisch zurückgegangen ist, gerade auch wegen der Repressalien, die ihnen drohten.
Quelle :
www.spiegel.de