Autor Thema: DEUTSCHE MILIEUS - In der Mitte brodelt es  (Gelesen 728 mal)

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DEUTSCHE MILIEUS - In der Mitte brodelt es
« am: 20 Februar, 2007, 14:48 »
Resignation und Rückzug: Damit reagiert die gebeutelte Mitte der Gesellschaft auf Abstiegsängste, Sozialreformen und die allgegenwärtige Ökonomisierung. Sie hat fast alles akzeptiert, was ihr abverlangt wurde - und sieht sich doch als eigentliche Verliererin.

Zur mittleren Lage - den "mittleren Mittelschichten", wie es im Jargon der Milieu-Experten des Heidelberger Sinus Sociovision-Instituts heißt - gehört ein Teil der (vorwiegend) altbundesrepublikanischen "Traditionsverwurzelten", aber auch der "DDR-Nostalgischen", die rund sechs Prozent der Deutschen stellen. Diese beiden Milieus haben trotz konträrer Systemeinflüsse viel gemeinsam. Ihre konstitutive Phase lag in der Wiederaufbauperiode der beiden deutschen Staaten. Die sogenannten Sekundärtugenden wurden und werden hier als primäre Gebote der Lebensführung betrachtet, also Ordnung, Fleiß, Sauberkeit, Disziplin, Pünktlichkeit und dergleichen mehr.

Die Furcht vor sozialen Einbußen, die den Traditionsverwurzelten (West) das Leben so schwer werden lässt, haben die Sozialismusveteranen (Ost) bereits hinter sich. Entsprechend größer ist im Ostmilieu die Bitternis, der Zorn über die "Wende" und die nachfolgenden Demütigungen. Der nostalgische Bezugspunkt zu einer Vergangenheit, in der die Welt noch in Ordnung schien, ist zwischen Rostock und Plauen natürlich ein anderer als zwischen Kiel und Passau: Eben die Wärmestube von Volkssolidarität und Gewerkschaftsferienhäusern der verblichenen DDR. Der Westen und sein Lebensstil ist hier verhasst.

Eine große weichenstellende Zukunftsbedeutung wird den DDR-Nostalgikern weder von der Wirtschaft noch von der Politik beigemessen. Anders steht es da mit dem zweiten Mitte-Milieu: Der sogenannten "Bürgerlichen Mitte". Mit 16 Prozent Zugehörigen ist dies in Deutschland die quantitativ stärkste Lebensgruppe. Da sie in der Tat ganz im Fokus der Gesellschaft steht, ist sie gerade für Volksparteien, Volkskirchen, für die Versicherungswirtschaft, Sparkassen etc. elementar. Die bürgerliche Mitte steht infolgedessen ganz automatisch im Mittelpunkt von Wahlkampagnen und Marketingstrategien. Ihre Zentrumspositionen sind vielfältig. Herausgebildet und fundiert hat sich dieses Milieu in der Mitte der bundesdeutschen Geschichte, in den sechziger und siebziger Jahren. Die 30- bis 50-Jährigen, also Menschen in der Mitte des Lebens, dominieren. Sie verfügen mehrheitlich über mittlere Bildungsabschlüsse, mittlere Einkommen, einen mittleren Status. Diese Mittelständigkeit haben viele durch Zielstrebigkeit und Fleiß systematisch aufgebaut. Individuelle Leistung im Berufsleben steht hier hoch im Kurs; insofern waren neoliberale Einstellungen in dieser Lebenswelt eine Zeitlang nicht ganz selten. Doch allzu schneidig artikulierte sich das neu-liberale Gedankengut auch wieder nicht. Dafür ist die "Bürgerliche Mitte" zu harmonieorientiert, zu sehr an Ausgleich und Anpassung als an Konflikt oder Konfrontation interessiert. Das häusliche familiäre Glück ist Fluchtpunkt aller individuellen Anstrengungen.

Gewiefte Verbraucher

Als Verbraucher, die jederzeit über preisgünstige und qualitativ geprüfte Angebote in den Supermärkten, Fachläden und Reisebüros der Republik Bescheid wissen, halten sich Mitte-Menschen für unschlagbar. Man ist modern, aber auch gediegen, mag keinen exaltierten Avantgardismus, will aber auch nicht durch ästhetische Rückständigkeiten negativ auffallen. Das eigene, verlässlich Ton in Ton eingerichtete Heim ist wichtig, auch das Mittelklasseauto, die regelmäßige Urlaubsreise und das schulisch-beruflich-familiäre Fortkommen der Kinder. Um Haus, Wohnung und Familie ranken sich überhaupt die Aktivitäten der Menschen in der bürgerlichen Mitte. Einrichtungsgeschäfte bilden einen favorisierten Ort für den Einkaufsbummel am Wochenende. Der eigene Ziergarten ist stets perfekt hergerichtet und akkurat gepflegt; Unkraut wird in der gesellschaftlichen Mitte Deutschlands konsequent bekämpft. Und die familiäre Fahrradtour in die nähere Umgebung gehört ebenfalls zum konstanten Rhythmus in der Freizeitgestaltung dieser durch und durch mittleren Lebenswelt Deutschlands.

Auch im ganz modernen Milieu der "Experimentalisten" benutzt man in der Freizeit gerne das Rad. Doch ist es dort nicht die gemütliche Fahrradtour, die begeistert, sondern harte Berg- und Geländetouren mit dem Mountainbike. Experimentalisten verlangen nach der extremen Herausforderung, wollen ihr Limit herausfinden, das denkbar mögliche aus sich herausholen, suchen nach den besonderen "Kick"; wo "fun" eben nur durch "risk" zu erreichen ist. Experimentalisten bilden das jüngste Mittemilieu in Deutschland. Diejenigen, die man hierzu rechnet, sind in den achtziger und neunziger Jahren groß geworden, als Begriffe wie Optionsgesellschaft, Wissensgesellschaft, Postmoderne, Pluralisierung im Schwange waren.

Die Experimentalisten sind ganz und gar Kinder dieser Ära, dürften im beträchtlichen Umfang auch Sprösslinge der bürgerlichen Mitte sein, die aber als Nachwuchs bereits aufgestiegener, mittelarrivierter Familien selbstverständlicher in den Genuss höherer Bildungsabschlüsse und kultureller Auswahlmöglichkeiten gekommen sind als noch ihre Eltern. Die jungen Experimentalisten jedenfalls geben sich gerne toleranter, neugieriger, offener als die älteren Bewohner der konventionellen bürgerlichen Mitte. Dass berufliche Biographien seit den späten siebziger Jahren weniger stetig geworden sind, haben Experimentalisten für sich selbst eine Zeit lang noch positiv gewendet, haben ihre eigenen Patchwork-Lebensgeschichten gleichsam zum Ideal eines offenen, routinelosen Lebens stilisiert. Doch auch in diesem Milieu hat die ökonomische Krise nach und nach für Ernüchterung gesorgt. Das Projekt- und Praktikumshopping bei niedriger Entlohnung macht allmählich müde beziehungsweise nervös. Einige - wenngleich nicht die Mehrheit - reagieren schon resigniert.

Elan erloschen

Resignation und Rückzug - ganz selten ist das nicht in der gebeutelten Mitte der deutschen Republik zu finden. Am stärksten trifft das gewiss auf das Sondermilieu der sogenannten DDR-Nostalgiker zu. In den ersten Jahren nach der deutschen Einigung war dieses Milieu außerordentlich traditionsorientiert, zog Kraft daraus für Resistenz und Engagement. Die alten SED-Veteranen waren hochpolitisiert, durchaus gut informiert und nachgerade daueraktiv. Dieser aus Trotz und realsozialistischer Gesinnung gewonnene Elan ist in den letzten Jahren erloschen. Die Frustrationen sind übermächtig geworden, der Traditionalismus ist zu einem nur noch individuell ausgelebten Anti-West-Ressentiment verkümmert. Das alte PDS-Vorfeld von ehedem hat sich in weiten Teilen nunmehr aus Politik und Öffentlichkeit verabschiedet.

Die westdeutsche bürgerliche Mitte der bundesrepublikanischen Wohlstandsjahre ist anders. Aber "Escape, Cocooning und Abschottung der privaten Sphäre" - so nennen es die Heidelberger Sinus-Forscher - haben auch hier in letzter Zeit erheblich zugenommen. Die hochanpassungsbereite Mitte hat in den letzten Jahren fast alles mitgemacht, was die meinungsführenden Eliten von ihnen herrisch verlangt haben: Sie haben fremde Sprachen gelernt, haben sich jede technologische Innovation angeeignet, haben Fortbildungskurse besucht, haben die Arbeitszeit nach Bedarf gestreckt und verlängert. Doch hat die bürgerliche Mitte das Gefühl, dass diese, ihr abverlangte Adaptionsleistung kaum honoriert wurde. Sie sehen sich als die eigentlichen Verlierer der Sozialreformen, bei den Korrekturen von Pendlerpauschalen, Eigenheimzulagen, in der Gefahr des raschen Absturzes in das Arbeitslosengeld II, das sie, die notorisch Fleißigen, mit Stadtstreichern etc. zusammenwürfelt.

Jetzt sollen sie für ihre Kinder auch noch Studiengebühren bezahlen, obwohl unsicherer denn je ist, ob ihr Nachwuchs trotz einer akademischer Ausbildung den hart erkämpften familiären Status wird halten, gar ausbauen können. In keinem anderen Milieu aber ist der Aufstiegsimperativ elementarer, identitätsstiftender als in der Mitte; gerade dort aber zweifelt man zunehmend an den Möglichkeiten des weiteren Aufstiegs der zum Abitur und Studium getrimmten eigenen Kinder.

Aggressivität wächst

Bei diesen Kindern, den sogenannten Experimentalisten, ist eine deutliche Abkehr von der neuliberalen Wirtschaftseuphorie der neunziger Jahre zu erkennen. Ausstiegswünsche vagabundieren stattdessen; auch ist man des Markenartikel-Konsumismus der Vorgängergeneration mehr und mehr überdrüssig, ja geradezu müde geworden.

In diesem jüngsten deutschen Milieu wächst die Kritik am totalitären Primat der Ökonomie, an den entfremdeten Alttagen, den sozialen Eisigkeiten. Experimentalisten übersetzen diese kritische Attitüde bislang nicht in kontinuierliche politische Aktivitäten; dazu ist ihre Lebensform zu bohemehaft, zu ruhelos und suchend. Insofern allerdings könnte der gestaute Unmut dort auch explosiv zum Ausbruch kommen. Die Sozialforscher jedenfalls haben keinen Zweifel, dass aggressive Neigungen in dieser Lebenswelt auffällig - wenn auch sonst in der Gesellschaft kaum bemerkt - angewachsen sind.

Ganz unterschwellig also scheint es in der deutschen Mitte zu brodeln.

Quelle : www.spiegel.de

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DEUTSCHE MILIEUS - Glotze, Golf, Graffiti
« Antwort #1 am: 22 Februar, 2007, 16:16 »
Faszinierende Einblicke in unsere Gesellschaft. Eine neue Studie verrät im Detail, wie Deutschlands Milieus anhand von Vorlieben, Werten und Freizeitverhalten zu unterscheiden sind - bis hin zur Frage, ob man lieber "Sex and the City", Günther Jauch oder "Big Brother" sieht.

Die Lebensweltanalysen des Heidelberger Sinus-Sociovisions-Instituts machen die soziokulturellen Ungleichzeitigkeiten von gleichzeitig auftretenden Milieus deutlich. Die Ungleichzeitigkeiten rühren zunächst aus den verschiedenartigen historischen Orten ihrer Entstehung und Prägung. Die fünfziger Jahre haben einen ganz anderen Lebensstil hervorgebracht als die siebziger Jahre, deren Zeitgeist wiederum in den neunziger Jahren nachgerade anachronistisch auf die hier nachwachsenden Kohorten wirkte.

Die Heterogenitäten der sozialen Lagen begründen nach wie vor - vielleicht sogar stärker als 30 Jahre zurück - ungleiche Chancen, Möglichkeiten, Optionen, kulturelle und materielle Realitäten. So differieren die Milieus im Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts nach Demographie, sozialer Lage, Habitus, Freizeit, Mediennutzung, Ästhetik, Lebensstil, Werten, Sprachcodes und Sinnperspektiven.

Blicken wir noch einmal genauer hin. Beginnen wir demographisch. Sehr alt, überwiegend über 60 Jahre, sind die Menschen in konservativen und traditionsverwurzelten Milieus. Ziemlich jung, so um die 30 Jahre, sind moderne Performer und Experimentalisten. Repräsentanten der Lebensmitte, mit einem Alter von durchschnittlich etwa 45 Jahren, sind Etablierte, Postmaterielle, die bürgerliche Mitte und auch die Konsummaterialisten.

Konsumjünger trennen sich oft

Dort findet man in aller Regel auch die Familien mit Kindern im Haushalt, mit einer Ausnahme: Das konsummaterialistische Milieu zeichnet sich durch besonders zahlreiche Beziehungsbrüche aus, durch Trennungen, Scheidungen und durch Single-Existenzen. Meist noch sehr klein sind die Kinder der Postmateriellen - ein Zufall also war es nicht, dass die Partei der Grünen seit 2002 programmatisch die Familie positiv entdeckte, die zuvor dort zuweilen als kleinbürgerliche und auslaufende Gesellschaftsform mit deformierten Sozialisationsfolgen negativ qualifiziert wurde.

Ohne Kinder hingegen sind die ganz "alten" und die sehr "jungen" Milieus. Konservative und Traditionsverwurzelte leben oft allein, da ihre Ehepartner bereits verstorben sind. Ebenfalls, aber eher freiwillig allein, wohnen Experimentalisten - von denen indes nicht ganz wenige unter dem schützenden Dach des Elternhauses ihr Nest behalten haben, von dem aus sie ihre Ausflüge in die Szene starten - und Hedonisten. Das gilt schließlich auch für die Modernen Performer, die allmählich, aber in ihren älteren Rängen, in die Familienphase hinübergleiten.

Performer und Experimentalisten haben von sich den festen Eindruck, Trendsetter zu sein, mit ihrem Lebensstil der Gesellschaft avantgardistisch voranzugehen. Die Freizeit wird "Out door" verbracht, wie es im Jargon der Sinus-Experten heißt. Performer und Experimentalisten sind prononcierte Individualisten, teils durchaus auch narzisstisch, von den eigenen Stärken und Begabungen überzeugt, dabei hoch kommunikativ. In der Gruppe der Performer herrscht mehr Optimismus, eine größere Akzeptanz der gesellschaftlichen und ökonomischen Ströme als bei den Experimentalisten. Dort stößt man vielfach auf Gesellschaftskritik und Protest, auf die Negation einer ungesteuerten Globalisierung.

Konservative und Postmaterielle ähneln sich


Einen radikal gegensätzlichen Lebensstil praktizieren Hedonisten und Konsummaterialisten auf der einen, Konservative und Postmaterielle auf der anderen Seite. Hedonisten und Konsummaterialisten huldigen dem schnellen Konsum, können ihn sich aber auf Grund hoch prekärer sozialer Existenzen kaum leisten. Sie handeln gegenwartsbezogen, treffen auch mangels üppiger Ressourcen wenig Vorkehrungen für die Zukunft. Ihr sehnsüchtiger Blick gilt neuen Trends und neuen Marken; Zigaretten, Alkohol, Süßigkeiten werden reichlich - oft überreichlich - konsumiert. Doch ist vor allem für die Männer dieser beiden Milieus die Inszenierung ihres in Fitnessstudios hoch getrimmten Körpers wichtig.

Konservative und Postmaterielle sind demgegenüber kopflastiger, legen Wert auf Intellektualität, Bildung, Belesenheit. Überhaupt ist auf den ersten Blick überraschend, wie sehr sich die Selbstdeutung von Postmateriellen und Konservativen (man kann noch die Etablierten hinzunehmen) - die sich vor drei Jahrzehnten einen erbitterten Kulturkampf geliefert hatten - ähneln. Konservative und Postmaterialisten sind intensive Leser, nicht nur von Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch von Romanen der klassischen und modernen Literatur.

Zu den lesenden Milieus gehören ebenfalls die Etablierten und modernen Performer (sowie die Experimentalisten), aber ihr Verhältnis zu den Druckerzeugnissen ist instrumenteller, weniger schöngeistig als im klassisch bildungsbürgerlichen Ambiente.

Etablierte und Performer verschlingen (Fach-)zeitschriften, um stets auf dem Stand der jeweils aktuellen Debatte zu sein. Für die Lektüre "dicker Wälzer" aber fehlt den Etablierten die Muße; sie selbst würden wohl wonnevoll stöhnen: die Zeit. Performer bewältigen umfangreiche Romane und Sachbücher eher, orientieren sich beim Kauf aber - weit stärker als Postmaterielle und Konservative - an den Top Ten der Bestsellerlisten.

In der Freizeit der Konsummaterialisten und Hedonisten spielt das Buch keine Rolle. Das Leben nach der Arbeit wird stärker durch die elektronischen Unterhaltungsmedien ausgefüllt. Man zappt sich durch die Programme, legt sich Videos und DVDs ein, gibt sich Computerspielen hin. Hedonisten sind insofern noch ein wenig aktiver als ihre konsummaterialistischen Geschwister, da sie daneben noch von Zeit zu Zeit in subkulturelle Aktivitäten eintauchen, in Techno-Szenen, Rap-Kulturen, Graffiti-Cliquen.

Wertschätzung des Buches

Ausgewiesen bildungsbürgerlich geht es auch diesseits des Buches bei Konservativen und Postmateriellen zu. Man musiziert. Zumindest geht man regelmäßig in Konzerte. Hochkulturelle Ambitionen zeigen ebenfalls Moderne Performer, aber weniger selbstverständlich, stärker außengesteuert und demonstrativ. Etablierte sind im Grunde natürlich zwar auch Träger, oft Mäzene hochkultureller Ereignisse, aber es fehlt ihnen - wie sie gerne klagen - einfach die Zeit für den Besuch von Vernissagen und Galerien, für den Genuss von Sonaten und Symphonien.

Ein bisschen von der verblassten Alternativität der siebziger Jahre haben sich die Postmateriellen bewahrt, da sie weiter Programmkinos und Kleinkunstbühnen schätzen. Moderne Performer inszenieren zwar gerne ihre Kenntnisse und Passionen für klassische Kunst, im musikalischen Alltag aber stehen ihren originären Bedürfnissen Techno-Events, Rock-Konzerte und Diskothekenclubs wohl näher. Dorthin zieht es auch Experimentalisten, aber auffällig ist doch deren Neigung zum bewussten Alleinsein. Experimentalisten sind zur einen Hälfte ihres Seins hoch kommunikativ, insofern durchaus gesellig; aber sie lieben es zugleich, nur für sich stundenlang mit einem Buch, einer Zeitung oder lediglich vor sich hin grübelnd im Café zu sitzen.

Am reisefreudigsten sind Performer und Experimentalisten. Oft stöhnen sie mittlerweile schon ein bisschen kokett, doch eigentlich alles bereits gesehen zu haben, bei ihren Expeditionen durch afrikanische Wüsten, Wanderungen durch Neuseeland, auf Zugfahrten durch die Weiten Amerikas, beim Tramp durch Indien. Sesshafte Menschen sind demgegenüber DDR-Nostalgiker und Traditionsverwurzelte. Auch Konsummaterialisten kommen oft - obgleich sie schon gern möchten - mangels Geld nicht aus der engen Wohnung fort, wo das Sofa ein wichtiger Ort ist.

Sommerliche Grillabende in bürgerlichen Mitte-Milieus

Mit mehr Antrieb ist die Häuslichkeit der Traditionsverwurzelten verbunden. Sie hobeln, schreinern und basteln, tapezieren hier, pflanzen dort. Die Pflege, mehr noch: das Herausputzen des Eigenheims steht ebenfalls im Mittelpunkt der Aktivitäten der Menschen in der bürgerlichen Mitte. An warmen Sommerabenden wird in den Gärten der Mitte-Milieus mit großer Leidenschaft gegrillt; Kegeln mit Freunden steht bei vielen von ihnen fest im Freizeitprogramm.

Moderne Performer und Experimentalisten hingegen - folgt man den Expertisen der Heidelberger Sinus-Gruppe - spielen mit extremen Belastungen, wollen an die Grenze gehen, versuchen sich daher als Bergsteiger, Drachenflieger, Fallschirmspringer. Postmaterielle suchen demgegenüber stärker ihre "innere Mitte", auch Stressabbau und Kontemplation. Sie exerzieren Yoga, meditieren, nehmen an Tai-Chi-Kursen teil. Etablierte wiederum haben es in jeder Hinsicht gern luxuriös, in bewusster Distinktion zur Massenkultur, zum Massensport, zum Massentourismus. Golf, Tennis, Skifahren, Segelfliegen, Fitness im eigenen häuslichen Trainingsraum - das sind die bevorzugten Körperertüchtigungs- und Freizeitweisen ganz oben in der Gesellschaft. Im Urlaub werden gern Fünf-Sterne-Wellnesshotels gebucht, auch Expeditionen ab und an durch kanadische Wälder gelten als standesgemäß. Exklusiv sind zudem die Assoziationen im ganz gewöhnlichen Alltag der etablierten Elite: Rotarier-, Lions- und Golfclubs.

Nostalgiker sehen viel fern

Große Fernsehkonsumenten sind die DDR-Nostalgiker und die Traditionsverwurzelten, die täglich mehr als vier Stunden vor dem Bildschirm hocken. Den geringsten Stellenwert nimmt die Glotze bei Postmateriellen und modernen Performern ein, wenngleich auch diese Milieus pro Tag im Durchschnitt um die drei Stunden auf Sendung sind. Bei ARD und ZDF in der ersten Reihen sitzen lediglich noch die Etablierten, Konservativen und Postmateriellen - vor allem wenn "Tageschau", "Tagesthemen" und "Heute" auf dem Programm stehen -, während in den übrigen Milieus die Privatanbieter bevorzugt werden. Traditionsverwurzelte lieben "Wer wird Millionär", DDR-Nostalgiker und Bürgerliche-Mitte-Menschen goutieren "Gute Zeiten, schlechte Zeiten"; Konsummaterialisten begeistern sich für Formel-1-Übertragungen; Experimentalisten vergnügen sich bei "TV-Total"; Hedonisten sind bei "Big Brother" dabei; moderne Performer schalten bei "Sex and the City" zu.

Die modernen Performer stehen auch als Onliner an der Spitze der Modernität. Fast 80 Prozent von ihnen benutzen das Internet. In der bürgerlichen Mitte haben rund ein Drittel Zugang zum Netz, worin sie auch hier einen Mittewert einnehmen. Am weitaus meisten fremdeln Konservative und Traditionsverwurzelte - die nur zu fünf Prozent die computergestützten Kommunikationssysteme verwenden - mit den neuen Medien.

Gerade in diesen Milieus aber sammelt sich das Gros der Wähler der CDU/CSU. Nicht zuletzt deshalb dürfte der Modernisierungsfuror der CDU im Wahlkampf 2005 so eklatant gescheitert sein; und wohl auch darum schlägt die Union heute ein so moderates, nachgerade ängstliches Tempo in ihrer Politik der Veränderung an. Die Großpartei des "bürgerlichen Lagers" und der "bürgerlichen Sozialreformen" ist eben vorwiegend in solchen Milieus präsent, die sich am stärksten vor der neuen Welt moderner Techniken, deregulierter Arbeitsmärkte und bindungsschwächerer Lebensgemeinschaften jenseits von klassischen Ehen und Traditionsfamilien fürchten.

Quelle : www.spiegel.de

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