Erst schafft Brüssel die Glühbirne ab, dann den Glühwein - und bald die Glühwürmchen? Was haben die unschuldig strahlenden Energiefresserchen denn getan? Gegen die Eurokraten hilft nur eines: die Gründung einer Pro-Birnen-Partei.
In ausgewählten Elektrofachgeschäften spielen sich diese Woche angeblich dramatische Szenen ab. Wer nur lange genug danach sucht, wird irgendwo auf verzweifelte Glühbirnen-Hamsterkäufer stoßen: Verwirrte Verbraucher, die sich an den Blaumann ihres Baumarktverkäufers krallen auf der Jagd nach der letzten Palette 100-Watt-Funzeln. Kinder, die mit verheulten Augen um die Zukunft ihrer liebgewonnenen elektrischen Weihnachtsbaumbeleuchtung greinen.
Und all das, weil seit 1. September europaweit ein Verkaufsverbot für leistungsstarke Glühlampen in Kraft ist. Dass in manchen deutschen Firmen schon vorher die Lichter ausgingen, hat mit der Neuregelung nichts zu tun. Aber auf EU-Ebene werfen schon jetzt viel weitreichendere Pläne düsterste Schatten voraus.
Nach der Glühbirne dürfte es den Glühwein treffen. Auch er macht nicht richtig hell, nur warm. In der diesjährigen Herbst/Winter-Saison wird man sich auf hiesigen Weihnachtsmärkten ein letztes Mal unbeschwert "auf Betriebstemperatur saufen" können. Danach ist bis 2016 ein schrittweiser Umbau der Produktion geplant - hin zu allenfalls noch handwarm dargereichtem, aber höchstprozentigem Jagertee oder Lumumba.
Glühwürmchen bleiben auf Drängen mehrerer Tierschutzorganisationen vorläufig von den Reformen verschont. Sie glimmern zwar weitgehend sinnlos, aber eben auch emissionsfrei vor sich hin. Die großen Online-Musikbörsen nehmen verdächtige Songs wie "Kleine Taschenlampe brenn!" freiwillig aus dem Programm. "Lichtgestalten" müssen in "Energiespargestalten" umgewandelt werden - wahlweise glänzend oder matt. Über die Zukunft von Wachs- und Zündkerzen wird derzeit auf Arbeitsebene multilateral verhandelt.
Der Mittelmeerraum kann aufatmen: Ab 1. Oktober verbietet die EU jeglichen Ausbruch von Wald- und Buschbränden, weil deren CO2-Bilanz einfach nicht mehr in die Zeit passt.
Hassprediger in der niedersächsischen TiefebeneUnd wofür das alles? Weil die erbarmungslose Eurokratie unserem armen, unschuldig strahlenden Energiefresserchen den Garaus machen möchte? Weil Brüssel stattdessen die monströse, quecksilberverseuchte, blaustichige und sündteure Energiesparlampe bevorzugt?
Schon bald wird für die klassischen Leuchtmittel ein Schwarzmarkt entstehen, der Restbestände und asiatische Importe am Rande dubioser Flohmärkte feilbietet. Eine neue Generation von Hasspredigern wird durch die niedersächsische Tiefebene ziehen und Erleuchtung versprechen: "Erst wenn die letzte 20-Watt-Birne zerschlagen ist, werdet ihr begreifen, dass man eine Umweltbilanz nicht essen kann."
Zu rechnen ist überdies mit der baldigen Gründung einer Pro-Birnen-Partei, die schon bei der nächsten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen aus dem Stand die Fünf-Prozent-Hürde nehmen dürfte. Die etablierten Parteien sollten das Protestpotential nicht unterschätzen: Glühbirnenanhänger sind keine Splittergruppe!
Für Bundespolitiker wie Franz Josef Jung, Ronald Pofalla oder Heidemarie Wieczorek-Zeul ist das Leuchtenverbot dennoch ein positives Signal. Egal wie die Bundestagswahl ausgeht - sie können mit einer Anschlusskarriere in Brüssel rechnen. Als vorbildhaft gilt dort, dass sie erwiesenermaßen über keinerlei umweltbelastende Strahlkraft verfügen.
Quelle :
www.spiegel.de