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Der Pay-TV-Markt in Europa steht vor einem Umbruch. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kippte am Dienstag in Luxemburg die nationalen Vermarktungsgrenzen und entschied, dass es Zuschauern nicht verboten werden darf, sich Decoderkarten für den Empfang ausländischer Bezahlplattformen zu beschaffen.
Laut Gericht verstoßen Exklusivitätsrechte bei der Vermarktung von Bezahlangeboten gegen EU-Recht, da sie den europäischen Binnenmarkt in nationale Märkte trennen. Nach Ansicht der Richter verstoßen nationale Vorschriften, die die Verwendung ausländischer Decoderkarten untersagen, gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs sowie gegen das Wettbewerbsrecht der EU.
Eine Gutachterin des Gerichts hatte zuvor bereits empfohlen, die Verwendung ausländischer Decoderkarten zum Empfang von Pay-TV-Übertragungen zu billigen. Das EU-Gericht folgt in etwa drei Vierteln aller Fälle der Empfehlung der Gutachter. Hintergrund ist ein Streit der englischen Premier League mit einer Pub-Besitzerin, die mit einer aus Sicht des Ligaverbands nicht autorisierten griechischen Decoderkarte in England Fußballspiele gezeigt hatte (Rechtssache C-403/08).
Hintergrund des Falls ist ein Streit der englischen Premier League mit der Pub-Besitzerin Karen Murphy. Die Wirtin aus Portsmouth hatte in ihrer Kneipe Fußball im Pay-TV gezeigt, dafür aber keine Decoderkarte des britischen Bezahlsenders BSkyB verwendet, sondern eine günstigere aus Griechenland. Daraufhin wurde sie von der englischen Fußballliga verklagt. Murphys Anwalt hatte sich auf die Dienstleistungsfreiheit in der EU gestützt. Dieser Einschätzung folgten die Richter in ihrem Urteil am Dienstag. Der Rechtsstreit dauerte mehrere Jahre. Gegen das Urteil aus Luxemburg ist keine Berufung möglich.
Bundesliga drohen massive finanzielle Konsequenzen
Für die Proficlubs und Millionen von Fans steht dabei viel Geld auf dem Spiel. Das Urteil könnte die Fußball-Übertragungen im Abonnementfernsehen billiger machen, nachdem die Richter in Luxemburg die Weichen für einen europaweiten Wettbewerb gestellt haben. Fans könnten in Zukunft Verträge mit ausländischen Anbietern abschließen, die Live-Spiele aus der Bundesliga oder anderen Ligen kostengünstiger anbieten als nationale Pay-Sender.
Die Entscheidung hat zudem enorme Auswirkungen auf die Vermarktung der Bundesliga. Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge befürchtet sogar "gefährliche Zeiten". Die Preise für nationale Übertragungsrechte könnten gewaltig unter Druck geraten. Derzeit sorgen die TV-Erlöse in Deutschland immerhin für knapp ein Drittel der Gesamteinnahmen der Vereine.
Nach Ansicht der EuGH-Gutachterin bewirken Exklusivitätsrechte eine Aufteilung des Binnenmarktes in getrennte nationale Märkte. Dies stelle eine "Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit dar" und sei nicht mit dem Unionsrecht konform. Unklar sind derzeit die Folgen des Urteils auf andere Pay-TV-Angebote wie Spielfilme und Serien.
Konsequenzen für Spielfilme und Serien noch nicht absehbar
Das EU-Gericht schränkte ein, dass sich das Urteil nicht auf urheberrechtlich geschützte Inhalte anwenden lasse. Bei einzelnen Teile einer Übertragung wie beispielsweise der Hymne der Premier League handele es sich um geschützte Werke. Fußballspiele selbst stuften die Richter hingegen nicht als geschützte Werke ein.
In einem Lokal gezeigte Übertragungen, die die Auftaktvideo-Sequenz oder die League-Hymne enthielten, seien eine "öffentliche Wiedergabe", die vom Urheber gebilligt werden müsste. Auch der Zugriff auf Spielfilme und andere Bezahlinhalte von attraktiven Konkurrenten aus dem deutschsprachigen Ausland könnte damit für die Kunden nur eingeschränkt geöffnet werden. Bislang waren über Zwischenhändler abgeschlossene Abos für Angebote von BSkyB, Canal Digitaal und anderen ausländische Bezahlplattformen generell in einer rechtlichen Grauzone angesiedelt gewesen.
Die Football Association Premier League (FAPL), die sich um die Vermarktung der Premier-League-Spiele kümmert, hatte gegen die Verwendung ausländischer Decoderkarten geklagt. Unternehmen würden Karten aus dem Ausland nach Großbritannien importieren und sie Gaststätten zu günstigeren Preisen anbieten als die heimischen Lizenznehmer. Dagegen ist die Generalanwältin der Ansicht, dadurch werde die wirtschaftliche Verwertung der Rechte nicht unterlaufen, denn schließlich würden die entsprechenden Gebühren für diese Karten entrichtet.
Quelle: www.digitalfernsehen.de
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Das Pay-TV-Urteil des Europäischen Gerichtshofes erschüttert den Medienmarkt in Europa. Doch viele Folgen sind noch unklar. Dass der Spruch am Ende den Verbrauchern zugutekommt, ist aber eher unwahrscheinlich.
Darf sich der deutsche Fan auf geringere Kosten im Fußball im Pay-TV freuen?
Fußballfans können sich künftig den günstigsten Anbieter für ihr Bezahlfernsehen aussuchen und so Geld sparen. Der Zuschauer kann nach dem EuGH-Urteil legal Decoder von ausländischen TV-Anbietern nutzen. Die sind aber entweder - wie etwa Sky Österreich - ähnlich teuer wie in Deutschland oder zeigen nicht alle Spiele und haben keinen deutschen Kommentar. Beim Fußball verschmerzbar. Die Gebühren bei Sky Deutschland werden zunächst eher nicht sinken.
Wie wird das Urteil die anstehende TV-Rechtevergabe auf dem deutschen Markt beeinflussen?
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) will ihre Rechte noch in diesem Jahr neu ausschreiben. Die Beteiligten werden die Spielregeln anpassen. Die wahrscheinlichste Variante ist, dass die geplanten Pakete nicht mehr deutschlandweit, sondern europaweit angeboten werden. Der Käufer hätte dann die Möglichkeit, mit den erworbenen Lizenzen auch in anderen Ländern Kunden zu werben. Das könnte für Sky beispielsweise auf Mallorca interessant sein. In kleinen Märkten wie Luxemburg oder den baltischen Staaten dürfte sich das aber kaum lohnen.
Was bedeutet das Urteil für Pay-TV-Sender?
Zunächst scheint der Richterspruch ein Schlag für das Bezahlfernsehen zu sein. Auf jeden Fall wird es wohl zu einem schärferen Wettbewerb zwischen den Anbietern in Europa führen. Wie scharf der am Ende sein wird, ist aber offen, ebenso wie der Nutzen für die Kundschaft. Vor allem könnte das EuGH-Urteil die Position der größeren Sender gegenüber den Rechteverkäufern stärken.
Hat das Urteil Einfluss auf andere Sportarten oder die Vermarktung von Pay-TV-Rechte für Filme und Unterhaltung?
Das EU-Recht gilt grundsätzlich auch für andere Vereine und Verbände. Daher wirkt sich das Urteil auch auf andere Sportarten und auch für Filmrechte aus, in den laufenden Verträge sind die territorialen Einschränkungen unwirksam.
Welche Auswirkungen auf den britischen Fußball sind zu befürchten
In Großbritannien glauben Experten, dass das Urteil den Fußball in der Premier League massiv verändern kann. Die Fernseheinnahmen sind die Haupteinnahmequelle für die Vereine, die oft extrem hohe Ablösesummen und Spielergehälter bezahlen. Wenn die Bezahlsender aus Wettbewerbsgründen nicht mehr bereit sind, so viel wie bisher für die Übertragungsrechte hinzulegen, könnte sich das auch auf die finanzielle Potenz der Vereine auswirken. Der Medienexperte Tom Cannon von der Universität Liverpool glaubt, dass die Fußball-Ligen in Deutschland, Spanien und Italien von der Entscheidung profitieren können. "Spieler sind heute mobil", sagte er der BBC.
Wie werden Premier League und britische Bezahlsender reagieren?
Im Moment herrscht große Ratlosigkeit, Liga und Sender wollen sich das Urteil zunächst genau anschauen. Der britische Medienanwalt Daniel Geey glaubt, dass die Premier League ihren Rechteverkauf nun neu regeln wird. "Viel wird auf die Verhandlungen mit den Fernsehsendern ankommen und auf deren Bereitschaft, weiterhin die hohen Summen zu zahlen", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Er vermutet, dass Notfallpläne bereits in den Schubladen liegen. Möglich erscheint theoretisch auch ein pan-europäische Lösung, bei der die Sender international zusammenarbeiten.
Quelle: SAT + KABEL