Es gilt als sicher, dass die Weltbevölkerung bis 2050 auf gut neun Milliarden anwachsen wird. Die Frage aber ist: Steht uns damit eine absehbare Katastrophe ins Haus?
"Ein Mensch, ... wenn seine Familie nicht die Mittel hat, ihn zu ernähren oder wenn die Gesellschaft seine Arbeit nicht nötig hat, ... hat nicht das mindeste Recht, irgend einen Teil von Nahrung zu verlangen, und er ist wirklich zu viel auf der Erde... Die Natur gebietet ihm abzutreten, und sie säumt nicht, diesen Befehl zur Ausführung zu bringen". Mit diesem Fazit, das der britische Ökonom Thomas Malthus 1798 in seinem "Essay on the Principle of Population" zog, dürfte Malthus der erste große Katastrophenprediger gewesen sein, der die unausweichliche Übervölkerung der Erde prognostizierte und zugleich Seuchen und Krieg als einzigen Ausweg erkannte.
Auch wenn er die rabiate Einschätzung aus späteren Ausgaben wieder strich, scheint seine Rechnung gar nicht so unrealistisch: Die Bevölkerungszahl, kalkulierte er, steigt geometrisch an, während die Ressourcen zu ihrer Versorgung nur linear wachsen.
Die Katastrophe blieb aus
In unmittelbarer historischer Folge allerdings zeitigte das Bevölkerungswachstum zunächst andere Effekte. Vor allem die Urbanisierung führte zu einem ökonomischen Wachstum, das den mittleren Lebensstandard der Menschen sogar erhöhte. Erst in den 1960-er Jahren des 20. Jahrhunderts sah es wieder so aus, als sollte Malthus Recht behalten, als absehbar wurde, dass sich die Weltbevölkerung binnen weniger Dekaden verdoppeln würde.
Doch die Katastrophe blieb aus, wie das Wissenschaftsmagazin Science in einem ganzen Special zum Bevölkerungswachstum analysiert. Obwohl heute sieben Milliarden Menschen auf der Erde leben - im Vergleich zu 2,5 Milliarden im Jahre 1950 - ist die mittlere Lebenserwartung von 46 auf 69 Jahre gestiegen, ist die Kindersterblichkeit auf ein Drittel geschrumpft und hat sich die Geburtenrate halbiert - alles Faktoren, die auf ein gestiegenes Lebensniveau hindeuten.
Teilentwarnung
Die Prognosen für 2050 und darüber hinaus geben denn auch zumindest Teilentwarnung: Die Lebenserwartung wird weniger stark steigen, die Geburtenrate weiter sinken. Demographen beschreiben die Entwicklung als Übergangsphänomen: Durch verbesserte Lebensbedingungen sinken zwar sowohl Sterbe- als auch Geburtenrate, jedoch mit zeitlicher Verzögerung. Dieser Prozess wird uns bis 2050 weitere zwei Milliarden Mitbewohner bescheren, während man von 2050 bis 2100 dann nur noch eine Milliarde Zuwachs erwartet.
Natürlich wird der Zuwachs einen erheblichen Einfluss auf die Ressourcen der Erde haben. Allerdings bescheinigen Ökonomen dem Bevölkerungswachstum auch diverse positive Folgen. So vergrößert sich zum Beispiel auch der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung - und wie Zahlen etwa aus Indonesien und Nigeria zeigen, ist damit stets auch ein Anstieg des Prokopfeinkommens verbunden.
Zudem rechnen die Forscher mit einer unbedingten Zunahme der Migration. Vergleicht man zum Beispiel das Verhältnis von arbeitsfähiger zu nicht arbeitsfähiger Bevölkerung in der kombinierten Region Europa plus subsaharisches Afrika (Libyen, Algerien und so weiter) für heute und in der Projektion für 2050, dann bleibt die Zahl überraschend konstant.
Migration aus Nordafrika - von der Verhinderung zur Förderung
Wenn es nicht zu einem Arbeitskräftemangel im entwickelten Europa kommen soll, wird man irgendwann von einer Verhinderung der Migration aus Nordafrika zu ihrer Förderung übergehen müssen - statt illegaler Schleuserboote verkehren dann vielleicht subventionierte Arbeitskräfte-Fähren über das Mittelmeer. Anders wird es womöglich auch nicht mehr machbar sein, die Renten- und Krankenversicherungssysteme der entwickelten Staaten aufrechtzuerhalten, die von der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung in Frage gestellt werden.
Doch zunächst einmal, so die Prognosen der in Science zusammengefassten Paper, wird es zur Ablösung Chinas als bevölkerungsreichster Region kommen - ab etwa 2020 dürfte Indien dieser Titel gebühren. Deshalb lieber nicht voreilig Mandarin lernen - womöglich ist dann ja Hindi die gefragtere Sprache.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
Bis auf wenige Städte und Regionen schrumpft ohne Zuwanderung die Bevölkerung und wächst der Anteil der Alten und ganz Alten dramatisch
Die größeren Städte in Deutschland (und anderswo), vor allem wenn sie Universitäten besitzen, sind im Augenblick die Gewinner der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung, während ländliche Gebiete und kleinere Städte in der Regel an Einwohnern, an Wirtschaftskraft und an Bedeutung verlieren werden. Zu einem Ende scheint auch weitgehend der Suburbanisierungsprozess gekommen zu sein.
ie in das Umland oder den Speckgürtel überquellenden Städte der 1960er Jahre verlieren nach der Studie der Bertelsmann Stiftung oft weniger, während die nur dem Wohnen dienenden Vororte an Attraktivität verlieren. Dort könnte sich der Trend umkehren. Während vor Jahrzehnten die jungen Familien und manche der Wohlhabenderen aus den Zentren der Städte in die grünen Vororte zogen, so ziehen nun die ausgewanderten Alten wieder zurück, während diejenigen Jüngeren, die es sich leisten können, in den Städten bleiben. In den Städten, die einen Bevölkerungszuwachs zu erwarten haben, findet indes, zusätzlich gefördert durch den Immobilienboom aufgrund der Schulden- und Finanzkrise, eine Gentrifizierung statt. Die innerstädtischen Wohngebiete werden luxussaniert, die weniger begüterte Bevölkerung wird an den Rand gedrängt.
Wer noch zu den Boomzeiten des Internet vermutet hat, dass sich durch vernetzte Strukturen, flache Organisationen, virtuelle Interaktionen und dem dadurch angeblichen erfolgenden Bedeutungsverlust räumlicher Konzentration ein "digitaler Urbanismus" durchsetzt, in dem die realen Städte durch virtuelle Metropolen ersetzt werden, sieht sich getäuscht. Gerade dort, wo der ländliche Raum nicht mehr an prosperierende Zentren angeschlossen ist, wie das in vielen Teilen Ostdeutschlands der Fall ist, findet durch Wegzug der Jüngeren zugleich eine verstärkte Vergreisung und Bevölkerungsabnahme statt. Aus den blühenden Landschaften nach der Vereinigung könnten nun wirklich solche werden, wenn in den schrumpfenden Städten und Dörfern die Häuser und Infrastruktur abgeräumt werden.
(http://www.heise.de/tp/artikel/35/35791/35791_1.jpg)
In den blauen Regionen findet noch Bevölkerungswachstum statt, in den roten wird es öde, allerdings kann sich der Anteil der Alten auch in den Wachstumsregionen vergrößern. Bild: Bertelsmann Stiftung
emografische Vorhersagen sind allerdings mit Vorsicht zu sehen, viel wird davon abhängen, ob sich etwa Deutschland verstärkter Zuwanderung öffnen wird oder für Zuwanderer überhaupt attraktiv bleibt. Vorerst jedenfalls rechnet die von Bertelsmann Stiftung durchgeführte Bevölkerungsprognose bis 2030 mit einer enormen Vergreisung. Die Zahl der Menschen, die 80 Jahre und älter sind, soll bis dahin bundesweit um 60 Prozent ansteigen, am stärksten in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, am geringsten in Bremen und den Saarland. Regional ist das ebenfalls nach der Prognose sehr verschieden. Während der Anteil in manchen Städten und Gebieten nur unter 20 Prozent zunimmt, wird erwartet, dass dieser im Landkreis Doberan in Mecklenburg-Vorpommern um 139 Prozent oder im Landkreis Dachau um 120 Prozent zunimmt.
Bis 2030 soll die Hälfte der Deutschen älter als 49 Jahre sein. Wieder liegen hier ostdeutsche Bundesländer wie Sachsen-Anhalt und Thüringen über dem Durchschnitt, da hier die Hälfte der Menschen über 54 Jahre alt sein wird. München als eine der wachsenden Städte mit einer erwarteten Bevölkerungszuname von 15 Prozent bleibt hingegen relativ jung: hier soll die Hälfte der Menschen nur 41 Jahre sein. Man darf annehmen, wenn die Lebenserwartung nicht durch steigende Risikofaktoren wie Fettleibigkeit, mangelnde Bewegung, falsche Ernährung etc. in den kommenden Generationen zu sinken beginnt, dass daraus ein sich selbst verstärkender Prozess entsteht. Die Jungen werden aus den vergreisenden Regionen und Städten, in denen es auch immer weniger Arbeitsplätze, abgesehen von boomenden Dienst- und Pflegeleistungen für die (womöglich in Zukunft ärmeren) Alten, noch schneller auswandern, wodurch die Vergreisung ebenso schnell in die Höhe geht. Oder werden schließlich die Alten, die es sich leisten können, den Jungen in die urbanen Wirtschaftszonen nachwandern?
Interessant ist, dass nach den Prognosen die Zahl der alten Männer stark zunehmen soll. Während bei den über 80-jährigen Frauen "nur" ein Zuwachs von 40 Prozent bis 2030 zu erwarten sei, sollen die alten Männer sich um 103 Prozent vermehren. Das wird die Zusammensetzung der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen oder auch von Seniorenwohngemeinschaften verändern, wo bislang die Frauen dominierten. Und die zunehmende Vergreisung, sollte sie so und so schnell eintreten, wird nicht nur erhebliche wirtschaftliche Folgen haben - vielleicht kommt es ja zur weiteren Migration der wohlhabenderen Alten in andere Länder, wo man billiger, schöner und besser leben und sich versorgen lassen kann? -, sondern auch das Leben und die Kultur verändern. Sind jetzt nur 5 Prozent der Deutschen über 80 Jahre alt, sollen es bis 2030 schon 8,3 Prozent sein. In Sachsen und Sachsen-Anhalt sind es schon über 10 Prozent, in Brandenburg, Schleswig-Holstein, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern über 9 Prozent.
Während in den wachsenden Großstädten wie Hamburg, Berlin, München, Dresden, Leipzig oder Frankfurt sowie in deren Umgebung, oder in Städten wie Hannover, Ingolstadt, Rosenheim, Regensburg, Darmstadt, Stuttgart, Karlsruhe oder Freiburg die Wirtschaft boomt und Leben stattfindet, veröden andere Städte und Regionen. Suhl in Thüringen schrumpft weiter um 26 Prozent, Dessau muss noch einmal mit einem Rückgang um 22 Prozent rechnen, überhaupt verlieren weite Teile des Ruhrgebiets, von Niedersachsen, dem Saarland, von Nordbayern und -Nordhessen sowie der ostdeutschen Bundesländer deutlich an Bevölkerung.
Die Bertelsmann Stiftung hat Daten, Bevölkerungsprognosen und "konkrete Handlungskonzepte für die kommunale Praxis" für alle Städte und Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern für die Website www.wegweiser-kommune.de aufbereitet. Das Mantra der Bertelsmann Stiftung, das in der Studie gerne wiederholt wird, weist auch schon darauf hin, dass Deutschland zu einem Altersheim wird:
"Interessant ist dabei besonders der Blick auf die großen Verschiebungen im Altersaufbau", sagte Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung bei der Veröffentlichung der Daten. "Unsere Bevölkerungsprognose zeigt sehr deutlich, wo die Städte und Gemeinden in Deutschland ihre Planungen überdenken müssen." Zu den Herausforderungen gehörten der steigende Bedarf an Pflegekräften, die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sowie die Anpassung der Pflegeinfrastruktur (z.B. Tagespflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege).
Machen es die Japaner richtig? Sie lehnen Zuwanderung weiter ab und fördern die Entwicklung von Robotern, die irgendwann die wachsende Schar der Alten betreuen und pflegen sollen.
Quelle : http://www.heise.de/tp/