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Das von Schwarz-Rot beschlossene Konjunkturprogramm im Umfang von 25 Milliarden Euro kommt in der deutschen Wirtschaft nicht gut an. Arbeitgeber kritisieren, dass dafür neue Schulden aufgenommen werden. Gewerkschaftern geht das Programm noch nicht weit genug.
Berlin/Genshagen - "Besser als kurzfristige Konjunkturspritzen wäre die Belebung von langfristigen Wachstumskräften", sagte der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Axel Nitschke, der "Berliner Zeitung". Das Konjunkturpaket könne allenfalls als Überbrückung bis zum In-Kraft-Treten der angekündigten zentralen Reformen dienen.
"Vorfahrt für Wachstum und Beschäftigung schafft die Bundesregierung, wenn sie - wie angekündigt - bald die Reformen der Unternehmensbesteuerung, des Gesundheitswesens und des Arbeitsmarktes auf den Weg bringt", erklärte Nitschke. Der Hauptschwachpunkt des Pakets sei die Finanzierung durch neue Schulden, die das Defizit einmal mehr über die vom Grundgesetz und dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt gesetzten Grenzen anwachsen lasse.
Dagegen forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine Ausweitung des Programms. DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer sagte: "Wir unterstützen das Vorhaben der Bundesregierung, die Konjunktur anzukurbeln, sind aber der Auffassung, dass die dafür vorgesehenen 25 Milliarden nicht ausreichen." Es würden mehr Investitionen im privaten und öffentlichen Bereich gebraucht - vor allem auch deshalb, "weil die drohende Mehrwertsteuererhöhung ab 2007 als Wachstumsbremse wirkt", sagte die Gewerkschafterin.
Investitionsprogramm als Strohfeuer
Das Investitionsprogramm ist auch bei führenden deutschen Wirtschaftsforschern auf Skepsis gestoßen. Das Konsumforschungsinstitut GfK hat ebenfalls an die Bundesregierung appelliert, das geplante Konjunkturprogramm großzügig zu bemessen. "Greift die Regierungskoalition zu niedrig in die Kasse, könnte sich das Investitionsprogramm als Strohfeuer erweisen und verpuffen", sagte der GfK-Vorstandsvorsitzende, Klaus Wübbenhorst. Deswegen müsse die erhoffte Anschubwirkung spürbar sein, um in eine nachhaltig verbesserte Stimmung für Wirtschaft und Konsumenten münden. Für das Vertrauen der Verbraucher sei wichtig, dass die Politik eine gehörige Portion Zuversicht und Planungssicherheit für den Konsumenten liefere.
"Wir benötigen eine Initialzündung, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Dazu reichen 25 Milliarden Euro nicht aus. Sie sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagte auch der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Für einen nachhaltigen Effekt seien mindestens 35 Milliarden Euro nötig. Zudem sei es falsch, das Geld über vier Jahre zu verteilen. "Dann verpufft die Wirkung. Besser wäre es, den Investitionsimpuls zeitlich vorzuziehen und zu verstärken."
Der Konjunktur-Experte vom Essener Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Roland Döhrn, kritisierte dagegen, weder die verbesserte steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen noch die Förderung von Dienstleistungen im Haushalt würden die Wirtschaft nachhaltig ankurbeln. Dies sei zunächst einmal teuer, sagte er der Zeitung. Die deutsche Wirtschaft brauche kein Konjunkturprogramm, vor allem nicht derzeit, da die Wirtschaftsaussichten relativ positiv seien.
Bundesregierung in Klausur
Das Bundeskabinett will heute am zweiten Tag ihrer Klausurtagung auf Schloss Genshagen über die Haushalte für die Jahre 2006 und 2007 sowie über die Arbeitsplanung des laufenden Jahres beraten. Für den Haushalt des laufenden Jahres sollen Regierungskreisen zufolge Anfang Februar die Chefgespräche stattfinden. Das Kabinett soll sich am 22. Februar mit dem Haushaltsentwurf befassen. Derzeit regiert das Kabinett mit einer vorläufigen Haushaltsführung. Im Jahr 2007 will Deutschland nach fünfmaliger Verletzung des Maastricht-Vertrages die Euro-Stabilitätskriterien wieder einhalten.
Bei der Arbeitsplanung für 2006 geht es unter anderem um die nächste Gesundheitsreform sowie die Themen Kombilohn und Mindestlohn. Im Gespräch hierzu ist die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die Instrumente zur Förderung des Niedriglohnsektors prüfen soll. Gesprächsthema heute ist auch die Energiepolitik. Der bisher für März geplante Energiegipfel soll nach Angaben aus Regierungskreisen nun erst Anfang April stattfinden. Der Atomausstieg ist für die SPD allerdings nicht verhandelbar. Merkel und Müntefering wollen die Ergebnisse der Klausurtagung am frühen Nachmittag in Berlin präsentieren.
Quelle : www.spiegel.de
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Der Schock sitzt tief - denn niemand hatte erneut mit über fünf Millionen Arbeitslosen gerechnet. "Der Trend bleibt positiv", übt sich Bundesagentur-Chef Weise in Optimismus. Ökonomen glauben erklären zu können, warum die Zahl so schrecklich hoch ist.
Hamburg - Es sah alles so gut aus: Von Oktober auf November waren die Arbeitslosenzahlen gesunken, obwohl das für den Herbst vollkommen ungewöhnlich ist. Im Dezember nahm der Pulk der Arbeitslosen nur um rund 75.000 auf 4,606 Millionen zu, auch das ein überraschend gutes Ergebnis. Kein Wunder, dass der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, heute wie ein gescholtener Schuljunge vor den Journalisten in Nürnberg saß - die Schultern leicht hochgezogen, die Hände unter dem Tisch. Schon wieder über fünf Millionen registrierte Arbeitslose, 5,012 Millionen um genau zu sein, eine Quote von 12,1 Prozent.
Der Schock saß tief, denn damit hatte niemand gerechnet. "Wir haben Ende Dezember drei Szenarien durchgerechnet und sind dabei unter der Fünf-Millionen-Grenze geblieben", erklärte Weise später gegenüber SPIEGEL ONLINE. Prognosen seien eben immer schwierig.
Trotzdem scheint der starke Anstieg vor allem durch temporäre Effekte erklärbar. So führte die ungewöhnlich heftige Kältewelle nach den beiden überraschend milden Vormonaten zu einem besonders starken Jobverlust etwa im Baugewerbe - das glaubt auch Ulrich Kater, Chefsvolkswirt der DekaBank: "Das Wetter hat eine wichtige Rolle gespielt."
Darüber hinaus greifen ab Februar die neuen Regeln für das Arbeitslosengeld I: Dann bekommen Arbeitslose, die älter sind als 55, nur noch höchstens 18 Monate ausbezahlt statt wie bisher 32. "Das hat sicherlich dazu geführt, dass viele Arbeitnehmer vorzeitig entlassen wurde, damit sie noch die alten Bezugszeiten in Anspruch nehmen können", sagt Kater. Diese Vorzieheffekte seien viel größer gewesen als erwartet, erklärte auch BA-Chef Weise.
"Der Trend, den wir in den letzten Monaten festgestellt haben, bleibt weiter positiv", beharrte er deshalb fast trotzig. Und auch Konjunkturexperte Kater will nicht vom großen Einbruch auf dem Arbeitsmarkt sprechen. Die erfreuliche Entwicklung der letzten Monate sei konjunkturell bedingt und breche deshalb durch den unerwartet starken Anstieg im Januar nicht plötzlich ab. "Wir leben in einer Zeit des Aufschwungs, und das hat ja auch jedermann inzwischen mitbekommen", sagt der Volkswirt.
Schließlich prognostizierten inzwischen sämtliche Ökonomen, dass das Wachstum 2006 ordentlich anziehen wird, gibt Kater zu bedenken. Diese Erholung sei nachhaltig: Jahrelang hätten die Unternehmen in Folge des Bebens am Aktienmarkts 2000 vor allem Geld gehortet, "dieser Börseneinbruch war schließlich schlimmer als 1929. Aber inzwischen denken auch deutsche Unternehmer wieder an Expansion", glaubt Kater. "Und positives Investitionsverhalten schlägt sich auch am Arbeitsmarkt nieder - auch in sozialversicherungspflichtigen Jobs."
Ähnlich sieht das auch Wolfgang Leim, Volkswirt bei der Dresdner Bank. "Man sollte nicht von schlechten Zahlen im Januar auf den ganzen Rest des Jahres schließen," sagte er im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Und vor allem solle man trotz der niederschmetternden Gesamtzahl positive Signale nicht außer Acht lassen: "Die Zahl der offenen Stellen beispielsweise ist von 394.000 auf 414.000 gestiegen."
Auch Unternehmer hätten sich in mehreren Umfragen hinsichtlich der Beschäftigungsentwicklung positiv geäußert. Leim rechnet deshalb sogar damit, dass dieses Jahr rund 300.000 neue Stellen geschaffen werden und die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit von durchschnittlich rund 4,86 Millionen auf 4,6 Millionen Erwerbslose gedrückt werden kann.
IfW-Chef Snower rät: Ganz von vorne anfangen
Nicht halb so rosig will Dennis Snower, Chef vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, die Lage sehen. Zwar hält auch er die hohe Arbeitslosenzahl vom Januar nicht für außergewöhnlich dramatisch: "Wenn man die saisonbereinigten Zahlen betrachtet, hat sich nicht so viel verändert", sagt er.
Dennoch zweifelt er daran, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig verbessern könnte. "Selbst wenn es einen Aufschwung gibt - unter den jetzigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen wird es Jahre dauern, bis sich das in niedrigeren Arbeitslosenzahlen niederschlägt", sagt der Arbeitmarktexperte zu SPIEGEL ONLINE. "So war es auch in den achtziger Jahren: Die Rezession, die die Zahl der Erwerbslosen enorm hat anwachsen lassen, war schon 1982 vorbei. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich aber erst 1986 wieder einigermaßen stabilisiert."
Der Arbeitsmarkt sei zu starr geordnet, findet Snower. Arbeitslose hätten zu wenig Anreize, eine Arbeit aufzunehmen, Arbeitgeber zu wenig Motivation, Stellen zu schaffen, so der Institutschef. "Der Kündigungsschutz bewirkt, dass weniger Leute entlassen, aber auch weniger Leute eingestellt werden."
Es sei außerdem falsch, sich zu sehr auf die aktuellen Wachstumsprognosen zu verlassen, sagt Snower. Denn die spiegelten lediglich wider, was passiert, wenn alle äußeren Faktoren so bleiben wie bisher. "Die Weltwirtschaft steht aber auf sehr wackeligen Beinen und die deutsche Wirtschaft ist durch ihre Exporte sehr von der Weltwirtschaft abhängig." Das sei auch Unternehmern bewusst: "So erklärt sich, dass sich die konjunkturelle Erholung nicht so schnell in neuen Stellen niederschlagen wird."
2007 werde außerdem die angekündigte Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent der zarten deutschen Konjunktur wieder einen kräftigen Dämpfer verpassen, wie alle Studien durch die Bank weg prophezeien. "Dann ist auf dem Arbeitsmarkt auch nichts mehr zu holen", glaubt auch DekaBank-Chefvolkswirt Kater.
Sollte die Große Koalition den bisher eingeschlagenen Weg weitergehen, sieht IfW-Chef Snower außerdem auch langfristig wenig Chancen auf Besserung: "Eins müssen wir uns klar machen: Abwarten hilft nicht. Die Hartz-Reformen brauchen nicht einfach nur mehr Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten. Sie setzen zu wenig Anreize und werden deshalb keine grundlegenden Verbesserungen nach sich ziehen." Alles was die Koalition jetzt tun könne, sei, "sich mit einem frischen Blatt Papier hinzusetzen und ganz neu zu überlegen, was sie jetzt tun will".
Auch in der Bundesagentur sieht man deshalb nach den kurzen Verschnaufpausen im November und Dezember den künftigen Monatsveröffentlichungen offenbar schon mit Grauen entgegen. Im Februar werde die Zahl der Erwerbslosen - weil das in diesem Monat einfach immer so sei - voraussichtlich noch einmal steigen, erklärte man heute.
Auf die Frage nach den langfristigen Perspektiven erklärte Bundesagenturchef Weise außerdem: "Was das Jahr 2007 angeht, wage ich keine Prognose. Wir haben Anzeichen, dass die Konjunktur durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer belastet wird. Was das für den Arbeitsmarkt bedeutet, kann Ihnen heute niemand seriös vorhersagen."
Quelle : www.spiegel.de
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Die postindustrielle Wissensgesellschaft ist grausam: Sie trennt die Schicht derer, die ihre Chancen wahrnehmen, scharf von den vielen, die ihre Angebote nicht nutzen können. Die Eliten schotten sich ab, die Deklassierten resignieren. Sozialer Ausgleich findet nicht statt.
Die Herolde unablässiger Systemveränderung lieben es, mit dem Begriff der "Realität" ihre Semantikschlachten auszufechten. Die "Realität" beschreiben sie durchweg in schneidigen Metaphern: Als eisige Konkurrenz des Wettbewerbs, als erbarmungslose Herausforderung des globalen Arbeitsmarktes, als rüden Ansturm vorwärtsdrängender, bedingungslos erwerbswilliger Nationen. Nur wenn die Deutschen sich dieser Realität stellen, also länger arbeiten, weniger verdienen, für Medikamente und Rentenversicherung selbst aufkommen, wenn sie ihre Ansprüche gegenüber den Staat aufgeben, sich von überlieferten Besitzständen lösen, dann - und allein dann - hat das Land noch eine Chance, in der harten Wirklichkeit der hochmobilen Wissensgesellschaften zu überleben.
So klingt der monotone Choral unserer Reformkardinäle. Und daher verfallen sie seit den Bundestagswahlen im letzten Jahr in Jeremiaden darüber, dass die törichten Deutschen wieder nicht in der "Realität" angekommen seien, weiterhin der puren Illusion fortwährender Sozialstaatlichkeit hinterherlaufen, ängstlich am großkoalitionären Konsens festhalten.
Zuchtmeister "Realität"
Das ist nicht schlecht ausgedacht. Denn wer sich auf die "Realität" beruft, reklamiert für sich unumstößliche Fakten und die reine Wahrheit. Die "Realität" wird auf diese Weise zum gebieterischen Zuchtmeister; sie verlangt folgsame Anerkennung, nicht offene Diskussion oder kritische Erörterung. Der "Realität" muss man sich unterordnen, ihrer inneren Logik fügen. Sie setzt die Gegebenheiten, sie ist alternativlos und dadurch vernünftig, ja: zwingend. Die Ideologen der allein einen Realität haben den Hegelschen Weltgeist, den ehernen Telos der Geschichte wiederentdeckt.
Doch ist die Realität natürlich eine höchst ambivalente Sache. Die Wirklichkeit der einen entspricht keineswegs der Realität der anderen. Was die einen begeistert, werden die anderen beklagen. So eröffnet die aktuelle "Realität" der postindustriellen Gesellschaften gewiss und fraglos zahlreiche Chancen und lockende Perspektiven. Einerseits. Andererseits aber hat die marktförmige Wissensgesellschaft mit ihren Entstrukturierungsmechanismen ebenso unzweifelhaft Heerscharen von Überflüssigen, Entbehrlichen, von chancenlosen Bildungsarmen geschaffen.
Mehr noch: Das Signum der postindustriellen Gesellschaft ist die sozialkulturelle Polarisierung, ein sichtbarer und fühlbarer Wohlstands- und Erlebnisgraben. Die neue Wissensgesellschaft "ist grausam", wie es Wolf Lepenies, der diesjährige Träger des Friedenspreise des Deutschen Buchhandels, einmal ausgedrückt hat - für diejenigen jedenfalls, die an ihren Angeboten nicht teilhaben können. Und es ist bemerkenswert, dass es nur in denkbar bescheidenen Ansätzen eine Debatte darüber gibt, wie in einer Gesellschaft, die Rang, Stellung, Geltung, ja menschlichen Wert schlechthin zunehmend allein nach IQ und Bildungszertifikaten bemisst und in deren Laboren schon genetische Fortpflanzungsoptimierungen lebenswissenschaftlich vorbereitet werden, wie in einer solchen Gesellschaft also die Gleichheit und der Respekt innerhalb der gesamten Staatsbürgerschaft erhalten bleiben kann.
Die Eliten bleiben unter sich
Die alte Industriegesellschaft, von der wir uns gerade verabschieden, hat die Gruppen noch kollektiviert und gebündelt, hat durch die sozialstaatliche Bändigung soziale Gegensätze gemildert, Durchlässigkeiten geschaffen, Chancen auch nach oben geöffnet. Das alles ist in der postindustriellen Wissensgesellschaft anders. Die Eliten sind wieder wirklich elitär, rekrutieren sich in einem in einem über Jahrzehnte nicht mehr gekannten Umfang aus sich selbst, nach den - höchst leistungswidrigen - Indikatoren von materiell vorgegebener Herkunft, vertrauter Zugehörigkeit, kulturellen Codes und abgrenzenden Gruppenhabitus. Auch sozialräumlich scheiden und trennen sie sich stärker denn zuvor seit den sechziger Jahren. Und: Innerhalb der ökonomischen Führungsgruppen gibt es nicht mehr viel Sinn für die Mühen der Integration nach unten. Auch das war eine zeitlang ein wenig anders.
So existieren zwei "Realitäten" in diesem Land. Natürlich hat die erste, die Chancen-und-Gewinner-Realität, die zweite, die Scheiterer-Realität, mitgeformt. Die Antisozialstaatlichkeit der neuliberalen Wirklichkeitsinterpreten hat nach zwei Jahrzehnten der diskursiven Hegemonie nicht nur zu einer in Teilen fraglos wünschenswerten Deregulierung von verknöcherten Bürokratien und zu einem löblichen Anstieg selbstverantwortlicher Individualität geführt, sondern auch zu einer Durchlöcherung sozialstaatlicher Normen - wie Fairness, Ausgleich, Integration, Verknüpfung - und zu einer Destruktion klassenintegrierender, Bindungen stiftender Institutionen.
Die neuen vielgerühmten zivilgesellschaftlichen Selbstorganisationen sind demgegenüber weit mehr gruppenbezogen, mittelschichtlastig; sie greifen nicht nach unten, verschränken die heterogenen Gruppen nicht mehr, wie es die alte Sozialstaatlichkeit noch als zentrale Maxime verfolgte. Insofern führt die neuliberale "Wirklichkeit" nicht nur zur befreienden Individualität, sondern - je weiter gesellschaftlich nach unten reichend, desto stärker - auch zu einer negativen Individualisierung.
Auflehnung ist nicht in Sicht
Im "neuen Unten" bleiben die Einzelnen für sich, unorganisiert, handlungsgehemmt, vereinsamt. Sie stören dadurch die Gesellschaft nicht mehr, bereichern und befruchten sie aber auch nicht, wie einst noch die organisierten Gegenkulturen. Als "perspektivlos Resignierte" werden sie von den akademischen Werteforschern kühl katalogisiert.
In Deutschland wächst wieder so etwas wie die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen heran. Und falls der nächste heißersehnte konjunkturelle Aufschwung kommt, wird die Kluft zwischen den gleichzeitig erlebten Ungleichzeitigkeiten noch tiefer, noch schwerer erträglich: Die einen gewinnen maßlos und werden dies aller Wahrscheinlichkeit dann lustvoll luxuskonsumistisch inszenieren, die anderen werden an der Wohlstandsmehrung nicht den geringsten Anteil haben, werden den vorgeführten Kontrast zwischen unten und oben als demütigender empfinden denn noch zuvor.
Wenig allerdings spricht allerdings dafür, dass die in ihrer Würde verletzten, aber eben atomisierten, netzwerklosen und selbstbewusstseinsfreien Unterschichten sich gegen ihre Marginalisierung mit langem Atem und festem Willen auflehnen werden. Schlagkräftiger, zäher, konstanter und zielgerichteter Protest ist in aller Regel von Menschen mit hohen Qualifikationen, starken Identitäten, großer Artikulationsfähigkeit und souveränem Organisationsvermögen zu erwarten. Es sind Blockierungen durch das jeweils gegenwärtige Establishment, was ressourcenstarke, um die eigene Zukunft indes betrogene Gruppen zur Aufkündung der Loyalität mit den ökonomisch-politischen Dirigenten veranlassen und sie dabei zu mindestens taktischen Allianzen auch nach unten motivieren. Die Soziologen bezeichnen dieses soziale Befindlichkeit als Statusinkonsistenz, als Diskrepanz mithin zwischen hohem Leistungspotential und geringer gesellschaftlicher Position, welche in den Loyalitätsbruch führt. Kaum etwas jedenfalls erschüttert eine politische Ordnung stärker als ein tiefgreifender Dissens zwischen etablierten Eliten auf der einen Seite und den abgewiesenen Repräsentanten neuer Ansprüche auf der anderen Seite.
Doch allen Anschein nach sind die blockierten Hochqualifizierten der nachwachsenden Generation souverän domestiziert und ohne große Mühe konsumistisch an die Kette gelegt. Schließlich haben sie Eltern mit großzügig ausgebauten Eigenheimen, bei denen sie kostenlos Unterkunft und Logis geboten bekommen, wenn es mit dem Berufseinstieg nicht so recht klappt. Und überdies sind da oft genug noch Großeltern, die riesige Summen angespart haben und an die Enkel - das "eigen Fleisch und Blut" - vererben wollen. All das dämpft und saturiert die bekanntlich durchaus fragilen jungmittelschichtigen Lebenswelten der Republik. Für die überschüssigen Energien stehen stundenweise La-Ola-Wellen an lauen Sommerabenden zur Verfügung. Und überhaupt: Irgendwie ist alles in den globalen Supermärkten zu kaufen, was für Zerstreuung sorgt, Kurzweil bringt, eine geile Stimmung erzeugt. Es gärt also nicht im Land der Ungleichzeitigkeiten. Noch ist die Party nicht zu Ende. Noch nicht.
Quelle : www.spiegel.de
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Nach jahrelanger Stagnation ist die Konjunktur in Deutschland endlich angesprungen - für 2007 und 2008 stehen die Zeichen auf Wachstum. Weltweit mehren sich hingegen die Krisenzeichen: Die Besorgnis erregende Lage in den USA könnte die gesamte Weltwirtschaft gefährden, warnt die Weltbank.
Washington - Dass die Konjunktur in der größten Volkswirtschaft der Welt schwächelt, könnte zu einem globalen Rückgang des Wirtschaftswachstums beitragen, fürchtet die Weltbank. In ihrem heute veröffentlichten Bericht "Global Economic Prospects" heißt es, die Entwicklung in den USA gebe Anlass zur Sorge. Die Krise auf dem Immobiliensektor könne schlimmstenfalls sogar zu einer Rezession in den Vereinigten Staaten führen. Dann seien auch negative Auswirkungen auf die Schwellenländer nicht ausgeschlossen.
Die Weltbank geht inzwischen davon aus, dass das weltweite Wachstum in diesem Jahr 5,1 Prozent betragen wird. 2007 werde es auf 4,5 Prozent zurückgehen, bevor es im Jahr darauf wieder auf 4,6 Prozent zulegen dürfte, schreiben die Experten. Dabei würden in den kommenden zwei Jahren vor allem die Schwellenländer die treibende Kraft der Weltwirtschaft sein, so Volkswirt Hans Timmer. Eine Beschleunigung in den Industriestaaten sei dagegen nicht zu erwarten.
Deutschland spielt im Lager der Industrieländer eine Sonderrolle: Die Chancen auf einen lang anhaltenden Konjunkturaufschwung sind hier nach Ansicht von Wirtschaftsexperten zuletzt erheblich gestiegen. Erst gestern hatte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) seine Wachstumsprognose für das kommende Jahr kräftig von 1,0 auf 2,1 Prozent erhöht. Auch für 2008 wird ein spürbares Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent erwartet.
Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) berichtete ebenfalls über eine spürbare Aufhellung. Der aktuelle Wirtschaftsaufschwung gewinne an Breite und bilde inzwischen ein stabiles Fundament für das Jahr 2007, sagte Präsident Wolfgang Franz. Das ZEW-Stimmungsbarometer kletterte im Dezember im Vergleich zum Vormonat um 9,5 Punkte und liegt nun bei minus 19,0 Punkten. Zuvor war der monatliche Indikator, der aus der Befragung von 300 Finanzmarktexperten ermittelt wird, zehn Mal in Folge gesunken.
Das Düsseldorfer Wirtschaftsforschungsinstitut IMK indes stellt sich dem allgemeinen Konjunkturoptimismus entgegen und sagt für 2007 eine Abschwächung des deutschen Aufschwungs voraus. Gebremst durch Zins- und Steuererhöhungen werde das Wachstum auf 1,3 Prozent zurückgehen, schrieben die Forscher in ihrer Prognose, wie die "Frankfurter Rundschau" berichtet. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hält damit trotz zuletzt günstiger Konjunkturdaten an seiner bisherigen Einschätzung fest und begründet dies mit "erheblichen" Dämpfern durch die europäische Geldpolitik und die deutsche Finanzpolitik.
US-Wirtschaft: Notenbank hält Rezession für unwahrscheinlich
In den USA hatte gestern die Notenbank Fed den Leitzins wie erwartet unverändert gelassen und ihre Warnung vor Inflationsgefahren erneuert - auch dies steht im Zusammenhang mit der Abschwächung der weltgrößten Volkswirtschaft. Nach der Entscheidung liegt der Schlüsselzins in den USA weiter bei 5,25 Prozent. Die Fed hat damit ihren Schlüsselzins bei vier aufeinander folgenden Sitzungen nicht geändert. Sie hatte im August ihre zweijährige Serie von 17 Zinserhöhungen unterbrochen.
Trotz der zuletzt durchwachsenen Konjunkturindikatoren halten die Notenbanker aber auch in Zukunft ein moderates Wachstum der US-Wirtschaft für wahrscheinlich - sie fürchten also keinen Einbruch der Konjunktur, der eine Zinssenkung erfordern könnte. Die nach den Worten der Fed "erhebliche" Abkühlung am Immobilienmarkt hat das Wachstum der US-Wirtschaft in diesem Jahr deutlich abgebremst. Im dritten Vierteljahr nahm die Wirtschaftsleistung lediglich mit einer Jahresrate von 2,2 Prozent zu nach 2,6 Prozent im zweiten Quartal und 5,6 Prozent in den ersten drei Monaten des Jahres.
Quelle : www.spiegel.de
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Endet eine Epoche auf den Devisenmärkten? Seit Wochen verliert der Dollar gegenüber dem Euro an Wert. Doch Anlass für Alarmstimmung sehen Berliner Regierung und Währungsexperten noch nicht. Die amerikanische Leitwährung sei längst nicht mehr so wichtig wie früher.
Nach Art der Notenbanker mag es Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), gern kryptisch. Ein gewisser Grad an Unverständlichkeit in den Äußerungen signalisiert der Fachwelt Kompetenz. Dem Laien soll das verbale Kauderwelsch den nötigen Respekt abnötigen.
Der Donnerstag vergangener Woche hielt wieder eine neue Lektion in quarkigem Trichet-Sprech bereit. Die günstigen Wirtschaftsaussichten in der Euro-Zone seien von einigen Risiken bedroht, sagte der EZB-Präsident. Unter anderem zählten dazu "Bedenken hinsichtlich möglicher unkontrollierter Entwicklungen aufgrund weltwirtschaftlicher Ungleichgewichte".
Was Europas mächtigster Währungshüter eigentlich sagte: Der schleichende Verfall des Dollar, der sich seit einigen Wochen an den Devisenmärkten abspielt, könnte eine Gefahr für die Konjunktur werden. Was Trichet außerdem deutlich machen wollte: Die EZB hat die Gefahr erkannt und im Blick.
Dennoch setzten Frankfurter Notenbanker am Donnerstag die Leitzinsen erneut um einen Viertelprozentpunkt auf 3,5 Prozent herauf, was den Euro für internationale Anleger attraktiver macht. Den Währungshütern blieb keine Wahl, seit Wochen hatten sie den Schritt angekündigt.
Dass der Dollar irgendwann in den Sinkflug übergehen würde, orakelten Experten schon lange. Jetzt scheint es so weit zu sein. Seit Ende Oktober verlor die amerikanische Währung 5 Prozent ihres Werts gegenüber dem Euro. Seit Anfang des Jahres waren es 13 Prozent. Derzeit pendelt der Euro um den Wert von 1,33 Dollar, nur noch 3 Cent von seinem Allzeithoch aus dem Jahr 2004 entfernt. Und Trichets Kollege Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank Fed, schaut einfach zu.
Auf den internationalen Finanzmärkten ist ein Gezeitenwechsel zu beobachten. Jahrelang kannten die weltweiten Kapitalströme nur eine Richtung. Täglich flossen zwei Milliarden Dollar in die USA. Die größte Volkswirtschaft der Welt galt den Investoren nicht nur als Hort der Stabilität, sondern auch als Standort, der die besten Geschäfte, lukrativsten Renditen und höchsten Wachstumsraten versprach.
Die Amerikaner konnten das fremde Geld gut gebrauchen. Fast schon traditionell sparen sie wenig und geben mehr aus, als sie verdienen - ein Wohlstand auf Pump. Das Ausland finanzierte den Konsumrausch der Amerikaner, der über Jahre das weltweite Wachstum befeuerte.
Weil der amerikanische Staat nicht auf die Ersparnisse seiner Bürger zurückgreifen konnte, musste auch er sein Haushaltsdefizit mit ausländischem Kapital finanzieren. Beides hielt den Kurs des Dollar hoch, weil der Rest der Welt sich durchaus um amerikanische Finanzanlagen riss.
Damit scheint es vorerst vorbei. "Es gibt grundlegende Schwächen in der amerikanischen Volkswirtschaft. Das konnte auf Dauer nicht so weitergehen", sagt Alfred Steinherr, Konjunkturchef beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Schon werden die Anleger in aller Welt misstrauisch und beginnen, ihr Geld aus den USA abzuziehen. Sie erkennen, dass ein Volk und ein Land nicht dauerhaft über ihre Verhältnisse leben können. Die Folge - der Kurs der Leitwährung Dollar bröckelt.
Zugleich wachsen die Sorgen: Was passiert mit der Weltkonjunktur, wenn die USA als Wachstumsmotor ausfallen? Ist der Aufschwung in Deutschland schon wieder vorbei, bevor er richtig angefangen hat, wenn deutsche Autos, Maschinen und Dienstleistungen teurer werden?
Für die Bundesregierung ist die Entwicklung offiziell noch kein Anlass zur Sorge. Dennoch beobachten die Experten von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos die Entwicklung aufmerksam. Noch bewegten sich die Ausschläge im langjährigen Durchschnitt, wiegeln sie ab. Doch für ausgeschlossen halten sie eine Zuspitzung der Lage nicht.
Eine erste Schmerzgrenze für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sehen sie erreicht bei etwa 1,36 Dollar für den Euro, bei Kursen von 1,50 Dollar wäre mit massiven Schwierigkeiten zu rechnen.
Sollte es tatsächlich zu Turbulenzen an den Devisenmärkten kommen, steht die Berliner Regierung in besonderer Verantwortung. Deutschland übernimmt Anfang 2007 den Vorsitz bei den G8-Staaten, dem Zusammenschluss der sieben größten Industrienationen samt Russland.
Dieser Kreis hat schon häufiger das Krisenmanagement übernommen, wenn die internationale Währungsordnung aus den Fugen geriet. So war es in den achtziger Jahren, als der damalige Höhenflug des Dollar mit vereinten Kräften gestoppt wurde. Und so war es ein paar Jahre später beim sogenannten Louvre-Akkord, als mit gleicher Verve der Absturz der amerikanischen Währung aufgehalten wurde.
Die jüngste Entwicklung hat im wesentlichen zwei Ursachen. Beide haben damit zu tun, dass Europa für internationale Anleger im Vergleich zu den USA attraktiver wird. Zum einen bewegen sich die Zinsen gegenläufig. "Die EZB wird auch im nächsten Jahr die Leitzinsen weiter anheben, in den USA haben die Zinsen wohl ihren Höhepunkt erreicht", sagt Joachim Scheide, Konjunkturexperte beim Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) voraus. Die Folge: Finanzanlagen, die auf Euro ausgestellt sind, verzinsen sich besser und werden international mehr nachgefragt. In der Folge steigt der Euro.
Auch die Wachstumsaussichten verschieben sich. In den USA kühlt sich die Konjunktur ab. Vor kurzem korrigierte die US-Regierung in Washington ihre Wachstumsprognose von 3,3 Prozent für 2007 nach unten. Wenn die Amerikaner weniger konsumieren, weil die Kapitalinfusion aus dem Ausland spärlicher fließt, könnte den USA sogar eine längere Periode verhalteneren Wachstums bevorstehen.
Im Gegensatz dazu zeigt sich die Konjunktur im Euro-Raum robust. Vor allem Deutschland überrascht mit immer besseren Nachrichten. Die Zahl der Arbeitslosen ist im November unter die psychologisch wichtige Marke von vier Millionen gefallen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der die Erwartungen der Unternehmen misst, ist so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr, das Verbrauchervertrauen schwebt auf einem Fünfjahreshoch.
Im letzten Quartal dieses Jahres wird sich Deutschland, lange Zeit als der kranke Mann Europas belächelt, an die Spitze des Zugs setzen. Mit - aufs Jahr hochgerechneten - 3,4 Prozent wird das Land laut Postbank stärker zulegen als die USA.
Solche Nachrichten beflügeln die Phantasie von Anlegern, die ihr Geld jetzt lieber im Euro-Raum anlegen. Als Folge steigt der Kurs der Gemeinschaftswährung. Doch wie wird sich die Dollarabwertung auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung auswirken? Führt sie womöglich zu einer Unwucht in der Weltkonjunktur, oder kommt die globale Wirtschaft, kommt Deutschland noch einmal glimpflich davon?
Jedes Mal, wenn sich eine Kehrtwende an den Finanzmärkten abzeichnet, haben auch die Schwarzmaler Konjunktur. Vor allem in den USA ist unter Volkswirten und Bankanalysten die Meinung verbreitet, dass sich die Bereinigung schlagartig vollzieht mit einer Abwertung des Dollar zwischen 10 und 30 Prozent innerhalb kurzer Zeit.
Bei diesem Szenario käme es unweigerlich zu einer Anpassungskrise. Die Wachstumsraten würden weltweit einbrechen, eine globale Rezession mit drastischem Anstieg der Arbeitslosigkeit könnte folgen.
Mehrheitsmeinung ist das Katastrophengemälde nicht. Vor allem in Deutschland sind Experten optimistischer: "Das Leistungsbilanzdefizit der USA hat sich im Verlauf einiger Jahre entwickelt", sagt IfW-Experte Scheide. "Es wird sich auch über Jahre allmählich abbauen."
Er rechnet damit, dass der Dollar in den nächsten fünf Jahren noch einmal zehn Prozent an Wert gegenüber dem Euro einbüßen wird. Die Folgen für die deutsche und europäische Wirtschaft wären viel besser verkraftbar. Die Unternehmen hätten Zeit, sich auf die Wechselkursänderungen einzustellen. "Dann ist auch ein Kurs von 1,40 keine Katastrophe", meint DIW-Experte Steinherr.
Wie gut das funktionieren kann, belegt das Beispiel Deutschlands. Seit 2002 verlor der Dollar gegenüber dem Euro die Hälfte seines Werts. Beeinträchtigt wurden die Exporte nicht, im Gegenteil. Sie stiegen von 651 Milliarden Euro auf 786 Milliarden. Im Oktober exportierte die deutsche Wirtschaft so viel wie noch nie zuvor.
Ein Grund dafür ist auch, dass der Dollar-Raum nicht mehr die Bedeutung für den deutschen Außenhandel hat wie noch vor wenigen Jahrzehnten. Und auch wenn es Ausnahmen geben mag wie die Automobilindustrie - längst sind andere Weltregionen für die hiesige Wirtschaft bedeutender geworden als die USA, wo Deutschland nicht mal ein Zehntel seiner Exporte absetzt (siehe Grafik). Über 40 Prozent der deutschen Ausfuhren gehen in die Euro-Zone. 13 Prozent nimmt Osteuropa ab, Asien 9 Prozent.
Zumindest die Exporte zu den europäischen Nachbarn sind von den Währungsturbulenzen rund um den Dollar nahezu unberührt. Die neuen Beitrittsländer haben ihre Währungen meist an den Euro gekoppelt, für Westeuropa ist seit Einführung der Gemeinschaftswährung jedes Wechselkursrisiko verpufft.
Der Euro verhindert sogar, dass es zu größeren Verwerfungen in Europa kommt, wie es früher bei Dollarabwertungen der Fall war. Damals hatten deutsche Unternehmen und Verbraucher regelmäßig größere Anpassungslasten zu tragen als die Volkswirtschaften der Nachbarländer. Wenn die Mark früher gegenüber dem Dollar um zehn Prozent zulegte, dann stiegen Franc oder Lira nur um sechs oder sieben Prozent. Die Folge war eine relative Aufwertung der Mark auch gegenüber europäischen Währungen, was Wettbewerbsnachteile für die hiesige Wirtschaft bedeutete.
Der Mechanismus ist mit Einführung des Euro ausgehebelt. Nun verteilen sich die Leiden auf alle Mitgliedstaaten gleichmäßig.
Entscheidend für die Auswirkungen des Dollarverfalls auf die deutsche und europäische Wirtschaft wird deshalb sein, wie sich andere Währungen im Vergleich zum Dollar entwickeln. "Fatal wäre es, wenn nur der Euro steigen würde", sagt DIW-Experte Steinherr. "Dann hätte nur der Euro-Raum die Anpassung zu tragen." Doch die Devisenmärkte signalisieren eine andere Entwicklung. Auch gegenüber weiteren wichtigen Währungen verliert der Dollar an Wert.
Das britische Pfund etwa stieg in der vergangenen Woche auf neue Höchststände. Was noch wichtiger ist: Auch die Währungen der ostasiatischen Wachstumsregionen werteten gegenüber dem Dollar auf.
Der thailändische Baht etwa legte 2006 um über 15 Prozent gegenüber dem Dollar zu, Südkoreas Won um 10 Prozent. Und selbst der chinesische Yuan, der früher dem Dollar sklavisch folgte, gewann mehr als 3 Prozent. Nahezu jede Volkswirtschaft trägt einen Teil der Anpassungslast.
Außerdem birgt der Dollarverfall längst nicht nur Risiken, sondern auch Vorteile. Der größte: Deutschlands Ölrechnung fällt günstiger aus. Der Ölpreis wird weltweit hauptsächlich in Dollar festgelegt. Sinkt der Kurs, muss Europa für die gleiche Menge Öl weniger Euro überweisen. Das gesparte Geld kann für andere Güter ausgegeben werden.
Ähnlich verhält es sich mit Importen aus dem Dollar-Raum. Hält der Kursschwund weiter an, werden Computer, Softwarelizenzen und Maschinen aus den USA preiswerter. Beide Entwicklungen bedeuten für die Unternehmen und Menschen der Euro-Zone einen Wohlfahrtsgewinn. Sie können fürs gleiche Geld mehr Güter kaufen.
Die Gefahren eines Währungscrashs sind längst nicht mehr so groß wie noch zu Zeiten uneingeschränkter Dollar-Dominanz vor 30 oder 40 Jahren. Die Globalisierung hat mehrere Wachstumspole der Weltwirtschaft herausgebildet, auf die sich die Schwierigkeiten bei Turbulenzen verteilen. Die Zeiten sind passé, als ein amerikanischer Finanzminister noch prahlen konnte: "Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem."
Quelle : www.spiegel.de
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Es ist ein trauriger Rekord: Beim Schuldenmachen sind die Deutschen Europameister. Laut einer Studie können 7,2 Millionen Bundesbürger ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Jeder zehnte Erwachsene ist damit pleite.
Düsseldorf - Trotz der konjunkturellen Erholung ist die Zahl der Verbraucherinsolvenzen im vergangenen Jahr drastisch gestiegen. Nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform meldeten 121.800 Bundesbürger privat Konkurs an - 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Gemessen an der Zahl der überschuldeten Bundesbürger seien die Verbraucherinsolvenzen aber nur der Spitze des Eisbergs.
Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Staaten haben in Deutschland besonders viele Verbraucher Insolvenz angemeldet. Im vergangenen Jahr wurden in der Bundesrepublik 15 Insolvenzen pro 10.000 Einwohner gezählt. Nur Großbritannien hatte unter insgesamt sieben untersuchten Staaten eine noch höhere Insolvenzquote. In Norwegen, Schweden, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden lag die Quote darunter.
Die Experten von Creditreform beobachten inzwischen sogar einen Schuldentourismus, bei dem die Schuldner in andere Länder ausweichen, wo die Entschuldung einfacher ist als in Deutschland - etwa nach Frankreich. Einige Privatschuldner zögen auch deshalb in ein anderes Land, um sich Forderungen zu entziehen, hieß es.
Ursachen für die Überschuldung seien meist Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit aber auch zu hohe Kreditverpflichtungen, berichtete Creditreform-Vorstand Helmut Rödl. Gerade junge Leute hätten häufig nicht gelernt, mit ihrem Geld umzugehen.
Deutliche Unterschiede gibt es zwischen West- und Ostdeutschland. In den neuen Bundesländern hat die Mehrheit der überschuldeten Privathaushalte Schulden unter 10.000 Euro. In den alten Bundesländern liegt die Summe in der Regel zwischen 10.000 und 25.000 Euro. Auch 2007 rechnet Creditreform mit einem weiteren Anstieg der Privatpleiten.
Ein ganz anderes Bild zeigt sich dagegen bei den Unternehmen. Dank der guten Konjunktur sank 2006 die Zahl der Firmenpleiten deutlich. Insgesamt 31.300 Unternehmensinsolvenzen registrierte Creditreform - 15 Prozent weniger als im Vorjahr. Ein Europavergleich der Experten zeigt: Nur in Dänemark war der Rückgang der Firmenpleiten im vergangenen Jahr noch ausgeprägter. Allerdings sei die Gefahr für deutsche Unternehmen, in die Pleite zu rutschen, im EU-Vergleich immer noch überdurchschnittlich hoch, betonte Rödl.
Durch Insolvenzen gingen 2006 bundesweit 473.000 Arbeitsplätze verloren oder wurden zumindest akut gefährdet. Das sind 16 Prozent weniger als 2005. Die volkswirtschaftlichen Schäden durch zahlungsunfähige Firmen bezifferte Creditreform auf 31 Milliarden Euro.
Eine nachhaltige Besserung dieser Situation ist den Angaben zufolge nicht in Sicht. Schon in der zweiten Hälfte dieses Jahres dürfte nach Einschätzung von Creditreform der Rückgang der Insolvenzen zum Stillstand kommen. Möglicherweise werde die Zahl der Firmenpleiten dann sogar wieder zunehmen. Denn der derzeitige Anstieg der Zinsen werde vor allem mittelständischen Unternehmen zunehmend Probleme bereiten, prognostizierte Rödl.
Quelle : www.spiegel.de
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Dacia sagt Danke
Seit Berlin Abwrackgeld zahlt, explodiert der Absatz der Billigmarke aus Rumänien. Jetzt müssen sogar Autos aus Russland herangeschafft werden.
Belustigt verfolgen ein paar Manager vor den Toren von Paris die Debatte zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy. Die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident streiten in der EU mit den Ostländern gerade heftig darüber, ob eher die Pariser Milliardenhilfen für Autobauer Protektionismus sind oder Berlins Abwrackprämie für Autokäufer.
Die Herren in der Zentrale des Autokonzerns Renault haben gut lachen. Sie zählen zu den Hauptprofiteuren von Sarkozys und Merkels Geld. Denn Renaults rumänische Tochtermarke Dacia erlebt seit Einführung der Berliner Prämie eine unerwartete Absatzexplosion - ausgerechnet in jenem Land, in dem es zuvor schwer war, Autos zu verkaufen, die einfach, erschwinglich und imagefrei sind. Renault hat eine schlichte Erklärung: Bei einem Wagen, der nur 7500 Euro kostet, erscheine der Abzug von 2500 Euro imposanter als bei einem Mercedes.
"Die Abwrackprämie hat in Deutschland zu einer extremen Entwicklung geführt", sagt Renault-Vize Patrick Pélata. "Die Bestellungen haben sich versechsfacht." Es gibt Modelle, da ist der Boom noch extremer. Von dem kompakten Sandero - dem ansehnlichsten Dacia-Modell - gingen in Deutschland derzeit rund 1000 Stück pro Woche weg, heißt es bei Renault. Vor Einführung der Prämie seien es gerade mal 80 Autos gewesen. Insgesamt sind dank der Abwrackprämie 220.000 Autos zusätzlich verkauft worden, meldet der Branchenverband ZDK.
Der rumänische Dacia Logan wird in Kooperation mit Renault gefertigt
Schon hat Renault Mühe, Nachschub heranzuschaffen. Wegen der einbrechenden Nachfrage in den Dacia-Kernmärkten in Osteuropa hatten sie auch ihrem Werk in Pitesti einen zeitweiligen Produktionsstopp verordnet. "Als wir das beschlossen haben, kannten wir den Effekt aus Deutschland noch nicht", sagt Pélata, "sonst hätten wir das nicht gemacht." Vorerst behelfen sich die deutschen Importeure mit Exemplaren, die in Russland und Rumänien wegen der Finanzkrise keine Abnehmer mehr finden. Für Renault ist die Sache doppelt lohnend. Mit dem Dacia peilt der Konzern auch in der Krise eine Gewinnmarge von sechs Prozent an, viel mehr als bei Kleinwagen üblich. Und Rabatt gibt es auch keinen.
Deutsche Renault-Statthalter berichten von unglaublichen Szenen aus Autohäusern. Ein Händler in der Nähe der Importzentrale in Brühl habe extra eine Studentin angeheuert, die Schlange stehenden Kunden Kaffee reicht. Soll niemand sagen, dass die Prämie nur Arbeitsplätze in Rumänien schafft.
Quelle: http://www.ftd.de
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Was haben die in Berlin geglaubt zu erreichen? Porsche, Mercedes BMW zu verkaufen? LÄCHERLICH Wer sich sowas als Fahrzeug noch leisten kann braucht die Abwrackprämie eh nicht.
Und für die 2500.- werde ich meinen * bestimmt nicht pressen oder als "Aufbauhilfe" in den "Kral" schicken lassen.
Über eines sollten sich die deutschen Autobauer aber im Klaren sein: die Zeichen der Zeit haben sie verpennt und zwar gründlich! Zu viel Schnickschnack für zu viel Geld.
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Schade, dass es diese Prämie nicht für Fahrräder gibt.
Wer also die Umwelt wirklich schont, ist wieder einmal schlicht der Dumme...
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Interresantes Word --> Protektionismus. Kannte ich nicht und die Merkel , na bin mir nicht so sicher.
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Zahlte Opel keine Steuern?
Der angeschlagene Autohersteller Opel hat nach Informationen des Magazins "Focus" in Deutschland keine Steuern gezahlt. Gewinne seien stets zum US-Mutterkonzern General Motors (GM) transferiert worden, während Verluste in Deutschland steuerlich geltend gemacht worden seien, berichtet das Magazin unter Berufung auf Mitglieder des Bundeskabinetts. Damit habe Opel den Steuerzahler auch ohne die verlangten Hilfen bereits hohe Milliardenbeträge gekostet.
Laut "Focus" fordert Opel Staatshilfen in Höhe von vier Milliarden Euro. Diese Summe habe Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster bei seinem Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg genannt. Die Hälfte des Betrages würden laut Forster diverse Banken bereitstellen. Allerdings würden die Geldinstitute die Kredite nur dann bewilligen, wenn die europäischen Staaten mit Opel- Standorten wie Deutschland, Großbritannien, Spanien und Belgien die Bürgschaften übernehmen würden. Die übrigen zwei Milliarden Euro müssten nach den Opel-Plänen als direkte Staatshilfen fließen, um das Problem des fehlenden Eigenkapitals zu lösen. Die Hauptlast, etwa 1,5 Milliarden Euro, solle die Bundesregierung tragen. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Dagmar Wöhrl, sagte "Focus", angesichts des von Opel angekündigten Stellenabbaus, sei es "höchst fragwürdig und unwahrscheinlich", dass der Autohersteller Steuergelder in dem Ausmaß bekomme, wie es das Opel-Management vorgetragen habe.
Die "Rheinische Post" berichtet derweil, dass der Opel-Aufsichtsrat über die Zukunft der Werke entschieden habe. Die Produktionsstätten im thüringischen Eisenach und im schwedischen Trollhättan sollen verkauft, das Werk in Antwerpen (Belgien) auf Druck der Opel-Mutter General Motors vermutlich geschlossen werden.
Die im Opel-Aufsichtsrat diskutierten Pläne sehen laut "Rheinischer Post" 1600 wegfallende Stellen in Bochum, 1160 in Rüsselsheim und 450 in Kaiserslautern vor. Zusammen mit den 1900 Beschäftigten im zum Verkauf stehenden Werk Eisenach wolle Opel damit in Deutschland 5110 reine Produktionsarbeitsplätze abbauen. Weitere Stellen sollen in Verwaltung und Logistik entfallen.
Folgen einer möglichen Opel-Pleite, Katastrophe oder Chance?
General Motors hält eine Pleite seiner wichtigsten Auslandstochter Opel/Vauxhall für möglich, wenn sich die Politik nicht zu raschen Staatshilfen entschließen sollte. Eine Insolvenz des traditionsreichen Rüsselsheimer Autobauers Opel hätte weitreichende Folgen für Wirtschaft und Arbeitnehmer in Deutschland - welche, darüber streiten die Experten.
3500 Arbeitsplätze gefährdet - oder 400.000?
GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster hält den Abbau von "hoffentlich nicht mehr als 3500 Stellen" in Europa für ausreichend, um das Unternehmen zu retten. Das bislang nicht bekannt gegebene Sanierungskonzept von Opel sieht nach Informationen der "Rheinischen Post" jedoch allein in Deutschland die Streichung von 7600 Stellen vor.
Nach Berechnungen des IG-Metall-Bezirks Frankfurt am Main wären sogar bis zu 400.000 Arbeitsplätze gefährdet, falls Opel den Betrieb einstellen müsste. Dabei rechnet die Gewerkschaft nicht nur die betroffenen Stellen bei dem Autobauer, seinen Lieferanten und Händlern mit ein, sondern auch den Effekt auf dem Arbeitsmarkt in der Bundesländern mit Opel-Standorten. Auch andere Wirtschaftszweige würden in Mitleidenschaft gezogen.
Viele Händler betroffen
Bei einer Pleite von Opel würde den rund 1600 Opel-Händlern und -Servicepartnern in Deutschland die Existenzgrundlage entzogen, sagte der Sprecher des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK), Helmut Blümer. "Das würde 30.000 Beschäftigte in Deutschland betreffen." Auch nach Einschätzung des Vorstandsmitglieds des Opel-Händlerverbands VDOH, Paul Schäfer, wird eine Insolvenz von Opel viele Firmen gefährden.
Für Kunden ändert sich wenig
Einen Garantieanspruch haben die Besitzer von Opel-Fahrzeugen gegenüber ihrem Händler. Daran ändert sich durch eine Pleite von Opel nichts. Die Versorgung mit Ersatzteilen dürfte ebenfalls gesichert sein. "Die Ersatzteile dafür werden in der Regel von Zulieferern gebaut, die auch weiterproduzieren, wenn der Hersteller vom Markt verschwindet", sagt Opel-Händler Schäfer. Schwierig wird die Ersatzteilversorgung jedoch dann, wenn Lieferanten in den Sog einer möglichen Opel-Pleite geraten sollten.
Gravierende Folgen für Mittelstand und Zulieferer
Bei einer Pleite dürfte Opel auch einige Zulieferer mitreißen, die ihr Geschäft fast ausschließlich mit dem hessischen Autobauer machen. Konkrete Zahlen sind nicht bekannt, allein in Hessen gibt es nach Angaben des Wirtschaftsministeriums des Landes jedoch 1600 Autozulieferer. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sagte dem "Handelsblatt", die Vernetzung in der Autoindustrie sei groß. Wenn über Nacht ein großer Volumenhersteller wegfiele, würde das die Lieferanten treffen, und das könnte nicht jeder verdauen.
Nach Angaben von Opel-Betriebsratschef Klaus Franz mit mehr als 700 mittelständischen Unternehmen in Deutschland über fünf Milliarden Euro Umsatz. "Der Wegfall dieser Umsätze hätte dann fatale Folgen für die mittelständischen Zulieferbetriebe", warnte Franz.
Chance für andere Autobauer
Andere Hersteller könnten dagegen von einer Insolvenz von Opel profitieren. "Jedes Auto, das Opel nicht verkauft, verkauft dann eben ein anderer", sagt Wolfgang Meinig, Leiter der Forschungsstelle Automobilwirtschaft in Bamberg. Bei den Neuzulassungen hatte Opel 2008 einen Marktanteil von 8,4 Prozent, der dann unter anderen Autobauern aufgeteilt werden dürfte.
Auswirkungen für die Regionen unklar
"Ein Stein vom Herzen gefallen"
In Deutschland beschäftigt Opel 25.000 Mitarbeiter, den Großteil davon am Stammsitz in Rüsselsheim bei Frankfurt am Main und in Bochum. Die Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen, Roland Koch und Jürgen Rüttgers, setzen sich daher besonders für eine Rettung des Unternehmens ein. Hessen hat bereits ein Gesetz für Bürgschaften über 500 Millionen Euro für Opel und hessische Zulieferer auf den Weg gebracht.
Nach Ansicht von Deka-Bank-Chefvolkswirt Ulrich Kater würde ein Aus von Opel dagegen keinen Domino-Effekt in der regionalen Wirtschaft an den Opel-Standorten auslösen. Anders als etwa bei den Banken gebe es im Falle Opel "keinen systemischen Zusammenhang" zu den übrigen Unternehmen der Branche, wo die Pleite des einen auch das Ende des anderen bedeuten könne.
Einschnitte für den Forschungsstandort
Ein herber Rückschlag wäre ein Aus von Opel auch für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Fast 57 Milliarden Euro gaben die deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr für Forschung und Entwicklung aus, wie der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft schätzt. Rund ein Drittel davon investierten die Autohersteller und ihre Zulieferer - zusammen fast 19 Milliarden Euro. Allein Opel beschäftigt etwa 7000 Mitarbeiter in seiner Forschungsabteilung. "Für den Innovationsstandort Deutschland wäre Opels Aus ein schwerer Rückschlag", sagt der Autoexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Thomas Puls.
Quelle: http://www.tagesschau.de
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Opel steht am Abgrund, doch die Angestellten kämpfen um ihre Arbeitsplätze: Der Betriebsrat des Werkes in Eisenach hat signalisiert, dass sich die Beschäftigten auch finanziell an der Rettung des Autobauers beteiligen wollen - durch drastischen Einkommensverzicht.
Eisenach - Weniger Geld, dafür sichere Jobs - und eine Zukunft für Opel: Mitarbeiter des Werkes in Eisenach wollen auf einen Teil ihres Lohns verzichten, wenn sie damit zu einer Rettung des Autobauers beitragen können. Das sagte der Chef des Betriebsrates des Eisenacher Werkes, Harald Lieske, der "Thüringer Allgemeinen".
Wie die Zeitung berichtet, fordert die Belegschaft als Gegenleistung eine Standortgarantie für das Werk in Eisenach. Nach Informationen des Blattes könnte sich der Lohnverzicht auf einen Anteil im zweistelligen Prozentbereich belaufen.
Betriebsratschef Lieske konkretisierte damit den Beitrag der Opel-Beschäftigten zu einem Sanierungsplan, über den der US-Mutterkonzern General Motors (GM) gleichzeitig 950 Millionen Euro in Europa sparen und in Deutschland staatliche Hilfen von mindestens 3,3 Milliarden Euro erlangen will.
Attacken auf Kanzlerin Merkel
Sollte es zu einer Vereinbarung möglichst aller Opel-Werke über einen Lohnverzicht kommen, könnte es einen Ergänzungstarifvertrag geben, der den eigentlichen Tarifvertrag unterschreite, sagte Lieske. Es gebe Forderungen von GM nach Lohnverzicht, die er aber in der Höhe nicht näher beziffern wolle.
Unterdessen verschärfte sich der Streit in der Großen Koalition um die Zukunft von Opel. Unions-Politiker beharren auf einem klaren Rettungskonzept von Opel und GM vor konkreten Hilfen, die Sozialdemokraten dringen auf rasches Handeln. SPD-Chef Franz Müntefering widersprach am Sonntag der Auffassung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Opel sei nicht "systemrelevant". Zugleich kritisierte er Innenminister Wolfgang Schäuble, den Unions-Wirtschaftssprecher Laurenz Meyer (beide CDU) und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), die eine Opel-Insolvenz befürworten.
Auch SPD-Vize Andrea Nahles und der SPD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Martin Schulz, werfen der Kanzlerin vor, in der Diskussion um ein staatliches Rettungspaket für Opel auf Zeit zu spielen. Schulz sagte, Merkel beuge sich dem Druck der FDP und gehe mit dem Problem Opel parteitaktisch um.
Müntefering argumentierte: "Es wäre schlechte Politik, wenn wir abwarten würden, ob uns Argumente zufallen, es abzulehnen zu helfen." Zu den Insolvenz-Überlegungen in der Union sagte er: "Das ist das Einknicken, ehe man wirklich die Möglichkeiten geprüft hat." Dies sei die "völlig falsche Botschaft". Im Gegensatz zu Merkel sehe er Opel als "systemrelevant", betonte der SPD-Chef. Wenn eine Stadt oder Region massiv deindustrialisiert sei, habe das erheblichte Konsequenzen für die Industriegesellschaft. "Das hat mit System sehr wohl was zu tun."
Angst um den Standort Eisenach
Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie forderte insbesondere den Erhalt des Automobilstandorts Eisenach. Dort beschäftigt Opel 1800 Menschen. Es handle sich um ein strukturbestimmendes Unternehmen für die ganze Region. Mit der Abwicklung des ehemaligen Automobilwerks Eisenach (AWE), in dem der Wartburg montiert wurde, seien Anfang der neunziger Jahre schon einmal Tausende Arbeitsplätze verloren gegangen. "Es darf keinen zweiten Fall AWE geben", forderte Matschie.
Die Bundesregierung sieht dagegen nach Angaben des stellvertretenden Regierungssprechers Thomas Steg noch keine Grundlage für staatliche Hilfen an Opel. "Noch immer sind etliche Fragen noch nicht beantwortet", sagte Steg am Sonntag. Er reagierte damit auf Forderungen auch aus den Reihen der Koalition, rasch zu Entscheidungen zu kommen.
teg betonte, innerhalb der Bundesregierung bestehe zwischen allen Beteiligten, die sich seit Wochen intensiv mit der Zukunft von Opel befassten, "Einvernehmen darüber, dass zurzeit noch keine Entscheidung über die Zukunft von Opel getroffen werden kann".
Auch FDP-Chef Guido Westerwelle forderte erneut, Staatshilfen für Großunternehmen nur unter ganz engen Bedingungen zu gewähren. Zum Fall Opel sagte er: "Wenn es kein tragfähiges Konzept gibt, werde ich nicht empfehlen, Steuergelder einzusetzen."
Der Betriebsratschef des Bochumer Opel-Werks, Rainer Einenkel, hat einen Bericht zurückgewiesen, wonach GM bereits die Zukunft ohne die Tochter Opel plane. "Das halte ich für ein Gerücht", sagte Einenkel. Die Zeitschrift "Automobilwoche" hatte berichtet, dass GM keine Entwicklungsaufträge mehr an das Internationale Technische Entwicklungszentrum am Opel-Standort in Rüsselsheim vergeben habe.
Quelle : www.spiegel.de
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Auf was für einer Grundlage wollen die noch Autos bauen? Die Patente gehören den Amis, die Werke samt Maschinen müssen gepachtet werden. Von was soll bezahlt werden? Welche Sicherheiten kann Opel denn noch den Banken bieten? Und vor allem: wer soll die Autos wovon kaufen??
Der Drops ist gelutscht Leute, ihr könnt nach Hause gehen. Bedankt euch für die Globalisierung und erfreut euch an der Tatsache das Opel eine AG ist. So wisst ihr bei wem ihr euch bedanken könnt!
Aber macht euch nichts draus: HDW hat u.A. die U-Boot Patente auch Richtung Amerika verschenkt. Wir waren mal über 13000 Werftarbeiter. Jetzt besteht der Betrieb aus ein paar hundert Leiharbeitern die untertariflich wirken dürfen. Wir im Norden haben das selbe Spiel schon hinter uns, daher: willkommen im Club und der letzte pustet das Licht aus!
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Lohnverzicht, Einstieg von Investoren, der Verkauf des Werks in Eisenach: Vor neuen Bund-Länder-Gesprächen über die Zukunft von Opel signalisieren Betriebsräte umfassende Zugeständnisse. Doch zugleich kündigen einige Vertreter Protestaktionen an, wenn die Rettungsversuche scheitern.
Berlin - Wenn die Wirtschaftsminister von Bund und Ländern an diesem Dienstag über die Bewältigung der Wirtschaftskrise debattieren, dürfte eines erneut im Mittelpunkt stehen - eine mögliche Rettung des siechen Autobauers Opel.
Im Konzern ist die Angst vor einem Scheitern groß: Der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel sagte gegenüber der "Berliner Zeitung" und der "Frankfurter Rundschau", man habe in den Verhandlungen um ein Rettungspaket keine Zeit zu verlieren. "Andernfalls werden wir kreative Lösungen finden, die Arbeitsplätze zu retten", sagte Einenkel. Denkbar seien Resolutionen, Demonstrationen oder auch "Informationsveranstaltungen" - wie ein wilder Streik auch genannt wird. Die Proteste in allen deutschen Werke organisiert werden.
Arbeitnehmervertreter signalisierten Bereitschaft für umfassende Zugeständnisse. Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz kündigte in der "Welt" an, man würde bei der Suche nach Partnern jetzt auch Finanzinvestoren akzeptieren. "Derzeit können wir nicht wählerisch sein", so Franz.
Die Mitarbeiter müssten sich auf Stellenstreichungen, Gehaltsseinbußen und den Verkauf eines Werkes in Deutschland einstellen - Letzteres bezog Franz konkret auf den Standort Eisenach. Zu Spekulationen, dieser könne abgestoßen werden, sagte Franz: "Wenn wir Überkapazitäten haben und dieses Werk verkauft werden könnte, wäre das sozialpolitisch die eleganteste Art."
Insgesamt erwartet der Gesambetriebsratschef "zwei harte Jahre mit Verlust", versprach aber: "Ab 2012 können wir daran gehen, die Staatshilfen zurückzuzahlen."
Verzicht auf Lohnerhöhungen
Möglicherweise will Opel auch auf geplante Lohnerhöhungen für die Belegschaft verzichten. "Das Unternehmen hat bei uns schriftlich einen Antrag gestellt, die 2,1 Prozent Lohnerhöhung, die zum 1. Februar fällig gewesen wäre, nicht zahlen zu müssen", sagte der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild dem "Handelsblatt".
Am Montag hatte der Betriebsrat des Werkes in Eisenach signalisiert, dass sich die Beschäftigten auch finanziell an der Rettung des Autobauers beteiligen wollen, etwa durch Einkommensverzicht.
Opel will von den europäischen Regierungen, in denen das Unternehmen Standorte hat, Bürgschaften oder Darlehen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro. Das Unternehmen hat in vier Bundesländern Standorte. Mit einer Entscheidungen über Staatshilfen ist allerdings nicht vor Ende des Monats zu rechnen, betonte die Bundesregierung stets. Erst dann dürfte die Strategie zur Krisenbewältigung beim US-Mutterkonzern General Motors klar sein.
Handfester Streit mit Arbeitgeberverband
Mit Empörung reagierten Opel-Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat auf Äußerungen von Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser. Er hatte eine Insolvenz des Autobauers für weniger tragisch erklärt als staatliche Hilfe. "Es ist sehr befremdend, wie Sie als Vorsitzender von Gesamtmetall über ein Mitgliedsunternehmen richten, ohne dass sie sich konkrete Informationen von den Verantwortlichen bei Opel oder GM Europe eingeholt haben", heißt es in einem der "Frankfurter Rundschau" vorliegenden offenen Brief.
"Wir erwarten, dass ein bedeutendes Mitgliedsunternehmen von seinem Verband Unterstützung erfährt und er ihm nicht in den Rücken fällt", schreiben Opel-Geschäftsführer Hans Demant und der Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz. Ihnen sei absolut unverständlich, "wie Sie die negativen finanziellen Auswirkungen auf die zahlreichen mittelständischen Unternehmen in der Zulieferindustrie und Dienstleistungen ignorieren". Europaweit hängen an dem Schicksal von GM etwa 400.000 Stellen im Unternehmen, bei Zulieferern und Händlern.
Das Ringen um den Autobauer wird spätestens am Wochenende in eine nächste Runde gehen: Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wird dann in die USA reisen, um dort Gespräche über die Zukunft von Opel zu führen.
Quelle : www.spiegel.de
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Die europäischen Opel-Händler starten einen neuen Rettungsversuch: Sie wollen sich mit 20 Prozent an ihrem Konzern beteiligen. Damit soll das Überleben des Unternehmens gesichert werden - Experten halten ihren Plan allerdings für "Traumtänzerei".
Hamburg - Not macht erfinderisch - vor allem, wenn die eigene Existenz bedroht ist. Genau um die geht es den rund 4000 europäischen Opel-Händlern, die am Mittwoch ein neues Konzept vorgelegt haben, mit dem sie eine Pleite von Opel verhindern wollen - und neben der Zukunft des traditionsreichen Herstellers auch ihre eigene sichern wollen.
Die Idee, auf die sich die Europäische Vereinigung der Opel-Händler, kurz Euroda, auf einem Krisentreffen am Dienstag in Berlin geeinigt hat, ist einfach: Die Händler wollen bei jedem verkauften Wagen auf 150 Euro ihrer Marge verzichten und damit einen Fonds aufbauen, mit dem innerhalb von drei Jahren eine Beteiligung von 20 Prozent an einer neu zu gründenden Opel-AG erreicht werden soll. "Wenn alle Länder und alle Händler dabei mitmachen, könnte man damit 400 Millionen Euro oder mehr beisteuern", heißt es in der Erklärung der Euroda.
"Die Situation bei Opel spitzt sich zu und damit auch die der Händler", sagt Peter Dahlmann, Opel-Händler aus Neuss und Initiator des neuen Rettungskonzeptes. Man signalisiere damit die Bereitschaft, sich aktiv an der Rettung zu beteiligen. "Ich gehe davon aus, dass mindestens 90 Prozent aller Händler mitmachen", so Dahlmann.
Opel unattraktiv für Investoren
Doch so gut die Absicht der Händler, so viele Fragen lässt ihr Plan offen. Die dringendste davon: Wer soll den Rest der Anteile übernehmen - und die knapp drei Milliarden Euro bezahlen, die ein Opel-Engagement trotz der Händler-Beteiligung mindestens kosten würden? Zwar hat die Euroda auch dafür eine Lösung: So sollen die Mitarbeiter einen Beitrag leisten, der Mutterkonzern General Motors (GM) mit 30 bis 40 Prozent im Boot bleiben und den Rest der benötigten Finanzmittel will man sich von Bund und Ländern leihen oder einen zusätzlichen Investor suchen. "Wir wollen kein Geld geschenkt haben, sondern brauchen kurzfristige Kredite", sagt Dahlmann.
Und doch: Was die Opel-Händler als tragfähiges Konzept preisen und worauf sie ihre Hoffnungen stützen, überzeugt die Experten nicht. "Tatsächlich wäre eine Beteiligung von 20 Prozent sogar ein kleiner Strohhalm ", sagt zwar Jürgen Pieper, auf die Autoindustrie spezialisierter Analyst beim Bankhaus Metzler. "Aber das Geld wird sofort gebraucht - während die Händler es innerhalb von drei Jahren langsam ansammeln wollen."
Der Plan sei deshalb wenig realistisch - zumal für die restlichen 80 Prozent immer noch die Geldgeber fehlten. "Opel ist momentan für fremde Investoren sehr unattraktiv - nicht nur wegen der ohnehin schwierigen Finanzmarktlage, sondern auch, weil GM weiter mit im Boot sitzt", sagt Pieper. Einzig vorstellbar wäre eine Lösung, bei der ein Investor langfristig die Anteile von GM und eventuelle Staatsanteile übernehmen könnte.
Tatsächlich scheint das Interesse an dem maroden Autobauer gering. Am Mittwoch wurden Gerüchte dementiert, wonach es Verhandlungen mit dem britischen Investor CVC geben haben soll. "Es gibt keine Gespräche", sagte eine CVC-Sprecherin. Auch andere Finanzinvestoren wie KKR, BC Partners, Cerberus, Permira und Goldman Sachs sollen keine entsprechende Pläne verfolgen, heißt es aus deren Umfeld.
"Opel braucht langfristig fünf Milliarden im Jahr"
Denn tatsächlich braucht Opel weit mehr als die bisher genannten 3,3 Milliarden Euro. "Opel profitiert momentan von der Abwrackprämie und dem Modell Insignia - aber das wird nicht auf Dauer so sein", sagt Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Geislingen. "Langfristig braucht das Unternehmen pro Jahr rund fünf Milliarden Euro allein für Forschung und Entwicklung - und woher die kommen sollen, ist völlig unklar."
Die vielfältigen Rettungsvorschläge, die nicht nur aus dem Opel-Umfeld, sondern auch von Seiten der Politik kommen, verwundern den Auto-Experten deshalb. "Die Loslösung von GM ist weder eine Rettung noch eine Befreiung von Opel, sie ist schlicht Traumtänzerei." Ein Alleingang von Opel sei betriebswirtschaftlich nicht tragbar, eine Zukunft von Opel gebe es nur mit GM.
"Opel schafft es mit seiner Größe nicht alleine auf dem Markt", ist sich auch Analyst Pieper sicher. Opel produziere Massenmodelle ohne aber die notwendige Masse noch bieten zu können. "Entweder muss man groß sein oder exklusiv." Dazu komme, dass auch die Situation bei GM alles andere als sicher sei. "Selbst mit GM ist das alles ein ziemlich wackeliges Konstrukt."
Zwar hat sich GM-Entwicklungs-Chef Bob Lutz erstmals zu einer möglichen Trennung geäußert und eine Zusammenarbeit skizziert. "Das Modell, das mir dabei am ehesten in den Kopf kommt, ist GM Daewoo Technologies", sagte er dem Branchen-Blatt "auto motor und sport". Dort sei man zwar nicht Mehrheitseigner, der Konzern sei aber voll integriert in das globale GM-Entwicklungs- und Produktaustausch-System. Weitere Einzelheiten nannte er aber nicht.
Ob und in welcher Form Opel gerettet werden kann, hängt dabei aber wenig von dem Rüsselsheimer Konzern ab. Entscheidender ist die Zukunft von GM - vor allem die Frage, ob der Opel-Mutterkonzern die amerikanische Regierung überzeugen kann, ihm nochmals Milliarden zur Verfügung zu stellen.
Doch das gelingt nur, wenn dort bis zum 31. März ein umfassender Sanierungsplan auf dem Tisch liegt - und der müsste auch einen überzeugenden Vorschlag für die Zukunft von Opel enthalten.
Quelle : www.spiegel.de
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Er sprach mit Bankern und Managern bei GM: Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat nach SPIEGEL-Informationen ein eigenes Konzept zur Rettung von Opel erarbeitet. Seine Idee: Der Staat soll einem privaten Investor für zwei, drei Jahre das Risiko einer Pleite abnehmen.
Hamburg - Koch bestätigte dem SPIEGEL, dass er selbst an einigen Gesprächen teilgenommen hat. Details wollte er nicht nennen. Nach SPIEGEL-Informationen hat er aber Vertreter der Commerzbank und der Deutschen Bank mit dem Management von Opel und General Motors zusammengebracht und einen Rettungsplan entworfen.
Koch sagte: "Meine Vorstellung ist: Es sollte ein neues europäisches Opel-Unternehmen entstehen, an dem sich neben der bisherigen Mutter General Motors auch ein privater Investor beteiligt." Weil ein privater Investor aber keine Bank finde, die ihm den Einstieg finanziere, schlägt der hessische Ministerpräsident vor: Der Staat solle dem Investor für die ersten zwei bis drei Jahre das Risiko eines Konkurses von Opel abnehmen und für die nötigen Kredite bürgen. Koch: "Wir bauen ihm also nur eine Brücke."
Koch sagte dem SPIEGEL, im Gegensatz zu vielen Sozialdemokraten könnte er sich "nicht vorstellen, dass der Staat Miteigentümer von Opel wird". Eine "substantielle Beteiligung" eines privaten Investors sei für die hessische Landesregierung "zwingend erforderlich". Die ersten Anfragen von Investoren würden zeigen, dass dieses Projekt Chancen habe. "Es könnte sogar ein Modell dafür sein, wie der Staat Unternehmen hilft, ohne sich direkt an ihnen zu beteiligen", sagte Koch im SPIEGEL-Interview.
Das Sanierungskonzept, das Opel der Bundesregierung vorgelegt hat, ist nach Ansicht des hessischen Ministerpräsidenten "qualitativ wesentlich besser, als es in den vergangenen Tagen kolportiert wurde". Er habe den Eindruck, so Koch, dass "die Berater der Bundesregierung das Konzept durchaus für schlüssig halten". Es sei "eine gute Arbeitsgrundlage".
Koch fordert von CDU-Politikern, sie sollten die Reaktionen auf die Finanzkrise besser erläutern. "Wenn es im Finanzsektor brennt, muss man das Feuer auch mit ungewöhnlichen Mitteln löschen." Das zu erklären, sei "eine echte Herausforderung". Auf die Frage, ob dies nicht Aufgabe der CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel sei, sagte Koch: "Das ist die Aufgabe von uns allen. Auch ich habe nicht genug erläutert, warum wir von alten Rezepten abweichen müssen."
Auf dem Landesparteitag der Hessen-CDU in Marburg rechtfertigte Koch seinen Einsatz für den angeschlagenen Autobauer. Der Staat könne das Unternehmen nicht um jeden Preis retten, aber das Schicksal von gut 30.000 Beschäftigten dürfe ihm nicht gleichgültig sein. Er müsse auch dafür sorgen, dass Menschen in der Marktwirtschaft so behandelt würden, dass sie weiterhin die Marktwirtschaft wollten.
"Wir gewinnen keine Wahl als Krisenmanager, wir gewinnen eine Wahl als Zukunftsmanager", sagte der hessische Ministerpräsident. Dabei müsse die Union auch ihre wirtschafts- und sicherheitspolitischen Differenzen zur FDP herausstellen: "Wer christdemokratische Politik in Deutschland will, muss Christdemokraten wählen."
Eine bürgerliche Regierung nach der Bundestagswahl im Herbst sei von historischer Bedeutung, sagte Koch. Die SPD sei "national auf dem Weg nach links" und entferne sich weit von der Mitte, sagte Koch. Sie werde vor einem Bündnis "mit den Kommunisten" nicht zurückschrecken.
Quelle : www.spiegel.de
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Ein kurzer Besuch, viele Streitfragen und ein großes Thema: die Rettung von Opel. Wirtschaftsminister Guttenberg will sich in den USA mit Managern des maroden GM-Konzerns treffen - und klären, wie dessen deutsche Werke zu erhalten sind. Klar ist: ein Einstieg des Staates ist tabu.
Berlin - Karl-Theodor zu Guttenberg soll auf seiner USA-Reise für die Rettung von Opel wichtige Fragen klären. Das fordern die Ministerpräsidenten der vier Bundesländer mit Opel-Standorten in einem gemeinsamen Brief an den CSU-Politiker. Guttenberg fliegt am Sonntag zu einem Antrittsbesuch nach New York.
Die Regierungschefs aus Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wollen unter anderem wissen, ob und wie der Konzern General Motors (GM) durch die amerikanische Regierung gestützt wird und ob Technologietransfer für die Entwicklung eines europäischen Automobilgeschäfts zur Verfügung steht. Geklärt werden soll auch, ob GM bereit ist, auf wesentliche Teile der Opel-Anteilseignerschaft zu verzichten und ob die amerikanische Regierung diesem Verzicht zustimmt. Weitere unklare Punkte sind die Opel-Patente und mögliches frisches Kapital von der Muttergesellschaft.
Die "Eine-Million-Dollar-Frage" sei die nach einem Mehrheitsinvestor, erklärten Regierungskreise vor der Reise des Ministers. Der Staat solle dies jedenfalls nicht sein, hieß es. Es gebe "keine Instrumente" für direkte Staatsbeteiligung und auch nicht die Absicht, welche zu schaffen.
Ein Opel-Sprecher sagte der "Rheinischen Post", im Fall eines zukünftigen unabhängigen Unternehmens Opel sei sichergestellt, dass dieses neue Unternehmen vollen und unbeschränkten Zugang zum geistigen Eigentum von GM habe.
Guttenberg reist am Sonntagmittag ab, am Montagabend trifft er in Washington US-Wirtschaftsminister Timothy Geithner und anschließend General-Motors-Chef Rick Wagoner und Finanzvorstand Frederick Henderson. Guttenberg sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", es gehe darum, ein vollständiges und in sich stimmiges Zukunftskonzept für Opel vorzulegen. Das müsse mit der Konzernmutter abgestimmt sein.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat am Rande des G-20-Treffens im britischen Horsham mit seinem US-Kollegen Timothy Geithner auch über das Thema Opel gesprochen. "Mir ist mitgeteilt worden, dass die amerikanische Regierung sich innerhalb der nächsten 14 Tage entscheiden will, wie sie mit dem Thema General Motors umgehen will", sagte Steinbrück. Auf seine Frage, ob Technologiepatente der Opel-Mutter wirklich an die Regierung verpfändet seien, "konnte er (Geithner) dies nicht bestätigen", erläuterte Steinbrück.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch hat eine eigene Initiative zur Rettung von Opel gestartet. Nach SPIEGEL-Informationen brachte der CDU-Politiker Vertreter der Commerzbank und der Deutschen Bank mit dem Management von Opel und General Motors zusammen und entwarf einen Rettungsplan.
"Meine Vorstellung ist: Es sollte ein neues europäisches Opel-Unternehmen entstehen, an dem sich neben der bisherigen Mutter General Motors auch ein privater Investor beteiligt", sagte Koch. Weil ein privater Investor aber keine Bank finde, die ihm den Einstieg finanziere, soll der Staat dem Investor für die ersten zwei bis drei Jahre das Risiko eines Konkurses von Opel abnehmen und für die nötigen Kredite bürgen. "Wir bauen ihm also nur eine Brücke", erklärte Koch.
Der Opel-Gesamtbetriebsrat Klaus Franz hat Bewegung vom Mutterkonzern GM und der US-Regierung gefordert. "Jetzt sind die US- Regierung und GM am Zug", sagte Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz der Deutschen Presse-Agentur. In den Vereinigten Staaten müssten die offenen Fragen geklärt werden, die die Bundesregierung bislang davon abhalten, Opel mit Milliarden unter die Arme zu greifen.
Franz sagte, die US-Regierung und GM müssten bereit sein, dass "alle Sacheinlagen und alle Werke in Europa umgewidmet werden können auf die geplante neue europäische Opel-Gesellschaft." Er betonte: "Wir fordern auch, dass GM die Zwischenfinanzierung bis zur Schaffung einer neuen europäischen Gesellschaft sicherstellt. Diese Verantwortung muss auf jeden Fall übernommen werden."
Inzwischen haben die EU-Staaten mit GM-Töchtern vereinbart, nicht gegeneinander zu agieren. Bei den Bemühungen zur Rettung von Opel und anderen angeschlagenen europäischen Tochterunternehmen von General Motors wollen die betroffenen zwölf EU-Staaten eng zusammenarbeiten. Das teilte die EU-Kommission am Freitagabend nach einem Krisentreffen von Industriekommissar Günter Verheugen mit ranghohen Vertretern von GM und Politikern der betroffenen Länder in Brüssel mit.
Weiter hieß es, die beteiligten EU-Staaten seien sich darin einig, dass keine einseitigen Maßnahmen ohne vorherige Absprache und der Koordinierung mit den übrigen Partnern getroffen würden.
Quelle : www.spiegel.de
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Opel retten oder dem Markt überlassen? Der neue Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, hat sich gegen eine Rettung des Autobauers durch den Staat ausgesprochen. Der Ökonom sieht die Lösung vielmehr in einer Insolvenz.
Berlin - Der neue Vorsitzende des Sachverständigenrates der Bundesregierung, Wolfgang Franz, hat sich gegen eine staatliche Rettung des angeschlagenen Autobauers Opel ausgesprochen. "Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Opel zu retten. Das muss der Markt entscheiden, also die Käufer müssen entscheiden, welche Autos sie haben möchten", sagte er der "Bild"-Zeitung.
"Zudem bedeutet eine Insolvenz von Opel ja nicht, dass sofort am nächsten Tag Tausende Arbeitskräfte auf der Straße stehen", wurde er weiter zitiert. "Das Insolvenzrecht kann sehr hilfreich sein, um das Unternehmen zu retten und neue Investoren zu suchen." Anfang März hatte sich auch Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für eine Insolvenz als Lösung ausgesprochen.
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verhandelt derzeit in den USA um die Zukunft des angeschlagenen Autobauers. Bei den Gesprächen wollte Guttenberg unter anderem ausloten, unter welchen Bedingungen sich Opel von der konkursbedrohten Mutter General Motors (GM) abspalten könnte.
GM ist nach Angaben des Ministers bei der Rettung seiner deutschen Tochter zu Zugeständnissen bereit. Unter anderem würde sich der Konzern mit einer Minderheitsbeteiligung bei einer möglichen europäischen Gesellschaft der GM-Marken zufriedengeben, sagte Guttenberg. Zuvor hatte er sich mit GM-Chef Rick Wagoner in Washington getroffen.
Guttenberg sagte, dass GM gewillt sei, Mittel in eine neue Gesellschaft einzubringen. Dabei gehe es jedoch nicht um "frisches Kapital" aus dem Mutterkonzern. Außerdem sei das Unternehmen bereit, die Patentrechte und die verpfändeten Firmenanteile von Opel freizugeben. Dies sei jedoch nur ein Teilbeitrag. Die Entscheidung über diese Fragen hänge von der US-Regierung ab. Am Dienstag will Guttenberg mit US-Finanzminister Timothy Geithner über Opel sprechen.
Nach den Worten von Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU) sieht das Sanierungskonzept von GM für den deutschen Autobauer harte Einschnitte vor. Die Arbeitnehmer müssten noch härtere Opfer als bislang diskutiert bringen, sagte der Ministerpräsident der "Leipziger Volkszeitung". Das Konzept nenne eine Zahl für den zu erreichenden Gewinn, um private Investoren ins Boot zu holen. "Dieser Gewinn ist leichter zu erreichen, wenn man radikaler Werke oder Werksteile schließt", sagte Koch. Das Ziel sei nach Darstellung des Opel-Managements aber auch auf anderen Wegen zu erreichen: "Die setzen dann allerdings, bitter genug, größere Opfer der Arbeitnehmer voraus."
Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Laurenz Meyer, warnte die Politik, bei der Entwicklung von Rettungskonzepten die Verantwortung zu übernehmen. "Stellen Sie sich mal vor, am Ende dieses Konzeptes stellt sich heraus, dass der Standort Antwerpen geschlossen werden muss, möglicherweise noch was in Polen und was in Spanien. Und die deutsche Regierung ist es gewesen, die ein solches Konzept auf den Tisch gelegt hat - ja dann Prost Mahlzeit", sagte er dem Nachrichtensender N24.
Quelle : www.spiegel.de
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Minister Guttenberg feiert es als Erfolg: Der GM-Konzern ist bereit, die Mehrheit an Opel abzugeben - doch Investoren winken reihenweise ab. Denn die Probleme des Autobauers lassen sich nur mit jahrelangem Einsatz lösen, und die nächsten Geschäftszahlen dürften böse Überraschungen bergen.
Mangelndes Selbstvertrauen kann man Karl-Theodor zu Guttenberg nicht nachsagen. Während neu ernannte Minister bei ihren ersten Antrittsbesuchen eigentlich lächelnd Hände schütteln und ihre Verbundenheit mit dem Gastgeber versichern, präsentiert sich der CSU-Politiker gleich als harter Verhandlungspartner. Man könne zwar Freundlichkeiten zur Begrüßung und zum Abschied austauschen, hatte er seine Mitarbeiter vor den Gesprächen mit General Motors ermahnt. Hinter verschlossenen Türen müsse man aber Tacheles reden.
Mit seiner Strategie scheint Guttenberg einiges erreicht zu haben. So erklärten sich GM-Chef Rick Wagoner und Europavorstand Fritz Henderson angeblich bereit, auf eine Aktienmehrheit an dem angedachten Opel-Konzern zu verzichten.
Damit scheint der Weg frei für eine europäische Lösung. Vom Ballast befreit könnte Opel sein Schicksal in die Hand nehmen - so hoffen es wenigstens Verfechter einer Loslösung. Doch bevor die Beteiligten mit Überlegungen über ein eigenständiges europäisches Unternehmen beginnen können, gilt es, eine entscheidende Grundvoraussetzung zu erfüllen: Es müsste sich ein Investor bereitfinden, der die Mehrheit an dem angeschlagenen Autoproduzenten zu übernehmen bereit ist. Der Staat jedenfalls wird nicht in die Bresche springen - darüber ist sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Guttenberg und weiten Teilen der CDU einig.
Doch die Suche ist alles andere als einfach. Daimler und BMW haben bereits ebenso abgewinkt wie der indische Hersteller Tata und der südkoreanische Hyundai-Konzern. Auch Finanzinvestoren stehen einem Investment sehr reserviert gegenüber.
Die wären nach Überzeugung von Experten ohnehin allenfalls die zweite Wahl. "Wirklich Sinn würde nur das Engagement eines Autoherstellers machen", meint Willi Diez, Automobilökonom an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. "Denn dieser könnte noch andere Effekte in seine Rendite einrechnen, die für einen Finanzinvestor uninteressant wären." Dazu gehöre zum Beispiel ein möglicher Eintritt in den europäischen Markt und die Nutzung des Vertriebs- und Servicenetzes, erklärt Diez mit Blick auf Hersteller wie Cherry, Geely (China) oder Mahindra (Indien). Auch Techniktransfer und Synergieeffekte etwa durch die gemeinsame Nutzung von Baugruppen wären Vorteile, die nur ein Autohersteller nutzen könnte.
Der Direktor des Center of Automotive an der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach, Stefan Bratzel, glaubt ebenfalls, dass nur ein Autoproduzent in der Lage ist, Opel zu retten. Mögliche Interessenten dürften vor allem in China, Indien oder Südkorea zu finden sein, sagt er.
Die Aussichten, einen solchen Investor zu finden, schätzen die Experten allerdings als sehr gering ein. Denn den erwähnten Chancen stehen eine ganze Reihe von Risiken gegenüber. Da sind zum einen ungelöste Fragen, etwa wie Opel sauber aus dem GM-Konzern herausgelöst werden kann. Auch der Zugriff auf die Patente der Rüsselsheimer müsste erst geklärt werden. Hinzu kommt die verfahrene Situation bei Opel selbst: Die Zahlen für 2008 sind zwar noch nicht veröffentlicht, doch es gibt Anlass zur Sorge: So verbuchten die Europa-Töchter von General Motors insgesamt einen Verlust von 2,23 Milliarden Euro - und Opel steht für etwa 85 Prozent des Europa-Geschäfts.
Schlimmer noch: Die Probleme entstanden nicht über Nacht, sondern sind Folge von jahrelangem Missmanagement. Überkapazitäten, Qualitäts- und Imageprobleme und eine verfehlte Modellpolitik ließen den Absatz sinken und die Kosten steigen. Der Marktanteil in Deutschland sank seit den 1990er Jahren von rund 17 auf derzeit noch acht Prozent. Eine Entwicklung über einen solch langen Zeitraum hinweg lässt sich aber nicht über Nacht umkehren - ebenso wenig wie die Rückeroberung der Marktanteile.
Erst recht unattraktiv dürfte Opel deshalb auch für einen Finanzinvestor sein, der nicht die Kosten für andere Interessen gegen rechnen kann. "Der Einstieg wäre in der jetzigen Situation sehr verwegen", sagt Bratzel. Denn man müsse davon ausgehen, dass es bei den derzeit zur Debatte stehenden 3,3 Milliarden Euro Finanzbedarf nicht bleiben werde. "Bei konservativer Kalkulation sollte ein Investor mindestens fünf, eher zehn Milliarden rechnen, bis Opel konkurrenzfähig ist".
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält die Suche nach einem Investor zum jetzigen Zeitpunkt aus den genannten Gründen für Zeitverschwendung - "Zeit, die Opel nicht mehr hat". Dudenhöffer setzt sich deshalb energisch für ein Engagement von Bund und Ländern direkt ein. "Wenn Berlin, die betroffenen Länder und Staaten wie Spanien und Österreich Geld zusammenlegen, bleibt die Last für alle Beteiligten erträglich", erklärt er. General Motors könnte weiterhin als Partner für die technische Zusammenarbeit fungieren. "Nach vier bis fünf Jahren müsste Opel dann wieder ein interessanter Übernahmekandidat sein."
Den Weg über eine Insolvenz hält Dudenhöffer für die schlechteste aller denkbaren Optionen. "Der Verkauf würde zusammenbrechen, weil niemand mehr daran glauben würde, dass sein Auto künftig noch etwas wert wäre."
Quelle : www.spiegel.de
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Schmucke TV-Bilder, gewichtige Gespräche, aber noch keine Lösung - mit seiner US-Reise in Sachen Opel hat sich Karl-Theodor zu Guttenberg selbst unter Erfolgsdruck gesetzt. Lässt die Obama-Regierung den Mutterkonzern GM doch noch pleitegehen, ist die Enttäuschung über den Ministertrip programmiert.
Washington - Am Ende scheint dem Minister fast ein wenig bange zu werden, dass es schon vorbei sein soll mit dem schönen Besuch. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sitzt in einem Nebenraum des pompösen "Newseum" in Washington, einem 450-Millionen-Dollar-Glaspalast, der die Geschichte der Medien dokumentiert. Ihm lauscht ein Journalistentross, fast 50 Menschen, jede Menge Kameras, gerade hat der Minister TV-Interviews am Fließband gegeben.
Doch nun lärmt es an der Tür, jemand rüttelt, Guttenberg wendet sich dorthin, sagt gespielt ängstlich: "Werden wir jetzt hier rausgeschmissen?" Wäre doch schade - wo Washington so ein angenehmes Pflaster für ihn ist. Gerade hat er geschwärmt von der Zeit, die sie sich alle genommen haben: US-Finanzminister Timothy Geithner ("sehr offen, sehr vertrauensvoll"), Weltbankpräsident Robert Zoellick, IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, kurz vor Abflug noch Barack Obamas Top-Wirtschaftsberater Lawrence Summers im Weißen Haus.
Am Peterson Institute, der führenden Denkfabrik für Wirtschaftsfragen in der US-Hauptstadt, darf der deutsche Wirtschaftsminister einen Vortrag halten, das Auditorium ist überfüllt. Guttenbergs Englisch ist gut, er spricht statt von Problemen von "challenges", Herausforderungen, wie es die Amerikaner lieben. Als die Fragen kniffliger werden, schäkert er: "Ah, so mag ich es hier. Exzellente Fragen." "Ich bin sehr zufrieden mit diesen Tagen", resümiert Guttenberg nun im "Newseum", dann muss er bald schon los.
"Summers wartet", sagt er lächelnd.
Vielleicht ist der Empfang in Washington schon fast zu freundlich. Immerhin weckt so ein hochkarätiges Besuchsprogramm Erwartungen - vor allem mit Hinblick auf die Zukunft der deutschen Opel-Werke. Durch den drohenden Konkurs der Muttergesellschaft General Motors (GM) wären bis zu 25.000 Arbeitsplätze in Deutschland in Gefahr. Guttenberg traf GM-Chef Rick Wagoner schon am Montagabend in Washington.
Die große Unbekannte
Doch erfüllen kann der Minister diese Erwartungen auch nach den Gesprächen mit der US-Regierung nicht so recht. "Für den Fall, dass GM ein tragfähiges Überlebenskonzept vorliegt, haben wir uns einige Schritte aufeinander zu bewegt", sagt Guttenberg. "Der Hoffnungsschimmer für Opel ist ein Stück heller geworden." Guttenberg sieht nun eine "aktive Zusammenarbeit" zwischen amerikanischer und deutscher Regierung. Beide wollten sicherstellen, dass keine staatlichen Mittel in andere Länder abfließen.
Am Tag vorher hatte er direkt nach seinen GM-Gesprächen schon von einem "klaren Entgegenkommen" der US-Manager gesprochen. Insbesondere habe GM die Bereitschaft erklärt, künftig nur noch eine Minderheitsbeteiligung bei Opel zu halten und so einen Abfluss deutscher Steuergelder zum Mutterkonzern zu verhindern. Auch mit Blick auf die Verpfändung von Opel-Anteilen sowie Patenten an die US-Regierung erkannte der Minister Fortschritte.
Ergänzen kann Guttenberg nun bloß einige technische Details. So sollen sein Staatssekretär und ein amerikanisches Pendant die GM-Verhandlungen künftig koordinieren - auch mit Hilfe einer noch zu benennenden "Vermittlerpersönlichkeit", die vor allem den Kontakt zu den GM-Konzernteilen halten soll. Diese ist bereits tätig, soll aber erst in den nächsten Tagen offiziell vorgestellt werden.
Aber da bleibt die große Unbekannte: Der GM-Rettungsplan, der am 31. März fällig ist. "Die Fortschritte stehen unter der Bedingung, dass es eine tragfähige Lösung für den Mutterkonzern gibt", betont auch Guttenberg. Wie wahrscheinlich das ist, scheinen bislang nur wenige Eingeweihte in Detroit und Washington zu wissen. Am 17. Februar sandte der Autogigant einen neuen Rettungsentwurf an die US-Regierung, doch der wurde bald als überholungsbedürftig eingestuft.
Frust über die Zahlen von GM
Auch den Deutschen liegt dieser Plan vor, doch der Frust über die Kommunikationsschwierigkeiten mit Detroit sitzt tief in der Guttenberg-Delegation. Es sei "unglaublich", was man in den Verhandlungen mit dem Auto-Giganten in den vergangenen Wochen erlebt habe, heißt es - man traue generell den Zahlen nicht mehr, mit denen in Gesprächen mit GM hantiert werde.
Das Obama-Team hat sich den 31. März als Datum für eine GM-Entscheidung gesetzt, kurz vor dem G-20-Finanzgipfel in London. Erst seit voriger Woche wühlen sich Anwälte und Experten der Regierung durch das Konzept des Autoriesen. Dabei hat die Option einer kontrollierten Insolvenz nach US-Medienberichten intern offenbar weiter an Reiz gewonnen, was aber auch nur ein Druckmittel für weitere Konzessionen sein könnte.
An der Entscheidung der US-Regierung hängt letztlich alles. Sollte GM nämlich doch eine kontrollierte Insolvenz einleiten müssen, wären auch die Opel-Verhandlungen "auf einem ganz anderen Pfad", sagt Guttenberg. Dass sich dies allerfrühestens Ende März entscheidet, gibt Guttenberg zwar eine kleine Atempause - doch zeigt auch die Probleme seines glamourösen Drei-Tage-Besuches in den USA.
Weil Guttenberg so viel von anderen Entscheidungsträgern abhängt, kann auf den Glamour der Reise leicht die Enttäuschung folgen - oder gar Spott. Während der Reise ist dies bereits zu erahnen: Journalisten fragen, ob der Minister stolz sei über den festlichen Empfang in der US-Hauptstadt und wie er sich mit anderen Regierungsmitgliedern abstimme. Daheim motzt SPD-Fraktionschef Peter Struck: "Ich sehe nicht, dass er einen großen Erfolg erreicht hat. Dafür hätte er nicht nach Amerika fahren müssen - es sei denn, er hat Wert gelegt auf die Fotos am Times Square."
Bei so viel Opel-Aufregung bleibt für den eigentlichen Besuchszweck kaum noch Zeit - die Diskussionen über Berlins Beitrag zur Lösung der globalen Finanzkrise. Die Amerikaner wünschen sich stärkere deutsche Staatsausgaben, um die Konjunktur anzukurbeln, aber Guttenberg ist da skeptisch. Die Stimuluspakete dürften sich nicht "gegenseitig hochschaukeln" zu einem "Perpetuum mobile der Konjunkturprogramme". Die beiden bisherigen Pakete der Bundesregierung betrügen schon so vier Prozent des Bruttoinlandprodukts, betont er.
"Ich weiß, manche hier sind dazu anderer Meinung", sagt er vor dem Peterson Institute. "Aber wir handeln zügig und resolut. Deutschland leistet einen großen Beitrag zur Lösung der globalen Finanzkrise." So sehe das übrigens auch US-Finanzminister Timothy Geithner, ergänzt der Minister später. "Er hatte hohes Verständnis für unserer Prioritäten", sagt er. "Unser Konjunkturprogramm kann sich sehen lassen. Ich will mir das von niemandem kaputt reden lassen."
Der Minister lächelt. Es ist doch schön in Washington.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Opel-Händler in Deutschland wollen sich am kriselnden Autobauer beteiligen. Sie sprachen sich einstimmig für ein finanzielles Engagement aus. Jeder Händler soll drei Jahre lang 150 Euro für jeden verkauften Wagen in einen Fonds zahlen - und dafür Anteile an Opel erhalten.
Darmstadt - Die deutschen Opel-Händler wollen bei der Rettung des traditionsreichen Autobauers helfen: Auf der Mitgliederversammlung in Darmstadt stimmten sie "zu 100 Prozent" für einen solchen Schritt, teilte Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz am Donnerstag mit.
Nach seinen Worten wollen sich die Arbeitnehmer und Händler von Opel gemeinsam mit einem dreistelligen Millionenbetrag an dem Unternehmen beteiligen. Das Votum der deutschen Opel-Händler ist ein erster Schritt für eine Beteiligung an dem Autobauer. Nach den Plänen des europäischen Händlerverbands Euroda sollen sich die Händler europaweit über eine Dachgesellschaft mit 20 Prozent an einer eigenständigen Opel/Vauxhall-Aktiengesellschaft beteiligen und könnten dafür bis zu 400 Millionen Euro aufbringen.
Demnach wollen sie in den kommenden drei Jahren 150 Euro pro verkauftem Neuwagen in einen Fonds zahlen. Das Geld soll helfen, die Tochter des von der Insolvenz gefährdeten US-Riesen General Motors aus der Krise zu führen und zunächst 35.000 Arbeitsplätze bei den rund 2000 deutschen Opel-Händlern zu sichern.
Opel strebt eine größere Unabhängigkeit von GM an und hat dazu auch den Staat um Hilfe gebeten. Der Autobauer benötigt mehr als sieben Milliarden Euro, davon 3,3 Milliarden vom Staat.
Die IG Metall forderte am Donnerstag mehr Eile bei der staatlichen Hilfe für Opel. "Wir haben wahrscheinlich nicht mehr so viel Zeit, um die Arbeitsplätze bei Opel zu sichern", sagte IG-Metall-Chef Berthold Huber am Donnerstag im Deutschlandfunk. Zwar sei die Politik bemüht, aber was Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) von seiner Reise in die USA mitgebracht habe, wo er unter anderem mit der GM-Spitze gesprochen hatte, habe "wenig Neuigkeitswert".
Huber forderte von der Regierung einen Schutzschirm für Opel in Form einer direkten Beteiligung oder in Form von Bürgschaften. "Wir sind der Meinung, dass Opel überlebensfähig ist", sagte er. Der Gewerkschafter räumte jedoch ein, dass dazu ein wettbewerbsfähiges Konzept nötig sei: "Vielleicht muss Opel da noch mal nacharbeiten." Die Bundesregierung hatte am Mittwoch eine direkte Beteiligung an Opel ausgeschlossen.
Quelle : www.spiegel.de
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Jeder 25. Antrag abgelehnt
Beim Rennen um die staatliche Abwrackprämie für Altautos scheidet etwa jeder 25. aus. Das gab die BAFA am Mittwoch (18.3.) bekannt und bestätigte damit einen Bericht der Bild-Zeitung.
Zahlreiche Autokäufer müssten mit der Ablehnung ihres Antrags rechnen.
Wie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) in Eschborn bei Frankfurt berichtete, waren bislang rund vier Prozent der Anträge so fehlerhaft, dass sie abgelehnt werden mussten.
Anträge müssen komplett und fehlerfrei sein
Häufige Fehler seien die Abmeldung des Altwagens vor dem Stichtag 14. Januar oder dass unterschiedliche Halter bei Alt- und Neuwagen eingetragen seien. Zu den üblichen Mängeln zählen unter anderem auch fehlende Unterschriften oder vergessene Nachweise, so Holger Beutel, Pressesprecher des zuständigen Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn. Beim Antrag gilt es also zu beachten, dass dieser komplett und fehlerfrei eingereicht wird. Zwar besteht die Möglichkeit, fehlende oder unvollständige Angaben nachzureichen - der fehlerhafte Antrag sichert jedoch keinen Platz in der Bearbeitungs-Warteschlange.
Ab dem 30. März ist allerdings ein neues Verfahren möglich: Dann werden Interessenten sich mit dem Kaufvertrag für einen Neuwagen einen Platz in der Warteschlange sichern können. Die Antragstellung nach diesem Verfahren ist aber laut BAFA auch erst zu dem genannten Datum möglich.
Wie auto motor und sport bereits vergangenen Dienstag berichtete, ist der Topf für die Abwrackprämie schon ab Ende des Monats zu 70 Prozent aufgebraucht. Der Handel schätzt, dass die Förderung bei diesem Tempo Mitte April nicht mehr zur Verfügung steht.
Ob die Bundesregierung den Topf aufstockt, bleibt weiterhin fraglich. Bisher hat die Regierung diese Forderung abgelehnt, jedoch gibt es aus den Reihen der CSU und SPD erste Signale für eine Verlängerung der Verschrottungsprämie. Bislang hätten Regierung und Koalition die öffentliche Debatte aber verschoben, um nicht zu früh "den Druck aus dem Kessel zu nehmen".
Quelle: 2009 Motor-Presse Stuttgart
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Er berät an allen Ecken und Enden: Die Opposition hat die Bestellung von Roland Berger als Opel-Unterhändler scharf kritisiert - weil dessen Firma gleichzeitig den Mutterkonzern GM berät. Man frage sich, so die Kritik, auf wessen Seite der bekannte Unternehmensberater eigentlich stehe.
München/Berlin - Es sollte ein Coup sein, doch jetzt sorgt die Benennung von Roland Berger nur für Kritik: Die Opposition im Bundestag hat die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums kritisiert, den Unternehmensberater zum Opel-Koordinator zu machen. "Man fragt sich, für welches Team der Testfahrer Roland Berger denn jetzt fahren soll - für den Opel-Mutterkonzern General Motors oder für die Bundesregierung", sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle der "Süddeutschen Zeitung" ("SZ"). Hier könne es schnell einen Interessenkonflikt geben, der zur Orientierungslosigkeit führe.
Auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Thea Dückert, lehnte Bergers Engagement ab: "Die Bundesregierung schiebt die Verantwortung für eine weitere wichtige politische Entscheidung auf einen Unternehmensberater", sagte sie.
Die Kritik entzündet sich daran, dass General Motors Europe (GM) die von Berger gegründete Münchner Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants damit beauftragt hat, ein Sanierungskonzept zu erarbeiten. Dieses Konzept soll die Lücken schließen, die die Bundesregierung in dem von Opel vorgelegten Rettungsplan bemängelt hatte. Berger selbst hält laut "SZ" noch etwa zehn Prozent der Anteile an der Unternehmensberatung.
Außerdem sitzt Berger beim Opel-Konkurrenten Fiat im "Board of Directors", einem 15-köpfigen Führungsgremium des Konzerns, wie die "Financial Times Deutschland" ("FTD") berichtet. Der italienische Autohersteller wiederum verhandele gerade mit dem US-Autokonzern Chrysler, einem Rivalen von GM.
Berger wurde laut "FTD" im Mai 2006 in das "Board of Directors" des italienischen Autokonzerns gewählt und hat schon seit Jahrzehnten enge Kontakte in die italienische Wirtschaft. Vor Gründung seiner eigenen Firma hatte er in den sechziger Jahren seine Karriere als Unternehmensberater in Italien begonnen. Sprecher von Berger und des Wirtschaftsministeriums wollten sich zu dieser Sache auf Anfrage nicht äußern.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, forderte Berger auf, seine Mitgliedschaft im "Board of Directors" bei Fiat unverzüglich zu beenden. "Andernfalls besteht ein Interessenkonflikt, der eine Beratungsfunktion für die Bundesregierung ausschließt", sagte Schneider der Zeitung.
Im Wirtschaftsministerium versteht man die Kritik an der Personalentscheidung allerdings nicht. "Berger hat keinen Vertrag bei der Bundesregierung, für den er Geld bekommt", sagte ein Sprecher der "SZ". Außerdem sitze er bei seiner Beratungsfirma nur im Aufsichtsrat.
Quelle : www.spiegel.de
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Dem angeschlagenen Autobauer Opel läuft die Zeit davon, Politiker und Management suchen nach einer Lösung. Jetzt schaltet sich auch Bundesarbeitsminister Olaf Scholz in die Debatte ein: Der SPD-Politiker fordert wenn nötig eine Staatsbeteiligung bei dem Hersteller.
Berlin/Hamburg - Arbeitsminister Olaf Scholz sieht den Staat bei Opel in der Pflicht: Den von der Pleite bedrohten Autobauer sterben zu lassen, "wäre mehr als ein Fehler, es wäre ein unentschuldbares Regierungsversagen", sagt der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag" laut Vorabbericht.
Das Unternehmen habe eine gute Perspektive und die Regierung dürfe auch vor einer Staatsbeteiligung an Opel nicht zurückschrecken, sagte Scholz weiter. "Ich fürchte mich nicht davor, dass der Staat bei Opel einsteigt", sagte er. Allerdings dürfe eine Beteiligung keine Dauerperspektive sein.
Scholz warnte vor einer Pleite von Opel. Eine Insolvenz würde wahrscheinlich teurer als alles, was an öffentlichen Mitteln für eine Rettung des Unternehmens aufgewendet werden müsse, sagte der Minister. So müsse für die betriebliche Altersversorgung der Opel-Mitarbeiter dann der Pensionssicherungsverein einspringen, in den alle Firmen mit betrieblicher Altersvorsorge einzahlen. Dessen Beiträge würden dann steigen.
Merkel in Rüsselsheim
Opel droht angesichts der prekären Finanzlage bei der US-Mutter General Motors (GM) die Insolvenz. Der Konzern hat europaweit staatliche Bürgschaften über 3,3 Milliarden Euro beantragt, den Großteil davon bei der Bundesregierung. Eine Entscheidung dazu steht noch aus, zumal der vom Management vorgelegte Rettungsplan aus Sicht der Großen Koalition noch viele Fragen offen lässt. Außerdem will GM sich von Opel-Anteilen trennen und auf die Position des Juniorpartners zurückziehen. Ein Investor steht bislang nicht bereit.
Am 31. März will Bundeskanzlerin Angela Merke den Opel-Stammsitz besuchen um sich dort mit Werksleitung und Betriebsrat zu treffen und sich die Fertigung anzusehen. Das Schicksal von Opel wird auch beim Deutschland-Besuch von US Präsident Barack Obama für Diskussionsstoff sorgen. Regierungssprecher Thomas Steg sagte am Freitag, das Treffen am 3. April biete die Möglichkeit, sich "unmittelbar, auch im direkten Gespräch" über Opel zu verständigen.
Opel-Chef Hans Demant kündigte weitere Einschnitte bei dem Unternehmen an. Der Hersteller prüft demnach auch Werksschließungen. "Wenn Sie nur betriebswirtschaftlich denken, dann wäre das sicher sinnvoll", sagte Demant dem Magazin "Wirtschaftswoche" laut Vorabbericht. Erwogen würden zudem Personalabbau und eine Auflösung von Organisationen. Die deutschen Standorte könnten wegen der hohen Kosten dort nicht verschont bleiben.
Die Opel-Belegschaft stemmt sich ihrerseits gegen den Zusammenbruch des Konzerns. "Auf die Mitarbeiter kommen harte Zeiten zu", warnte Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz im Interview mit SPIEGEL ONLINE. Opel müsse in Europa eine Milliarde Euro im Jahr einsparen, fügte er hinzu. Deshalb sei eine Vier-Tage-Woche denkbar, auch über die Streichung von Zusatzleistungen wie Weihnachtsgeld werde zu reden sein.
Um Opel zu retten plädiert Franz für den Einstieg von Mitarbeitern und Händlern. "Meiner Meinung nach können wir mit den Händlern sogar eine Sperrminorität von 25 Prozent erreichen", sagte der Arbeitnehmervertreter.
Quelle : www.spiegel.de
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Opel braucht dringend einen Investor, doch die Suche gestaltet sich schwierig: Nach SPIEGEL-Informationen gibt es für den angeschlagenen Autobauer offenbar noch immer keinen ernstzunehmenden Interessenten - trotz gegenteiliger Behauptungen von Bundeswirtschaftsminister Guttenberg.
Hamburg - Die Suche nach einem finanzstarken Partner für Opel zieht sich nach SPIEGEL-Informationen in die Länge: Bislang sei "kein Investor in Sicht" sagte der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft, Jochen Homann, nach Berichten von Teilnehmern einer Beamtenrunde, die sich vergangene Woche im Anschluss an die US-Reise von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg traf.
Guttenberg hatte in den vergangenen Tagen mehrfach behauptet, es gebe für Opel Interessenten, seriöse und weniger seriöse. Weiter sagte Homann den Berichten zufolge, dass die Opel-Mutter General Motors (GM) nicht bereit sei, Geld in den europäischen Ableger zu stecken. Das hätten Konzernchef Rick Wagoner und dessen Vize Fritz Henderson Guttenberg bei einem Treffen in Washington mitgeteilt.
Homann bestreitet die Darstellung. Der Wirtschaftsberater der Kanzlerin, Jens Weidmann, berichtete der Expertenrunde, auch Daimler habe es endgültig abgelehnt, die moderne Opel-Fertigungsstätte in Eisenach zu kaufen.
Opel droht angesichts der prekären Finanzlage bei GM die Insolvenz. Der Konzern hat europaweit staatliche Bürgschaften über 3,3 Milliarden Euro beantragt, den Großteil davon bei der Bundesregierung. Eine Entscheidung dazu steht noch aus, zumal der vom Management vorgelegte Rettungsplan aus Sicht der Großen Koalition noch viele Fragen offen lässt. Außerdem will GM sich von Opel-Anteilen trennen und auf die Position des Juniorpartners zurückziehen.
Am 31. März will Bundeskanzlerin Angela Merke den Opel-Stammsitz besuchen, um sich dort mit Werksleitung und Betriebsrat zu treffen und sich die Fertigung anzusehen. Das Schicksal von Opel wird auch beim Deutschland-Besuch von US-Präsident Barack Obama für Diskussionsstoff sorgen. Regierungssprecher Thomas Steg sagte am Freitag, das Treffen am 3. April biete die Möglichkeit, sich "unmittelbar, auch im direkten Gespräch" über Opel zu verständigen.
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) fordert, Opel notfalls durch eine Beteiligung des Staates zu retten. "Opel sterben zu lassen, wäre mehr als ein Fehler, es wäre ein unentschuldbares Regierungsversagen", sagte der SPD-Politiker in einem vorab veröffentlichten Interview der "Bild am Sonntag". Die Regierung dürfe auch vor einer Staatsbeteiligung an Opel nicht zurückschrecken.
Opel-Chef Hans Demant kündigte weitere Einschnitte bei dem Unternehmen an. Der Hersteller prüft demnach auch Werksschließungen. "Wenn Sie nur betriebswirtschaftlich denken, dann wäre das sicher sinnvoll", sagte Demant dem Magazin "Wirtschaftswoche" laut Vorabbericht. Erwogen würden zudem Personalabbau und eine Auflösung von Organisationen. Die deutschen Standorte könnten wegen der hohen Kosten dort nicht verschont bleiben.
Die Opel-Belegschaft stemmt sich ihrerseits gegen den Zusammenbruch des Konzerns. "Auf die Mitarbeiter kommen harte Zeiten zu", warnte Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz im Interview mit SPIEGEL ONLINE. Opel müsse in Europa eine Milliarde Euro im Jahr einsparen, fügte er hinzu. Deshalb sei eine Vier-Tage-Woche denkbar, auch über die Streichung von Zusatzleistungen wie Weihnachtsgeld werde zu reden sein.
Um Opel zu retten, plädiert Franz für den Einstieg von Mitarbeitern und Händlern. "Meiner Meinung nach können wir mit den Händlern sogar eine Sperrminorität von 25 Prozent erreichen", sagte der Arbeitnehmervertreter.
Roland Berger will Interessenkonflikt vermeiden
Unterdessen haben der Unternehmensberater Roland Berger und seine Firma, an der er noch zehn Prozent hält und die er als Chefaufseher kontrolliert, nach SPIEGEL-Informationen Vorkehrungen getroffen, um einen Interessenkonflikt im Fall Opel zu vermeiden. Berger unterstützt in diesem Komplex die Bundesregierung, sein Unternehmen den europäischen GM-Ableger.
Wie Mitglieder der eigens gebildeten Opel-Task-Force bei Roland Berger berichten, musste sich jeder von ihnen in einer Vertraulichkeitserklärung verpflichten, keinerlei Informationen über das geplante Sanierungskonzept an den Ex-Chef weiterzugeben. Umgekehrt versicherte Berger selbst, die Mitarbeiter oder Partner nicht mit Fragen zum Stand ihrer Arbeit zu löchern. Sogar den fertigen Rettungsplan, der Anfang April vorliegen soll, darf Berger sich nicht auf dem kurzen Dienstweg am Firmensitz in München beschaffen, sondern allenfalls über Wirtschaftsminister Guttenberg.
Quelle : www.spiegel.de
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Opel spaltet die Große Koalition: Unionsfraktionschef Volker Kauder will der angeschlagenen GM-Tochter keine Sonderrolle zubilligen: Eine Beteiligung mit Steuergeldern "kommt überhaupt nicht in Frage." SPD-Arbeitsminister Scholz fordert dagegen den Einstieg des Staates.
Leipzig/Hamburg - Die Große Koalition streitet um Staatshilfen für Opel: Im Ringen um die Rettung des von der Pleite bedrohten Autobauers hat die CDU den SPD-Versprechungen auf schnelle Staatshilfe eine strikte Absage erteilt und jegliche Vorzugsbehandlung abgelehnt.
"Für alle Unternehmen im Land muss es die gleichen Regelungen geben. Keine Sonderbehandlung für niemand", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) der "Leipziger Volkszeitung". Jeder Arbeitsplatz sei gleich wichtig. Auch bei Märklin oder Schiesser seien Tausende von Arbeitsplätzen betroffen, sagte Kauder und verwies damit auf andere deutsche Traditionsunternehmen, die in die Insolvenz geraten sind.
"Ohne überzeugendes Rettungskonzept, ohne neuen Investor und ohne eine sich engagierende Hausbank kann Opel nicht auf Hilfe hoffen", sagte der Unionspolitiker. "Sonderrechte gibt es für Opel nicht. Und eine direkte Staatsbeteiligung kommt überhaupt nicht in Frage."
Kauder stellt sich damit gegen Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD). Scholz hatte sich in der "Bild am Sonntag" für eine staatliche Beteiligung bei Opel ausgesprochen. "Ich fürchte mich nicht davor, dass der Staat bei Opel einsteigt", sagte der Minister dem Blatt.
Scholz warb zudem dafür, das Unternehmen unter allen Umständen zu retten. "Opel sterben zu lassen, wäre mehr als ein Fehler, es wäre ein unentschuldbares Regierungsversagen", erklärte der SPD-Politiker.
Opel droht angesichts der prekären Finanzlage beim US-Mutterkonzern General Motors (GM) Insolvenz. Der Konzern hat europaweit staatliche Bürgschaften über 3,3 Milliarden Euro beantragt, den Großteil davon bei der Bundesregierung. Eine Entscheidung dazu steht noch aus, zumal der vom Management vorgelegte Rettungsplan aus Sicht der Großen Koalition noch viele Fragen offenlässt. Außerdem will GM sich von Opel-Anteilen trennen und auf die Position des Juniorpartners zurückziehen.
Die Suche nach einem Käufer zieht sich nach SPIEGEL-Informationen allerdings in die Länge: Bislang sei "kein Investor in Sicht" sagte der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft, Jochen Homann, nach Berichten von Teilnehmern einer Beamtenrunde, die sich vergangene Woche im Anschluss an die US-Reise von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg traf.
Guttenberg hatte in den vergangenen Tagen mehrfach behauptet, es gebe für Opel Interessenten, seriöse und weniger seriöse. Weiter sagte Homann den Berichten zufolge, dass die Opel-Mutter GM nicht bereit sei, Geld in den europäischen Ableger zu stecken. Das hätten Konzernchef Rick Wagoner und dessen Vize Fritz Henderson Guttenberg bei einem Treffen in Washington mitgeteilt. Der Staatssekretär bestreitet die Darstellung.
Am 31. März will Bundeskanzlerin Angela Merkel den Opel-Stammsitz in Rüsselsheim besuchen, um sich dort mit Werksleitung und Betriebsrat zu treffen und sich die Fertigung anzusehen. Das Schicksal von Opel wird auch beim Deutschland-Besuch von US-Präsident Barack Obama für Diskussionsstoff sorgen.* Regierungssprecher Thomas Steg sagte am Freitag, das Treffen am 3. April biete die Möglichkeit, sich "unmittelbar, auch im direkten Gespräch" über Opel zu verständigen.
Quelle : www.spiegel.de
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Rückschlag für GM: Führende Gläubiger haben erhebliche Zweifel am Sanierungsplan des siechen US-Autobauers angemeldet. Damit schwinden auch die Hoffnungen auf eine Rettung der deutschen Tochter Opel.
Berlin/ New York - Die Hoffnungen des deutschen Autobauers Opel auf staatliche Unterstützung haben erneut einen Dämpfer erhalten. Führende Gläubiger des krisengeschüttelten amerikanischen Opel-Mutterkonzerns General Motors (GM) haben massive Zweifel an dessen Sanierungsplänen geäußert. GM setze zu sehr auf eine rasche Erholung des Automarktes, warnten die Gläubiger in einem am Montag bekanntgewordenen Brief an US-Finanzminister Timothy Geithner und die Auto-Kommission (Task Force) der Regierung.
Das könnte auch für Opel Folgen haben: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Vortag Hilfszusicherungen weiter daran geknüpft, dass das Sanierungskonzept der Mutter in Detroit zukunftsfähig ist. Zudem setzt die Bundesregierung auf eine weitestgehende Loslösung Opels von GM sowie auf den Einstieg eines Investors. Union und FDP wollen einen direkten staatlichen Einstieg bei dem Autobauer vermeiden. Deshalb soll ein Investor gefunden werden. Derzeit werden Gespräche mit potentiellen Interessenten geführt. Aber auch die verlangen zunächst ein stimmiges Konzept.
GM-Gläubiger fürchten Pleite
Dass die Gläubiger des amerikanischen Autoriesen misstrauisch sind, überrascht nicht - denn sie sollen auf Druck der US-Regierung zwei Drittel ihrer Forderungen in Aktien des Autobauers eintauschen. Sie befürchten jedoch, im Fall einer Pleite leer auszugehen. Es sei unklar, ob der Sanierungsplan GM tatsächlich vor der Insolvenz bewahren könne, heißt es in dem von US-Medien veröffentlichten Brief. Auch die Arbeitnehmerseite soll für weitere Zugeständnisse Anteile am Konzern bekommen, erzielte darüber aber bisher keine Einigung mit GM.
Der Autobauer muss der US-Regierung laut dem bisherigen Zeitplan am Dienstag in einer Woche ein endgültiges Sanierungskonzept vorlegen. Auf dieser Basis will Präsident Barack Obama über Staatshilfen von insgesamt bis zu 30 Milliarden Dollar entscheiden.
Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Peter Ramsauer, lehnt eine staatliche Beteiligung an Opel ab. "Ein kleines Unternehmen mit 50 oder 100 Beschäftigten hat den gleichen Anspruch in so einem Fall auf Hilfe wie es Opel hat", sagte er dem WDR. "Deswegen kommen Staatsbeteiligungen nicht in Frage." Auch Merkel sagte am Sonntagabend in der ARD zu einem Einstieg des Staates: "Die Absicht haben wir zurzeit nicht, aber ich sehe auch gar nicht die Notwendigkeit."
Keinen "Freifahrtschein" für Opel
Dagegen schließen führende SPD-Politiker eine direkte staatliche Beteiligung nicht aus. Nach Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) argumentierte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles in der "Berliner Zeitung": "Eine europäische Opel AG darf nicht scheitern, weil der Staat sich nicht hinter Opel stellt. Einer der Investoren kann der Staat sein."
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte der Zeitung: "Opel jetzt einen Freifahrtschein auszustellen, wie es Arbeitsminister Scholz gerade tut, liegt weder im Interesse der Steuerzahler noch im Interesse der Opel-Mitarbeiter. Die Ankündigung einer Staatsbeteiligung nimmt den Druck von General Motors, Opel in eine eigenständige, wirtschaftlich tragfähige Zukunft zu entlassen."
Quelle : www.spiegel.de
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Das am heutigen Montag um acht Uhr gestartete neue Online-Reservierungsverfahren "UMP neu" für den offiziell Umweltprämie getauften Verschrottungsbonus für Altautos entwickelt sich nach einem IT- nun auch zu einem Datenschutz-Desaster für die ausführenden Organe. heise online liegt eine zunehmende Zahl an Belegen dafür vor, dass die zuständige Behörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Antwort-E-Mails mit personen- und fahrzeugbezogene Daten nicht an den ursprünglichen Antragsteller verschickt hat, sondern an andere Personen, die ebenfalls Abwrackprämien beantragen wollen.
In Einzelnen bedeutet dies für die Betroffenen: Ein Antragsteller "Herr Meier" erhält, nachdem er die durch die Überlastung der Behördenwebsite erschwerte Prozedur erfolgreich abgeschlossen hat, eine E-Mail des BAFA, dem ein PDF angehängt ist. Dieses Dokument enthält jedoch nicht die Bestätigung für die eigene Reservierung, sondern Daten eines anderen Antragstellers. Unfreiwillig erfährt nun "Herr Meier", dass eine "Frau Müller" in einem anderen Winkel der Republik ebenfalls eine Abwrackprämie kassieren will. Genannt wird deren Wohn- und E-Mail-Adresse und sogar Fahrzeugtyp einschließlich Fahrgestellnummer des bestellten Neufahrzeugs.
Unklar ist, wie viele Bestätigungen bislang an einen falschen Adressaten verschickt wurden. Anhand der vergebenen Bearbeitungsnummern ist anzunehmen, dass es im Verlauf des heutigen Montags mindestens einigen tausend Personen gelungen ist, ihre Online-Reservierung vollständig abzuwickeln, auch wenn sie wegen des Ansturms auf die Website dafür mitunter mehrere Stunden aufwenden mussten. Bislang gibt es auch keinen Hinweis darauf, dass Reservierungen lediglich paarweise (Meier/Müller Müller/Meier) falsch versandt wurden. Einige Leser von heise online berichten, dass dieselbe Vorgangsnummer offenbar mindestens zwei verschiedenen Antragstellern zugeordnet worden ist.
Telefonisch war die Pressestelle des BAFA zu dem Thema bislang nicht erreichbar, auch steht eine Antwort der Behörde auf eine schriftliche Anfrage von heise online zur Datenschutz-Panne aus. Bislang ist auch nicht bekannt, wie viele Antragsteller betroffen sind und ob die Fehlerquelle womöglich bei einem externen Dienstleister beziehungsweise in einer fehlerhaften Datenübergabe zwischen diesem und dem BAFA zu suchen ist.
Dass die Firma eine externe Stelle mit der Online-Reservierung der "UMP neu" beauftragt hat, ist eine nahe liegende Vermutung. Die Umstellung vom schriftlichen auf ein Online-Verfahren bedeutete einen 180-Grad-Schwenk in der noch jungen Verwaltungspraxis der Vergabe von Abwrack-Subventionen. Diese Umstellung war erst eine Woche vor dem Stichtag 30. März beschlossen worden. Da die Umweltprämie zunächst nach dem Motto "wer zuerst kommt, mahlt zuerst" an die ersten 600.000 Antragsteller hätte vergeben werden sollen, benötigte die Behörde nach damaligen Angaben ein Verfahren, das die Eingangsreihenfolge der Anträge "sekundengenau" festhalten sollte.
Automobilclubs hatten das neue Verfahren schon vor seinem Start massiv kritisiert. Der ADAC monierte eine Benachteilung für Bewohner ohne DSL-Zugang oder mit fehlenden Internet-Kenntnissen. Der Automobilclub Europa (ACE) hatte das Online-Verfahren gar als "verfassungswidrig" abgekanzelt. Laut Volker Lempp, Chefjurist des ACE, würden willkürlich und ohne sachliche Rechtfertigung ganze Bevölkerungsgruppen von der Vergünstigung ausgeschlossen. Diese Ungleichbehandlung werde auch nicht dadurch beseitigt, wenn beispielsweise Autoclubs oder Kfz-Händler Anträge im Auftrag ihrer Kunden stellen. Es könne ernsthaft keinen Unterschied machen, in welcher Schriftform die Anträge mit den notwendigen Anlagen eingehen, ob per Brief, per Fax oder eben online. Den Anteil ungültiger Anträge im ursprünglichen Antragsverfahren auf dem Postweg hatte das BAFA zwischenzeitlich auf gerade vier Prozent geschätzt.
Quelle : www.heise.de
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In einer am heutigen Montagabend verbreiteten Pressemitteilung drückt das mit der Auszahlung der Auto-Abwrackprämie betraute Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sein Bedauern darüber aus, dass Antragsteller seit dem missglückten Start des neu eingeführten Online-Reservierungsverfahrens am Montagmorgen oftmals mehrere Stunden – und keineswegs immer erfolgreich – aufwenden mussten, um sich für die "Umweltprämie" (UMP neu) vormerken zu lassen.
Als Ursache dafür gibt das BAFA nun "technische Schwierigkeiten" an. Der mit der Abwicklung der Online-Reservierung betraute externe Dienstleister arbeite "fieberhaft" an einer Lösung. Inzwischen seien bereits Verbesserungen zu verzeichnen. Die von dem nicht näher bezeichneten IT-Unternehmen bereitgestellten Server laufen demzufolge stabil. Die Probleme seien "netztechnischer Natur", laut dem Dienstleister spreche "einiges dafür", dass verschiedene Knotenpunkte im Internet den plötzlich aufgetretenen Ansturm auf die eigens für das Online-Verfahren eingerichtete Website fälschlicherweise als Denial-of-Service-(DoS)-Attacke interpretiert und die Weiterleitung von Daten blockiert hätten.
Die externe IT-Firma hat das BAFA nach eigener Darstellung aufgrund "einschlägiger Referenzen" ausgewählt. Im Vorfeld seien Testläufe mit mehreren 100.000 Anträgen erfolgreich durchgeführt worden. Darüber hinausgehende Angaben wollte die Pressestelle des BAFA zur Stunde nicht machen. Weitere Hinweise würden am morgigen Dienstag um 10 Uhr auf der Internetseite des BAFA veröffentlicht. Mindestens so lange müssen Antragsteller, die das Online-Verfahren zwar erfolgreich absolviert haben, deren personen- und fahrzeugbezogene Daten aber in der Folge an falsche Adressaten verschickt wurden, also weiter auf eine Erklärung für diese gravierende Datenschutzpanne warten.
Quelle : www.heise.de
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Krisenbesuch in der Rüsselsheimer Opel-Zentrale: Vor Tausenden Beschäftigten hat Kanzlerin Merkel dem angeschlagenen Konzern Hilfe zugesichert. Eine Beteiligung schloss sie jedoch weiterhin aus - und geht damit auf klaren Konfrontationskurs zu SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier.
Rüsselsheim - Erstmals hat Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag die Opel-Zentrale im hessischen Rüsselsheim besucht. Vor etwa 3000 Beschäftigten sprach sie über die Zukunft des von der Insolvenz bedrohten Autobauers - wie genau eine Rettung des Autobauers aussehen soll, sagte sie aber nicht.
Die Kanzlerin wurde von den Opel-Mitarbeitern mit freundlichem Beifall begrüßt. "Ich bin sehr gerne hierher gekommen", sagte Merkel. "Und denke, es wäre ziemlich feige gewesen, wenn ich nicht erschienen wäre", sagte sie in Anspielung auf Gerüchte, sie würde ihren Besuch kurzfristig verschieben wollen.
Erneut bekräftigte Merkel ihre Forderung, schnell einen Privatinvestor für Opel zu finden. Dafür stehe auch "staatliche Unterstützung" zur Verfügung: "Ich sage das zu, denn wir verfügen über die richtigen Instrumente für staatliche Hilfe". Allerdings könne der Staat in der Krise lediglich "Brücken bauen", etwa in Form von Bürgschaften.
Merkel erteilte der Option eines möglichen Staatseinstiegs damit erneut eine Absage - und grenzte sich zugleich klar von den Positionen ihres Konkurrenten im Wahljahr ab, dem SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Steinmeier war am Tag vor Merkels Besuch im Opel-Stammsitz auf Konfrontationskurs gegangen: Er lancierte ein eigenes Rettungskonzept für den angeschlagenen Autobauer, der allein in den vier deutschen Standorten 28.000 Menschen beschäftigt.
Steinmeier hatte eine direkte Staatsbeteiligung von Bund und Ländern gefordert und davor gewarnt, auf die Initiative von Privatinvestoren zu warten. Gemeinsam mit Händlern, Belegschaft und Management sollten der Bund und die beteiligten Bundesländer mindestens 50 Prozent der neuen "Opel-Holding" halten, schlug Steinmeier vor. Der Bundesaußenminister machte damit deutlich, dass er keinerlei Alternative zu einem Staatseinstieg sehe, da "die Kosten eines Untergangs erheblich höher" wären.
Anders die Kanzlerin: Indirekt knüpfte sie eine staatliche Intervention weiterhin an den Einstieg eines Privatinvestors. Merkel hatte in der Vergangenheit mehrfach klargestellt, dass die sieche Traditionsmarke in der Krise keine Sonderrolle spielen dürfe und als weniger wichtig zu bewerten sei als in Not geratene Banken.
Verhandlungsteam soll Opel vertreten
Ein tragfähiges Konzept müsse in enger Abstimmung mit den USA erfolgen, forderte die Kanzlerin weiter. "Sicherlich wird man hart verhandeln müssen", räumte sie ein. Dennoch dürfe man in dieser schwierigen Lage nicht einknicken: "Wir brauchen GM - aber GM braucht auch Opel", sagte Merkel.
US-Präsident Barack Obama hatte der Opel-Mutter General Motors am Montag eine Frist von zwei Monaten gesetzt, um ein tragfähiges Sanierungskonzept vorzulegen. Zudem erzwang der Krisenstab der Regierung den Rücktritt von GM-Chef Rick Wagoner. Auch der Sanierungsplan des US-Rivalen Chrysler wurde abgelehnt. Die Ex-Daimler-Tochter erhielt eine Gnadenfrist von 30 Tagen.
"Wir werden diese 60 Tage nutzen", sagte Merkel, "und zwar nicht erst am letzten Tag." Ziel sei es, ein "Opel Europa" zu kreieren, das "zukunftsfähig" sei.
Wie konkret dies erreicht werden solle, ließ die CDU-Chefin offen: "Ich kann Ihnen heute zusagen: Wir werden weiter hart arbeiten." Sie stellte die Einrichtung eines Verhandlungsteams in Aussicht, bestehend aus Bund, Ländern, Wirtschaftsexperten und Investmentbankern. Die Gruppe solle die deutschen Interessen in den USA vertreten, erklärte die Kanzlerin. Auch Steinmeier hatte in seinem eigenen Konzept eine gemeinsame "Opel-Task-Force" gefordert, angesiedelt im Kanzleramt.
"Angela Merkel darf Opel nicht sterben lassen"
Die hohen Erwartungen an das Krisenmanagement der Kanzlerin dürften jedoch enttäuscht worden sein: Gewerkschafter und Betriebsrat hatten ein klares Bekenntnis der Kanzlerin zur Rettung des Autobauers gefordert. "Angela Merkel darf Opel nicht sterben lassen", sagte der stellvertretende IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel. IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild forderte: "Das oberste Ziel muss sein: keine Entlassungen bei Opel." Zugleich signalisierten die Gewerkschaften die Bereitschaft zu Zugeständnissen, etwa der Abweichung von Tarifverträgen.
Quelle : www.spiegel.de
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Nach den anhaltenden Zugangsproblemen und den gestern bekannt gewordenen Datenschutzpannen bei der Online-Reservierung am gestrigen Montag für die Auto-Abwrackprämie bemühen sich das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und der von ihr beauftragte Dienstleister arago – Institut für komplexes Datenmanagement AG um Nachbesserung. Eine offizielle Bestätigung, dass die neu eingerichtete Website durch arago gehostet wird, gibt es zwar nicht, doch ist der IP-Adressraum, unter dem auch die URL www.ump.bafa.de zu erreichen ist, für die Firma aus Frankfurt am Main reserviert.
Im Gespräch mit heise online kündigte Behördensprecher Holger Beutel an, dass voraussichtlich im Verlauf des morgigen Mittwoch die verschlüsselte Übertragung der Daten der Antragsteller implementiert werde. Zahlreiche Antragsteller hatten moniert, dass Daten zu ihrer Person und zu ihren Autos bislang unverschlüsselt übertragen werden. Die Frage der Datenverschlüsselung ist bei der Entwicklung der Applikation "UMP neu" schlichtweg übersehen worden, räumt man beim BAFA heute ein. Insgesamt hatte die Behörde nur rund zehn Kalendertage Zeit, um ein Antragsverfahren zu entwickeln, das die von der Bundesregierung beschlossene Änderung der Vergabebedingungen berücksichtigt. Seit dem 30. März genügen bereits der Kaufvertrag oder verbindliche Bestellung für den Neuwagen, um sich einen Verschrottungsbonus von 2500 Euro zu reservieren. Ursprünglich konnte die Prämie erst beantragen, wer sein neues Auto zugelassen hatte – Käufer von Pkw mit Lieferfrist fühlten sich entsprechend im Nachteil.
Das Online-Verfahren sei auf Wunsch der Behörde entwickelt worden, erläuterte ihr Sprecher weiter: Wegen der ursprünglichen Deckelung auf 600.000 Prämien in der Reihenfolge der Antragstellung habe die Notwendigkeit bestanden, die Eingangsreihenfolge der Anträge sekundengenau festzustellen. Die zu erwartende Welle von UMP-neu-Anträgen von Leuten, die ihren Kaufvertrag schon in der Tasche hatten, ab dem Stichtag 30. März in Papierform abzuarbeiten, hätte die personelle und räumliche Kapazität des BAFA hingegen überschritten.
Von der am gestrigen Montag durch Leserhinweise publik gewordenen Datenschutzpanne, bei der Reservierungsbestätigungen an falsche Adressaten gesandt worden sind, waren laut BAFA-Sprecher Holger Beutel rund 200 Anträge betroffen. Dieses Problem sei inzwischen behoben. Die Versandfehler erklärte Beutel als mittelbare Folge des Ansturms auf die Website, der durch manche Internet-Knoten laut BAFA als DoS-Attacke fehlinterpretiert worden sei. Die eigentliche Datenpanne sei aber durch die ergriffenen Abhilfemaßnahmen entstanden: Um die Netzlast auszugleichen, habe der IT-Dienstleister einen seiner beiden virtuellen Server verlagert; für einen kurzen Zeitraum seien die Server nicht synchron gelaufen. Dabei sei es dazu gekommen, dass jeder der beiden Server unter derselben Eingangsnummer je einen anderen Datensatz angelegt habe. In der Folge sei die Eingangsbestätigung sowohl an den eigentlichen Adressaten als auch an einen weiteren Adressaten gegangen. Die Antragsteller, die seither vergeblich auf die für sie vorgesehene Bestätigung warten, werden laut BAFA derzeit vom Dienstleister ausfindig gemacht und angeschrieben.
Im Verlauf des heutigen Dienstag erwartet das BAFA, dass die Zahl von 600.000 insgesamt gestellten Anträgen überschritten wird. Keinen Kommentar konnte der Sprecher dazu abgeben, ob die Deckelung der Prämien-Anzahl auf diesen Wert endgültig vom Tisch ist und der Verschrottungsbonus bis Ende 2009 gezahlt wird. Gestern hatte die Bundesregierung noch einmal betont, dass die Abwrackprämie auch bei großer Nachfrage bis zum Jahresende unverändert gezahlt werden solle. Eine dementsprechende, rechtsverbindliche Vorschrift für die Behörde gibt es indes noch nicht. Das BAFA will bis zum Erlass neuer Vorschriften jedenfalls weiterhin Reservierungen entgegennehmen und diese in der Antragsreihenfolge nummerieren.
Quelle : www.heise.de
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Viel mehr als Mutmach-Parolen hatte Angela Merkel bei ihrem Opel-Besuch in Rüsselsheim nicht parat: Die Kanzlerin stellte staatliche Hilfe in Aussicht, lehnt eine Beteiligung des Bundes aber ab - und geht damit auf Konfrontationskurs zur SPD.
Rüsselsheim - Es rummst kräftig in Halle K48 des Opel-Werks. Schließlich ist es ja die Kanzlerin, die hier beeindruckt werden soll. "Hörst du den Donner?", singt der Opel-Kinderchor zum gruseligen Getöse aus den Lautsprechern.
Dann wird der Himmel dunkel und die Sonne geht. Nur die Hoffnung bleibt. So jedenfalls beschwört es der Chor. Aber dann kommt der Retter, das Markenzeichen von Opel: "Der Blitz, der Blitz, der gibt euch Kraft, damit ihr Opels Wunder schafft."
Die Kinder recken die Arme empor, 3000 Opelaner in der Halle jubeln, johlen, applaudieren. Vielen stehen Tränen in den Augen, vor allem ganz hinten, da wo die einfache Belegschaft sitzt. Sie tragen gelbe Blitz-T-Shirts, "Wir sind Opel" steht darauf. Gänsehaut-Atmosphäre.
Sie hoffen hier auf Opels Wunder. Auf die Errettung aus dem zerbröselnden amerikanischen GM-Imperium. Und die Bundeskanzlerin soll der Blitz sein, der dieses Wunder schafft. "Angie, du wirst uns doch nicht hängen lassen?", heißt es auf einem Plakat.
3,3 Milliarden Euro braucht Opel kurzfristig, hat die Führung vor ein paar Wochen errechnet. Am liebsten hätte man eine "staatliche Einlage", so hat es gerade vor der Kanzlerin noch einmal Opels Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz gesagt. In Niedersachsen funktioniere das ja auch sehr gut, sagt er - und spielt damit auf die Beteiligung des Landes beim Konkurrenten Volkswagen an.
Doch der Staat als Unternehmer, das ist nicht die Welt von Angela Merkel. "Wir müssen einen Investor finden", ruft sie den Leuten zu. Dafür werde es "staatliche Unterstützung" geben, "ich sage das ausdrücklich". Sie meint Bürgschaften. "Jeder, der eine Chance verdient, soll eine Chance bekommen." Und Opel hat sie beeindruckt, so viel ist klar an diesem Tag.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) macht in Rüsselsheim ebenfalls deutlich, dass er nicht viel von direkten Staatsbeteiligungen hält: "Wir kämpfen gemeinsam für ein Unternehmen". Doch Politiker sollten ehrlich sagen: "Nicht, indem wir unsere Träume verstaatlichen, sondern indem wir für unsere Träume einer freien Wirtschaftsordnung kämpfen."
Ein Seitenhieb auf Steinmeier
Merkel sagt, der Staat sei "noch nie der tollste Investor" gewesen, dafür könne er "Brücken bauen". Das sei ihr Ansatz, schiebt Merkel hinterher. Und sie glaube, dass diesen auch ihre Regierung verfolge.
Dies muss als Seitenhieb auf SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier gewertet werden. Der hat ausgerechnet am Vortag von Merkels Rüsselsheim-Reise für eine direkte Beteiligung von Bund und Land an Opel geworben: "Die Rettung ist möglich, und sie ist politisch geboten", schreibt er in einem Konzeptpapier mit dem Titel "Gemeinsam für Opel".
Die SPD reagiert denn auch schnell auf Merkels Auftritt in Rüsselsheim: Die Vorstellungen der Kanzlerin würden nicht ausreichen, um Opel zu retten, heißt es am Dienstag aus der Parteispitze. Die Kanzlerin springe zu kurz, wenn sie aus "ideologischen Gründen" einen zeitlich befristeten Staatseinstieg bei dem Autobauer kategorisch ausschließe.
Eine halbe Stunde vor Merkels Rede in Rüsselsheim steht Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel vor der Bühne. Er ist hier Steinmeiers Botschafter. "Ordnungspolitische Grundsatzdebatten" würden am Ende des Tages nicht weiterhelfen, sagt er. Und mokiert sich über Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der zuletzt keine festen Terminzusagen bezüglich einer Opel-Entscheidung machen wollte. Irgendwann müsse man sich eben mal entscheiden, "will man helfen oder nicht", sagt Schäfer-Gümbel. Man dürfe "nicht immer nur Fragen" stellen, der Wirtschaftsminister sei schließlich "kein Analyseinstitut".
Steinmeier jedenfalls gibt in Sachen Aktivismus den Schröder. Das kann einen bitteren Beigeschmack haben. Hatte sich doch der Ex-Kanzler einst von den Mitarbeitern des angeschlagenen Baukonzerns Holzmann für seine schnelle Rettungsaktion (Bürgschaften, Kredite) feiern lassen, einige Jahre später musste das Unternehmen trotzdem Insolvenz anmelden.
Holzmann, diese Chiffre nutzt Merkel bei Opel, um sich von den Sozialdemokraten abzusetzen: Sie wolle nicht, dass das Rüsselsheimer Unternehmen in ein paar Jahren an den Fall Holzmann erinnere. Nein, sie halte nichts von "Leuchtraketen".
Die bürgerliche Kanzlerin gibt die Zuverlässige. Kraftausdrücke, Daumen hoch und Exaltiertes hat sie nicht zu bieten. Nur einmal rutscht ihr das gewerkschaftliche "liebe Kolleginnen und Kollegen" heraus. Dieses bürgerliche Merkel-Element trifft auf den Arbeiter-Stolz der Opelaner. So dauert es ein bisschen, es ist kein Merkel-Blitz aber ein Funke zumindest, der letztlich überspringt.
Denn Stolz ist hier die zentrale Kategorie. Neben Merkel hat man links und rechts Vergangenheit und Zukunft des Automobilbauers aufgestellt. Auf der einen Seite der erste Opel überhaupt, ein "Lutzmann" aus dem Jahr 1899; auf der anderen der "Ampera", ein Elektroauto, das rund 500 Kilometer durchhält und schon bald Serienreife erreichen soll.
"Hoffen bis zum letzten Tag"
Merkel geht darauf ein. Die Entwicklungsabteilung des Unternehmens nennt sie "das Herz dessen, was Opel in Zukunft ausmacht". Opel müsse "auf die Füße" gestellt werden. Die vom US-Präsidenten Barack Obama gegenüber GM gewährte 60-Tages-Frist werde man in Deutschland zu nutzen wissen, verspricht die Kanzlerin: "Um ein Opel-Europa zu kreieren."
Großer Jubel. Denn genau das ist der Traum der Opelaner: Endlich eigenständig, endlich ungebremst vom ungeliebten Mutterkonzern in Detroit. Gesamtbetriebsratschef Franz spricht von der "Vision einer europäischen Opel-AG". Die Mitarbeiter wollten dafür "Gründungsmütter und Gründungsväter sein".
Der GM-Konzern soll beteiligt bleiben. In bisherigen Szenarien war meist die Rede von einer Minderheitenbeteiligung, doch Merkel ist die genaue Ausformung nicht wichtig: "Ob 40, 49, 51 oder 52 Prozent - das ist für mich nicht entscheidend." Sie verspricht, man werde mit Amerika "auf Augenhöhe" verhandeln. Dafür stelle sie in den nächsten Tagen ein "Verhandlungsteam" zusammen: Vertreter von Bundesregierung, von Landesregierungen, Investmentbanker und Wirtschaftsfachleute sollen vertreten sein.
Die Opelaner nehmen das als Hoffnungsschimmer: "War doch klar, dass sie uns hier keine Milliarden hinblättert", sagt einer draußen vorm Tor: "Aber Hauptsache Hilfe, irgendwie." Sie sei seit 30 Jahren bei Opel, sagt eine Arbeiterin mit Stolz in der Stimme, "und deshalb werde ich bis zum letzten Tag hoffen."
Quelle : www.spiegel.de
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Die Kanzlerin stellte staatliche Hilfe in Aussicht, lehnt eine Beteiligung des Bundes aber ab
Für wen auch. Mit der Hilfe würden eh nur die Amis und ein paar andere windige Geschäftemacher verschwinden.
Motzmodus an:
sollten da doch Gelder fliessen wäre es sinnig darüber nachzudenken die dvbcube.org Gesellschaft mit beschränkter Hoffnung & CO KG ebenfalls als bedürftig einstufen zu lassen ;D
Motzmodus aus
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Das wird natürlich nix.
Schliesslich sind wir diejenigen Kleinen Leute, die den ganzen Affenzirkus allein bezahlen sollen.
Und zwar je ärmer, desto mehr davon.
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"Wir werden der Krise ein Ende setzen": US-Präsident Obama verspricht, die gelähmte Weltwirtschaft wieder anzukurbeln. Vor Beginn des G-20-Gipfels in London drängen er und Premier Brown auf ein rasches Handeln.
London - Gordon Brown und Barack Obama signalisierten Entschlossenheit und betonten ihre Übereinstimmung: Der britische Premier und der US-Präsident wollen die Wirtschaftskrise gemeinsam bekämpfen. Dies kündigten die beiden Politiker nach einem Treffen in London kurz vor Beginn des G-20-Gipfels in der britischen Hauptstadt an.
Obama sprach sich für eine enge internationale Kooperation aus, um die Krise zu beenden. "Wenn Nationen nicht zusammenarbeiten, ist der Preis, den das Volk zu zahlen hat, sehr groß", sagte der US-Präsident auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Brown. Wenn es neues Wachstum geben solle, könnten nicht die Vereinigten Staaten allein der Motor sein. "Jeder muss Schritte unternehmen", sagte Obama. Die derzeitige Wirtschaftskrise sei die schwerste seit dem Zweiten Weltkrieg.
Es müssten strenge Regeln für die globale Finanzwirtschaft beschlossen werden, sagte Obama. "Wir werden dieser Krise ein Ende setzen." Er sei nach London gekommen, um für die USA "zuzuhören, nicht um jemanden zu belehren". Der US-Präsident dämpfte allerdings die Hoffnungen auf umfassende Lösungen beim G-20-Gipfel. Die G-20-Länder würden sich nicht in allen Punkten einigen können, sagte Obama.
Brown strahlte dagegen mehr Zuversicht aus. "Die G20 werden sich in wenigen Stunden auf einen globalen Plan zur wirtschaftlichen Erholung einigen", sagte Brown. Der britische Premier sprach sich für eine umfassende Kontrolle des weltweiten Finanzsystems aus. "Ohne Überwachung wird sich die Wirtschaft nicht erholen", sagte Brown. "Die G20 werden sich in wenigen Stunden auf einen globalen Plan zur wirtschaftlichen Erholung einigen", sagte Brown. Der britische Premier versuchte zudem, Drohungen von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy zu entschärfen: Sarkozy hatte angekündigt, den Gipfel platzen zu lassen, sollten sich die teilnehmenden Länder nicht auf klare Regeln für die internationalen Finanzmärkte einigen. Sarkozy werde den Gipfel nicht vorzeitig verlassen, sagte Brown.
Die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Wirtschaftsnationen (G20) kommen am Abend in London zusammen, um die Reform des internationalen Finanzsystems weiter voranzubringen und um über Wege aus der Wirtschaftskrise zu beraten.
Für den Abend steht ein Empfang der britischen Königin Elizabeth II. im Buckingham Palast auf dem Programm, anschließend ein Abendessen im Amtssitz Browns in der Downing Street. Am Donnerstag finden mehrere Arbeitssitzungen statt, und am Nachmittag geht das Treffen zu Ende.
Streit gibt es zwischen den Staats- und Regierungschefs unter anderem darüber, ob die Konjunkturprogramme ausreichen, um die Krise rasch zu überwinden. So fordern etwa die USA neue Konjunkturprogramme.
Obama wies in London zurück, dass es zwischen den USA und Europa Streit in dieser Frage gebe. Alle wichtigen Industrienationen hätten Programme aufgelegt, würdigte Obama die Anstrengungen der Partner. Obama gestand zu, dass es in den einzelnen Ländern verschiedene Ausgangssituationen gebe.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück warnte derweil vor weiteren internationalen Finanzhilfen. Die Kapitalmärkte seien nur begrenzt aufnahmefähig, sagte der SPD-Politiker dem Sender HR-Info. "Was passiert, wenn diese Rezession einigermaßen vorbei ist, wir aber ein enormes Volumen an Liquidität in die Märkte hineingepumpt haben - mit der möglichen Gefahr einer weltweiten Inflation?!" Steinbrück ist selbst bei einer anhaltenden Rezession gegen weitere Konjunkturprogramme in Deutschland und Europa.
"Ich glaube, dass wir erst mal die Konjunkturprogramme, die wir gerade vom Stapel gelassen haben, sich entfalten lassen sollten", sagte Steinbrück. "Ich finde es geradezu beängstigend, in welcher Geschwindigkeit wir uns dann schon auf die nächste weiterreichende Frage konzentrieren!"
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Berlin, die Welt stehe an einem "Scheideweg". Deutschland wolle von dem G-20-Gipfel ein "starkes Ergebnis". Die Regierungschefin warnte vor einer Rückkehr zum Protektionismus. "Das wäre die falscheste Antwort auf diese Situation", sagte Merkel. Sie fahre mit einer "Mischung aus Zuversicht und Sorge" nach London. "Wir müssen alles daran setzen, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt." Deutschland werde sich im Kreis der G-20-Staaten für "sehr konkrete Vereinbarungen" einsetzen, von denen man sich nicht zurückziehen kann".
Quelle : www.spiegel.de
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Deutlicher geht es kaum: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy haben den G-20-Gipfel mit einer Kampfansage begonnen. Ihre Position sei nicht verhandelbar, tönen die Kanzlerin und Frankreichs Präsident in Richtung der Angelsachsen - und gehen damit ein hohes Risiko ein.
London - So eine undiplomatische Pressekonferenz hat es auf einem internationalen Gipfel lange nicht gegeben. Von der ersten Sekunde an ließen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in dem Londoner Hotelsaal keinen Zweifel daran, dass sie auf dem G-20-Gipfel keine Kompromisse akzeptieren werden.
"Die Zeit, als Gipfel nutzlos waren, ist vorbei", tönte Sarkozy. Es werde in der Frage der Finanzmarktregulierung "keine Verhandlungen" geben. Merkel bekräftigte, es dürfe "nichts unter den Tisch gekehrt werden". Die Regulierung sei für Deutschland und Frankreich keine Verfügungsmasse: "Wer das in der Welt nicht begreift, läuft auf die nächste Krise zu."
In den vergangenen Tagen hatte Sarkozy bereits damit gedroht, vorzeitig abzureisen, wenn seine Wünsche nicht erfüllt würden. Nun stellte sich Merkel demonstrativ an seine Seite. Dies sei ein "entscheidender Gipfel für die Zukunft der Welt", sagte sie. Was in London nicht verabredet werde, werde in den nächsten fünf Jahren nicht geklärt. Deshalb werde man in den Details hart bleiben.
Der rabiate Auftritt des deutsch-französischen Duos unmittelbar vor dem G-20-Gipfel war eine Provokation. Briten und Amerikaner hätten eine "Riesenangst" vor dieser Pressekonferenz gehabt, sagte ein Mitglied der deutschen Delegation. Zu recht, wie sich herausstellte. Es war eine kaum verhohlene Kampfansage der Kontinentaleuropäer an die USA und Großbritannien.
US-Präsident Barack Obama und der britische Premierminister Gordon Brown hatten am Morgen noch auf Deeskalation gesetzt. In ihrer gemeinsamen Pressekonferenz hatte Obama betont, dass die Berichte über Streit zwischen Europa und den USA "weit übertrieben" seien. Man sei sich "im Kern" einig darüber, was in der Krise zu tun sei - sowohl Stimulierung der Wirtschaft als auch Regulierung der Finanzmärkte. Ähnlich beschwichtigend hatte auch die Bundesregierung bis vor kurzem argumentiert.
Was hat Merkel nun zum Umschalten auf Attacke veranlasst?
"Es geht um die Gewichtung der Botschaft dieses Gipfels", erklärte die Kanzlerin. Im Abschlussdokument, das die britische Regierung den Teilnehmern vorgelegt hat, kommt den Deutschen die Regulierung zu kurz. Es ist an den Stellen zu vage gehalten, an denen es um Steueroasen, Hedgefonds und Rating-Agenturen geht, und es klingt für ihren Geschmack zu konkret an Stellen, wo es um weitere Konjunkturhilfen geht.
Deutschland und Frankreich bestünden darauf, dass die Absichten des Washingtoner G-20-Gipfels vom November umgesetzt würden, sagte Merkel. Damals war ein Aktionsplan zur besseren Aufsicht der Finanzmärkte beschlossen worden. "Das kann nicht im Allgemeinen bleiben", sagte Merkel, vielmehr brauche man "sehr konkrete Festlegungen". Es sei keine Zeit mehr für "große Reden", sagte Sarkozy und meinte damit wohl Brown und Obama. "Die Entscheidungen fallen heute und morgen. Übermorgen ist es zu spät".
In der bisherigen Fassung sind Details zur Finanzmarktregulierung in einem Anhang versteckt. Deutschland wittert dahinter böse Absichten. In Regierungskreisen wird darauf verwiesen, dass die Lobbygruppen der Londoner City und der New Yorker Wall Street schon wieder an der Aufweichung des internationalen Konsenses arbeiteten.
Diese Sorge allein hätte jedoch nicht gereicht, um einen derartigen Bruch der Gipfeletikette zu riskieren. Schließlich signalisierten Merkel und Sarkozy mit ihrer Kompromisslosigkeit, dass sie dem Gipfel ihren Willen aufdrücken wollen. Solche Kraftmeierei gilt auf internationalem Parkett gemeinhin als kontraproduktiv, weil sie den Widerstand erst recht herausfordert.
Der Vorstoß lässt sich nur damit erklären, dass Merkel und Sarkozy sich am längeren Hebel wähnen. Die Hauptgegenspieler Brown und Obama haben einiges zu verlieren: Der Gastgeber hat sein politisches Schicksal mit dem Gipfel verknüpft, und Obama kann seine erste Europareise nicht mit einem Eklat beginnen. Darauf setzen Merkel und Sarkozy. Den Kollateralschaden nehmen sie dabei in Kauf: Nun ist der Mythos endgültig zerstört, es gebe bei diesem Gipfel keine Fronten.
Brown hatte bereits am Morgen versucht, das drohende Sarkozy-Desaster einzudämmen. Eine schärfere Regulierung nannte er als erstes unter den fünf Tests, die der Gipfel bestehen müsse. Doch es half nichts. Merkel und Sarkozy machten ihrem Unmut Luft, bevor sie zum Empfang in den Buckingham-Palast gingen, dem offiziellen Beginn des G-20-Gipfels.
Mit ihren kategorischen Aussagen gehen Merkel und Sarkozy ein hohes Risiko ein. Nicht zuletzt besteht nun die Gefahr, dass die Forderung nach weiteren Konjunkturhilfen wieder lauter erschallt und Merkel doch noch zu einem Kuhhandel gezwungen wird.
Auf unabhängige Beobachter wirkt die deutsche Kritik am Abschlussdokument seltsam verbissen. Insbesondere die totale Ablehnung von Konjunkturhilfen sei "sehr defensiv", sagt Hendrik Enderlein, Professor für Politische Ökonomie an der Hertie School of Governance in Berlin.
"Nicht einmal Andeutungen zu Konjunkturhilfen sind erwünscht", sagt Enderlein. Im Zweifelsfall ziehe die Bundesregierung eine inhaltsleere Formulierung vor. Den Grund sieht der Professor im Bundestagswahlkampf: "Die Kanzlerin will sich nicht festlegen lassen, damit ihr das Gipfeldokument nicht später im Wahlkampf vorgehalten wird".
Quelle : www.spiegel.de
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Sie stürmten eine Bank und blockierten stundenlang die Innenstadt: Tausende Demonstranten haben zum Beginn des G-20-Gipfels in London teilweise gewalttätig protestiert. Die angekündigte Revolution blieb jedoch aus. In einem Camp von Demonstranten starb ein Mann.
London - Ein Todesfall überschattet die Proteste gegen den G-20-Gipfel in London: Nach Polizeiangaben ist in einem Camp von Demonstranten unweit der Bank von England ein Mann kollabiert. Zwei Beamte hatten den Mann nach seinem Zusammenbruch versorgt und einen Rettungswagen angefordert. Im Krankenhaus konnten die Ärzte jedoch nur noch den Tod feststellen. Nähere Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt.
In London hatte es den ganzen Mittwoch über Proteste gegen den G-20-Gipfel gegeben. Am Abend hat die Polizei nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP mehr als 1000 aufgebrachte Globalisierungsgegner vor der Bank von England eingekesselt. Die Demonstranten versuchten die Polizeikette zu durchbrechen, sie warfen mit Stöcken und Plastikflaschen.
Am Nachmittag hatte eine Gruppe Randalierer die Filiale der Royal Bank of Scotland gestürmt und Gegenstände aus dem Gebäude geworfen. Doch letztlich verliefen die Proteste relativ ruhig - die angekündigte Revolution blieb aus.
Insgesamt hatten sich nach offiziellen Angaben etwa 4000 Demonstranten zu Protesten gegen Kapitalismus, Kriege und Umweltzerstörung zusammengefunden. Zahlreiche Straßen und Eingänge zu Bahnhöfen wurden gesperrt. Ein Großteil der Menschen demonstrierte jedoch friedlich. Mit Sprüchen wie "Bestraft die Plünderer" und "Wir brauchen sauberen Kapitalismus" zogen sie zunächst zur Notenbank.
"Stürmt die Bank" und "Schande über Euch", hieß es in Sprechchören. Der Großteil der Demonstranten feierte eine fröhliche Straßenparty, die Gipfelgegner schlugen Zelte auf und machten Musik. Sie wollten ihrem Unmut über das Versagen des Weltfinanzsystems Luft machen, das Großbritannien besonders hart getroffen hat.
Die Banker halten sie dabei für die Hauptschuldigen an der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Veranstalter der Protestaktionen hatten den 1. April statt "April Fools' Day" zum "Financial Fools' Day" (Tag der Finanznarren) erklärt.
Mitarbeiter der Kreditinstitute machten sich in der City über den Protest lustig: Sie lehnten sich aus Fenstern und wedelten mit Zehn-Pfund-Noten ihren "Gegenspielern" zu. Viele ihrer Kollegen waren am Mittwoch gar nicht zur Arbeit gegangen, weil sie Übergriffe fürchteten, andere tauschten aus Angst vor möglichen Angriffen ihre Anzüge gegen Jeans und Jacke. Viele Gebäude im Bankenviertel waren mit Barrikaden geschützt, mehrere Straßen gesperrt.
Für die Polizei stellen die Proteste und der hochkarätige Besuch von 20 Staats- und Regierungschefs nach eigenen Angaben eine "noch nie dagewesene Herausforderung" dar. Rund 5000 Beamte sind für den Finanzgipfel im Einsatz.
Insgesamt seien etwa 30 Menschen festgenommen worden, teilte Scotland Yard mit. Mehrere Demonstranten und Polizisten wurden verletzt.
Quelle : www.spiegel.de
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Der Gipfel von London geht in die entscheidende Phase. Die Staats- und Regierungschefs der G20 müssen die Konflikte zwischen den Kontrahenten Obama/Brown und Merkel/Sarkozy überwinden - erste Kompromisse zur Reform der Finanzmärkte zeichnen sich ab.
London - Im Kampf gegen die globale Wirtschafts- und Finanzkrise suchen die 20 führenden Wirtschaftsmächte bei ihrem Gipfeltreffen in London weiter nach Lösungen. Berichten von britischen und deutschen Medien zufolge zeichnen sich erste Kompromisse ab. So schreibt die Nachrichtenagentur Reuters, die G-20-Staaten wollten zur Stabilisierung des Finanzmarkts eine internationale Aufsichtsbehörde schaffen.
Das Gremium solle gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds die wirtschaftlichen und finanziellen Risiken der Märkte identifizieren und notfalls entsprechende Maßnahmen vorschlagen, heißt es demnach in einem Entwurf für die Abschlusserklärung. Erstmals sollen Regulierungsvorschriften zudem auf "systemisch wichtige Hedgefonds" ausgeweitet werden.
Die Industrie- und Schwellenländer bezeichnen dem Entwurf zufolge die Zeit des Bankgeheimnisses für beendet. Die Staaten wollen Steueroasen feststellen und drohen Sanktionen an. Die G-20-Mitglieder sagen demnach außerdem zu, ihre Währungen nicht aus Wettbewerbsgründen abzuwerten und den Internationalen Währungsfonds mit größeren finanziellen Reserven zur Stützung geschwächter Volkswirtschaften auszustatten.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat das Ziel stärkerer Kontrollen der Finanzmärkte am Donnerstag noch einmal bekräftigt. Kein Finanzmarkt dürfe mehr unbeaufsichtigt bleiben, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Das sei das wichtigste Ziel für den G-20-Gipfel. Auch bei den Briten und Amerikanern wachse die Erkenntnis, dass sich die bisherigen Exzesse nicht wiederholen dürfen, und dass Verkehrsregeln für die Finanzmärkte notwendig seien.
Konjunkturpakete bleiben Ländersache
Ob in den einzelnen Ländern weitere Konjunkturprogramme aufgelegt werden, sollen nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" die jeweiligen Regierungen entscheiden. Mit dieser Einigung könnte ein befürchteter Grundsatzstreit unter Teilnehmerstaaten vermieden werden.
taaten wie die USA, Großbritannien oder Japan hatten vor dem Gipfel mehr Konjunkturpakete von den Europäern gefordert - allen voran US-Präsident Barack Obama. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dagegen weitere Maßnahmen strikt abgelehnt.
Die Verhandlungen der G-20-Unterhändler gestalteten sich nach Angaben von Diplomaten bisher schwierig. Die Staats- und Regierungschefs müssen demnach selbst Kompromisse finden. Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatten am Mittwochabend vor einem ersten Arbeitsessen eindringlich an die Kollegen appelliert, nationale Interessen zurückzustellen und keine verwässerten Beschlüsse zu fassen. Auch US-Präsident Barack Obama rief bei seinem Debüt auf der großen internationalen Bühne die G-20-Staaten zur Einigung auf.
Merkel und Sarkozy sprachen sich vor allem dafür aus, Steueroasen weltweit durch die Veröffentlichung einer Liste an den Pranger zu stellen. Neue Konjunkturprogramme dürften nicht im Mittelpunkt des Gipfels stehen. "Wir wollen solche Ergebnisse, die auch wirklich ein Resultat sind und die Welt verändern", sagte Merkel nach einem Gespräch mit Sarkozy. "Das, was wir heute haben, dass Milliarden an einem Finanzsystem leiden, mit dem sie nichts tun haben, darf sich nicht wiederholen."
Vor allem zwischen Deutschland und Frankreich auf der einen Seite und Großbritannien und den USA auf der anderen schien es zuletzt Differenzen zu geben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa wurden Entwürfe des britischen Vorsitzes für ein Abschlussdokument mehrfach zurückgewiesen. Deutschland wehrte sich dagegen, dass konkrete Reformvorhaben nur noch in einem Anhang zum Abschlussdokument auftauchen sollten. Frankreich deutete an, dass es Schwierigkeiten mit dem britischen Premier und Gastgeber Gordon Brown gebe.
Ein Toter bei Protesten
Überschattet wird das Treffen in London von Protesten, ein Demonstrant kam dabei ums Leben. Der Mann war nach Angaben der Polizei am Mittwochabend bewusstlos auf der Straße zusammengebrochen. Nach dem Bericht eines Augenzeugen lag kein Fremdverschulden vor. Die Polizei war mit dem Hinweis verständigt worden, dass ein Mann bewusstlos auf dem Bürgersteig liege.
Die Proteste gegen den G-20-Gipfel hatten bereits am Mittwochmittag begonnen. Tausende Demonstranten gerieten mit der Polizei aneinander, es kam mitunter zu schweren Krawallen, bei denen mehrere Beamte und Demonstranten verletzt wurden. Die Krawallmacher belagerten stundenlang das Bankenviertel. In der City of London stürmten Randalierer eine Filiale der Royal Bank of Scotland, zerschlugen Fenster, warfen Gegenstände aus dem Gebäude und beschmierten die Wände. Der mit Schlagstöcken und Schutzschilden ausgerüsteten Polizei gelang es nicht, die wütende Menge in Schach zu halten.
Quelle : www.spiegel.de
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Die G20 unternehmen erste Schritte auf dem Weg zur Rundum-Reform des Finanzsystems: Bei ihrem Londoner Gipfel haben sie sich auf eine Neuorganisation des Weltwährungsfonds geeinigt - die größte seit 1944. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy punkten mit Forderungen nach scharfer Regulierung der Märkte.
London - Die Gipfelteilnehmer der 20 stärksten Industrienationen wollen am Nachmittag die Bilanz ihrer Mammut-Konferenz präsentieren - wenige Stunden zuvor sickerten erste Kernmaßnahmen im Kampf gegen die Finanzkrise durch. Demnach wollen die G-20-Staaten das Kapital des Internationalen Währungsfonds (IWF) offenbar um 500 Milliarden US-Dollar, umgerechnet knapp 375 Milliarden Euro, aufstocken, verlautete aus britischen Regierungskreisen.
Mit den Geldern soll die Wirtschaft in Schwellen- und Entwicklungsländern gestützt werden, die durch die Krise besonders betroffen sind. Sie leiden unter einem Abfluss von Kapital. Dies führt zu Schwierigkeiten in der Kreditversorgung und schwächt die Wirtschaft. Deutschland müsste sich an der Ausweitung der Mittel für den IWF mit einem Anteil von sechs bis zehn Prozent beteiligen. Dies hängt von der Art der Aufstockung ab.
Durch eine Strukturreform sollen zudem aufstrebende Wirtschaftsnationen wie China, Indien und Brasilien mehr Gewicht im IWF erhalten. Bei der IWF-Reform soll es sich um die größte Neuerung seit Gründung des Währungsfonds im Jahr 1944 handeln. Die Reform wird von diesen Ländern schon lange angemahnt.
Zuvor war aus Verhandlungskreisen bereits bekanntgeworden, dass sich die Staats- und Regierungschefs offenbar auf eine schärfere Kontrolle der Finanzmärkte verständigt haben. Damit hätten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit ihrer gemeinsamen Position durchgesetzt: Merkel und Sarkozy hatten mehrfach Entwürfe des Abschlussdokuments zurückgewiesen, da ihnen die Formulierung einer stärkeren Regulierung als zu lax erschien. Nun wurden die Textpassagen offenbar schärfer gefasst.
Mit Streit in die Verhandlungen
Auf Einladung des britischen Premierministers Gordon Brown konferieren die Staats- und Regierungschefs der G-20-Staaten seit Mittwochabend über eine bessere Kontrolle der Finanzmärkte und die Verhinderung künftiger Krisen. Die Verhandlungen der G-20-Unterhändler hatten sich nach Angaben von Diplomaten jedoch schwierig gestaltet. Die Staats- und Regierungschefs waren am Morgen noch mit großen Meinungsverschiedenheiten in die abschließenden Beratungen gegangen.
Staaten wie die USA, Großbritannien oder Japan hatten vor dem Gipfel mehr Konjunkturpakete von den Europäern gefordert - allen voran US-Präsident Barack Obama. Bundeskanzlerin Merkel hatte dagegen weitere Maßnahmen strikt abgelehnt. Auch in der Nacht sei der Streit weitergegangen, räumte der britische Wirtschaftsminister Peter Mandelson ein.
Am Donnerstag sprach Premier Brown von einem "hohen Maß" an Übereinstimmung über die Abschlusserklärung des G-20-Gipfels. So sei sich die Runde einig, dass jede Form von Marktabschottungen unterbunden werden müsse. Der freie Handel dürfe nicht durch den Schutz der eigenen Wirtschaft behindert werden.
Steueroasen im Visier
Großbritannien rechnet außerdem mit einer Einigung der G-20-Staaten auf die Veröffentlichung einer schwarzen Liste von Steueroasen. Die Liste solle zu gegebener Zeit veröffentlicht werden und auch Sanktionen gegen Länder enthalten, sagte der britische Finanzstaatssekretär Stephen Timms. In einem Entwurf für die Abschlusserklärung war die Bekanntgabe von unkooperativen Staaten gefordert worden.
Die Nachrichtenagentur Reuters hatte berichtet, die G-20-Staaten wollten zur Stabilisierung des Finanzmarktes eine internationale Aufsichtsbehörde schaffen. Das Gremium solle gemeinsam mit dem IWF die wirtschaftlichen und finanziellen Risiken der Märkte identifizieren und notfalls entsprechende Maßnahmen vorschlagen, heißt es demnach in einem Entwurf für die Abschlusserklärung. Erstmals sollen Regulierungsvorschriften zudem auf "systemisch wichtige Hedgefonds" ausgeweitet werden.
Auf dem G-20-Gipfel wird nach britischen Angaben auch debattiert, ob der IWF seine Finanzmittel zur Krisenbekämpfung durch Goldverkäufe aufstocken sollte. "Dies wird heute Nachmittag diskutiert werden", sagte der britische Entwicklungsminister Douglas Alexander am Rande des Gipfels in London. Es habe schon Vorgespräche zwischen Südafrika und anderen Staaten gegeben, ob der Goldmarkt einen schrittweisen und angemessenen Goldverkauf aushalten könne.
Neue Proteste in der Londoner City
Der Gipfel wird weiterhin von heftigen Protesten in der Londoner Innenstadt begleitet. Allerdings kamen am Donnerstag wesentlich weniger Demonstranten zusammen, zu Krawallen wie am Vortag kam es bis zum Mittag nicht. Rund 200 Demonstranten versammelten sich nach Angaben des Senders BBC vor dem Tagungszentrum im Osten der britischen Hauptstadt. Zuvor hatten sich etwa 40 Gipfelgegner zur Londoner Börse in der Innenstadt begeben, wo sie von der Polizei zahlenmäßig weit übertroffen wurden. Aus Angst vor erneuter Randale waren 4700 Polizisten im Einsatz.
Am Vortag war es im Bankenviertel, in der City of London, zu Ausschreitungen und Prügeleien mit der Polizei gekommen. Mehrere Menschen wurden verletzt. Ein Mann brach bei den Protesten zusammen und starb. Einen Zusammenhang mit der Demonstration gab es aber nach ersten Angaben nicht. Die Polizei nahm rund 90 Menschen fest, vier Demonstranten wurden mittlerweile angeklagt.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Millionengrenze ist längst überschritten: Täglich reservieren Hunderttausende Autobesitzer die Abwrackprämie - doch viele scheitern an dem fehlerhaften Online-Antragsverfahren. Verantwortlich für das Chaos soll ein externer Dienstleister sein, den die Bafa beauftragt hat.
Eschborn/Hamburg - Auch drei Tage nach dem Beginn der Online-Reservierung für die Abwrackprämie strapaziert die beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) dafür eingerichtete Seite die Geduld der Nutzer: Viele Besucher der Adresse www.ump.bafa.de kennen den Text schon auswendig: "Leider konnte Ihre Anfrage zum jetzigen Zeitpunkt nicht bearbeitet werden. Bitte versuchen Sie es in ca. drei Minuten erneut."
Auch jenen, die zum Reservierungsformular vordringen, blühen unangenehme Überraschungen. Weil die Seite viel zu viele Javascript-Abfragen produziert und damit die Serverlast hochtreibt, ist die Absturzgefahr sehr hoch. "Es hat den Anschein, dass da jemand konzeptionelle Fehler gemacht hat", sagt Jakob Stehr, Chef der Webdesign-Agentur Kurvenfrei. "So wie es jetzt programmiert ist, zerschießt es einem schnell die Seite. Das hätte man verhindern können."
Zudem werden die sensiblen Daten der Antragsteller unverschlüsselt übermittelt - und in einigen Fällen gar versehentlich an unbeteiligte Dritte verschickt. Mitunter erhält der Antragsteller überhaupt keine Bestätigung.
Ein Sprecher des Bafa räumte am Donnerstag außerdem ein, es seien möglicherweise Anträge mehrfach an die Behörde übermittelt worden - das erscheint denkbar, weil Personen ihre Informationen mehrfach oder parallel zu ihrem Autohändler eingegeben haben könnten. Wie viele der 1,1 Millionen eingereichten Anträge doppelt (oder gar dreifach) vorliegen, sei unklar. "Das können wir noch nicht abschätzen", sagte der Sprecher SPIEGEL ONLINE.
Importeure jubeln über Absatzzahlen
Einen Großteil des Durcheinanders hat ein externer Dienstleister produziert, den die Bafa mit der Erstellung der Reservierungsseite beauftragt hatte. Angesichts von Datenschutzpannen, Abstürzen und Doubletten stellt sich die Frage, welche IT-Firma für das Debakel verantwortlich ist. Die Bafa weigert sich jedoch beharrlich, den Namen zu nennen.
Auch wenn die genaue Zahl der Anträge derzeit unklar bleibt - sicher ist, dass die Abwrackprämie im März für einen massiven Anstieg bei den deutschen Neuzulassungen gesorgt hat. Der Autoimporteursverband VDIK meldete am Donnerstag, insgesamt seien 401.000 Neuwagen zugelassen worden und damit 40 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die ausländischen Autohersteller, die stark im Kleinwagensegment vertreten sind, konnten bislang erheblich stärker von der Abwrackprämie profitieren als deutsche. Das größten prozentuale Plus verzeichnete Daihatsu. In absoluten Zahlen liegen hingegen VW, Skoda und Dacia vorne.
Managern bei Mercedes und BMW dürften angesichts dieser Zahlen Tränen in die Augen treten. Sie müssen zusehen, wie der größte Pkw-Boom der jüngeren deutschen Geschichte an ihnen vorbeigeht; nach den jüngsten verfügbaren Informationen der Bafa haben die beiden Premiumhersteller durch die Abwrackprämie nicht einmal 6000 Fahrzeuge zusätzlich verkauft - beide zusammen, wohlgemerkt.
Abwrackprämie auf amerikanisch
Im Ausland hat die deutsche Prämienregelung inzwischen viele Fans, darunter US-Präsident Barack Obama. Der plant ein Programm mit dem schönen Namen "cash for clunkers" (etwa: Bares für Rostlauben). 3000 bis 5000 Dollar sollen US-Bürger danach bekommen, wenn sie ihr Altmetall gegen einen umweltfreundlichen Neuwagen eintauschen.
Ob die Amerikaner ihre Abwrackformulare auf Papier oder im Internet einreichen müssen, ist noch unklar. Die US-Administration hat den Vorteil, zunächst einmal das deutsche Modell studieren zu können. Da kann man lernen, wie man es am besten nicht macht.
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Der Ansturm auf die Abwrackprämie wird zum Problem für den Bundeshaushalt. Regierungskreisen zufolge sollen Neuwagenkäufer deshalb ab dem 1. Juni nur noch einen reduzierten Verschrottungsbonus erhalten. Um bis zu fünfzig Prozent könnte der Zuschuss gekürzt werden.
Berlin - Gerade erst hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vize Frank-Walter Steinmeier auf eine Verlängerung der Umweltprämie bis Jahresende geeinigt - jetzt sorgt sich die Regierung jedoch um die explodierenden Kosten der Pkw-Subvention. Die Abwrackprämie wird deshalb offenbar ab Juni gekürzt.
Erwogen werde eine Kürzung der Prämie für Neu- und Jahreswagen von derzeit 2500 Euro auf einen Betrag zwischen 1000 und 2000 Euro, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" (Freitagausgabe). Die "Rheinische Post" berichtet, auf die Kürzung ab Juni hätten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) bereits geeinigt.
Eine Entscheidung soll in der kommenden Woche von der Bundesregierung gefällt werden. Im Bundesfinanzministerium war zunächst niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. In Koalitionskreisen hieß es, bis Ende Mai werde die Prämie in voller Höhe gezahlt, danach sei alles offen.
Noch am Mittwoch hatte Regierungssprecher Thomas Steg erklärt: "Jeder Antrag wird bearbeitet, und es gilt die Zusage, dass im Jahr 2009 die Umweltprämie bezahlt wird." Das Programm soll nach bisheriger Planung am 31. Dezember 2009 auslaufen.
Nur 6000.000 Prämien budgetiert
Ursprünglich hatte die Regierung für die Abwrackprämie lediglich 1,5 Milliarden Euro budgetiert, was 600.000 Neuwagen entsprach. Das Geld sollte nach dem sogenannten Windhund-Prinzip vergeben werden - also in der Reihenfolge der Antragseingänge.
Wegen des enormen Erfolgs der Prämie hatten Merkel und Steinmeier jedoch beschlossen, die Subvention zu verlängern und die Mittel aufzustocken. Dank der Abwrackprämie sind in Deutschland im März so viele Autos verkauft worden wie seit 17 Jahren nicht mehr. Mit 401.000 Neuzulassungen stieg der Absatz um 40 Prozent auf das höchste Volumen seit dem Wiedervereinigungsboom 1992.
Anfang der Woche hatte es noch geheißen, die Abwrackprämie werde allen Interessierten bis Ende 2009 gezahlt. Weil dank eines neuen Online-Reservierungsverfahrens jedoch seit Montag Hunderttausende Bürger einen neuen Antrag eingereicht haben, wird die Prämie zunehmend zu einem unwägbaren Haushaltsrisiko.
Das für die Prämienvergabe zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) hatte bis Donnerstagmittag 1,08 Millionen Anträge und Reservierungen für den Bonus vorliegen. Damit wären weitere 1,2 Milliarden Euro erforderlich. Experten rechnen mit bis zu 2 Milliarden Euro, falls der Auto-Boom anhält.
Quelle : www.spiegel.de
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Sie feilschten und pokerten - und erklären sich am Ende alle zu Siegern: Die G-20-Staaten wollen die Wirtschaftskrise mit mehr als einer Billion US-Dollar bekämpfen. Auch auf Deutschland kommen neue Belastungen zu. US-Präsident Obama nutzte den Gipfel, um die Akteure der Weltbühne kennenzulernen.
London - Einen "globalen New Deal" hatte Gordon Brown versprochen, und den wollte der Gastgeber am Ende des G-20-Treffens auch liefern. Darum griff der britische Premierminister in seiner Gipfelbilanz zu grandioser Rhetorik: "Dies ist der Tag, an dem die Welt zusammen gekommen ist, um die Rezession zurückzuschlagen."
Der alte Washington-Konsens sei Geschichte. "Jetzt haben wir einen neuen Konsens", rief Brown in einer riesigen Londoner Messehalle vor Hunderten Journalisten aus aller Welt. Zum ersten Mal seien die 20 größten Industrie- und Schwellenländer sich einig, wie man gemeinsam die Globalisierung managen wolle.
Und weil er nicht nur große Worte verbreiten wollte, nannte Brown Zahlen, riesige Zahlen. Fünf Billionen Dollar würden bis nächstes Jahr weltweit in die Märkte gepumpt, sagte Brown, "ein Konjunkturprogramm ungekannten Ausmaßes". Und die G20 würden nun noch eine Billion Dollar drauflegen, die vor allem via IWF und Weltbank in die Schwellenländer gehen sollen.
Es ist die Stimulierungsbotschaft, die Briten und Amerikaner sich von diesem G-20-Gipfel gewünscht hatten. US-Präsident Barack Obama nannte den Gipfel einen "Wendepunkt" in der Krise. "Nach Wochen der Vorbereitung haben wir uns auf eine Reihe von noch nie dagewesenen Maßnahmen verständigt, um Wachstum wiederherzustellen und zu verhindern, dass so eine Krise noch einmal ausbrechen wird", sagte er nach Ende des Gipfels. Das Abschlussdokument sei eine gute Grundlage für weitere Treffen im G-20-Kreis. Nun liege es in den Händen der einzelnen Regierungen, ihre Konjunkturprogramme umzusetzen. Je schneller diese greifen würden, desto stärker würden alle Nationen profitieren.
Die Bundesregierung hingegen hatte eigentlich gar keine Zahlen zu Konjunkturhilfen im Abschlussdokument lesen wollen. In einem früheren Entwurf hatte sie sogar die vergleichsweise bescheidene Zahl von zwei Billionen Dollar gestrichen.
Und nun sprach Brown von fünf Billionen plus eine - und Merkel musste das irgendwie gut finden. Von dem Geld für die Schwellen- und Entwicklungsländer profitiere auch Deutschland, schließlich seien das Handelspartner, sagte die Kanzlerin lahm. "Jedes Land, das wieder auf die Beine kommt, ist ein Gewinn für Deutschland."
Gipfel der doppelten Botschaften
Doch die Kanzlerin wollte, dass von dem Gipfel eine andere Botschaft ausging. Viel lieber und ausführlicher als über die Milliardenspritze sprach sie daher über die Fortschritte bei der Regulierung. Dass es ab sofort eine Schwarze Liste mit Steueroasen gebe. Dass alle Finanzmarktinstitute und -produkte kontrolliert werden sollen. Kurz: Dass nun "die Gewinnmargen und die Möglichkeiten, sich hinterher vom Acker zu machen, eingeschränkt sind". Ihr treuester Alliierter, Finanzminister Peer Steinbrück, assistierte, es stehe ein "bemerkenswerter" Satz im Abschlussdokument: "Die Ära des Bankgeheimnisses ist vorbei."
Bis zu seinem Ende blieb dieser G-20-Gipfel ein Gipfel der doppelten Botschaften. Briten und Amerikaner betonten die Ankurbelung der Weltwirtschaft, Deutsche und Franzosen die Regulierung. In getrennten Pressekonferenzen vor dem Gipfel hatte das Paar Brown/Obama am Mittwoch die eine Linie vorgegeben und das Paar Merkel/Sarkozy die andere. Dieser Unterschied blieb auch nach stundenlangen Gipfeldiskussionen bestehen.
Vor diesem Hintergrund wirkte es fast schon wie Satire, dass Merkel den "Kameradschaftsgeist" bei dem Treffen pries. Gastgeber Brown hatte wiederholt an das Verantwortungsbewusstsein der Staatenlenker appelliert, nicht nur auf den eigenen Vorteil zu schielen. Doch funktionierte dieser Gipfel wie jeder andere auch: Es wurde um Formulierungen gestritten, jeder Teilnehmer hatte die Reaktionen seiner Heimatpresse im Blick - und am Ende stand ein mehr oder weniger akzeptierter Kompromiss. Man kenne das ja schon aus der EU, wenn mehr als 20 Staaten miteinander ringen, kommentierte Merkel trocken.
Erstaunt hieß es in der deutschen Delegation, es sei schon komisch, wie man angesichts des Ausmaßes der Krise um jedes Wort kämpfen müsse. Unter anderem wurde diskutiert, ob man nun vom "Versagen" des Finanzsystems reden solle, oder aber nur von "Schwächen". Man einigte sich schließlich auf "Versagen".
Der von Brown angekündigte große Wurf ist das Abschlussdokument nicht. Die Zahl der fünf Billionen ist nur eine Bestandsaufnahme und scheint im übrigen übertrieben. Aber es ist einiges erreicht worden - langfristig wichtig ist vor allem der Umbau des IWF und die Aufwertung des Financial Stability Forum zu einer globalen Finanzaufsicht. Im Vergleich mit früheren G-8-Gipfelerklärungen liest sich das Papier deutlich konkreter. Das liegt daran, dass der Erfolgsdruck groß war. Wenn das Abschlussdokument nichtssagend sei, würden die Börsen abstürzen, hatte der britische Außenstaatssekretär Lord Malloch Brown bereits vor Wochen gewarnt. Nun jedoch stiegen die Kurse.
Das dürfte vor allem an den 1100 zusätzlichen Milliarden liegen, die in die Weltwirtschaft gepumpt werden sollen. Die Summe teilt sich auf wie folgt:
* Die IWF-Kreditlinie für bedürftige Staaten wird von derzeit 250 Milliarden auf 750 Milliarden Dollar verdreifacht. Von den zusätzlichen 500 Milliarden Dollar soll die Hälfte sofort zur Verfügung stehen, der Rest "mittelfristig", wie es heißt. Die EU trägt 75 Milliarden Euro (etwa 105 Milliarden Dollar) bei. Japan hat weitere 100 Milliarden Dollar zugesagt, ebenso wie die US-Regierung, die ihren Beitrag jedoch erst durch den US-Kongress bringen muss.
* Die Sonderziehungsrechte des IWF werden um 250 Milliarden Dollar aufgestockt.
* Die Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken sollen 100 Milliarden Dollar erhalten.
* Zusätzlich sollen 250 Milliarden Dollar in Form von Bürgschaften bereit gestellt werden, um den Welthandel durch mehr Exporte anzukurbeln.
Warum sich Obama vornehm zurückhielt
Auf die Bundesregierung kommen damit neue Belastungen zu, auch wenn Steinbrück gleich versicherte, die IWF-Mittel kämen nicht aus dem Bundeshaushalt, sondern von der Bundesbank. Der Finanzminister betonte auch, dass es keine Verpflichtung für irgendeinen G-20-Staat gebe, ein neues Konjunkturprogramm aufzulegen. Damit wollte er sagen, dass die Bundesregierung sich in diesem Punkt gegen die USA durchgesetzt habe.
Es war wie immer nach dem Gipfelpoker: Jede Seite erklärte sich zum Sieger. Deutsche und Franzosen verbreiteten zufrieden, Merkels und Sarkozys Krawall-PK vom Mittwoch habe für eine Schubumkehr gesorgt. Sie feierten, dass der Anhang zur Regulierung der Finanzmärkte zu einer "Deklaration der Staats- und Regierungschefs" aufgewertet wurde. Auch seien die Passagen zu Hedgefonds, Rating-Agenturen, Steueroasen und Managergehältern nun deutlich länger und konkreter.
"Wir sind noch nicht durch"
Es sind zum Teil symbolische Erfolge, gerade bei Fragen wie Managergehältern und Hedgefonds-Regulierung liegt der Teufel im Detail. Doch auf Symbole komme es an, glaubt Merkel. Sie hat dabei die Bevölkerung im Blick, deren Wut über die Banker irgendwie kanalisiert werden muss. Obama hatte zu Beginn des Gipfels gesagt, er wolle nicht über Schuld reden, sondern nach vorn blicken. Die Kontinentaleuropäer hingegen bestanden darauf, dass die Schuldfrage nicht außer Sicht gerät. Die Krise sei nicht in Europa entstanden, hatte Sarkozy unverblümt gesagt.
Den Vorwurf, dass die Krise in den USA entstanden sei, habe er in den Gipfelgesprächen mehrfach gehört, berichtete Obama hinterher. Er wolle das auch gar nicht bestreiten. Insgesamt seien die Kollegen aber außerordentlich nett zu ihm gewesen, sagte er. Viele hätten ihre Bewunderung geäußert.
Es spricht nicht für die Diplomatiekünste des Gastgebers Brown, dass ihn der Aufstand des deutsch-französischen Duos unmittelbar vor Gipfelbeginn überrascht hat. Normalerweise sind die Abschlussdokumente zu dem Zeitpunkt weitgehend ausgehandelt. Doch diesmal gab es großen Nachbesserungsbedarf. "Wir sind noch nicht durch", hatte Sarkozy am Mittwoch gedroht, und die Vorhersage bewahrheitete sich. Bis tief in die Nacht dauerte die Textarbeit, und die Passagen zu Hedgefonds und Steueroasen wurden erst kurz vor der Pressekonferenz fertig gestellt.
Der Kleinkrieg wurde vor allem zwischen den gipfelerfahrenen EU-Mitgliedern ausgetragen. Der neue US-Präsident hingegen hielt sich vornehm zurück. Obama nutzte den Gipfel vor allem dazu, die Player auf der Weltbühne kennenzulernen. Die anderen waren von seiner ruhigen Art angetan. Er habe eine sehr konstruktive Rolle gespielt, lobte Merkel.
Auch Obama sprach von einem "produktiven Gipfel". Die Vergleiche mit dem Bretton-Woods-Gipfel, wo 1944 ein neues Währungssystem beschlossen wurde, seien verfehlt, sagte der US-Präsident. Wenn bloß Roosevelt und Churchill beim Brandy zusammensäßen, seien das einfache Verhandlungen. "Das ist nicht die Welt, in der wir leben."
Quelle : www.spiegel.de
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Die Verhandlungen zwischen General Motors und der Bundesregierung über Hilfen für Opel dauern womöglich länger als geplant - deshalb kündigt der US-Autobauer jetzt Notfallpläne an. Das deutsche Verhandlungsteam steht inzwischen fest, es nimmt sofort seine Arbeit auf.
New York/Berlin - Der ums Überleben kämpfende US-Autobauer General Motors hat für seine Europa-Geschäfte rund um Opel "Notfallpläne" angekündigt. Hintergrund sei, dass die Verhandlungen mit mehreren europäischen Staaten wie etwa Deutschland über Finanzhilfen womöglich nicht bis Mitte des Jahres abgeschlossen werden könnten. Dies gab General Motors (GM) am Donnerstagabend Ortszeit in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht bekannt. Details zu den Plänen nannte die Opel-Mutter nicht.
US-Präsident Barack Obama hat GM bis zum 1. Juni eine letzte Frist für einen neuen Sanierungsplan gesetzt. Der US-Konzern will dazu auch Milliardenhilfen bei europäischen Regierungen einsammeln. GM rechnet den neuen Angaben nach dabei nicht mehr mit einer Unterstützung durch den schwedischen Staat für die Tochter Saab.
Opel selbst will unabhängiger von der US-Mutter werden und strebt eine eigenständige europäische Gesellschaft an. Dazu bittet das Traditionsunternehmen den Staat um Hilfe in Höhe von 3,3 Milliarden Euro. General Motors kämpft derzeit ums Überleben und droht Opel mit in den Abgrund zu reißen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat staatliche Bürgschaften für private Investoren bei Opel zugesagt, eine Staatsbeteiligung an dem Traditionsunternehmen lehnt sie ab.
Das Verhandlungsteam der Bundesregierung zur Rettung von Opel nimmt am Freitag derweil seine Arbeit auf. Das Gremium werde von Jochen Homann, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, geleitet, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Regierungskreise. Das Finanzministerium sei durch Staatssekretär Jörg Asmussen vertreten, Arbeits- und Außenministerium seien nicht zur Mitarbeit eingeladen.
Das Team soll die deutschen Interessen gegenüber GM und der US-Regierung vertreten. Merkel hatte die Bildung der Gruppe am Dienstag bei einem Besuch im Opel-Werk in Rüsselsheim angekündigt. Neben Vertretern des Bundes und der Länder mit Opel-Standorten sollen in dem Team auch Investmentbanker und Wirtschaftsexperten mitarbeiten. Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge ist unter anderem die Investmentbank Lazard in dem Gremium vertreten.
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier plädierte erneut für einen Staatseinstieg bei Opel, sollte kein geeigneter Investor gefunden werden. "Wir sollten eine vorübergehende staatliche Beteiligung an Opel nicht von vorne herein kategorisch ausschließen. Schon deshalb, damit ein Privatinvestor dem Staat nicht die Bedingungen diktiert", sagte der Außenminister den Dortmunder "Ruhr Nachrichten".
Man dürfe Opel allerdings "auch nicht an den Nächstbesten verschenken", sagte Steinmeier. "Wenn der Staat eine Milliardenbürgschaft gibt, müssen wir schon ein langfristiges tragfähiges Zukunftskonzept verlangen. Falls das ausbleibt, müssen wir trotzdem handeln", erklärte er. "Wir können Opel nicht einfach pleitegehen lassen." Bei dem Autobauer gehe es um 30.000 Arbeitsplätze und weitere 100.000 Stellen bei Zulieferern und Händlern. "Darum muss die Politik alle Möglichkeiten ausloten, um das Unternehmen zu erhalten und Brücken zu bauen."
Quelle : www.spiegel.de
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Die G-20-Staaten bekämpfen die Krise, indem sie die nächste vorbereiten: Mit neuen Billionen auf Pump soll die Weltwirtschaft angekurbelt werden. Das offizielle Gipfelmotto lautete Stabilität/Wachstum/Arbeitsplätze - das wahre müsste heißen: Verschuldung/Arbeitslosigkeit/Inflation.
Nun feiern sie sich wieder. Die Steigerung von "zufrieden" heißt "historisch", zumindest in der Gipfel-Grammatik der deutschen Kanzlerin. Ein historischer Kompromiss sei erzielt, sagte sie zum Abschluss des G-20-Gipfels von London. Ein Wendepunkt sei erreicht, ergänzte US-Präsident Barack Obama. Hinter beiden leuchtete das Gipfelmotto: Stabilität, Wachstum, Arbeitsplätze.
Wenn der Weihrauch sich verzogen hat, wird der Blick frei werden auf das, was in London tatsächlich geschah. Die Gipfelteilnehmer sind den einfachen Weg gegangen. Ihr Beschluss, in absehbarer Zeit fünf Billionen Dollar in die kollabierende Weltwirtschaft zu pumpen, könnte sich in der Tat als historischer Wendepunkt erweisen, aber als Wendepunkt nach unten. Die Staatengemeinschaft bekämpft die Krise, indem sie die nächstgrößere vorbereitet.
Es wäre wohl ehrlicher gewesen, die Gipfelteilnehmer hätten an die Wand geschrieben: "Verschuldung, Arbeitslosigkeit, Inflation".
Die entscheidende Frage wurde nicht beantwortet, weil sie gar nicht erst gestellt wurde: Warum stehen wir da, wo wir stehen? Wer oder was hat uns dorthin geführt?
Die Suche nach einer Antwort hätte ergeben, dass dem Marktversagen ein Staatsversagen vorausging. Wall Street und die Banken, also die Gierigen der Finanzindustrie, spielten eine wichtige, aber nicht die entscheidende Rolle. Die Bankmanager waren die Dealer, die das heiße Spekulationsgeld unters Volk brachten. Der Mohnbauer aber sitzt im Weißen Haus.
US-Präsident George W. Bush ließ die Anbaufläche in seiner Amtszeit enorm erweitern. Auf seinem Acker wuchsen die billigen Dollar, die schließlich die ganze Welt überschwemmten, die Bankbilanzen aufbliesen, Scheinwachstum erzeugten und sich kurz darauf zu einer Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt der USA blähten. Die fehlende Transparenz der Finanzmärkte sorgte dafür, das die giftige Frucht ihren Weg in alle Länder fand.
Es gibt auch in der modernen Welt zwei Dinge, die kann kein Privatunternehmen aus eigener Kraft tut: Krieg führen und Geld drucken. Beides aber war die Antwort von George W. Bush auf die Terroranschläge vom 11. September 2001. Über seinen ersten Fehler, den Einmarsch in Bagdad, ist viel berichtet worden. Sein zweiter Fehler aber, die Weltwirtschaft mit Billionen von billigem Geld zu überschwemmen, wurde bisher kaum gewürdigt.
o hemmungslos wie Bush hat noch kein Präsident zuvor die Notenpresse angeschmissen und die Geldmenge ausgeweitet. Dieses neue Geld, und darin liegt seine tödliche Wirkung, ist nicht durch den Gegenwert von Waren oder Dienstleistungen gedeckt. Der Körper der Weltwirtschaft straffte sich zwar zunächst wie gewünscht. Der Konsum in den USA trieb auf Jahre die Weltwirtschaft an. Aber die derart erzeugten Wachstumsraten waren unwirklich. Die USA begannen zu halluzinieren.
Die Sucht nach immer neuen Geldinfusionen wurde chronisch. Die USA hatten sich auf ein gefährliches Lotterleben eingelassen. Sie verkauften immer neue Staatsanleihen, um den Schein einer prosperierenden Nation zu wahren. Die Privathaushalte eiferten dem Staat zu allem Überfluss nach. Der Durchschnittsamerikaner lebt mittlerweile wie eine afrikanische Großfamilie - von der Hand in den Mund. 15 Kreditkarten nennt er sein eigen. Die Sparquote betrug noch vor kurzem annähernd null. Am Ende der Ära Bush flossen 75 Prozent der weltweiten Ersparnisse in die USA.
Der Präsident und sein Notenbankchef Alan Greenspan wussten sehr wohl um die Problematik, vielleicht sogar um die Unverantwortlichkeit ihres Tuns. Sie taten zumindest alles, es vor der Welt zu verheimlichen. Seit 2006 wird die sogenannte Geldmenge M3, also jene Zahl, die angibt, wie viele Dollars im Umlauf sind, in den USA nicht mehr veröffentlicht. Was im Europa der Stabilitätskultur die entscheidende Kennziffer für die Europäische Zentralbank ist, gilt seither in den USA als geheime Kommandosache.
Nur noch aufgrund unabhängiger Schätzungen hat die Außenwelt ein Gefühl für die innere Aushöhlung der einst stärksten Währung der Welt. Diese Schätzungen melden einen steilen Anstieg der im Umlauf befindlichen Geldmenge. Seit dem Beschluss zur Geheimhaltung hat sich die Wachstumsrate für die Ausweitung der Geldmenge verdreifacht. Allein im vergangenen Jahr stieg die Geldmenge demnach um bis zu 17 Prozent. Zum Vergleich: Der Geldumlauf in Europa erhöhte sich im gleichen Zeitraum um nur sechs Prozent.
Der Regierungswechsel in Washington brachte nicht die Rückkehr zu Selbstbeherrschung und Solidität, sondern die weitere Enthemmung. Barack Obama setzte den Weg in den Schuldenstaat mit erhöhtem Tempo fort. Ein Drittel seines Staatshaushaltes ist durch Einnahmen nicht mehr gedeckt. Das einzige, was in den USA derzeit heiß läuft, ist die Notenpresse.
In London wurde über alles geredet, darüber nicht. So fiel nicht weiter auf, dass die Krise mit jenen Mitteln bekämpft wird, die sie verursacht hat. Die Anbaufläche für billige Dollars wird nun abermals erweitert. Nur dass diesmal der Staat auch noch als Dealer auftritt, um selbst für die Verteilung der Billionen zu sorgen. Der Internationale Weltwährungsfonds wurde ermächtigt, seine Hilfsgelder zu verdoppeln und später zu verdreifachen, auf Pump. Die Weltbank bekommt ebenfalls weitere Kreditermächtigungen. Alle Staaten wollen ihrer Wirtschaft mit Bürgschaften helfen, die im Falle der Beanspruchung die Staatsverschuldung in die Höhe treiben werden. Die USA bereiten ein neues kreditfinanziertes Konjunkturpaket vor. Andere werden wohl folgen.
Wir leben in wahrhaft historischen Zeiten, da hat die Bundeskanzlerin recht. Womöglich setzt sich der Westen gerade den goldenen Schuss.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Abwrackprämie wird nun offenbar doch nicht ab Juni verringert. Die Bundesregierung will laut "Bild"-Zeitung stattdessen die Gesamtausgaben auf vier Milliarden Euro begrenzen - und hofft, damit bis zum Jahresende durchzukommen.
Berlin - Es läuft und läuft und läuft: Das Verwirrspiel um die Abwrackprämie geht in die nächste Runde. Mit ihrer Ankündigung, die Prämie nur noch bis Ende Mai in voller Höhe auszuzahlen, hatte die Bundesregierung zunächst einen Massenansturm auf die Online-Anträge ausgelöst. Technische Pannen trugen zum Chaos bei. Jetzt aber wechselt Berlin erneut den Kurs, glaubt man der "Bild"-Zeitung: Demzufolge will die Regierung die Abwrackprämie nun doch nicht ab Juni kürzen, sondern die Gesamtausgaben deckeln.
Wie das Blatt unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, wolle das Bundeskabinett am Mittwoch beschließen, die Prämie für die Verschrottung eines Altautos beim Kauf eines Neuwagens bei 2500 Euro zu belassen. Allerdings sollten die Gesamtausgaben auf vier Milliarden Euro begrenzt werden. Die Prämie solle "kein Fass ohne Boden werden", hieß es laut "Bild" in Regierungskreisen.
Erst Ende März hatte die Bundesregierung die Verlängerung der Abwrackprämie beschlossen. Doch die Einführung des Online-Antrags führte zugleich zu einem Massenansturm: Innerhalb weniger Tage wollten sich mehr als eine Million Deutsche die 2500 Euro sichern. Am Donnerstag wurde dann bekannt, dass die von den drohenden Kosten alarmierte Regierung die Prämie ab Juni um bis zu 50 Prozent kürzen wolle. Nun erfolgt offenbar der erneute Richtungswechsel.
Derzeit nähert sich die Zahl der Anträge und Reservierungen schon der Marke von 1,2 Millionen, was die Ausgaben auf mindestens drei Milliarden Euro treibt. Bislang hat die Regierung aber nur 1,5 Milliarden Euro im Etat 2009 eingeplant, was für 600.000 Prämien reicht. Laut "Bild"-Zeitung werde in der Großen Koalition kalkuliert, dass vier Milliarden Euro etwa bis zum Jahresende ausreichten.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Einigung ist da: Wer sein altes Auto verschrotten lässt, kann sich bis maximal Ende des Jahres eine Abwrackprämie von 2500 Euro auszahlen lassen. Dafür stockt die Regierung die Gesamtsumme auf fünf Milliarden Euro auf. Wenn diese ausgeschöpft ist, gehen Antragsteller leer aus.
Berlin - Die Einigung ist da: Die Abwrackprämie wird bis Ende des Jahres gewährt, die 2500 Euro pro Wagen speisen sich aus einem Topf, der insgesamt auf fünf Milliarden Euro aufgestockt wird. Darauf verständigte sich eine Ministerrunde unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstagabend in Berlin, wie aus Regierungskreisen zu erfahren war.
Nach Angaben der ARD-"Tagesschau" waren an dem Gespräch neben Merkel noch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, Vize-Kanzler Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) und telefonisch zugeschaltet Wirtschaftsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) beteiligt. Das Kabinett will an diesem Mittwoch darüber entscheiden.
Bisher gingen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) den Angaben zufolge 1,2 Millionen Anträge ein. Das entspricht einem Gesamtvolumen der staatlichen Prämie von drei Milliarden Euro entspricht. Zunächst waren nur 1,5 Milliarden Euro eingeplant gewesen.
Quelle : www.spiegel.de
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Fünf Milliarden Euro - diese Summe pumpt die Regierung via Abwrackprämie in die Autobranche. Ökonomen sind entsetzt, sie fürchten Verwerfungen in anderen Branchen und eine neue Subventionsspirale. Dabei gibt es auch andere, effektivere Mittel, um die Konjunktur anzukurbeln.
Hamburg - Die Bürger lieben die Abwrackprämie. Hunderttausende haben schon einen Neuwagen gekauft und den staatlichen Zuschuss beantragt. Und es werden immer mehr: Denn die Bundesregierung weitet die Fördersumme auf fünf Milliarden Euro aus - das reicht für zwei Millionen Fahrzeuge bis Ende des Jahres.
Doch was Autokäufer freut, macht Fachleute zunehmend nervös. "Die Abwrackprämie ist ökonomischer Unsinn", schimpft Victor Steiner, Subventionsexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Sie lässt sich nur wahltaktisch begründen - und mit dem Lobbyismus der Autoindustrie."
Fest steht: Kaum ein Konjunkturprojekt der Großen Koalition hat solche Wirkung entfaltet wie die Abwrackprämie. Millionen Deutsche diskutieren, ob sie sich ein neues Auto kaufen sollen. Für die Bundestagswahl ist das ein entscheidender Vorteil - zumindest aus Sicht von CDU/CSU und SPD.
Aber ist die Abwrackprämie tatsächlich ein gutes Mittel im Kampf gegen die Rezession? Oder schadet sie der Wirtschaft womöglich? Gibt es sinnvollere Alternativen, um die Konjunktur anzukurbeln?
Das Urteil fällt eindeutig aus: Ob Grüne oder FDP, ob Ökoverbände oder Wirtschaftswissenschaftler - sie alle halten die Abwrackprämie für nutzlos, im schlimmsten Fall sogar für schädlich.
"Ich bin sehr skeptisch", sagt der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt, Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, zu SPIEGEL ONLINE. "Die Bürger werden veranlasst, sich für einen Neuwagen zu verschulden." Die Sorge des Experten: All das Geld, das nun für Autos ausgegeben wird, fehlt an anderer Stelle - zum Beispiel beim Kauf von Möbeln oder Haushaltsgeräten. "Andere Branchen fragen sich zu Recht, warum sie nichts bekommen", sagt Schmidt. "Der Nettoeffekt für die Konjunktur ist deutlich geringer als der Bruttoeffekt."
Steiner vom DIW hält es durchaus für legitim, wenn der Staat die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ankurbeln möchte - "aber warum in einer einzelnen Branche?". Der Ökonom fürchtet eine massive Marktverzerrung: Zu den Verlierern zählten Gebrauchtwagenhändler und Kfz-Werkstätten, sie verzeichneten schon jetzt Umsatzeinbrüche.
Autoexperten sprechen von einem Nullsummenspiel
Immerhin: Die Autobranche jubelt über neue Verkaufsrekorde - allein bei Opel schoss der Absatz in den ersten Monaten des Jahres um mehr als 50 Prozent nach oben. Allerdings dürfte die Freude nur von kurzer Dauer sein. Denn auch für die Autobranche selbst könnte die Abwrackprämie teuer werden.
Spätestens im kommenden Jahr wird den Herstellern die Rechnung präsentiert: Nach dem Hoch 2009 wird der Fall 2010 umso tiefer - schließlich braucht dann kaum noch jemand ein neues Auto. Experten wagen zwar keine Absatzprognose, doch eines steht fest: "Über die nächsten fünf bis sechs Jahre ist die Abwrackprämie ein Nullsummenspiel", erklärt Marc-René Tonn, Autoanalyst bei M.M. Warburg.
Hinzu kommt, dass aktuell vor allem ausländische Hersteller von der Abwrackprämie profitieren. Der Grund: Japaner, Italiener oder Franzosen haben sich auf Kleinwagen spezialisiert, die nun verstärkt nachgefragt werden. Die deutschen Produzenten geraten dagegen unter Zugzwang: "Volkswagen zahlt eine zusätzliche Prämie, um mit dem Dacia oder ähnlichen Modellen mithalten zu können", sagt Tonn.
Mit anderen Worten: Die deutschen Hersteller müssen deutliche Rabatte gewähren, um ihre Marktanteile zu halten. Doch das geht zu Lasten der Gewinnmarge - genau das Gegenteil dessen, was die Abwrackprämie bewirken sollte.
Breite gesellschaftliche Front gegen die Prämie
Schmidt vom RWI sieht noch ein weiteres Problem: Denn die Autoindustrie kämpft schon jetzt mit großen Überkapazitäten. Wenn der Staat der Branche nun einen künstlichen Schub verschaffe, verdecke dies nur die wahren Probleme. "Das böse Ende wird hinausgezögert", sagt Schmidt, "aber es wird kommen."
Steiner vom DIW geht noch weiter. Er fürchtet in den kommenden Jahren einen regelrechten Absturz der Autowirtschaft - mit fatalen Folgen für den Staatshaushalt. "Wenn es der Autobranche richtig schlecht geht, könnte dies weitere Subventionen nach sich ziehen."
Mit ihrer Kritik sind die Ökonomen nicht allein: Eine breite gesellschaftliche Front lehnt die Abwrackprämie ab. Das Projekt zeige, "wie kurzatmig in Deutschland Verkehrspolitik gemacht wird", sagt Dirk Flege vom Ökobündnis Allianz pro Schiene. Würde man das Geld in Bus und Bahn stecken, brächte dies "ein Vielfaches an volkswirtschaftlichem Nutzen". Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hält das Konzept der Großen Koalition schlicht für "Murks".
Für die FDP ist die Sache ebenfalls klar: Sie betrachtet die Abwrackprämie als Wahlgeschenk der Großen Koalition an die Bürger. Und der neue Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, spart ebenfalls nicht mit Kritik: "Eine solche Extrabehandlung eines Wirtschaftszweiges stößt auf Unverständnis in anderen Branchen."
Steuern runter, Kindergeld rauf
Dabei gäbe es durchaus andere Möglichkeiten, um die Kaufkraft der Bevölkerung zu stärken. Zum Beispiel könnten die Beiträge zur Sozialversicherung sinken, schlägt DIW-Mann Steiner vor. "Davon hätten vor allem Geringverdiener etwas." Der Vorteil: Die Bürger könnten das zusätzliche Geld sofort in die Geschäfte tragen. Erfahrungsgemäß ist die Konsumquote bei niedrigen Einkommensschichten besonders hoch.
Auch Konsumgutscheine nach amerikanischem Vorbild werden in Deutschland diskutiert. "Sie sind auf jeden Fall besser als die Abwrackprämie", sagt Steiner. "Denn sie haben keinen verzerrenden Effekt." Schließlich bliebe es den Verbrauchern selbst überlassen, wo sie den Gutschein einlösen. Allerdings hat auch diese Lösung einen Haken: Der bürokratische Aufwand dürfte noch größer sein als bei der Abwrackprämie.
RWI-Präsident Schmidt empfiehlt Steuersenkungen als ein sinnvolles Mittel. "Die Bürger hätten mehr Geld in der Tasche und könnten selbst entscheiden, wie sie es ausgeben." Allerdings hält Schmidt einen solchen Schritt aktuell nicht für nötig. "Wir brauchen nicht noch ein Konjunkturprogramm." Die Maßnahmen aus dem ersten und dem zweiten Paket der Bundesregierung würden wohl erst im zweiten Halbjahr ihre Wirkung entfalten - so lange müsse man abwarten.
Ohnehin rät Schmidt zu einem sorgsamen Umgang mit öffentlichen Geldern. "Jede Milliarde, die man ausgibt, muss auch irgendwo herkommen." Laut Finanzministerium erhöht die Abwrackprämie die Schuldenlast des Bundes um 4,2 Milliarden Euro.
"Sonst rutschen Tausende in Hartz IV ab"
Andere Experten raten zu weniger Bescheidenheit. Gustav Horn, Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), plädiert für weitere Staatshilfen: "Ich halte ein Konjunkturpaket III für nötig."
Steuersenkungen hält Horn dagegen für einen Fehler. "Das geht zu einem großen Teil in die Sparquote", erklärt er. Mit anderen Worten: Die Bürger nehmen das Geld gerne, legen es aber aufs Konto. Fachleute sprechen vom sogenannten Angstsparen. Der Konsum bliebe schwach, an der Rezession würde sich nichts ändern.
Horn plädiert deshalb für ein anderes Instrument - staatliche Ausgabenprogramme. Deren Vorteil: Sie sind sofort konjunkturrelevant, und sie können nach der Krise schnell wieder heruntergefahren werden. Langfristige Staatsdefizite könnten so vermieden werden. Konkret schlägt der Ökonom einen kräftigen Zuschlag beim Kindergeld vor, ebenso wie eine Verlängerung von Kurzarbeit und eine längere Auszahlung des Arbeitslosengelds I - "sonst rutschen im kommenden Jahr Tausende Menschen in Hartz IV ab".
Quelle : www.spiegel.de
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Laut Finanzministerium erhöht die Abwrackprämie die Schuldenlast des Bundes um 4,2 Milliarden Euro.
Und bei uns an der Schule ist Theater weil wir zwei Fussmatten gekauft haben OHNE uns eine schriftliche Genehmigung im Vorfeld dafür zu holen. Wenn die erst die Rechnungen für die Farbe sehen ;D
Die Bürger nehmen das Geld gerne, legen es aber aufs Konto. Fachleute sprechen vom sogenannten Angstsparen. Der Konsum bliebe schwach, an der Rezession würde sich nichts ändern.
Spare spare dann hast du in der Not; damit bin ich gross geworden und nicht nur ich! Ist ja auch kein Wunder das der Deutsche sich so verhält. Kaum einer aus dem Arbeiter-Volk der noch von einem finanziellen Speckgürtel redet, zumindest ICH KENN NIEMANDEN.
Lediglich die mit ausreichend Schwarzarbeit haben für die Kinder noch hin und wieder ein extra über. Wen wundert es da, das alles was geht gebunkert wird, erwarten schliesslich ALLE immer eine Verschlechterung der Lage (der Merkel und seine Kumpanen mal ausgenommen).
Und wenn ich dann noch höre: in Dänemark und Holland DAAAA brummt das. Ja nee, iss klar! (Davon mal ab, ist das imMo zumindest in DK auch vorbei). Wundert mich nicht, werden die Leute für die Arbeit so entlohnt das sie davon leben können und brauchen kein HartzIV zusätzlich zum Vollzeitjob. Wer satt ist mag auch mal 'ne Mark ausgeben, wenn er sie denn hat.
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Auch nach der gestern verkündeten Aufstockung der Abwrackprämie für Pkw, die neun Jahre oder älter sind, auf maximal 2 Millionen Prämien zu je 2500 Euro, stößt das zum 30. März neu eingeführte Online-Reservierungsverfahren weiterhin auf Kritik.
Zwar ist die Website, über die Antragsteller die offiziell Umweltprämie (UMP neu) genannte Subvention reservieren können, anders als während der chaotischen Startphase nunmehr auch tagsüber problemlos erreichbar, doch erfolgt die Datenübertragung auch kurz vor dem Osterfest weiterhin unverschlüsselt. Ursprünglich hatte ein Sprecher des für die Auszahlung der Abwrackprämie zuständigen Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) angekündigt, dass Personen- und Fahrzeugdaten ab dem 1. April via HTTPS übertragen werden sollten.
Am heutigen Gründonnerstag teilte die Behörde gegenüber heise online mit, dass an der Verschlüsselung weiterhin "mit Hochdruck gearbeitet" werde, derzeit werde das erforderliche Zertifikat erstellt. Auch will das BAFA an dem in die Kritik geratenen IT-Unternehmen Arago, das die Website ump.bafa.de hostet, festhalten: "Ein Wechsel des Dienstleisters kommt aus Sicht des BAFA nicht in Betracht", erklärte eine BAFA-Sprecherin gegenüber heise online.
Nach Recherchen von Telepolis hatte der IT-Dienstleister Babiel, der seit längerem für den übrigen Webauftritt des BAFA (unter www.bafa.de) verantwortlich ist, am 10. März 2009 eine Vorabversion der Arago-Software in Augenschein genommen und vor der Inbetriebnahme in dieser Form gewarnt. Dennoch habe sich die zuständige Fachabteilung des BAFA für Arago entschieden. Zwischenzeitlich hatte Babiel auf seiner Website betont, nicht für das Hosting der "UMP neu" verantwortlich zu sein; im Impressum der BAFA-Website findet sich bis heute ein dementsprechender Hinweis in Rotschrift.
Völlig unklar bleibt unterdessen, wie hoch der Anteil ungültiger Online-Reservierungen ist. Laut der regelmäßig aktualisierten Fördermittelübersicht des BAFA sind bis zum 9. April 747.706 UMP-neu-Reservierungen eingegangen. Rechnet man die Zahl gemäß dem bis zum 29. März gültigen Verfahren auf dem Postweg übermittelten 476.059 Anträge hinzu, entsteht der Eindruck, dass bereits 1,22 Millionen Abwrackprämien beantragt wurden und entsprechend über 60 Prozent der aufgestockten Fördermittel verbraucht wären.
Da die Bundesregierung erklärt hat, dass die Abwrackprämie auf jeden Fall zum Jahresende auslaufen und keinesfalls erneut aufgestockt werden soll, könnte dieser Wert zu übereilten Autokäufen führen. Die große Unbekannte ist der Anteil ungültiger Anträge. Bei den schriftlichen Anträgen beträgt die Fehlerquote laut aktueller Schätzung des BAFA gerade einmal 4 Prozent, doch vermag die Behörde bis heute keine Einschätzung abzugeben, wie hoch ungültiger Online-Anträge ist.
Hierbei kann man von einer deutlich höheren Fehlerquote ausgehen: Erstens hatten – vor allem während der Startphase – zahlreiche Bürger, frustriert über Verbindungsabbrüche oder Fehlfunktionen der Internet-Applikation, es x-mal erneut versucht, bis sie eine vollständige Reservierung übermitteln konnten. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass dem BAFA ferner eine Reihe von Nonsens-Anträgen übermittelt worden sind – sei es aus dem Grund, dass Nutzer fiktive Daten eingegeben haben, um das Online-Verfahren zunächst kennenzulernen oder weil sich schlicht jemand einen Scherz erlauben wollte.
Quelle : www.heise.de
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Gigantische Konjunkturpakete werden in die Finanzmärkte gepumpt, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Dann jedoch droht die nächste Gefahr, warnt Finanzminister Steinbrück: Die weltweite Inflation. Eine Alternative zu den Investitionsprogrammen sieht er jedoch nicht.
Berlin - Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat vor der Gefahr einer weltweiten Inflation als Folge der schuldenfinanzierten Konjunkturmaßnahmen gewarnt. "Es wird so viel Geld in den Markt gepumpt, dass die Gefahr einer Überlastung der Kapitalmärkte und einer weltweiten Inflation im Wiederaufschwung drohen könnte", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung.
Kurzfristig gebe es kein Inflationsproblem, erklärte Steinbrück: "Mittelfristig müssen wir uns aber darum kümmern, wie wir die Milliarden an Liquidität wieder aus der Welt bekommen, die wir jetzt in die Wirtschaft pumpen." Das werde eine besondere Herausforderung für alle Zentralbanken. Auch die Europäische Zentralbank müsse dann für Geldwertstabilität sorgen wie früher die Bundesbank.
Der SPD-Politiker betonte zugleich, dass es jetzt keine vernünftige Alternative zu klugen Investitionsprogrammen gebe. Er verteidigte dabei nachdrücklich die Aufstockung der staatlichen Ausgaben für die Abwrackprämie auf fünf Milliarden Euro. Die Prämie wirke sehr gut und sorge für eine spürbare Stabilisierung einer der wichtigsten Leitindustrien: "Wegen der Prämie hat die deutsche Autoindustrie bisher keine solchen Absturz erlebt wie in den USA", sagte der Minister.
Dem Ruf nach einem dritten Konjunkturprogramm erteilte Steinbrück aber eine entschiedene Absage. Diesen ständigen Überbietungswettbewerb lehne er ab: "Wir sollten abwarten, welche Kraft unsere bereits beschlossenen Maßnahmen entfalten und nicht schon wieder zappelig werden."
Auch der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Martin Kannegiesser wandte sich gegen ein drittes Konjunkturprogramm. Was die Regierung bisher getan habe, könne sich sehen lassen. Es dürfe aber keine weiteren Konjunkturpakete geben: "Das restliche Pulver muss trocken gehalten werden, um beispielsweise Entlassungen im Herbst sozial abzufedern", sagte Kannegiesser der "Bild".
Quelle : www.spiegel.de
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Seit heute dürfen Lebensmittelhersteller weniger Ware in ihre Verpackungen füllen
Auf Betreiben der Europäischen Union gilt seit heute in Deutschland ein neues Lebensmittelrecht, das es Herstellern erlaubt, gewohnte Packungen mit weniger Ware zu befüllen. Bisher war dies nur in einigen Fällen legal, etwa bei Süßwaren oder Frühstücksflocken. Das führte dazu, dass bei diesen Produkten heimliche Preiserhöhungen über eine geringere Befüllung durchgesetzt wurden, die viele Verbraucher erst dann bemerkten, als es bereits zu spät war.
Nun können solche versteckten Preiserhöhungen auch bei Tetrapack-Getränken, Schokolade und vielen anderen Lebensmittel legal durchgeführt werden. Ausnahmen gelten lediglich für Wein, Sekt und Likör. Werden solche versteckten Teuerungen bei vielen Produkten fast gleichzeitig durchgeführt, dann fällt auch in wichtiger Indikator weg, an dem Verbraucher Inflation ablesen können. Abhilfe schaffen könnte hier lediglich ein konsequenter und genauer Blick auf den Preis pro Kilo oder Liter, der jedoch auf vielen Produkten fehlt.
Quelle : http://www.heise.de/tp/blogs/8/136081
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"Frau Merkel wird es nicht durchhalten, eine Staatsbeteiligung zu verweigern": Im Streit um die Opel-Rettung macht SPD-Chef Müntefering Opel Druck auf die Bundeskanzlerin. Sie müsse ihr striktes Nein zu einem Einstieg des Bundes aufgeben - selbst, wenn ein privater Investor gefunden wird.
Berlin - "Wir sollten nicht ausschließen, was nötig werden könnte", sagte Müntefering der "Bild am Sonntag". Deshalb müsse Merkel ihre Haltung ändern und einem möglichen Staatseinstieg bei Opel zustimmen.
Zwar sei auch er "dabei", wenn es darum gehe, zunächst einen Investor für Opel zu finden. Aber auch wenn dieser gefunden sei, könne es notwendig sein, dass mindestens für eine Übergangszeit der Staat bei Opel helfe. "Ich halte es jedenfalls für unklug, dass die Kanzlerin und andere sich auf ein Nein dazu festgelegt haben", sagte Müntefering. Ein Staatseinstieg könnte die einzige Möglichkeit sein. Es "geht es um zu viele Arbeitplätze", sagte Müntefering.
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat mehrfach für einen Staatseinstieg bei Opel plädiert, falls kein Investor gefunden wird. Merkel hat Staatsbürgschaften für einen privaten Geldgeber in Aussicht gestellt, eine Staatsbeteiligung aber abgelehnt.
Die Debatte über ein drittes Konjunkturpaket lehnte Müntefering ab. Stattdessen sprach er sich dafür aus, die bestehenden Programme bei Bedarf aufzustocken: "Es ist Unsinn, über immer neue Konjunkturpakete zu reden. Die gerade beschlossenen müssen doch erstmal wirken, und es wird ja auch immer wieder nachgesteuert."
Der SPD-Chef verwies auf das Programm zur ökologischen Modernisierung von Gebäuden. "Das ist ein Rechtsanspruch. Wenn das viele Haushalte nutzen, kostet das den Bund eben mehr als die bisher geschätzten zwei Milliarden. Die Programme sind flexibel", sagte Müntefering.
Nahles: "Weitere Stabilisierungsmaßnahmen"
Die SPD-Vizechefin Andrea Nahles hat weitere Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur nicht ausgeschlossen. Dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag" sagte Nahles: "Ich halte es für möglich, dass wir im Sommer über das Kurzarbeitergeld reden und vielleicht eine weitere Verlängerung auf den Weg bringen müssen." Sie könne sich auch vorstellen, dass die Koalition im Laufe des Jahres "weitere Stabilisierungsmaßnahmen ergreifen" müsse". Dies gelte "insbesondere für den Mittelstand, um hier unter anderem eine ausreichende Liquidität sicherzustellen".
Forderungen aus ihrer Partei, das Arbeitslosengeld I für Ältere noch einmal zu verlängern, damit diese in der Krise nicht in "Hartz IV" abrutschen, wies Nahles zurück: "Ich kann meiner Partei nur empfehlen, sich in diesem Jahr darauf zu konzentrieren, die Menschen in Arbeit zu halten. Wir können die Beitragsgelder der Bundesagentur für Arbeit nur einmal ausgeben. Deshalb sollten wir die Milliardenbeträge lieber in Kurzarbeit und Qualifizierung investieren, und nicht in die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I."
Quelle : www.spiegel.de
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Braucht Deutschland ein drittes Konjunkturpaket? Nein, sagt der Ökonom Thomas Straubhaar. Auf SPIEGEL ONLINE fordert er stattdessen eine radikale Umwandlung der Abwrackprämie - in Konsumschecks für Güter jeder Art.
Nein, Deutschland braucht kein drittes Konjunkturpaket. Da hat die Bundeskanzlerin völlig recht. Mehr vom Gleichen wird keinen zusätzlichen Ertrag bringen. Gut, dass Angela Merkel den Forderungen der USA und Großbritanniens auf dem Krisengipfel der G20 in London widerstanden hat.
Auch Japans Vorpreschen ändert daran nichts. Die Regierung in Tokio hat am Karfreitag ein drittes Konjunkturpaket mit Ausgaben von 15 Billionen Yen (110 Milliarden Euro) beschlossen. Japan kann jedoch nicht als nachahmenswertes Vorbild für andere dienen.
Im Gegenteil. Gerade die Japaner müssten es besser wissen. Denn in Wahrheit ist deren drittes Konjunkturprogramm nur ein weiteres Glied in einer langen Kette staatlicher Stimulierungsversuche - die bis dahin alle erfolglos blieben. Das Ergebnis der früheren Aktionen ist schlicht ernüchternd. Die immer neuen schuldenfinanzierten Konjunkturprogramme halfen Japan nicht aus seiner tiefen wirtschaftlichen Depression.
Die Lehre aus der japanischen Erfahrung ist deshalb: In stetiger Wiederholung und Neuauflage verlieren Konjunkturprogramme ihre Kraft. Früher oder später schlägt ihre Wirkung sogar ins Gegenteil um: Verbraucher und Investoren, deren Erwartungen eigentlich verbessert werden sollten, bringen neue Konjunkturprogramme mit neuen schlechten Nachrichten in Verbindung. Konsum- und Investitionspläne werden nach unten korrigiert.
Die Kanzlerin hat daraus die richtigen Schlüsse für Deutschland gezogen: Zunächst sollten die Effekte der bisher auf den Weg gebrachten ersten beiden Konjunkturprogramme abgewartet werden.
Dabei gilt es, realistisch zu bleiben. Allzu viel kann man von staatlichen Konjunkturimpulsen ohnehin nicht erwarten. Dafür ist ihre Größenordnung in jedem Falle zu gering. Das gilt selbst für das historische Billionenprogramm Barack Obamas in den USA. Staatliche Ausgaben können Stimmungen verändern, Impulse setzen. Das ist nicht wenig. Für eine in der Rezession steckende Wirtschaft kann ein Impuls genügen, um einen konjunkturellen Absturz zu bremsen und - bestenfalls - sogar eine Trendwende herbeizuführen.
Die aktuelle Krise ist kein Normalfall
Aber um erfolgreich zu sein, müssen Konjunkturprogramme schnell und stark wirken. Sonst verpuffen sie. Es ist in der Ökonomie wie in der Medizin: Bei kleinen Krankheiten genügen schwache, oft bewährte Hausmittel, und vieles kann den Selbstheilungskräften des menschlichen Körpers überlassen bleiben. Bei einem Systemabsturz, wie einem Herzinfarkt, bedarf es jedoch eines schnell und stark wirkenden chirurgischen Eingriffs - und nicht langsamer, in weiter Ferne spürbarer Medikamente.
So auch in der Konjunkturpolitik. Meist genügen die herkömmlichen geldpolitischen Instrumente. "Zinsen runter in schlechten und hoch in guten Zeiten" ist ein antizyklisches Hausmittel. Oft kann es sinnvoll sein, flankierende fiskalpolitische Medizin wirken zu lassen, also in guten Zeiten private Kaufkraft abzuschöpfen und die Staatskassen zu füllen, um in schlechten Zeiten durch staatliche Ausgaben die Binnennachfrage stimulieren zu können.
Doch dies gilt nur für "normale" Konjunkturzyklen. Die Krise von heute ist aber kein Normalfall. Wir haben es mit einem Kreislaufkollaps zu tun, der stärkerer und schneller wirkender konjunkturpolitischer Eingriffe bedarf.
Die Sanierung von Schulen, Kindergärten und Universitäten ist wunderbar. Straßen, Städtebau, Krankenhäuser, Schienen und Internet-Infrastruktur - all dies ist unverzichtbar. Doch diese strukturellen Maßnahmen wirken nicht schnell genug. Der größte Teil der Ausgaben in diesem Bereich wird erst 2010 die volle Wirkung entfalten, oder noch später. Notwendig wären die Impulse jedoch so rasch wie möglich. Die Exporte brechen heute ein, deshalb gilt es, die Binnennachfrage jetzt zu stützen.
Vor- und Nachteile der Abwrackprämie
Die Abwrackprämie zeigt, wie es gemacht werden sollte. Ein Quasi-Bar-Scheck über 2500 Euro versetzt die Deutschen in einen Kaufrausch - allen schlechten Wirtschaftsnachrichten zum Trotz. Die Abwrackprämie ist ein positives, erfolgreiches Paradebeispiel, wie Konjunkturtheorie in die Praxis umgesetzt wird. Sie wirkt rasch und kräftig. Sie überträgt derart starke und schnelle Impulse, dass bei deutschen Autofirmen statt Kurzarbeit und Umsatzeinbrüchen nun Überstunden und Wartezeiten zur Regel geworden sind.
Leider hat die Abwrackprämie viele fundamentale Schwächen, so dass das Urteil über ihre gesamtwirtschaftlichen Folgen vernichtend ist:
* Mitnahmeeffekte: Verbraucher, die sich ohnehin ein Auto kaufen wollten, streichen die staatliche Prämie ebenfalls ein.
* Vorzieheffekte: Die Autokäufe von heute werden morgen fehlen.
* Sektorale Effekte: Die Konsumenten geben für ein Auto Geld aus, das für andere Zwecke dann nicht mehr zur Verfügung steht. Der Absturz der Gebrauchtwagenmärkte belegt dies.
* Ökologische Zweifel: Es ist umstritten, ob der CO2-Ausstoß durch all die Neuwagen tatsächlich reduziert wird.
Am schwersten wiegt jedoch die einseitige Privilegierung eines einzigen Bereichs der Wirtschaft. Anders gefragt: Wieso gibt es die Abwrackprämie nur für Autos und nicht für Motorräder? Warum nicht für Einbauküchen, PCs oder Software? Wieso nicht für alle Konsumgüter?
Die Lösung liegt darin, die fundamentalen Schwächen der Abwrackprämie zu korrigieren und ihre ebenso fundamentalen Stärken zur Geltung zu bringen. Um die schädlichen Nebenwirkungen der Abwrackprämie zu verhindern, müssen die Impulse staatlicher Prämien allen zu Gute kommen und nicht nur der Autoindustrie. Anstatt von oben zu bestimmen, welche Branche in den Genuss der staatlich geförderten Konsumimpulse kommen darf, sollte von unten, von den Verbrauchern, eigenständig festgelegt werden, wofür das Mehr an Kaufkraft ausgegeben werden soll.
Die Regierung braucht einen Plan B
Damit ist man dann nicht mehr weit entfernt von der Idee der allgemein einsetzbaren Konsumschecks. Eine Abwrackprämie für alles - nur ohne abzuwracken: So lautet die konjunkturpolitische Erfolgsformel. Sie ermöglicht ein der Situation angemessenes, schnell und stark wirkendes Konjunkturprogramm, um den Binnenkonsum rasch und spürbar zu stützen.
Bei allem Verständnis für einen Verzicht auf ein drittes Konjunkturprogramm der herkömmlichen Art wäre es sinnvoll, einen Plan B vorzubereiten. Dieser sollte auf mehr Kaufkraft für alle zielen. Die Bundesregierung sollte sich deshalb zeitlich befristete Konsumschecks offen halten, kombiniert mit Steuer- und Abgabensenkungen. So bliebe die Politik handlungsfähig und könnte sach- und zeitgerecht agieren.
Der Internationale Währungsfonds wird seinen Konjunkturausblick in Kürze noch einmal dramatisch korrigieren. Für Deutschland rechnet er mit einem Minus des Bruttoinlandsprodukts von fünf Prozent und einem raschen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Plan B wird wohl schneller in die Praxis umgesetzt werden müssen als erhofft.
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Schüren Konjunkturprogramme die Inflation? Ja, die Gefahr besteht, sagt Finanzminister Steinbrück. Nein, widerspricht der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Er warnt sogar vor einer ausgeprägten Deflation - also dauerhaftem Preisverfall.
Düsseldorf - Der Wirtschaftsexperte Peter Bofinger sieht keine Anzeichen für eine weltweite Inflation. "Für Deutschland besteht auf absehbare Zeit kein Inflationsrisiko, sondern in erster Linie ein ausgeprägtes Deflationsrisiko", sagte Bofinger dem "Handelsblatt".
Damit widerspricht Bofinger, der Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage ist, der Einschätzung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Dieser hatte gewarnt, dass die Konjunkturprogramme der Staaten in eine weltweite Inflation münden könnten. "Es wird so viel Geld in den Markt gepumpt, dass die Gefahr einer Überlastung der Kapitalmärkte und einer weltweiten Inflation im Wiederaufschwung drohen könnte", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Bofinger hingegen kommt zu einem ganz anderen Schluss. Seine Prognose: Durch die schlechte Absatzlage der Unternehmen und die steigende Arbeitslosigkeit werde es "auf breiter Front zu Lohnzugeständnissen der Arbeitnehmer kommen". Diese Bescheidenheit der Beschäftigten werde sich - wie das Beispiel Japans in den vergangenen 13 Jahren gezeigt habe - "dämpfend" auf die Preisentwicklung auswirkten. Am Samstag war bekannt geworden, dass rund die Hälfte der Metall- und Elektrobetriebe in Deutschland die im Tarifvertrag vorgesehene Lohnerhöhung verschieben möchten.
Darüber hinaus zeigte sich Bofinger überzeugt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) keine Inflationsprozesse in der Euro-Zone zulassen werde. "Die von ihr derzeit den Banken zusätzlich zur Verfügung gestellte Liquidität kann sie innerhalb eines Monats wieder vollständig aus dem Kreislauf zurückziehen", erläuterte der Ökonom.
Bofinger gilt als keynesianischer Ökonom. Er steht also in der Tradition des britischen Wissenschaftlers John Maynard Keynes, der sich in den dreißiger Jahren für einen Eingriff des Staates in die Wirtschaft ausgesprochen hatte. Da die Konjunktur nun erneut in einer schweren Rezession steckt, plädiert auch Bofinger für staatliche Programme - auch wenn sie über Schulden finanziert werden müssen.
"Das Beispiel Japans zeigt, dass eine sehr hohe Staatsverschuldung nicht zwingend zu Inflation führen muss", argumentiert Bofinger. "Der japanische Staat hat relativ zum Bruttoinlandsprodukt eine mehr als doppelt so hohe Staatsverschuldung als Deutschland" - gleichwohl leide das Land "seit Jahren an der Deflation".
Anders ist die Lage dagegen in den USA. Hier will auch Bofinger eine inflationäre Entwicklung mittelfristig nicht ausschließen. "Da die amerikanische Wirtschaft eine Netto-Gläubiger-Position einnimmt, läge eine solche Entwicklung im gesamtwirtschaftlichen Interesse des Landes", gab der Volkswirt zu bedenken. Doch auch in den USA werde aus seiner Sicht die Inflation nicht über Werte von fünf Prozent hinausgehen.
Eine Gefahr für Europa sieht Bofinger in keinem Fall. Steigende Preise in den USA würden hierzulande "keine Inflation bedeuten, da es zu einer Abwertung des Dollar gegenüber dem Euro käme, die im Euro-Raum deflationär wirken würde".
Quelle : www.spiegel.de
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In der kommenden Woche ist es soweit: Die ersten Bundesländer wollen mit Bauprojekten aus dem zweiten Konjunkturpaket der Bundesregierung starten. Insgesamt stehen zehn Milliarden Euro zur Verfügung - bei der Verteilung des Geldes hatte es lange Verzögerungen gegeben.
Berlin - Es geht um energetische Gebäudesanierung, den Ausbau der Infrastruktur und Investitionen in Bildung: Insgesamt rund zehn Milliarden Euro hat die Bundesregierung im Konjunkturpaket II für dieses Jahr zur Verfügung gestellt. Doch die Umsetzung der Projekte hatte sich immer wieder verzögert.
Nun ist die größte Hürde genommen. Laut "Welt am Sonntag" beginnen die ersten Bundesländer in der kommenden Woche mit ihren Bauprojekten. Das habe eine Umfrage in den 16 Bundesländern ergeben, berichtet die Zeitung.
Dabei gehen die Länder offenbar unterschiedlich vor. Manche haben ihren Kommunen bereits mitgeteilt, wie viel Geld sie konkret bekommen werden, schreibt die Zeitung.
Dazu zählten Thüringen, das Saarland, Baden-Württemberg und Brandenburg. In Freiburg zum Beispiel sollten 1000 Holzfenster eines denkmalgeschützten Kollegiengebäudes erneuert werden.
Andere Länder wie Hessen, Niedersachsen und Bayern prüften derzeit die eingegangenen Förderanträge. In einigen wenigen Ländern wie Schleswig-Holstein, dem Saarland und Mecklenburg-Vorpommern gebe es bereits unterschriebene oder unterschriftsreife Förderanträge.
65 Prozent der Gelder aus dem Konjunkturpaket II sollen für die Bildungsinfrastruktur ausgegeben werden, der Rest für allgemeine Infrastrukturmaßnahmen. Einige Bundesländer stocken das Geld aus dem Konjunkturpaket noch mit eigenen Mitteln auf. In Hessen kommen zu den 900 Millionen Euro vom Bund beispielsweise noch 1,7 Milliarden Landesmittel hinzu. Auch Niedersachsen und das Saarland haben die Fördersumme erhöht.
Mit dem Konjunkturprogramm will die Bundesregierung die schwere Rezession bekämpfen, in der Deutschland seit Monaten steckt. Mittlerweile wird sogar über ein weiteres, drittes Konjunkturpaket debattiert. Offiziell hält sich die Regierung bedeckt, doch Ökonomen drängen bereits zu weiteren Maßnahmen, so zum Beispiel der gewerkschaftsnahe Volkswirt Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung.
Müntefering hält Debatte für "Unsinn"
Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger zeigte sich offen: Konjunkturprogramme schürten zumindest keine Inflation, erklärte er. Auch der Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, plädiert für eine offene Diskussion: Auf SPIEGEL ONLINE forderte er eine Umwandlung der Abwrackprämie in allgemeine Konsumgutscheine für Güter jeder Art.
Allerdings ist das Thema äußerst umstritten. So warnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) am Sonntag vor weiteren Konjunkturpaketen. Solche Programme seien "ein süßes Gift", erklärte BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf in Berlin. Staatliche Eingriffe lösten keine strukturellen Probleme und verzerrten den Wettbewerb. "Wir müssen auch die Zeit nach der Krise im Blick haben", erklärte Schnappauf. "Jede Milliarde, die jetzt fließt, lässt den Schuldenberg anwachsen und belastet Kinder und Enkelkinder."
Ähnlich äußerte sich auch der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering: "Es ist Unsinn, über immer neue Konjunkturpakete zu reden", sagte er der "Bild am Sonntag". "Die gerade beschlossenen müssen doch erst mal wirken, und es wird ja auch immer wieder nachgesteuert." Als Beispiel nannte Müntefering das Programm zur ökologischen Modernisierung von Gebäuden: "Das ist ein Rechtsanspruch. Wenn das viele Haushalte nutzen, kostet das den Bund eben mehr als die bisher geschätzten zwei Milliarden. Die Programme sind flexibel."
Generelle Kritik kam vom Bund der Steuerzahler. Thomas Lilienthal, Vorsitzender des Verbandes in Brandenburg, sagte der Nachrichtenagentur dpa, viele Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II flössen in die falschen Projekte. "Mit den Maßnahmen werden Bereiche unterstützt, die derzeit kaum von Konjunkturschwächen betroffen sind." Die Bauwirtschaft sei in Brandenburg zum Beispiel nicht notleidend. "Am meisten trifft die Wirtschaftskrise bisher die Exportwirtschaft", sagte Lilienthal. Doch die werde durch das Paket nicht angekurbelt.
Quelle : www.spiegel.de
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Eine Idee macht Schule: Um der notleidenden Autoindustrie zu helfen, will jetzt auch der britische Schatzkanzler Darling eine Abwrackprämie einführen - nach deutschem Vorbild. 2000 Pfund soll es für jeden geben, der ein mindestens neun Jahre altes Auto verschrotten lässt.
London - Schatzkanzler Alistair Darling hat sich Zeit gelassen mit seinen Überlegungen und die britischen Medien monatelang spekulieren lassen. Wird es auch auf der Insel eine Abwrackprämie geben? Starthilfe für die britische Autoindustrie, die wie die Branche weltweit mit enormen Einbrüchen beim Absatz zu kämpfen hat? Auch in England drohen Entlassungen.
Doch jetzt hat sich Darling offenbar zu einer Entscheidung durchgerungen. Wie die britische "Times" am Sonntag meldet, will der Schatzkanzler bei der Vorlage seines neuen Budgets am 22. April den Entwurf für ein "scrappage scheme", also eine Abwrackprämie, nach deutschem Vorbild vorstellen.
Minister und ihre Beamte, schreibt das Blatt, seien sehr beeindruckt gewesen, welche Wirkung solche Programme in anderen europäischen Ländern entfaltet hätten. Während Großbritannien im vergangenen Monat bei den Neuzulassungen einen Einbruch von mehr als 30 Prozent zu verzeichnen hatte, seien in Deutschland 40 Prozent mehr Autos verlauft worden als im Vorjahresmonat. Dort habe man es geschafft, den Trend zu drehen.
Die Details der britischen Abwrackprämie werden der "Times" zufolge noch zwischen den zuständigen Ministerien für Wirtschaft und Finanzen ausgehandelt, aber ganz offenbar orientiert man sich an den Zahlen aus Berlin: 2000 Pfund soll es beim Kauf eines Neuwagens geben, etwa 2220 Euro, und zwar wie in Deutschland für jedes Auto, das älter als neun Jahre ist.
Anders als die Bundesregierung haben sich Alistair Darling und Wirtschaftsminister Mandelson aber noch bemüht, die Industrie an der Finanzierung des Programms zu beteiligen - oder wenigstens eine verbindliche Zusage zu erhalten, dass bestehende Rabatte nicht gestrichen werden. Doch die britische Autoindustrie habe sich außerstande gezeigt, meldet die "Times", eine Ankurbelung der Nachfrage mit eigenen Mitteln zu unterstützen. Weniger als die angekündigten 2000 Pfund vom Staat würden nicht genügen, um den gewünschten Effekt zu erzielen, habe der Verband britischer Automobilhersteller (Society of Motor Manufacturers and Traders, SMMT) verlauten lassen.
Der SMMT habe seit Monaten für ein entsprechendes Prämiensystem gewoben, heißt es in der "Times", und sich über das Zögern der Regierung beschwert. Außer Deutschland hätten auch Österreich, Frankreich, Italien, Portugal, Rumänien und Spanien längst Hilfen für die einheimische Autoindustrie beschlossen - mit messbarem Erfolg. Auch China und Brasilien sei es gelungen, die Zulassungszahlen wieder zu steigern. "Eine Abwrackprämie ist genau der Anstoß, den wir brauchen", zitiert die "Times" SMMT-Chef Paul Everitt. "Die Programme, die in Europa bereits angelaufen sind, beweisen doch, dass die Nachfrage reagiert. Das Königreich ist der einzige wichtige Markt in Europa, der bisher kein vergleichbares Programm aufgelegt hat." Der SMMT schätzt die Kosten für das erste Jahr eines Prämiensystems auf rund 160 Millionen Pfund.
Erst vergangene Woche hatten sich auch die USA die Erfolgsidee aus Europa für den eigenen Markt zu Eigen gemacht: In einer dramatischen Rede an die Autobranche lobte US-Präsident Barack Obama die Abwrackprogramme als vorbildlich und "erfolgreich" und versprach, solche auch in den USA einzuführen - und zwar nicht irgendwann, sondern "rückwirkend ab heute". Er wird allerdings einen deutlich höheren Betrag dafür in sein Budget einstellen müssen als die Engländer: Auf Amerikas Straßen fahren schätzungsweise 250 Millionen Autos und leichte Trucks. Davon sind rund 30 Prozent mindestens 15 Jahre alt, allein das wären 75 Millionen Abwrackkandidaten.
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Der Opel-Mutterkonzern General Motors könnte zum 1. Juni zahlungsunfähig werden. Laut "New York Times" hat die US-Regierung das Unternehmen nun angewiesen, einen Insolvenzantrag vorzubereiten. Das Ziel: ein "chirurgischer Bankrott".
Washington - Die US-Regierung will beim angeschlagenen Autobauer General Motors (GM) nichts mehr ausschließen. Laut "New York Times" hat Washington den Opel-Mutterkonzern angewiesen, einen Insolvenzantrag vorzubereiten. Das Gerüst dafür müsse stehen, damit ein solcher Antrag bei Bedarf zum 1. Juni gestellt werden könnte. Die Zeitung beruft sich auf Insider, die mit den Konzernplänen vertraut sind.
Die Vorbereitungen sollten sicherstellen, dass der Insolvenzantrag unmittelbar gestellt werden könne, falls GM sich mit seinen Anleihebesitzern nicht über den Tausch von Schulden in Firmenanteile einigen könne - oder falls es mit den Gewerkschaften zu keiner Lösung über noch offene Fragen komme.
Ziel eines Insolvenzantrags sei dann ein "chirurgischer Bankrott", berichtet die Zeitung. Dabei solle GM in einen "guten" und einen "schlechten" Teil aufgespalten werden. Letzterer würde unverkäufliche Marken und Fabriken enthalten und könne über mehrere Jahre hinweg abgewickelt werden.
GM und das US-Finanzministerium wollten sich nicht zu dem Bericht äußern. Die Regierung hatte die Restrukturierungspläne von GM jüngst als unzureichend zurückgewiesen und GM bis Ende Mai Zeit für ein neues Sanierungskonzept gegeben. Das Unternehmen hatte zuvor um weitere Staatshilfen gebeten.
Seit Tagen gibt es Spekulationen, dass sich der einst weltgrößte Autobauer auf seine Insolvenz vorbereitet. In informierten Kreisen war zu hören, es werde immer wahrscheinlicher, dass GM in ein "neues Unternehmen" bestehend aus den erfolgreicheren Sparten und ein "altes Unternehmen" mit den weniger zukunftsträchtigen Geschäftsbereichen aufgespalten werde. Der neue GM-Chef Fritz Henderson bevorzugt zwar einen außergerichtlichen Umbau, schließt eine Insolvenz im Notfall aber nicht aus.
Was eine GM-Insolvenz für die deutsche Tochter Opel mit ihren rund 25.000 Beschäftigten bedeuten könnte, ist noch völlig offen. Opel sucht ohnehin dringend einen Investor, um sich von GM zu lösen.
Ein Sprecher des deutschen Unternehmens hatte jüngst gesagt, eine GM-Insolvenz würde nicht automatisch auch eine Opel-Insolvenz nach sich ziehen, da beide Firmen rechtlich eigenständige Einheiten seien.
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Schluss mit der Bescheidenheit, gespart wird später: Ver.di-Chef Bsirske verlangt ein neues Konjunkturprogramm mit gigantischem Ausmaß - rund hundert Milliarden Euro soll die Regierung in die Wirtschaft pumpen. Andernfalls, warnt der Gewerkschaftsboss, drohen Verhältnisse wie 1932.
Berlin - Die Debatte über ein drittes Konjunkturpaket gärt seit Tagen, doch nun werden erstmals Zahlen genannt. "Ein solches Paket muss deutlich größer sein als das zweite mit seinen 50 Milliarden und sich eher in einer Größenordnung bewegen, die doppelt so groß ist", sagte Ver.di-Chef Frank Bsirske der Nachrichtenagentur AP. Mit anderen Worten: Die Regierung soll rund 100 Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen, um die Rezession zu bekämpfen.
Ein drittes Konjunkturpaket müsse der Krise nachhaltiger begegnen als seine Vorgängermodelle, sagte Bsirske. Der Gewerkschaftsboss begründete seine Forderung mit den immer schlechter werdenden Wirtschaftsprognosen. Als die Bundesregierung das zweite Paket geschnürt habe, sei sie noch von rund zwei Prozent Minus beim Bruttoinlandprodukt ausgegangen. Diese Aussage sei längst überholt. Entsprechend müssten jetzt auch die Gegenmaßnahmen an die tatsächliche Entwicklung angepasst werden.
Die Commerzbank hatte einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland von bis zu sieben Prozent vorausgesagt. Laut Bsirske schließt dies auch das Wirtschaftsministerium als Worst-Case-Szenario nicht aus.
"Damit würden wir uns annähernd auf dem Niveau der Jahre 1931/32 bewegen, in beiden Jahren sank das Bruttoinlandsprodukt um rund 7,5 Prozent", sagte der Gewerkschafter. "Da wird deutlich, wie dramatisch die Lage ist und wie unterdimensioniert, daran gemessen, die beiden bisherigen Konjunkturpakete ausgestaltet sind."
Bsirske kündigte noch für den April ein eigenes Ver.di-Konzept an. "Wir brauchen deutlich mehr öffentliche Investitionen in Bildung, Umwelt, öffentliche Infrastruktur und entscheidende Maßnahmen zur Stärkung der Massenkaufkraft." Zur Finanzierung eines neuen Konjunkturprogramms sei eine höhere Neuverschuldung notwendig, sagte der Ver.di-Vorsitzende.
Gleichzeitig müsste der Staat seine Einnahmen stärken. Finanzieren sollten dies die Profiteure der vergangenen Jahre, forderte Bsirske. Im internationalen Vergleich sei Deutschland, was Vermögens- und Erbschaftsteuer betreffe, eine Steueroase, bei der Besteuerung der Unternehmensgewinne ein Niedrigsteuerland. Es sei Zeit, zur Bewältigung der Krise die starken Schultern der Gesellschaft stärker zu belasten.
80-Prozent-Steuer auf Managerboni
Damit geht Bsirske auf direkte Konfrontation zu den Unionsparteien, insbesondere zur CSU. Deren Parteichef Seehofer hat gerade erst gefordert, die Steuern in Deutschland auf breiter Front zu senken. Aber auch mit den Sozialdemokraten ist Ärger programmiert: Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) lehnt weitere Staatsausgaben im Kampf gegen die Rezession bisher ab.
Um die Binnenkaufkraft zu stärken hält Bsirske auch gesetzliche Mindestlöhne für sinnvoll. Daher werde die Gewerkschaft ihre Kampagne "Stimmen für den Mindestlohn" vorantreiben und den Druck auf Parteien wie FDP oder CDU/CSU erhöhen, "die sich als Hungerlohnlobbyisten betätigen". Eine Wahlempfehlung spreche er aber nicht aus, sagte Bsirske.
An der Höhe der Forderung von 7,50 Euro pro Stunde will Bsirske derzeit nicht rütteln, obwohl westeuropäische Nachbarstaaten schon deutlich darüber lägen. Wenn die Verankerung eines Mindestlohns jedoch gelungen sei, sei dies "ein Einstieg, von dem aus schnell auf ein Niveau von neun Euro gegangen werden sollte".
In der Debatte über Managerboni forderte Bsirske eine höhere Besteuerung der Zulagen. Ab einer Größenordnung von zwei Millionen Euro sollten etwa 80 Prozent ans Finanzamt fließen. So könne man der Kultur der Maßlosigkeit wirksam begegnen. Zudem müsse Schluss damit sein, dass die Unternehmen Bonuszahlungen von der Steuer absetzen könnten.
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Investitionen, Steuersenkungen, Abwrackprämie: Der letzte Wirtschaftsgipfel hatte weitreichende Folgen. Laut "Süddeutscher Zeitung" plant die Bundesregierung nun ein neues Spitzentreffen mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften. Ein drittes Konjunkturpaket soll es aber nicht geben.
Berlin - Die Bundesregierung will nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ") für den 22. April einen neuen Wirtschaftsgipfel einberufen. Am Mittwoch kommender Woche soll im Kanzleramt über eine bessere Koordinierung des Vorgehens gegen die Konjunkturkrise beraten werden. Ein drittes Konjunkturpaket wurde jedoch vorerst ausgeschlossen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wollten das Treffen nutzen, um zusammen mit Vertretern der Schlüsselbranchen der deutschen Industrie die weitere wirtschaftliche Entwicklung auszuloten, schreibt die "SZ".
Die Ergebnisse sollen in die neue Wachstumsprognose der Regierung einfließen, die sie Ende April vorstellen will. Die Wirtschaftsleistung 2009 könnte trotz der Staatshilfen um gut viereinhalb Prozent sinken und die Zahl der Arbeitslosen auf mehr als vier Millionen in die Höhe schnellen.
Zuletzt hatte es kurz vor Weihnachten 2008 einen Wirtschaftsgipfel im Kanzleramt gegeben. Die Regierung hatte in der Folge beschlossen, über zwei Jahre weitere 50 Milliarden Euro zur Stützung der Konjunktur auszugeben, darunter Investitionen in Schulen, Straßen und Schienen, aber auch Steuersenkungen und die Abwrackprämie. Ein solcher Mechanismus wurde für das kommende Treffen ausgeschlossen. "Ein drittes Konjunkturpaket wird es nicht geben", hieß es dem Bericht zufolge in Regierungskreisen. Das sei einhellige Meinung in der Regierung.
Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske, hatte am Wochenende gefordert, zusätzliche 100 Milliarden Euro zur Belebung der Konjunktur einzusetzen. "Ein solches Paket muss deutlich größer sein als das zweite mit seinen 50 Milliarden und sich eher in einer Größenordnung bewegen, die doppelt so groß ist", sagte Bsirske der Nachrichtenagentur AP.
Ein drittes Konjunkturpaket müsse der Krise nachhaltiger begegnen als seine Vorgängermodelle, forderte der Gewerkschaftsboss. Er begründete seine Forderung mit den immer schlechter werdenden Wirtschaftsprognosen. Als die Bundesregierung das zweite Paket geschnürt habe, sei sie noch von rund zwei Prozent Minus beim Bruttoinlandsprodukt ausgegangen. Diese Aussage sei längst überholt. Entsprechend müssten jetzt auch die Gegenmaßnahmen an die tatsächliche Entwicklung angepasst werden.
Die Commerzbank hatte einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland von bis zu sieben Prozent vorausgesagt. Laut Bsirske schließt dies auch das Wirtschaftsministerium als Worst-Case-Szenario nicht aus.
"Damit würden wir uns annähernd auf dem Niveau der Jahre 1931/32 bewegen, in beiden Jahren sank das Bruttoinlandsprodukt um rund 7,5 Prozent", sagte der Gewerkschafter. "Da wird deutlich, wie dramatisch die Lage ist und wie unterdimensioniert, daran gemessen, die beiden bisherigen Konjunkturpakete ausgestaltet sind."
Bsirske kündigte noch für den April ein eigenes Ver.di-Konzept an. "Wir brauchen deutlich mehr öffentliche Investitionen in Bildung, Umwelt, öffentliche Infrastruktur und entscheidende Maßnahmen zur Stärkung der Massenkaufkraft." Zur Finanzierung eines neuen Konjunkturprogramms sei eine höhere Neuverschuldung notwendig, sagte der Ver.di-Vorsitzende.
Gleichzeitig müsste der Staat seine Einnahmen stärken. Finanzieren sollten dies die Profiteure der vergangenen Jahre, forderte Bsirske. Im internationalen Vergleich sei Deutschland, was Vermögens- und Erbschaftsteuer betreffe, eine Steueroase, bei der Besteuerung der Unternehmensgewinne ein Niedrigsteuerland. Es sei Zeit, zur Bewältigung der Krise die starken Schultern der Gesellschaft stärker zu belasten.
In der Regierung hieß es, zunächst müsse abgewartet werden, wie die vereinbarten Hilfen wirkten. Schließlich hätten die investierenden Kommunen gerade erst damit begonnen, die Bundesmittel abzurufen. Es sei vielmehr ein Ziel des Wirtschaftsgipfels, auch die Gewerkschaften zu überzeugen, nicht vorschnell weitere Hilfen zu fordern. Allerdings sei es möglich, die bereits bestehenden Konjunkturpakete auszudehnen. Als Beispiel diene hier die bereits beschlossene Verlängerung der Abwrackprämie.
Diskutiert werde ein Nachsteuern bei der Neuregelung der Unternehmenssteuern. Um den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu mindern, werde zudem darüber nachgedacht, die Dauer der Kurzarbeit noch einmal zu verlängern - von 18 auf 24 Monate. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, SPD, treffe hierzu Anfang kommender Woche die Personalchefs der großen börsennotierten Konzerne.
Die USA haben die Finanzminister der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer am 24. April nach Washington zu einem Gipfel eingeladen. Zunächst soll es ein Treffen der G7-Vertreter geben, zu denen auch Deutschland zählt. Anschließend soll die Runde um Russland und die zwölf wichtigsten Schwellenländer zur G20 erweitert werden, wie das US-Finanzministerium mitteilte. Der amerikanische Ressortchef Timothy Geithner werde Gastgeber beider Treffen sein, die den halbjährigen Sitzungen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank vorausgehen.
Quelle : www.spiegel.de
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Der Abschwung beschleunigt sich: Die Umsätze im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland sind auch im Februar mit Rekordtempo eingebrochen. Es war der stärkste Einbruch seit Beginn der Berechnungen im Jahr 1991.
Wiesbaden - Im Vergleich zum Februar des Vorjahrs seien die Umsätze saison- und arbeitstäglich bereinigt um 23,3 Prozent abgesackt, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mit. Dies ist der stärkste Einbruch seit Beginn der Berechnungen im Jahr 1991.
Damit hat sich das Tempo des Einbruchs noch beschleunigt: Im Januar waren die Umsätze um - revidierte - 19,9 Prozent weggebrochen.
Im Februar gab vor allem der Auslandsumsatz nach: Er brach um 27,5 Prozent ein. Im Inland erlösten die Unternehmen 19,5 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Am stärksten spürten wie schon im Januar die Autohersteller und ihre Zulieferer die Wirtschaftskrise: Ihr realer Umsatz sank im Februar im Vergleich zum Vorjahr um 39,6 Prozent. Bei Metallerzeugern und -bearbeitern gab es ein Minus von 29,9 Prozent, der Maschinenbau verlor 22,3 Prozent. Chemiehersteller setzten 25,8 Prozent weniger um als im Februar 2008.
Im Vergleich zum Vormonat sank der reale Umsatz saison- und arbeitstäglich bereinigt um 4,3 Prozent nach einem Rückgang von 6,6 Prozent im Januar 2009. Hier gab es im Geschäft mit inländischen Abnehmern Einbußen von 4,6 Prozent, die Auslandsumsätze gaben um 3,8 Prozent nach.
Die Bundesregierung lud angesichts der Wirtschaftskrise Top-Manager und hochrangige Vertreter von Verbänden und Wissenschaft erneut zu einem Spitzentreffen ins Kanzleramt ein. Bei der Gesprächsrunde am 22. April gehe es um eine Beurteilung der aktuellen Lage sowie die Einschätzung, welche Wirkung die bisher beschlossenen Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur entfaltet haben, bestätigte das Bundespresseamt in Berlin. Die Vorbereitung eines weiteren Konjunkturpakets sei hingegen nicht Thema des Treffens, sagte ein Sprecher auf Anfrage.
Quelle : www.spiegel.de
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Die deutsche Kaufhauskette Woolworth steht vor dem Aus: Nach Angaben des Frankfurter Amtsgericht hat sie bereits am Samstag Insolvenz beantragt. Das Unternehmen beschäftigt 11.000 Mitarbeiter.
Frankfurt am Main - Woolworth Deutschland hat Insolvenz angemeldet. Das teilte das Amtsgericht Frankfurt am Dienstag mit. Das Unternehmen war für eine Stellungnahme bislang nicht erreichbar.
Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Rechtsanwalt Ottmar Hermann ernannt. Hermann hatte in der vergangenen Woche bereits das Mandat für den insolventen Autozulieferer Karmann übernommen.
Woolworth Deutschland gehört seit 2007 dem britischen Finanzinvestor Argyll Partners und betreibt in Deutschland 323 Filialen mit etwa 11.000 Mitarbeitern. Zum Sortiment gehören etwa 50.000 Artikel aus den Bereichen Bekleidung, Wäsche, Schreib- und Spielwaren, Haushaltswaren, Heimtextilien und Drogerieartikel.
Für das Geschäftsjahr 2007/08 (bis Ende Oktober) war ein Umsatz von rund 900 Millionen Euro angepeilt worden. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Noch im November hatte sich das Unternehmen auf Wachstumskurs gesehen. Anfang April hatte der zum Vorstandschef berufene ehemalige Lidl-Manager Stefan Rohrer nach nur vier Wochen sein Amt aufgegeben.
Die Rezession hat die Probleme vieler Einzelhandelsketten in Deutschland verschärft. Sie erschwert die Aufnahme von Krediten. Vor allem Warenhäuser sind für Experten ein Auslaufmodell. Deren hohe Unterhaltskosten verringern die ohnehin knappen Renditen, die Kunden gehen lieber zu Discountern oder Fachhändlern.
Im November hatte bereits das britische Woolworths Insolvenz beantragt. Das britische Traditionsunternehmen agierte jedoch unabhängig von Woolworth Deutschland.
Quelle : www.spiegel.de
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Fast täglich übertreffen sich Ökonomen mit Hiobsbotschaften - jetzt setzt eine der wichtigsten Institutionen einen Kontrapunkt: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung will keine Prognose für 2010 abgeben. Die Branche befinde sich in einem "Erklärungsnotstand".
Berlin - Die wirtschaftliche Lage ist gegenwärtig von extremen Unsicherheiten geprägt. Deshalb sei eine quantitative Konjunkturprognose für das kommende Jahr "nicht sinnvoll", sagte Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). In der für Mittwoch angekündigten Frühjahrsanalyse werde das DIW demnach keine bezifferte Vorhersage für 2010 machen.
"Seit der Verschärfung der Finanzkrise laufen alle Vorhersagen der tatsächlichen Entwicklung drastisch hinterher", sagte Zimmermann. Sämtliche Institute - inklusive des DIW Berlin - hätten die Entwicklung in ihrer Dramatik nicht vorausgesehen. Die Makroökonomik befinde sich "in einem Erklärungsnotstand". Zimmermann hatte bereits im Herbst für den zeitweiligen Verzicht auf Wachstumsprognosen plädiert.
Aktuelle Umsatzdaten versprechen derzeit keine Besserung der Lage: Die Industrieumsätze brachen im Februar im Vergleich zum Vorjahresmonat saison- und arbeitstäglich bereinigt um 23,3 Prozent ein, teilte das Statistische Bundesamt mit. Dies ist der stärkste Rückgang seit Beginn der Berechnungen im Jahr 1991.
Gegenüber dem Januar verringerte sich der um Saison- und Kalendereffekte bereinigte Industrie-Umsatz um 4,3 Prozent. Dabei sank das Inlandsgeschäft um 4,6 Prozent, der Auslandsumsatz ging um 3,8 Prozent zurück.
IG Metall weist Verschiebung von Lohnerhöhungen zurück
Wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatte Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser in der "Bild"-Zeitung angekündigt, dass bis zu 50 Prozent der insgesamt 3,6 Millionen Beschäftigten die Erhöhung erst später bekämen. Die Arbeitgeber beriefen sich dabei auf eine Tarifvertragsklausel, die es Betrieben in Schwierigkeiten erlaubt, die vereinbarte Erhöhung von 2,1 Prozent um sieben Monate zu verschieben. Von dieser Klausel wollten "schätzungsweise bis zur Hälfte der Firmen und Beschäftigten Gebrauch machen."
Nach Ansicht der IG Metall ist eine Verschiebung der Lohnerhöhung in den meisten Fällen jedoch nicht nötig. "Wir wissen, dass ein großer Teil der Arbeitgeber die Verschiebung will, aber ob sie im Einzelfall sinnvoll ist, das ist eine ganz andere Frage", sagte der Frankfurter Bezirkschef Armin Schild dem Sender MDR Info.
In seinem Bezirk, der Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland umfasse, spielten etwa 25 bis 50 Prozent der Arbeitgeber mit dem Gedanken, eine Verschiebung der Tariferhöhung zu beantragen. Er gehe aber davon aus, "dass es am Ende in weit weniger Fällen dazu kommt". Der Tarifvertrag sehe eine Verschiebung im Einzelfall vor. Diese Möglichkeit für den Einzelfall dürfe jetzt nicht zu einer flächendeckenden Regel werden.
Ölpreis sinkt zeitweise unter 50 Dollar
Die weltweit nachlassende Wirtschaftstätigkeit hat allerdings auch einen positiven Nebeneffekt: Der Preis für ein Barrel Rohöl der US-Referenzsorte West Texas Intermediate sank am Dienstag zeitweise unter 50 Dollar. Im späten Vormittagshandel setzte dann aber wieder eine Erholung ein. Der Preis stieg auf rund 50,50 Dollar und damit auf 46 Cent mehr als am Vortag.
Unterdessen verharrte der Preis für Rohöl der Nordseesorte Brent nach wie vor deutlich über der Marke von 50 Dollar. An der Rohstoffbörse in London kostete ein Fass 53,98 Dollar und damit 97 Cent mehr als am Vortag. Laut der jüngsten Prognose erwartet die Internationale Energieagentur (IEA) im laufenden Jahr einen Ölverbrauch von 83,4 Millionen Barrel pro Tag. Das sind 2,4 Millionen Barrel pro Tag weniger als im Vorjahr. Rohstoffexperte Eugen Weinberg von der Commerzbank nannte dies "eine sehr negative Überraschung".
Mit der IEA-Schätzung werde es für die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) sehr schwer, den Ölmarkt zu stabilisieren und die Preise in Richtung von 70 Dollar zu bewegen, sagte Weinberg. Die Experten der Commerzbank erwarten aber dennoch, dass die bisherigen Kürzungen der Opec-Fördermenge an Rohöl und eine Stabilisierung der Weltwirtschaft zum Jahresende ausreichen, die Ölpreise im Verlauf des Jahres wieder in die Nähe der Marke von 70 Dollar steigen zu lassen.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Verbraucherpeise sinken, die Industrieproduktion bricht ein: Die US-Wirtschaft muss neue Negativmeldungen verkraften, Konzerngiganten wie Intel und Wal-Mart verunsichern die Börse mit schwachen Prognosen. Experten sehen die amerikanische Ökonomie in einer tiefen Rezession.
Washington - US-Präsident Barack Obama und Notenbankchef Ben Bernanke hatten sich alle Mühe gegeben, Optimismus zu verbreiten. Am Dienstag sprachen beide von "Hoffnungsschimmern" und "zaghaften Anzeichen" für eine Erholung der Konjunktur. Doch bereits einen Tag später wird die US-Wirtschaft von neuen Hiobsbotschaften erschüttert.
So sind die Verbraucherpreise in den USA erstmals seit 54 Jahren gesunken. Im Vergleich zum Vorjahresmonat fielen sie im März um 0,4 Prozent, gegenüber Februar um 0,1 Prozent, teilte das US-Arbeitsministerium mit.
Vor allem Energie und Lebensmittel verbilligten sich. Der Kernindex ohne die beiden schwankungsanfälligen Branchen erhöhte sich im Vergleich zum März 2008 jedoch um 1,8 Prozent. Auch diese sogenannte Kernrate wird Experten zufolge in den kommenden Monaten sinken. "Die Daten stehen für eine Volkswirtschaft, die sich in einer tiefen Rezession befindet", sagte Analyst Peter Kenny von Equity Markets. Angesichts von Überkapazitäten in der Wirtschaft und steigender Arbeitslosigkeit dürften sich viele Waren und Dienstleistungen verbilligen, sagte ING-Analyst James Knightley.
Schlechte Nachrichten kamen auch von der amerikanischen Industrie: Diese hat ihre Produktion im März stärker gedrosselt als erwartet. Im gesamten Verarbeitenden Gewerbe sank der Ausstoß um 1,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat, teilte die US-Notenbank mit. Es ist der sechste Rückgang in Folge.
Analysten hatten im Schnitt mit einem Minus von lediglich 1,0 Prozent gerechnet. Verglichen mit dem Vorjahresmonat lag der Rückgang bei fast 13 Prozent. Die US-Industrie produziert inzwischen so wenig wie zuletzt vor mehr als zehn Jahren. Die Kapazitätsauslastung lag im März nur noch bei 69,3 Prozent und damit so niedrig wie noch nie seit Beginn der Datenerhebung 1967.
US-Börsen starten verhalten
Die wichtigsten US-Aktienindizes starteten am Mittwoch mit einem leichten Minus in den Handel. Der Dow Jones wie auch der breiter gefasste S&P-500 verloren 0,5 Prozent, der Index der Technologiebörse Nasdaq gab ein Prozent nach. Später am Nachmittag erholte sich der Leitindex und legte zeitweise um 0,5 Prozent zu.
Hauptgrund waren neben der schwächelnden Industrieproduktion enttäuscht aufgenommene Nachrichten von Wal Mart, Intel und Abbott Laboratories, sagten Händler. Die insgesamt eher positiv aufgenommenen Konjunkturdaten spielten dagegen zunächst kaum eine Rolle.
So hat sich der New Yorker Empire-State-Index im April überraschend deutlich vom Rekordtief im Vormonat erholt. Der Index misst die Geschäftstätigkeit des produzierenden Gewerbes im Staat New York. Ein Stand unter Null deutet einen Rückgang der Aktivität an.
Der Index stieg von minus 38,2 Punkten auf minus 14,7 Punkte, teilte die regionale Vertretung der US-Notenbank am Mittwoch in New York mit. Im Vormonat war der Wert auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebungen 2001 gesunken. Volkswirte hatten für April nur mit einem leichten Anstieg auf minus 35,0 Punkte gerechnet.
Quelle : www.spiegel.de
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Die europäische Industrieproduktion ist im Februar stärker eingebrochen als erwartet: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sank sie um mehr als 18 Prozent - und damit so stark wie seit 1990 nicht mehr.
Luxemburg - Der Rückgang kam nicht überraschend, doch heftiger als gedacht: Die Industrieproduktion in der Euro-Zone ist im Februar erwartungsgemäß kräftig gesunken. Wie Eurostat am Donnerstag mitteilte, fiel die industrielle Erzeugung (ohne Baugewerbe) gegenüber dem Vormonat um saisonbereinigt 2,3 Prozent und gegenüber dem Vorjahr um 18,4 Prozent. Das ist der stärkste Rückgang auf Jahressicht seit Beginn der Aufzeichnungen im Januar 1990.
Das Produktionsminus auf Monatssicht entsprach den Erwartungen der Ökonomen, im Jahresvergleich hatten sie jedoch einen leichteren Rückgang von 17,5 Prozent prognostiziert. Im Januar war die Industrieproduktion gegenüber dem Vormonat um 2,4 Prozent und gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent zurückgegangen. In der EU-27 fiel die Fertigung den Angaben zufolge im Februar um 1,9 Prozent gegenüber dem Vormonat und um 17,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Sinkende Produktion bei 16 Staaten aus der Euro-Zone
Gegenüber Januar verringerte sich die Produktion im Energiesektor in der Euro-Zone um 1 Prozent und in der EU-27 um 1,3 Prozent. Die Produktion von Verbrauchsgütern nahm um 1,4 Prozent bzw. 1,1 Prozent ab. Bei Vorleistungsgütern war ein Produktionsrückgang in der Eurozone um 2,4 Prozent und in der EU-27 um 2 Prozent zu verzeichnen. Die Produktion von Investitionsgütern sank um 3 Prozent bzw. 2,3 Prozent. Die Produktion von Gebrauchsgütern verringerte sich um 4,3 Prozent in der Euro-Zone und um 2,9 Prozent in der EU-27.
Von den Mitgliedstaaten, für die Daten vorliegen, verzeichneten im März 16 eine sinkende Industrieproduktion auf Monatssicht; nur in Portugal (plus 2,4 Prozent), Griechenland (plus 1,7 Prozent) und Polen (plus 0,4 Prozent) war ein Anstieg zu beobachten. Die höchsten Rückgänge gab es in Litauen (minus 4,1 Prozent), Estland (minus 3,6 Prozent), Italien (minus 3,5 Prozent) und Deutschland (minus 3,2 Prozent). Im Jahresvergleich fiel die Industrieproduktion allerdings in allen Mitgliedstaaten, für die Daten vorliegen.
Auf Jahressicht fiel die Produktion im Energiesektor im Februar um 3,6 Prozent in der Euro-Zone und um 3,5 Prozent in der EU-27. Bei Verbrauchsgütern war ein Rückgang um 6,3 Prozent bzw. 5,4 Prozent zu verzeichnen. Die Produktion von Gebrauchsgütern nahm um 22,1 Prozent in der Euro-Zone und um 21,0 Prozent in der EU-27 ab. Die Produktion von Vorleistungsgütern sank um 24,2 Prozent bzw. 23,7 Prozent. Die Produktion von Investitionsgütern verringerte sich um 24,7 Prozent in der Euro-Zone und um 23,7 Prozent in der EU-27.
Quelle : www.spiegel.de
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General Motors ist offenbar bereit, seine Mehrheitsanteile an Opel abzugeben - und zwar umsonst. Bedingung für den Deal ist einem Zeitungsbericht zufolge, dass der Käufer mehrere hundert Millionen Euro in die deutsche Tochter investiert.
London - Der angeschlagene US-Autobauer General Motors verlangt für seine deutsche Tochter Opel einem Zeitungsbericht zufolge kein Geld, sondern lediglich Investitionszusagen. General Motors könnte die Mehrheit an Opel und der britischen Tochter Vauxhall umsonst abgeben, wenn ein Investor mindestens 500 Millionen Euro an Eigenkapital in den neuen europäischen Firmenbund stecke, berichtet die "Financial Times" am Montag unter Berufung auf zwei mit der Situation vertraute Personen. GM ist laut dem Blatt auch bereit, seine schwedische Marke Saab kostenlos abzugeben.
General Motors hat früheren Angaben zufolge mehr als ein halbes Dutzend potenzieller Käufer für Opel. Allerdings hat Fiat Medienberichte dementiert, wonach das Unternehmen Interesse an Opel hat.
GM hat dem deutschen Hersteller inzwischen die Rückgabe von Patenten und die Begleichung ausstehender Forderungen zugesagt.
Laut "Financial Times" will GM Opel und Saab zu einer eigenen Gruppe zusammenfassen, die ihren Sitz in Deutschland haben soll. Um deren Überleben zu sichern, sollen mehrere europäische Staaten mit Deutschland an der Spitze eine Garantie in Höhe von 3,3 Milliarden Euro abgeben. In dem Bericht heißt es weiter, damit solle vor allem verhindert werden, dass eine mögliche Insolvenz des ehemals größten Automobilherstellers auf Opel zurückfällt, der nach eigenen Angaben liquide genug ist, um seine Aktivitäten normal fortzusetzen.
GM-Chef Fritz Henderson hatte am Freitag von mehr als sechs an einem Einstieg bei Opel interessierten Investoren gesprochen. Namen nannte er aber nicht. Unter den "ernsthaften Interessenten" seien Finanzinvestoren und Branchenvertreter. Sie bekämen nun vertraulichen Einblick in die Bücher.
Außer Saab und Opel stehen bei GM weitere Marken zur Disposition. In den USA will sich der Konzern von Hummer und Saturn trennen. Die Wirtschaftsagentur Bloomberg berichtete vergangene Woche, dass auch Pontiac und die Kleintransportermarke GMC auf der Verkaufsliste stehen. Lediglich Chevrolet, Cadillac und Buick würden damit noch zum Unternehmen gehören.
GM steht nach eigenen Angaben kurz vor der Insolvenz. Die US-Regierung, die den Konzern mit Krediten über 13,4 Milliarden Dollar am Leben gehalten hat, hat dem Konzern eine Frist bis zum 1. Juni gestellt, um ein schlüssiges Sanierungskonzept vorzulegen.
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Neue Hoffnung für den angeschlagenen Autobauer Opel: Die Gespräche mit den möglichen Investoren sind weiter gediehen als bislang bekannt. Wie SPIEGEL ONLINE aus informierten Kreisen erfuhr, soll es höchstens noch sechs Wochen dauern, bis der künftige Großaktionär feststeht.
Berlin - Opel könnte praktisch verschenkt werden, Fiat wird als möglicher Interessent gehandelt, an der Börse gibt es heftige Kursausschläge: Die Nachrichten über neue Entwicklungen bei Opel folgen in immer kürzeren Abständen. Ein sicheres Indiz dafür, dass ein Durchbruch kurz bevorsteht? Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen soll der Verkauf in spätestens sechs Wochen abgeschlossen sein.
Zwar will die Konzernführung das nicht kommentieren. Doch Opel-Betriebsratschef und Aufsichtsratsvize Klaus Franz bestätigt Fortschritte bei den Verhandlungen. "Die Gespräche mit unterschiedlichen Investoren gehen gut voran. Ich bin überzeugt, dass wir einen guten Investor finden werden", sagte Franz am Montag in Frankfurt der Nachrichtenagentur dpa.
Derzeit sind es vor allem Finanzinvestoren, die Interesse zeigen. Von den sechs Interessenten für einen Einstieg bei der GM-Tochter kämen lediglich zwei aus der Branche, sagten mehrere mit der Situation vertraute Personen der Agentur Reuters am Montag. Unter den Finanzinvestoren seien auch bekannte Beteiligungsgesellschaften, die weltweit wegen der Kreditkrise seit Monaten kein großes Geschäft mehr abgeschlossen hätten. Ein anderer Insider sagte, die zwei strategischen Investoren stammten beide aus dem Ausland.
Am Morgen noch hatten Gerüchte über einen möglichen Einstieg von Fiat für erhebliche Kursausschläge an der Börse gesorgt. Fiat-Aktien stiegen gegen den Markttrend zeitweise um 2,67 Prozent. Experten halten einen Zusammenschluss von Fiat und Opel für die erfolgversprechendste aller Möglichkeiten. Beide Unternehmen haben in der Vergangenheit bereits intensiv zusammengearbeitet und nutzen immer noch die gleichen Plattformen für einige Modelle. In der gemeinsamen Arbeit haben die Entwickler-Teams einander bereits kennengelernt, so dass der Aufwand für eine Verständigung vergleichweise gering ausfallen dürfte.
Im Opel-Konzern glaubt man hingegen nicht an eine gemeinsame Zukunft. Die Nachrichten über ein mögliches Interesse von Fiat seien in Italien lanciert worden, erfuhr SPIEGEL ONLINE aus dem Konzern. Die "Indiskretion" diene aber wohl eher dazu, die Verhandlungsposition gegenüber Chrysler zu stärken - die Italiener verhandeln mit dem US-Unternehmen über eine Übernahme.
Gleichwohl ist Opel als Investitionsobjekt derzeit attraktiv wie nie. Denn GM, so heißt es in informierten Kreisen, fordert von dem neuen Investor keine Zahlung - sondern nur eine Kapitalspritze an Opel in Höhe von mindestens 500 Millionen Euro.
Der Rest der 3,3 Milliarden Euro, die Opel brauche, sollten Banken mit Hilfe einer Bundesbürgschaft sowie Opel-Händler und Arbeitnehmer beisteuern, sagte eine mit der Situation vertraute Person. "Ohne flankierende Maßnahmen des Bundes wird es keine Lösung für Opel geben", sagte ein Banker.
Dessen ungeachtet hält man in Finanzkreisen eine baldige Lösung durchaus für möglich. "Finanzinvestoren zu überzeugen, ist momentan sehr herausfordernd, aber machbar", sagte ein Analyst. Die meisten dürften auf eine Mehrheit pochen, um das Sagen zu haben. Sie hätten aber den Vorteil, bei einem derartigen Modell nicht selbst Kredite heranschaffen zu müssen.
Bei der Suche nach Investoren werde Opel auch von der Task Force der Bundesregierung Unterstützung erhalten, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Die private Investorensuche habe "Vorrang vor Staatshilfen, in welcher Form auch immer". Für das rund 50 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket der Bundesregierung hat sich Opel Kreisen zufolge aber noch nicht angemeldet. Das Unternehmen könnte daraus bis zu 300 Millionen Euro in Anspruch nehmen.
Auch die Opel-Händler treiben ihre Pläne für einen Einstieg bei dem Autobauer voran. Sie wollen auf europäischer Ebene drei Jahre lang für jeden verkauften Neuwagen 150 Euro in einen Fonds einzahlen, der sich dann für 400 bis 500 Millionen Euro mit bis zu 20 Prozent an Opel beteiligen soll. Derzeit gebe es auch Überlegungen für eine Vorfinanzierung, sollte Opel das Geld sofort benötigen, sagte der Chef des europäischen Opel-Händlerverbands Euroda, Jaap Timmer. Dabei würden sich die Händler um einen Kredit bei Banken bemühen.
Bislang haben sich 15 der insgesamt 25 europäischen Händlerverbände für eine Beteiligung an der Opel-Rettung ausgesprochen, darunter auch der Verband Deutscher Opel-Händler. Unter anderem aus Großbritannien, Irland und Russland steht das Okay noch aus. Am 15. Mai wollen die europäischen Händler in Wien endgültig über ihre Beteiligung an Opel abstimmen.
Spekulationen, wonach GM-Europachef Carl-Peter Forster wegen eines Interessenkonflikts im Zuge der Abspaltung Opels von GM seinen Posten räumen sollte, wies Timmer zurück. Die Händler seien sehr zufrieden mit der Arbeit Forsters und hätten volles Vertrauen zu ihm. Er sei der "einzige Mann, der das neue Opel-Unternehmen führen kann".
Über das Wochenende hatte ein Vertreter der Händlergruppe AVAG den früheren VW-Chef Bernd Pischetsrieder als neuen Opel-Chef ins Spiel gebracht. Forster stehe als Repräsentant der ungeliebten Mutter GM in Europa "zwischen Baum und Borke". Dies sei nur die Meinung eines Händlers, entgegnete Timmer. Aus Pischetsrieders Umfeld verlautete zudem, er stehe für das Amt nicht zur Verfügung.
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Es ist wohl die letzte Chance für Arcandor: Mit einer Notoperation, bei der Edelkaufhäuser wie das KaDeWe abgetrennt werden, will Konzernchef Eick retten, was kaum noch zu retten ist. Zu schwer wiegen die Fehler des Vorgängers, zu hart trifft die Krise das behäbige Traditionsunternehmen.
Hamburg - Ganz zum Schluss seiner Präsentation macht Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick wohl auch dem letzten Beobachter deutlich, wie dramatisch es um den Konzern steht. Fast eine Stunde hatte der Unternehmenslenker über die bedrohliche Lage bei Arcandor gesprochen: Die Fehler der Vergangenheit, das neue Geschäftskonzept und die Sanierungsmaßnahmen.
Doch nun wirft Eick den Chart mit einer Liste auf die Leinwand. Sie benennt die Akteure, die helfen müssen, damit der Traditionskonzern nicht in wenigen Monaten untergeht. Es ist eine Liste, die wenig Hoffnung macht, dass Arcandor es durch die schwere Krise schafft.
Die Aktionäre sollen Kapital nachschießen. Die Mitarbeiter sollen weitere Zugeständnisse machen. Die Kreditversicherer sollen den Lieferanten helfen. Die Lieferanten sollen ihre Konditionen überdenken. Die Banken sollen ihre Kreditlinien verlängern. Die Besitzer der Kaufhausimmobilien sollen die Mieten senken. Und die Bundesregierung möge ihre schützende Hand über Arcandor halten.
Ein Unternehmen schreit um Hilfe und es ist fraglich, ob das SOS erhört wird. Der 70.000-Mitarbeiterkonzern, zu dem auch die Reisesparte Thomas Cook und der Versandhandelsbereich Primondo (ehemals Quelle) gehören, wankt bedrohlich. "Arcandor versucht mit Notmaßnahmen sein blankes Überleben zu sichern", sagt ein Handelsexperte.
"Allein mit den Banken wird es nicht gehen"
Im Sommer läuft eine Kreditlinie von 650 Millionen Euro aus, für die nächsten Jahre braucht Arcandor (Jahresumsatz: 20 Milliarden Euro) weitere 900 Millionen Euro. Gleichzeitig schreibt das Unternehmen beständig Verluste und verliert stetig an Liquidität.
Doch wer mag einem Unternehmen helfen, das bereits in Zeiten des Aufschwungs als Krisenfall galt? Arcandor hat sein Schicksal schon länger nicht mehr selbst in der Hand. Selten hat das ein Unternehmen so offen zugegeben: "Allein mit den Banken wird es nicht gehen", sagt der Vorstandschef Eick.
Verzweifelt versucht der Manager das Ruder herumzureißen, indem er den Konzern auf sein Kerngeschäft reduziert und unter anderem die Luxuskaufhäuser und Teile von Primondo in eine Gesellschaft mit dem Namen Atrys ausgliedert. Einen späteren Verkauf von KaDeWe, Alsterhaus und anderen Toplagen schließt Eick nicht aus, in Fachkreisen gilt die Trennung als ausgemachte Sache.
Die übrigen Karstadt-Dependancen, teilweise ausgestattet mit dem architektonischen Biedercharme der achtziger Jahre, sollen nun ausgerechnet die mittlere Käuferschicht ansprechen - eine Zielgruppe, die die Warenhäuser seit mehr als zwei Jahrzehnten beständig an Fachmärkte und Einkaufszentren verliert.
Verkauf von Tafelsilber
"Das Premiumsegment war das ausgelobte Erfolgskonzept von Arcandor", sagt der Münchner Unternehmensberater Joachim Stumpf von der BBE Handelsberatung. "Dass sich der Konzern ausgerechnet davon trennen will, ist ein Zeichen, dass die Zeit für Innovationen bei Arcandor nicht mehr da ist. Stattdessen wird das letzte Tafelsilber verkauft."
Der Konzern scheint nicht mehr gewillt, sich das erforderliche Management für seine Spitzenfilialen zu leisten. Die Synergien mit dem Rest des Warenhausgeschäfts sind gering. Eine Trennung brächte zudem immerhin etwas Geld in die Kasse und einen klaren Schnitt zwischen Massengeschäft und Luxussegment, der weiteren Zielen zuträglich sein könnte.
"Das Warenhauskonzept ist kein Todeskonzept"
In der Branche rechnen ohnehin viele damit, dass Arcandors jüngster Schachzug nur das Vorspiel zu einer viel tiefgreifenderen Umstrukturierung ist, die letztlich einer Zerschlagung gleichkommen könnte. Offiziell sollen die verbleibenden 108 Häuser nun ausgerechnet mitten in der Wirtschaftskrise verlorengegangene Käufer zurückholen - nach Ansicht von Experten ein nahezu aussichtsloses Unterfangen. "Wahrscheinlich kommt das alles zehn Jahre zu spät", sagt Analyst Christian Hamann von der Hamburger Sparkasse.
Die Karstadt-Resterampe stellt immerhin eine vergleichsweise homogene Gruppe dar, die sich später in eine mögliche Fusion mit einem Konkurrenten - wie zum Beispiel Kaufhof - einbringen ließen. Ähnliches gilt für das Versandhandelsgeschäft von Primondo und Partner wie PPR aus Frankreich. Thomas Cook kann man in dem Konglomerat trotz rückläufiger Reisebuchungen wenigstens noch als Lichtblick bezeichnen und könnte bei einem Verkauf Geld einbringen, das die Aktionäre entschädigt.
Immerhin betonte Eick am Montag, bei Karstadt, Primondo und Thomas Cook handele es sich um das Kerngeschäft, das nicht veräußert werden soll. Außer den schlechten Unternehmenszahlen spricht jedoch auch der Branchentrend für tiefgreifendere Umstrukturierungen, wie etwa im Fall Karstadt. "Der Marktanteil der Warenhäuser am Einzelhandel wird sich bis 2015 noch einmal halbieren", erwartet der Saarbrücker Handelsexperte Joachim Zentes. Seit den siebziger Jahren ist er von knapp sieben bereits auf drei Prozent geschmolzen. Zentes sieht nur noch Platz für einen Kaufhauskonzern in Deutschland und erwartet, dass bis zu ein Drittel der Standorte von Karstadt, aber auch von Kaufhof gefährdet sind.
Die Kaufhäuser haben sich in den vergangenen Jahren die Marktanteile von Fachmärkten und Einkaufszentren wegnehmen lassen und es versäumt, dem Trend etwas entgegenzusetzen. Fachmärkte wie Ikea oder H&M treffen den Nerv der Bevölkerung mit ihrem großen Angebot in einem Spezialgebiet inzwischen vielerorts besser als die Bauchläden von Karstadt und Co. "Die Kaufhäuser hätten sich schon vor 20 Jahren dazu entschließen sollen, als Einkaufszentren in den Städten zu fungieren", sagt Zentes.
Vorgängerschelte von Eick
Im Fall Karstadt liegen wesentliche Fehler dabei gar nicht einmal so lange zurück. Trotz der offensichtlichen Identitätskrise des Warenhauskonzepts ging es Eicks Vorgänger Thomas Middelhoff vor allem darum, das Konzernportfolio um Verlustbringer zu erleichtern, was ihm beispielsweise in den Fällen SinnLeffers und Hertie auch gelang.
Doch an Visionen für die verbleibenden Kaufhäuser mangelte es ihm und seinen Untergebenen - daraus macht auch Nachfolger Eick keinen Hehl. "Das operative Geschäft wurde vernachlässigt", attackiert er unumwunden seinen Vorgänger. "Der Fokus wurde zu lange auf das Transaktionsthema gerichtet."
Eick muss nun auch andere Fehler der alten Riege ausbaden - die kurzfristige Finanzierung von Zukäufen und den Verkauf der Kaufhausimmobilien an eine Investorengemeinschaft um Goldman Sachs und Pirelli. "Es ist ein Nachteil, dass damit langfristige Kostenstrukturen geschaffen wurden, die uns heute beschäftigen", formuliert Eick seinen Ärger zurückhaltend.
"Das Warenhauskonzept ist kein Todeskonzept"
Mit anderen Worten: Die vereinbarten hohen Mieten verhindern, dass die Warenhaussparte genügend Kraft für eine Runderneuerung hat. "Das Warenhauskonzept ist kein Todeskonzept", sagt Eick zwar, doch allein wird ihm der Beweis seiner These kaum gelingen.
Nun entscheiden andere über das Schicksal von Arcandor. Euphorie über das neue Konzept ist nirgendwo zu vernehmen. Die Gewerkschaft Ver.di kritisiert den Verkauf der Luxuskaufhäuser. Die Vermieter haben sich zu möglichen Mietsenkungen noch nicht geäußert. Den Banken geht es selbst schlecht. "Die Bereitschaft der Kreditgeber, Firmen wie Arcandor zu unterstützen, ist deutlich gesunken", sagt Analyst Hamann. "Die Chancen, dass Arcandor überlebt, haben sich deutlich verschlechtert."
Einzig ein potentieller Retter ließ die Bereitschaft zum Helfen durchblicken - der Staat. Natürlich stehe der Wirtschaftsfonds auch Arcandor offen, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.
Um für Staatskredite in Frage zu kommen, müsste Arcandor jedoch belegen, dass das Unternehmen lediglich durch die aktuelle Wirtschaftskrise in Schieflage geraten ist. Angesichts der Vorgeschichte des Konzerns dürfte es kein leichtes Unterfangen sein, dies nachzuweisen.
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Massenentlassungen, Arbeitskämpfe, soziale Unruhen: Vor dem Krisengipfel im Kanzleramt an diesem Mittwoch zeichnet DGB-Chef Sommer ein düsteres Bild von der Lage in Deutschland. Auch andere Interessengruppen machen ihre Positionen klar - und fordern mehr Geld vom Staat.
Oldenburg - An diesem Mittwoch lädt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut zu einem Krisengipfel ins Kanzleramt - und schon im Vorfeld erheben die Teilnehmer klare Forderungen. Besonders drastisch formuliert der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Michael Sommer, seine Interessen.
Sollte es angesichts der Krise zu Massenentlassungen kommen, sei das eine "Kampfansage an die Belegschaften und die Gewerkschaften", sagte Sommer der "Nordwest-Zeitung": "Dann kann ich soziale Unruhen auch in Deutschland nicht mehr ausschließen." Vom Konjunkturgipfel im Kanzleramt müsse das Signal ausgehen, dass Bundesregierung und Wirtschaft alles tun, "um Beschäftigung zu sichern". Die Krise dürfe nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.
Angesichts des schweren Konjunktureinbruchs kommt Merkel mit Vertretern von Unternehmen, Banken, Verbänden und Gewerkschaften zu einem Krisengipfel zusammen. Dem Vernehmen nach geht es um eine Einschätzung der Krise und Wege zur Verhinderung von Massenentlassungen. Forderungen der Gewerkschaften nach einem dritten Konjunkturpaket haben Merkel und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) aber bereits abgelehnt.
Wirtschaftsforscher sagen für 2009 einen Konjunktureinbruch von rund fünf Prozent voraus. Die Bundesregierung geht in ihrer jetzigen Prognose noch von minus 2,25 Prozent aus. In Kürze will sie ihre Vorhersage aber der aktuellen Entwicklung anpassen, laut einem Pressebericht dürfte die neue Prognose ebenfalls bei minus fünf Prozent liegen.
Neben dem DGB erneuerten vor dem Gipfel auch die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sowie die IG Metall ihre Forderung nach einem neuen Konjunkturpaket. Dieses müsse einen Umfang von 100 Milliarden Euro haben. Unternehmerverbände lehnten dies ab, pochten aber ebenfalls auf weitere Hilfen. So müsse es eine Erleichterung bei den Arbeitskosten geben. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) zeigte sich offen für eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes von derzeit 18 Monaten auf zwei Jahre, um weitere Entlassungen zu verhindern.
Die Bauindustrie dringt auf neue Förderregeln
Im Dezember vergangenen Jahres, als sich das Ausmaß der Krise allmählich abzeichnete, hatte die Kanzlerin schon einmal zu einem Konjunkturgipfel geladen. Konkrete Beschlüsse gab es damals nicht, wohl aber die Willensbekundung, mit einem gemeinsamen Kraftakt die Krise zu bewältigen.
Für den neuen Gipfel an diesem Mittwoch haben die verschiedenen Interessengruppen ihre Forderungen nun konkretisiert. So verlangt der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie eine Korrektur der Förderrichtlinien beim Konjunkturpaket II. Die Vorschriften für Investitionen seien zu unflexibel und zu starr, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Michael Knipper, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Insbesondere werde in den Kommunen zu viel für energetische Sanierung ausgegeben. Deshalb werde nicht das gesamte Baugewerbe ausgelastet. Knipper sagte, sinnvoll sei ein Anteil der Energieeffizienzverbesserungen an den Gesamtinvestitionen in Höhe von 50 bis 60 Prozent. Derzeit zeichne sich aber derzeit ein Anteil von 90 Prozent ab.
Knipper mahnte, auch der kommunale Straßenbau müsse gefördert werden. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik gebe es bei der Infrastruktur einen Investitionsstau von 70 Milliarden Euro. Bisher seien die Effekte des Konjunkturpakets in der Baubranche noch nicht angekommen. Dazu werde es erst in der zweiten Jahreshälfte kommen.
Nach Angaben der Regierung hingegen zeigen die beiden bisherigen Konjunkturpakete bereits erste Wirkungen. Nun müsse man abwarten, bis die Maßnahmen voll greifen. Ein drittes Konjunkturpaket lehnen sowohl die Unions- als auch die SPD-Minister ab.
Die Kommunen sind bisher zufrieden
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bekräftigte ebenfalls, dass ein drittes Konjunkturpaket derzeit kein Thema sei. "Wir haben klar gesagt, dass wir nicht ein Konjunkturprogramm auf das andere folgen lassen wollen, und es gibt im Moment keinen Anlass, diese Position zu verlassen", sagte er dem "Münchner Merkur".
Auch die Kommunen lobten die bisherigen Maßnahmen zur Wachstumsförderung. "Das zweite Konjunkturprogramm zeigt schon Wirkung in den Städten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, der "Berliner Zeitung". Handwerker und Firmen hätten die ersten Aufträge auf dem Tisch.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt will bei dem Treffen vor allem auf eine angemessene Finanzierung der Unternehmen durch die Banken dringen. Dies habe "oberste Priorität", da sich das Problem verschärfe, sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Zudem sollten die Arbeitgeber befristet für 2009 und 2010 vollständig von den Sozialversicherungsbeiträgen auf Kurzarbeitergeld befreit werden.
Steuerschätzer warnen vor 200-Milliarden-Loch
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser. Dies solle nicht nur gelten, wenn Unternehmen Kurzarbeiter qualifizieren, sagte er der "Financial Times Deutschland". "Wenn Kurzarbeit das wichtigste flankierende Arbeitsmarktinstrument in der Konjunkturkrise ist, dann sollte man dieses in den möglichen zwei Krisenjahren konsequent nutzen." Die Idee zu qualifizieren, sei "eine schöne Formel - aber sie ist in der Breite unpraktikabel".
Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" werden die Steuereinnahmen infolge der Wirtschaftskrise in einem historisch beispiellosen Ausmaß einbrechen. Mit der Steuerschätzung befasste Experten gingen in ersten Berechnungen davon aus, dass Bund, Länder und Gemeinden in diesem und in den kommenden vier Jahren bis zu 200 Milliarden Euro weniger einnehmen werden als bisher erwartet.
Allein im laufenden Jahr fehlen demnach aufgrund der Rezession zwischen 25 und 30 Milliarden Euro. Das Loch werde dann von Jahr zu Jahr größer, weil auch für die Folgejahre die Schätzungen nach unten korrigiert werden müssten.
Quelle : www.spiegel.de
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Deutschlands Wirtschaft bricht massiv ein, jetzt wächst die Sorge vor sozialen Unruhen. Nach DGB-Chef Sommer warnt auch SPD-Präsidentschaftskandidatin Schwan vor wachsender Wut bei den Betroffenen. Am Vormittag legen die führenden Wirtschaftsinstitute ihr Frühjahrsgutachten vor - mit dramatischem Inhalt.
Berlin - Internationaler Währungsfonds, Bundesregierung und führende Wirtschaftsinstitute sind sich einig: Deutschland steckt in der tiefsten Wirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren. Immer mehr führende Köpfe warnen nun vor sozialen Unruhen. "Ich kann mir vorstellen, dass in zwei bis drei Monaten die Wut der Menschen deutlich wachsen könnte", sagte die SPD-Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, Gesine Schwan, dem "Münchener Merkur". Wenn es bis dahin keine Hoffnung gebe, dass sich die Lage verbessere, könne die Stimmung explosiv werden. Zuvor hatte schon DGB-Chef Michael Sommer vor sozialen Unruhen gewarnt.
Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sprach von der "schlimmsten Depression" seit der Weltwirtschaftskrise. Allerdings sprach er der Bundesregierung ein Lob für ihre Politik aus. Die Bundesrepublik sei der "größte Stabilisierungsfaktor" in der Weltwirtschaftskrise, sagte Sinn der "Frankfurter Rundschau". Mit ihren Sicherungssystemen und den zwei Konjunkturpaketen habe sie eine Nachfrage von hundert Milliarden Euro auf den Weltmärkten ausgelöst. "Der Stoß kam aus den USA. Deutschland wirkt als Stoßdämpfer", sagte Sinn. "Das ist ein Konjunkturprogramm für die Welt, was wir hier machen", sagte er mit Blick auf die starken Importe des Exportweltmeisters.
Am Donnerstagvormittag legen in Berlin die führenden Wirtschaftsinstitute ihr mit Spannung erwartetes Frühjahrsgutachten vor. Was im Vorhinein daraus bekanntgeworden ist, hört sich düster an. Demzufolge rechnen die Experten mit einem Wirtschaftseinbruch von 6,0 Prozent - so stark wie noch nie seit der Weltwirtschaftskrise vor fast 80 Jahren.
m Mittwoch hatten in Berlin Spitzenvertreter von Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften die schwierige Lage beraten. Die Bundesregierung wehrte Forderungen der Gewerkschaften nach einem dritten Konjunkturpaket ab. Die bisherigen Maßnahmen mit einem Volumen von 80 Milliarden Euro müssten erst einmal wirken.
Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz, der an den Beratungen im Kanzleramt teilgenommen hatte, sagte dem "Mannheimer Morgen": "Jetzt müssen wir erst mal die beiden anderen, vor allem das zweite, wirken lassen." Franz, der auch Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist, betonte, dass die in der Krise gesunkenen Energie- und Nahrungsmittelpreise mit einem Volumen von rund 30 Milliarden Euro im Jahr fast wie ein drittes Konjunkturpaket wirken würden.
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Jetzt sind die Zahlen amtlich: Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten in ihrem Frühjahrsgutachten für 2009 einen Wachstumsrückgang von sechs Prozent. Erst im kommenden Jahr bessert sich die Lage leicht. Ein weiteres Konjunkturpaket lehnen die Ökonomen aber ab.
Berlin - Es wurde mit Spannung erwartet, obwohl die Zahlen schon vorab durchgesickert waren: Am Donnerstagvormittag haben die führenden Wirtschaftsinstitute der Bundesregierung ihr Frühjahrsgutachten vorgelegt. Danach steckt Deutschland in der tiefsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. Die Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten für dieses Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um sechs Prozent. Erst 2010 wird sich die Wirtschaft ein wenig erholen, allerdings den Instituten zufolge nochmals leicht um 0,5 Prozent zurückgehen.
Gleichzeitig sprachen sich die führenden Wirtschaftsforscher gegen ein weiteres Konjunkturpaket aus. Vor dem Hintergrund der absehbaren Zunahme des Staatsdefizits sei dies abzulehnen, erklärten sie. Nur wenn alle bisherigen Bemühungen im Euro-Raum scheiterten, sollten zusätzliche Maßnahmen der Finanzpolitik diskutiert werden, die auf europäischer Ebene abzustimmen wären.
Die Ablehnung der Fachleute hat einen Grund: Ihrer Ansicht nach enthalten die bisher beschlossenen zwei Konjunkturpakete mit den Investitionsprojekten, den Senkungen der marginalen Steuersätze und der Reduktion der Sozialabgaben Maßnahmen, die das Wachstum mittelfristig fördern können. Daher sei es vertretbar, diese vorübergehend über Schulden zu finanzieren. Nicht sinnvoll sei dies jedoch bei der Abwrackprämie, da diese nur kurzfristig den Konsum anrege.
Weitere Zinssenkungen gefordert
Allerdings wollen die Konjunkturforscher die Krise mit weiteren geldpolitischen Mitteln bekämpfen: Sie raten der EZB zu weiteren Zinssenkungen. "Angesichts der Tiefe des konjunkturellen Einbruchs und der niedrigen Inflation im Euro-Raum sollte die Europäische Zentralbank den maßgeblichen Leitzins auf 0,5 Prozent senken", schreiben die Forscher in dem Frühjahrsgutachten. Sogar ein Zins von null Prozent wäre aus Sicht der Institute keine ausreichende Reaktion auf die Krise. Derzeit liegt der Leitzins bei 1,25 Prozent, doch haben die Notenbanker eine moderate Senkung in Aussicht gestellt.
Am Mittwoch hatte auch der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose vorgelegt. Er geht von einem Konjunktureinbruch von 5,6 Prozent aus. So stark sei der Rückgang, dass auch 2010 eine Rezession nicht zu vermeiden sei. Im kommenden Jahr werde das Bruttoinlandsprodukt demnach noch immer um rund ein Prozent schrumpfen. Für die Euro-Zone erwartet der IWF im laufenden Jahr ein Minus von 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 2010 einen Rückgang um 0,4 Prozent.
Das überdurchschnittliche Schrumpfen der deutschen Wirtschaft führt der IWF auf die extreme Abhängigkeit von Exporten und auf die Struktur der deutschen Exporte zurück. Das bedeute, dass Deutschland von einem Aufschwung der Weltwirtschaft besonders profitiere, vom Abschwung aber auch besonders hart getroffen werde, sagte Asmussen.
Der IWF erkenne im Übrigen die Impulse für die deutsche Wirtschaft in Form der beiden Konjunkturprogramme an. Er nenne als Referenzbetrag für nötige Impulse jeweils zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Jahren 2009 und 2010. Daran gemessen sehe Deutschland relativ gut aus. Ein neues Konjunkturprogramm sei daher nicht in Planung.
Angst vor sozialen Unruhen
Angesichts der angespannten Wirtschaftslage warnen immer mehr führende Köpfe vor sozialen Unruhen. "Ich kann mir vorstellen, dass in zwei bis drei Monaten die Wut der Menschen deutlich wachsen könnte", sagte die SPD-Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, Gesine Schwan, dem "Münchener Merkur". Wenn es bis dahin keine Hoffnung gebe, dass sich die Lage verbessere, könne die Stimmung explosiv werden. Zuvor hatte schon DGB-Chef Michael Sommer vor sozialen Unruhen gewarnt.
Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sprach von der "schlimmsten Depression" seit der Weltwirtschaftskrise. Allerdings sprach er der Bundesregierung ein Lob für ihre Politik aus. Die Bundesrepublik sei der "größte Stabilisierungsfaktor" in der Weltwirtschaftskrise, sagte Sinn der "Frankfurter Rundschau". Mit ihren Sicherungssystemen und den zwei Konjunkturpaketen habe sie eine Nachfrage von hundert Milliarden Euro auf den Weltmärkten ausgelöst. "Der Stoß kam aus den USA. Deutschland wirkt als Stoßdämpfer", sagte Sinn. "Das ist ein Konjunkturprogramm für die Welt, was wir hier machen", sagte er mit Blick auf die starken Importe des Exportweltmeisters.
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Bei der Suche nach einem Opel-Investor zeichnet sich eine Lösung ab: Nach SPIEGEL-Informationen wird Fiat bei der GM-Tochter einsteigen. Eine entsprechende Absichtserklärung soll kommende Woche unterzeichnet werden. Der Betriebsrat kündigt scharfen Widerstand an.
Hamburg - Die Übernahme des europäischen Geschäfts von General Motors durch Fiat steht kurz bevor: Nach SPIEGEL-Informationen aus Verhandlungskreisen soll Fiat schon am kommenden Dienstag eine Absichtserklärung unterzeichnen. Danach will der italienische Autobauer die Mehrheit an Opel übernehmen.
Die europäische Tochter von General Motors befindet sich zwar auch noch in aussichtsreichen Verhandlungen mit dem Autozulieferer Magna. Im Management und bei den Arbeitnehmervertretern würde ein Einstieg von Magna eher begrüßt - denn der internationale Zulieferkonzern verfügt über hohe Entwicklungskompetenz und könnte Opel unterstützen. Aber offenbar sind das Management von General Motors in Detroit und das Bundeswirtschaftsministerium an einer schnelleren Lösung mit Fiat interessiert.
Opel-Betriebsratschef Klaus Franz kündigt im SPIEGEL scharfen Widerstand dagegen an. Er fürchtet einen "dramatischen Abbau von Arbeitsplätzen bei Opel und Werksschließungen in Deutschland". Die Produktpalette von Fiat und Opel würden sich komplett überschneiden. Zudem ist Fiat hochverschuldet. Franz verweist auch auf schlechte Erfahrungen mit Fiat: "Wir kennen die Braut."
Mit Fiat kooperierten die Rüsselsheimer bereits fünf Jahre lang und gingen 2005 im Streit auseinander. General Motors musste den Italienern sogar noch 1,5 Milliarden Dollar zahlen. Betriebsratschef Franz fürchtet, dass der hochverschuldete Fiat-Konzern auf diesem Weg nur an mögliche Bürgschaften der Bundesregierung für Opel herankommen wolle.
Fiat-Chef Sergio Marchionne sucht seit einiger Zeit dringend nach einem Partner. Die Autosparte des Konzerns mit den Marken Fiat, Alfa Romeo und Lancia ist nach seiner Einschätzung mit 2,2 Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr viel zu klein zum Überleben. Opel und Vauxhall verkaufen in Europa 1,5 Millionen Autos.
Opel will sich nach bisherigen Plänen mit Hilfe von Investoren als eigenständige europäische Aktiengesellschaft weitgehend vom US-Mutterkonzern abkoppeln. An der neuen Gesellschaft soll GM nur noch eine Minderheitsbeteiligung halten. Die Amerikaner müssen der US-Regierung bis Ende Mai einen Sanierungsplan vorlegen, um weitere staatliche Hilfen zu erhalten. Daneben ist aber auch eine Insolvenz des ehemals größten Autobauers der Welt möglich.
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"Abwarten bremst den Abschwung nicht", empört sich Ver.di-Chef Bsirske. Auch die SPD-Linke fordert neue Milliardenhilfen gegen die Krise - Schützenhilfe kommt von Gesine Schwan. Doch die Regierung blockt ein drittes Konjunkturpaket ab.
Berlin - Die Forderung war klar und leicht zu merken: 100 Milliarden Euro müsste die Bundesregierung im Rahmen eines dritten Konjunkturpakets in die Hand nehmen, damit Deutschland die Krise halbwegs glimpflich übersteht. Ansonsten seien auch soziale Unruhen nicht mehr auszuschließen, betonte DGB-Chef Michael Sommer am Mittwoch schon vor dem Konjunkturgipfel im Kanzleramt.
Sommers Gewerkschaftskollegen von Ver.di und der IG Metall, Frank Bsirske und Berthold Huber, schlossen sich dem Plädoyer für weitere staatliche Maßnahmen an. Oben im sechsten Stock der Berliner Machtzentrale jedoch stieß das Trio in der Spitzenrunde am Tisch des kleinen Kabinettsaals mit seinen Wünschen auf taube Ohren. Politiker, Unternehmer und Wissenschaftler - niemand wollte mitziehen.
Doch nachdem die Wirtschaftsforscher am Donnerstag ihr dramatisches Frühjahrsgutachten auch offiziell vorgestellt haben, sehen nicht nur Arbeitnehmervertreter diese Zurückhaltung mit Sorge. "Wenn klar ist, dass es weiter abwärts geht, sollte ein drittes Konjunkturprogramm ernsthaft erwogen werden", sagte die Bundespräsidentschaftskandidatin der SPD, Gesine Schwan, der "Frankfurter Rundschau". Schrumpfe die Wirtschaft tatsächlich um sechs Prozent, wie von den Konjunkturexperten prognostiziert, müsse gegengesteuert werden.
Besonders der linke Flügel ihrer Partei hört diese Worte gern. "Wir brauchen dringend ein drittes Konjunkturpaket", sagte SPD-Vorstandsmitglied Ottmar Schreiner SPIEGEL ONLINE. Was bisher beschlossen wurde, reiche nicht aus. "Die bisherigen Maßnahmen basieren auf Konjunkturprognosen, die offenkundig obsolet sind", betonte Schreiner. "Wir müssen dringend handeln. Ich kann die Zurückhaltung der Bundesregierung nicht nachvollziehen."
Schreiner plädierte dafür, die bisher bereitgestellten knapp zehn Milliarden Euro für öffentliche Investitionen massiv auszuweiten. Zusätzliches Geld müsse vor allem in die Erneuerung von Bildungseinrichtungen gesteckt werden. "Hier besteht unbestritten Modernisierungsbedarf - und zwar bei Infrastruktur und Personal", so der SPD-Politiker. "Auch das Arbeitslosengeld I muss länger ausgezahlt werden."
Es sei zwar richtig, mit Kurzarbeitergeld Menschen so lange wie möglich in Arbeit zu halten. Doch müssten auch diejenigen während der Krise stärker gestützt werden, die gar keine Anstellung hätten. "Dazu gehört auch, dass wir endlich den Regelsatz von Hartz IV erhöhen - das stärkt sofort die Nachfrage." Auf die Frage, in welcher Größenordnung sich die zusätzlichen Investitionen bewegen müssten, antwortete Schreiner: "Die 100 Milliarden Euro, an die die Gewerkschaften denken, sind ziemlich einfach zu erreichen."
Ähnlich äußerte sich der Sprecher der SPD-Linken, Björn Böhning. "Was wir jetzt brauchen, ist ein Konjunkturpaket für den Dienstleistungssektor", sagte der SPD-Politiker. "Wir müssen jetzt massiv in den Pflege- und Gesundheitssektor investieren", forderte Böhning im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Wir können uns nicht mehr allein auf den Exportsektor verlassen."
Gewerkschafter legen nach
Ver.di-Chef Bsirske bekräftigte am Donnerstag seine Forderungen. "Die Regierung muss handeln - schnell, massiv und zielgerichtet", sagte Bsirske SPIEGEL ONLINE. "Wir brauchen das Konjunkturpaket III, bevor die Deflation droht, denn unsere Vorschläge können zwei Millionen Arbeitsplätze sichern oder schaffen. Abwarten bremst den Aufschwung nicht."
Bsirske forderte vor allem Investitionen in die Bildung, für Kindertagesstätten, Ganztagsschulen und Hochschulen - "nicht nur in Beton, sondern auch in Köpfe". Der Ver.di-Chef sprach sich auch für ein arbeitsmarktpolitisches Sofortprogramm in Höhe von 25 Milliarden Euro aus. Unter anderem soll eine Verlängerung der Altersteilzeit zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen, auch die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I will Ver.di generell auf ein Jahr, für über 50-jährige auf zwei Jahre ausdehnen.
Auch der DGB legte am Donnerstag nach: "Wir sagen ganz eindeutig: Die bisherigen Anstrengungen reichen nicht aus. Sie beruhen auf Zahlen, die bei weitem überholt sind", sagte Vorstandsmitglied Claus Matecki SPIEGEL ONLINE.
Matecki forderte die Bundesregierung auf, zusätzliche Milliarden in Bildung, Forschung und Gesundheit zu stecken: "Konjunkturbelebende Maßnahmen müssen jetzt möglichst schnell in Gang gesetzt werden." So müssten geringfügig Beschäftigte gestärkt und die Regelsätze des Arbeitslosengelds II erhöht werden. "Auch Konjunkturschecks von 250 Euro könnten hilfreich sein, um den Nachfrageausfall kurzfristig auszugleichen." Allerdings sollten diese nur ab dem Alter von 16 Jahren und bis zu einem Jahreseinkommen von 35.000 Euro ausgegeben werden.
Die Bundesregierung dagegen lehnt weitere milliardenschwere Konjunkturhilfen ab - das gilt auch für die Kabinettsmitglieder der Sozialdemokraten. "Kontraproduktiv" nannte Finanzminister Peer Steinbrück die Rufe nach einem neuen Hilfspaket. Zunächst müsste die Wirkung der beiden ersten Programme im Volumen von 80 Milliarden Euro abgewartet werden. Ähnlich äußerte sich zuletzt Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier.
Sie liegen damit auf einer Linie mit Angela Merkel. Die Kanzlerin hatte beim Spitzentreffen klar gemacht, dass sie nicht über ein drittes Konjunkturprogramm verhandeln will. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) schließt ein neues Milliardenpaket derzeit ebenfalls aus.
Seehofer attackiert Sommer und Schwan
CSU-Chef Horst Seehofer hatte schon vor einigen Tagen vehement einen Zeitungsbericht dementiert, der ihm Gedankenspiele über ein drittes Konjunkturpaket unterstellt hatte. Am Donnerstag mahnte der bayerische Ministerpräsident Besonnenheit und eine gemeinsame Kraftanstrengung von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Politik an. Die Koalition habe aber bereits gezeigt, dass sie schnell und richtig auf die Krise reagiere, sagte Seehofer der "Passauer Neuen Presse".
Zugleich attackierte er Sommer und Schwan für ihre Warnungen vor sozialen Konflikten. Damit betreibe man "das Geschäft von Rattenfängern am rechten und linken politischen Rand", sagte Seehofer und kritisierte: "Heute soziale Unruhen in Deutschland heraufzubeschwören, vergiftet das Klima und verringert die Chance auf positive Wirkung der Konjunkturprogramme."
Darum geht es auch, wenn die Bundesregierung Debatten über ein weiteres Hilfspaket unbedingt vermeiden will. Zu lautes Gerede über ein angeblich notwendiges drittes Maßnahmenbündel, könnte den Impuls der ersten beiden abschwächen, so die Argumentation.
Dabei schließt auch in der Regierung niemand weitere Maßnahmen des Staates wirklich kategorisch aus. Das kann wohl auch niemand - schon gar nicht, wenn selbst Finanzminister Steinbrück auf Fragen nach einem Ende der Krise nur ratlos mit den Schultern zuckt.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Rezession trifft auch den weltgrößten Software-Konzern: Zum ersten Mal in der 34-jährigen Firmengeschichte von Microsoft fiel der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal. Mit 13,6 Milliarden Dollar betrug er sechs Prozent weniger. Noch heftiger brach der Gewinn ein.
Redmond - Der weltgrößte Software-Konzern Microsoft hat durch die Krise am PC-Markt einen herben Gewinneinbruch erlitten. Der Überschuss brach im abgelaufenen Quartal um fast ein Drittel auf knapp 3,0 Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) ein. Der Umsatz fiel um sechs Prozent auf 13,6 Milliarden Dollar, wie der US-Konzern am Donnerstag nach US-Börsenschluss am Sitz in Redmond mitteilte. Microsoft-Aktien legten trotz der schlechten Zahlen, die unter den Erwartungen der Analysten lagen, nachbörslich um rund drei Prozent zu.
Es war das erste Mal, dass in Microsofts 34-jähriger Geschichte der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal fiel. Microsoft verfehlte die Erwartungen der Analysten, die ihre Prognosen schon zuvor gesenkt hatten. Der Hersteller des Betriebssystems Windows rechnet überdies nicht mit einer schnellen Besserung am Markt. "Wir erwarten, dass die Schwäche mindestens bis ins nächste Quartal anhält", sagte Finanzchef Chris Liddell.
Für Gewinne sorgten vor allem das Windows-Betriebssystem sowie die Büroanwendung Office. Der PC-Verkauf war dagegen das zweite Quartal in Folge rückläufig. Den Konzern belasteten in seinem Ende März abgeschlossenen dritten Geschäftsquartal auch hohe Abschreibungen auf Investments sowie Kosten für den laufenden Stellenabbau. Microsoft streicht derzeit wegen der Wirtschaftskrise erstmals in seiner Geschichte weltweit rund 5000 Stellen - etwa fünf Prozent aller Jobs im Konzern.
Quelle : www.spiegel.de
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"Dumm und schädlich": Die Rezession ist tief, doch Politiker und Verbände halten die Warnung vor Unruhen für übertrieben. Arbeitgeberpräsident Hundt und Wirtschaftsminister Guttenberg warnen vor Panikmache, auch SPD-Fraktionschef Struck mahnt die Aufruhrpropheten zur Mäßigung.
Berlin - Drohen in Deutschland angesichts der tiefen Rezession soziale Unruhen - oder ist das bloße Stimmungsmache? Politiker und Arbeitgeber warnen nun eindringlich davor, Panik in der Bevölkerung zu verbreiten. Gerade in der gegenwärtigen Krise seien solche Negativaussagen "äußerst schädlich", sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt der Zeitung "Die Welt". Gesellschaftliche Verantwortungsträger sollten sich nicht "an wilden Spekulationen und wahltaktischen Manövern" beteiligen. Hundt verwies darauf, dass die Unternehmen derzeit alles dafür täten, das Beschäftigungsniveau in ihren Betrieben zu halten.
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) rief zu Zurückhaltung auf. "Ich halte es für verantwortungslos, nachgerade für dumm, in einer solchen Situation eher noch einen Beitrag zur Verunsicherung zu leisten", sagte der Minister im ZDF. Er sehe mit Freude, "dass es in diesem Land ein hohes Maß an Besonnenheit gibt, und ich würde mir dieses Maß an Besonnenheit auch wünschen bei jenen, die jetzt von sozialen Unruhen zu murmeln beginnen", sagte er an die Adresse von DGB-Chef Michael Sommer und der SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Gesine Schwan.
Sommer hatte wiederholt vor sozialen Unruhen in Deutschland gewarnt. Die derzeitige Wirtschaftslage sei vergleichbar mit der Großen Depression Anfang der dreißiger Jahre, hatte er gesagt. Schwan hatte ähnliche Warnungen ausgesprochen.
Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat die Diskussion über soziale Konflikte in Deutschland kritisiert. "Ich glaube, die sozialen Unruhen sollen wir nicht herbeireden", sagte der Vizekanzler SPIEGEL TV ONLINE. Steinmeier betonte, die Politik solle sich vielmehr der Krise entgegenstemmen. Im Vergleich weltweit habe sich die Politik in Deutschland durchaus handlungsfähig gezeigt. Die Lage sei allerdings ernst. "Ich bin mir durchaus im Klaren darüber, dass wir auf schwere Monate zugehen werden und dass wir die Menschen darüber auch nicht im Unklaren lassen dürfen. Das wird nicht einfach", sagte der SPD-Kanzlerkandidat.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht aufgrund der sozialen Sicherungssysteme keine Gefahr von Unruhen ausgelöst von der Wirtschaftskrise. "Es wird auch jetzt niemand in materielle Existenzbedrohung kommen", sagte Schäuble im Sender N24. Die Politik habe die Krise zwar nicht verhindern können, "aber wenn die Politik das tut, was sie kann, dann muss es nicht zu Unruhen kommen".
Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck kritisierte Schwan. "Es ist nicht gut, wenn wir davon reden, dass hier Unruhen ausbrechen könnten wie in Frankreich oder anderswo", sagte er der "Rheinischen Post". "Das untergräbt die Bemühungen der Bundesregierung, die ja gerade alles tut, um die tiefe Krise für die Menschen abzumildern."
"Tiefes Gefühl der Ungerechtigkeit"
Schwan rief nach Kritik an ihren Aussagen zu möglichen sozialen Konflikten ebenfalls zur Besonnenheit auf. Es gelte aber auch, die Augen nicht vor dem Ernst der Lage zu verschließen. "Wir alle haben in der gegenwärtigen Krise die Verantwortung, weder zu dramatisieren oder Ängste zu schüren, noch die Realität auszublenden", sagte Schwan nach Angaben ihres Sprechers.
Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn zeigte Verständnis für die Warnungen von Schwan und Sommer vor sozialen Spannungen. "Es gibt ein tiefes Gefühl großer Ungerechtigkeit im Land. Daran ist diese Regierung nicht unschuldig", sagte Kuhn der "Passauer Neuen Presse". Die Große Koalition solle sich stärker um Arbeitslose und Geringverdiener kümmern, damit soziale Verwerfungen nicht verschärft würden, forderte Kuhn.
Der Parteichef der Linken, Oscar Lafontaine, unterstellte der Großen Koalition indirekt eine Stärkung der Rechtsextremisten, da sie nicht genug gegen die steigende Arbeitslosigkeit tue. Die Regierung schaue "ziemlich tatenlos" zu, sagte Lafontaine der "Leipziger Volkszeitung". "Und wir stehen alle in der Verantwortung, ein Aufkommen neuer Nazis in Deutschland zu verhindern", sagte Lafontaine. Er forderte für den Fall einer weiteren Verschlechterung der Lage den politischen Generalstreik als Protestmaßnahme.
"Unsere Demokratie ist gefestigt"
Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband erwartet keine sozialen Unruhen im Zuge der Wirtschaftskrise, warnt aber vor einer politischen Radikalisierung größerer Teile der Bevölkerung. "Unruhen an sich sehe ich nicht", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider laut der "Thüringer Allgemeinen". "Wenn es der Bundesregierung aber nicht gelingt, mit ihren Konjunkturprogrammen zugleich ein deutlicheres Zeichen für soziale Gerechtigkeit zu setzen, dann wird Politikverdrossenheit einsetzen, werden sich Menschen von diesem demokratischen System abwenden und sich von radikalen Kräften einfangen lassen", wurde er weiter zitiert.
Es könne aber zu einer politischen Krise kommen. "Diese Gefahr ist weitaus größer und gefährlicher, als Unruhen auf den Straßen", warnte Schneider. Um mehr Gerechtigkeit zu erzielen, sollte jenen Menschen geholfen werden, die jeden Euro direkt in den hiesigen Konsum investierten. "Die Regelsätze bei Hartz IV anzuheben wäre das wirkungsvollste Konjunkturprogramm, das wir uns überhaupt vorstellen können", sagte Schneider der Zeitung zufolge.
Nach Einschätzung von Meinungsforschern sind Warnungen vor der Gefahr sozialer Unruhen unbegründet. "Unsere Umfragen zeigen, die Leute sind beunruhigt. Aber es gibt keinerlei Anzeichen, dass sie panisch oder militant werden. Das Vertrauen in die Politik ist eher gestiegen", sagte Richard Hilmer von Infratest dimap der "Bild"-Zeitung zufolge. Auch Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner sagte, er sehe keine Gefahr sozialer Unruhen. Deutschland sei ein relativ friedliebendes Land mit wenigen Streiks. Allerdings müssten die Menschen das Gefühl haben, dass die Lasten der Krise einigermaßen gerecht verteilt seien. "Dann gibt es keine großen Verwerfungen", wurde er weiter zitiert. Forsa-Chef Manfred Güllner sagte: "Da müsste schon völlig Unvorhersehbares passieren. Sonst gibt es keine Unruhen. Unsere Demokratie ist gefestigt."
Quelle : www.spiegel.de
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Die International Telecommunication Union (ITU) diskutiert einen "digitalen Marshallplan" als Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise. ITU-Generalsekretär Hamadoun Touré sagte beim 4. World Telecom Policy Forum (WPTF) in Lissabon, es müsse ein "massives Programm" sein. Er hoffe, bereits bei der Telecom World im Herbst in Genf einen konkreten Entwurf präsentieren zu können und sei mit verschiedenen ITU-Mitgliedsstaaten im Gespräch. Eine konkreten Vorschlag lieferte WTPF-Gastgeber Portugal. Das EU-Mitglied schlägt vor, Kinder ab vier Jahren mit Laptops auszustatten, und das in möglichst vielen Ländern. Der von den USA 1948 beschlossene Marshallplan sollte nach dem Zweiten Weltkrieg Westeuropa durch Finanzhilfen und Warenlieferungen beim Wiederaufbau helfen.
Um eine Möglichkeit der modernen Hilfe zu zeigen, hatten die portugiesischen Gastgeber die Arbeitsplätze der WTPF-Delegierten mit rund 1000 Classmate PCs ausgestattet. Portugal hat im vergangenen Herbst damit begonnen, 500.000 Schulkinder im Land im Rahmen der Initiative Magalhaes (Magellan) mit den Geräten auszustatten. Eltern zahlen dafür einen gestaffelten Preis zwischen 0 und 50 Euro. Die Kosten für den Aufpreis übernehmen Regierung und Telekommunikationsprovider, die sich davon eine bessere Ausnutzung ihrer Breitbandangebote erhoffen. Der Ladenpreis für Magellan liegt bei rund 350 Euro. Eine Million Stück hat man gerade nach Venezuela verkauft, sagen die Produzenten.
Innerhalb der ITU würden aber auch andere Ideen diskutiert, sagte Alexander Ntoko von der ITU. Die Schülerlaptops seien ein mögliches Projekt. Peter Voß, Leiter des Referats Internationale IKT-Politik beim Bundeswirtschaftsministerium nannte den "digitalen Marshallplan" und die Laptop-Initiative eine "gute Idee", hinter die allerdings "finanzielle Fragezeichen" zu setzen seien. Die ITU weist darauf hin, dass sie selbst keine zusätzlichen Mittel brauche. Sie verstehe sich selbst mehr als "Katalysator für den Marshallplan", sagte Touré.
Die Telekommunikationsministerin von Gabun, Laure Olga Gondjout, beurteilte den Plan allerdings eher zurückhaltend. Gegenüber heise online sagte sie: "Afrikanische Länder brauchen Programme, die an ihre Bedürfnisse angepaßt sind. Wir brauchen Energie, wie wollen wir die Laptops sonst betreiben. Wir brauchen Internetanbindung im ganzen Land. Ansonsten wird die digitale Kluft immer größer."
Quelle : www.heise.de
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Eine schriftliche Vereinbarung gibt es nicht: Fiat hat nach eigenen Angaben noch kein Angebot für einen Einstieg bei Opel vorgelegt. Konzernchef Marchionne sagt, er wisse nichts von direkten Gesprächen mit Opel.
Berlin - Der italienische Autobauer Fiat hat auf Zeitungsberichte über einen möglichen Einstieg bei Opel mit deutlichen Worten reagiert: "Fiat wünscht klarzustellen, dass mit Ausnahme dessen, was bereits in Bezug auf die strategische Allianz mit Chrysler angekündigt wurde, kein Angebot gemacht wurde, einen Anteil an Opel zu erwerben", hieß es in einer Erklärung, die der Konzern nach Aufforderung der italienischen Börsenaufsicht Consob am Freitag veröffentlicht hat.
Allerdings suche man in der derzeitigen Wettbewerbssituation - wie andere Konzerne - auch nach Gelegenheiten für "Abkommen verschiedener Art", die operative Synergieeffekte und Zugang zu neuen Märkten bieten würden.
Fiat-Chef Sergio Marchionne hatte sich bereits am Donnerstag zurückhaltend zu Berichten über einen angeblich bevorstehenden Einstieg bei Opel geäußert. Bei der Vorstellung der Quartalszahlen sagte er in Turin, er habe nichts anzukündigen. Es sei nichts vereinbart. "Nach allem was ich weiß hatten wir keine direkten Gespräche mit Opel", sagte er.
Nach SPIEGEL-Informationen will Fiat bei Opel einsteigen und die Mehrheit übernehmen. Eine entsprechende Absichtserklärung soll kommende Woche unterzeichnet werden.
Ein möglicher Einstieg von Fiat bei Opel stößt auf massive Bedenken. In der SPD-Führungsetage hieß es, es sei nicht erkennbar, dass eine solche Übernahme ein funktionierendes Modell sein könne. Auch EU-Industriekommissar Günther Verheugen äußerte sich skeptisch. Vertreter des Opel-Betriebsrats und der Gewerkschaft IG Metall lehnen eine Übernahme generell ab.
Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer befürwortet statt der Fiat-Übernahme ein Engagement des Zulieferers Magna bei dem deutschen Traditionshersteller. "Opel und Magna passen gut zusammen", sagte Dudenhöffer der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Ein Zusammengehen von Opel und Magna sei realistischer als ein Einstieg von Fiat.
Die Bundesregierung begutachtet einen möglichen Fiat-Einstieg ebenfalls kritisch, schließt ihn aber nicht aus: Sie will zunächst wissen, ob der italienische Autobauer ein zukunftsfähiges Konzept für den deutschen Konkurrenten vorlegen kann.
Es komme darauf an, wie sich ein Investor die Zukunft von Opel vorstelle, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums am Freitag in Berlin. Dabei gehe es auch um den Erhalt von Arbeitsplätzen und der Standorte. Davon hänge ab, ob die Bundesregierung einen Investor unterstützen werde.
Opel-Chef Hans Demant dankte der Regierung am Freitag für den Rückhalt, den sie dem Konzern gebe. Opel will sich von seiner angeschlagenen Mutter General Motors trennen und sucht dafür dringend nach einem Investor. Den hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Voraussetzung für eine Staatsbürgschaft genannt.
Der ums Überleben ringende Autobauer will möglichst alle seine Werke retten. "Wir sind, wie wir oft schon ausgedrückt haben, sehr daran interessiert in dieser momentan schwierigen Situation möglichst alle Werke zu erhalten", sagte Demant. Opel arbeite momentan an allen Optionen, die sich ergäben.
Einen Lichtblick könnte es für den Konzern schon am Montag geben: Laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" könnte dann bereits eine Entscheidung zu den Patenten von Opel fallen, die die Muttergesellschaft General Motors an das amerikanische Finanzministerium verpfändet hat. Mit einem Ergebnis der Verhandlungen von Wirtschaftsstaatssekretär Jochen Homann mit dem amerikanischen Finanzministerium in Washington über die Rückgabe der Patente sei zum Wochenauftakt zu rechnen, berichtete die "FAZ". Es gebe Anzeichen für einen "positiven Ausgang".
Bei den Verhandlungen geht es um Vermögensgegenstände sowie Bargeld im Wert von addiert rund drei Milliarden Dollar, die GM Opel schuldet. GM hatte diese Werte als Besicherung für Milliardenkredite an die amerikanische Regierung verpfändet. Der Erhalt der Patente und des Bargelds ist die Voraussetzung für die Abtrennung des GM-Europa-Geschäfts unter dem Dach einer neu zu gründenden Opel AG.
Quelle : www.spiegel.de
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Konkurrenz für Fiat: Auch der Autozulieferer Magna hat gute Chancen, die Mehrheit bei Opel zu übernehmen. Nach SPIEGEL-Informationen trifft sich Bundeswirtschaftsminister Guttenberg in Kürze mit Vertretern des österreichisch-kanadischen Konzerns - der unter Experten als besserer Partner gilt.
Hamburg - Deutliche Worte vom Wirtschaftsminister zur Opel-Übernahme: "Magna ist ein potentiell interessanter Partner", sagte Karl-Theodor zu Guttenberg dem SPIEGEL. "Wir werden einen Einstieg selbstverständlich ernsthaft prüfen." Anfang kommender Woche treffe man sich mit Vertretern des österreichisch-kanadischen Konzerns.
Auch der Autobauer Fiat sei aber im Rennen. Die Regierung werde bei dessen Konzept "sehr genau prüfen, wie viele Standorte und Arbeitsplätze in Deutschland erhalten werden können". Eine mögliche Fiat-Übernahme war in den Reihen von SPD und Gewerkschaften auf massive Kritik gestoßen. Der Wirtschaftsminister kritisierte die Querschüsse. Sie schwächten die deutsche Verhandlungsposition.
Ungeachtet dessen nimmt der Widerstand gegen einen Einstieg von Fiat beim Rüsselsheimer Autobauer Opel weiter zu. Mehrere Politiker verwiesen am Wochenende darauf, dass Fiat selbst ähnliche Probleme habe wie Opel. Nach den Worten von Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz würde eine Beteiligung des italienischen Autobauers dazu führen, dass "Fiat mit deutschen Steuergeldern saniert wird".
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warnte vor einer vorschnellen Entscheidung für einen Opel-Investor. Es gehe darum, so viel wie möglich an industrieller Substanz zu erhalten, sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Opel darf nicht an einen Konkurrenten verhökert werden, der das Unternehmen plattmachen will, um sich einen lästigen Mitbewerber vom Hals zu schaffen", sagte Heil - eine Aussage, die als Seitenhieb gegen die mögliche Fiat-Übernahme verstanden werden kann.
Koch plädiert für Magna-Einstieg
Immer häufiger wird dagegen Magna ins Gespräch gebracht. Das Gute an dieser Lösung sei, "dass es sehr viele Überschneidungen an Wissen und Können, aber keine Überschneidungen im täglichen Tun am Markt gibt", sagte der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) im "Hamburger Abendblatt".
Auch der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer befürwortet diese Lösung. "Opel und Magna passen gut zusammen", sagte Dudenhöffer der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Ein Zusammengehen von Opel und Magna sei realistischer als ein Einstieg von Fiat.
Laut "Süddeutscher Zeitung" wird Magna in Opel-Management-Kreisen ebenfalls als die bessere Lösung angesehen. Man habe "sehr gute Erfahrungen" mit der Firma gemacht, es sei "gegenseitiges Vertrauen" entstanden, und man liege beim "Qualitätsdenken auf einer Wellenlänge", zitierte die Zeitung.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, befürwortete einen Einstieg des deutschen Staates. Es gehe darum, die Opel-Standorte wegen ihrer Schlüsselbedeutung in Deutschland zu erhalten, sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Voraussetzung dafür sei aber, dass ein weiterer Investor gefunden werde und sich auch die Opel-Händler an dem Rettungsplan beteiligten.
Fiat hat noch kein Angebot vorgelegt
Fiat hat inzwischen auf Zeitungsberichte über einen möglichen Einstieg bei Opel mit deutlichen Worten reagiert: "Fiat wünscht klarzustellen, dass mit Ausnahme dessen, was bereits in Bezug auf die strategische Allianz mit Chrysler angekündigt wurde, kein Angebot gemacht wurde, einen Anteil an Opel zu erwerben", hieß es in einer Erklärung, die der Konzern nach Aufforderung der italienischen Börsenaufsicht Consob am Freitag veröffentlicht hat.
Allerdings suche man in der derzeitigen Wettbewerbssituation - wie andere Konzerne - auch nach Gelegenheiten für "Abkommen verschiedener Art", die operative Synergieeffekte und Zugang zu neuen Märkten bieten würden.
Fiat-Chef Sergio Marchionne hatte sich bereits am Donnerstag zurückhaltend zu Berichten über einen angeblich bevorstehenden Einstieg bei Opel geäußert. Bei der Vorstellung der Quartalszahlen sagte er in Turin, er habe nichts anzukündigen. Es sei nichts vereinbart. "Nach allem was ich weiß hatten wir keine direkten Gespräche mit Opel", sagte er.
Entscheidung über Patentrückgabe am Montag?
Einen Lichtblick könnte es für den Konzern schon am Montag geben: Laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" könnte dann bereits eine Entscheidung zu den Patenten von Opel fallen, die die Muttergesellschaft General Motors an das amerikanische Finanzministerium verpfändet hat. Mit einem Ergebnis der Verhandlungen von Wirtschaftsstaatssekretär Jochen Homann mit dem amerikanischen Finanzministerium in Washington über die Rückgabe der Patente sei zum Wochenauftakt zu rechnen, berichtete die "FAZ". Es gebe Anzeichen für einen "positiven Ausgang".
Bei den Verhandlungen geht es um Vermögensgegenstände sowie Bargeld im Wert von addiert rund drei Milliarden Dollar, die GM Opel schuldet. GM hatte diese Werte als Besicherung für Milliardenkredite an die amerikanische Regierung verpfändet. Der Erhalt der Patente und des Bargelds ist die Voraussetzung für die Abtrennung des GM-Europa-Geschäfts unter dem Dach einer neu zu gründenden Opel AG.
Am Wochenende zeichnete sich in dieser Frage indes noch keine Lösung ab. Der Chef der Verhandlungsdelegation der Bundesregierung in Sachen Opel, Wirtschaftsstaatssekretär Jochen Homann, räumte nach Gesprächen der deutschen Verhandlungsgruppe mit Beratern der US-Regierung am Freitag in Washington ein: "Es gibt dazu noch keine Entscheidung der US-Regierung."
Quelle : www.spiegel.de
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Die Rezession reißt ein riesiges Loch in den Bundeshaushalt. Peer Steinbrück erwartet für 2009 eine Neuverschuldung von mehr als 50 Milliarden Euro. Grund für das höchste Minus in der deutschen Geschichte sind massive Steuerausfälle und hohe Ausgaben zur Stützung der Konjunktur.
Berlin - Die Zahl bereitet Sorge: Die deutsche Neuverschuldung werde in diesem Jahr "netto deutlich über 50 Milliarden Euro sein", sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück der "Welt am Sonntag". "Dieses Jahr ist extrem. Wir erleben den größten Einbruch der Wirtschaft in der Geschichte der Bundesrepublik."
Die Wirtschaftsforschungsinstitute hatten am Donnerstag für das laufende Jahr einen mit minus 6,0 Prozent bislang beispiellosen Einbruch des Bruttoinlandsproduktes vorhergesagt. Die deutsche Wirtschaft wird sich demnach nur langsam von der weltweiten Krise erholen, deren weiterer Verlauf nach Ansicht der Forscher maßgeblich von der Lösung der internationalen Bankenkrise abhängt.
Grund für die angespannte Haushaltslage sind einerseits Steuerausfälle, da mehr Menschen arbeitslos sind und durch eine sinkende Nachfrage insgesamt weniger Geschäfte getätigt werden. Hinzu kommt, dass der Staat mehr Geld aufwendet, um die Konjunktur zu stützen.
Zur Finanzierung der Konjunkturprogramme des Bundes ist für dieses Jahr von Bundestag und Bundesrat bereits ein Nachtragshaushalt verabschiedet worden. Damit wurde die Nettokreditaufnahme von 18,3 auf 36,8 Milliarden Euro erhöht. Darin sind aber noch nicht die Ausgaben für das Konjunkturpaket II und zur Stabilisierung der Banken enthalten.
Im Vergleich zu den Schätzungen anderer Experten ist Steinbrücks Rechnung bei weitem nicht die höchste. Steffen Kampeter, der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, hält eine Neuverschuldung bis zu 90 Milliarden Euro für realistisch. An einem zweiten Nachtragshaushalt für den Bund "in diesem Jahr geht kein Weg vorbei", sagte er der "Financial Times Deutschland".
Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte zu den Äußerungen Kampeters, es gebe "ein klares Prozedere", bevor Entscheidungen getroffen würden. Dazu gehöre die Prognose der Regierung in der kommenden Woche und die Steuerschätzung Anfang Mai. Deren Ergebnisse würden in aller Ruhe geprüft.
Milliardenausfälle beim Gesundheitsfonds
Nicht nur in den Bundeshaushalt reißt die Konjunkturkrise immer größere Löcher - Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt äußerte zudem die Sorge, in den Gesundheitsfonds würden über drei Milliarden Euro weniger Beiträge fließen.
Laut "Bild"-Zeitung sind die Ausfälle sogar weit höher. Schätzungen der Krankenkassen belaufen sich demnach für 2009 und 2010 zusammen auf 7,34 Milliarden Euro. Danach sorge der erwartete Anstieg der Arbeitslosenzahlen 2009 für Einnahmeausfälle bei den Kassen von 2,89 Milliarden Euro und 2010 von 4,45 Milliarden Euro.
Grundlage für von "Bild" zitierte Berechnung ist das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsinstitute. Der Sozialversicherung insgesamt war darin insgesamt ein Beitragsrückgang von 7,6 Milliarden Euro 2009 und weiteren 4,1 Milliarden Euro in 2010 prognostiziert worden.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung bestätigte diese Zahlen am Samstag nicht. Man wolle die offizielle Schätzung am Donnerstag abwarten.
Wie hoch die Ausfälle genau sind, wird nach der offiziellen Wirtschaftsprognose der Bundesregierung neu berechnet. Diese will Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am Mittwoch vorstellen.
Beitragsausfälle bleiben für die Mitglieder der Krankenkassen dieses Jahr noch ohne Folgen, weil die Bundesregierung die Fehlbeträge ausgleicht. Die Krankenkassen bekommen auf jeden Fall die ihnen aus dem Gesundheitsfonds zugesagten Mittel. Problematischer sind dagegen steigende Kosten etwa für Arzneimittel oder Ärztehonorare. Wenn die Kassen nicht mit dem aus dem Fonds überwiesenen Geld auskommen, müssen sie Zusatzbeiträge erheben.
Krankenkassen drängen auf Korrektur der Gesundheitsreform
Folgen hat die Zuspitzung Lage dagegen für die Diskussion um den Gesundheitsfonds: Nach SPIEGEL-Informationen drängen Spitzenvertreter der gesetzlichen Krankenversicherung darauf, die Gesundheitsreform in wesentlichen Teilen zu korrigieren. Ihre Kritik richtet sich dabei gegen den Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen. Wie viel Geld eine Kasse bekommt, hängt neuerdings maßgeblich davon ab, an welchen Krankheiten ihre Versicherten leiden.
Der AOK-Bundesverband schlägt nun vor, diese Angaben künftig strenger zu überprüfen. Es sei falsch, sich allein auf die womöglich manipulierten Diagnosen der Ärzte zu verlassen. Stattdessen sollte kontrolliert werden, ob tatsächlich auch die dafür jeweils vorgesehenen Medikamente verschrieben wurden, heißt es in einem zehn Seiten langen Schreiben des AOK-Bundesverbandes an das zuständige Bundesversicherungsamt.
Ferner sei darauf zu achten, "dass keine Anreize für medizinisch nicht gerechtfertigte Leistungsausweitungen geschaffen werden". Kritik übt der AOK-Bundesverband auch daran, dass einige schwere Krankheiten mit Komplikationen und Kassen mit überdurchschnittlich vielen Sterbefällen nicht ausreichend berücksichtigt würden.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Bundesregierung fordert von potentiellen Opel-Investoren umfassende Versprechen. Verkehrsminister Tiefensee rief Übernahmekandidaten wie Fiat und Magna auf, den Erhalt der Standorte zu garantieren. Auch einen Staatseinstieg bei gefährdeten Werken schloss er nicht aus.
Berlin/Washington - Die Kampfansage von Opel-Betriebsratschef Klaus Franz war deutlich: "Wir kennen die Braut", sagte Franz im Interview mit dem SPIEGEL verächtlich über den potentiellen Opel-Investor Fiat und kündigte "erheblichen Widerstand" der Belegschaft an, sollte es tatsächlich zu einer Übernahme kommen.
Die Bundesregierung stärkt Übernahmegegnern wie Franz jetzt den Rücken: Von möglichen Investoren wie Fiat will Berlin Garantien für Werke und Arbeitsplätze einfordern. "Jeder Investor muss Opel Deutschland stärken. Wer in Deutschland Werke schließen und Arbeitsplätze abbauen will, ist kein geeigneter Opel-Partner", sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) der "Bild am Sonntag".
Der Opel-Betriebsrat und einige Experten fürchten, der italienische Fiat-Konzern könnte nach einer Mehrheitsübernahme massive Einschnitte in Deutschland in Gang setzen - denn die Modellpaletten der beiden Hersteller überschneiden sich. Auch aus der Politik gibt es Widerstände gegen die Italiener als Opel-Käufer.
Beteiligung an Opel-Werk?
Als weitere Sorge wird vor allem vom Betriebsrat genannt, der hoch verschuldete Fiat-Konzern könnte mit der Opel-Übernahme an deutsche Staatsbürgschaften herankommen wollen. "Einem solchen Missbrauch muss ein Riegel vorgeschoben werden", sagte Tiefensee. Die Minister Peer Steinbrück und Karl-Theodor zu Guttenberg würden dies tun, "da bin ich sicher", so Tiefensee.
Auf die Frage, ob das Land Thüringen zur Not das gefährdete Opel-Werk in Eisenach kaufen sollte, antwortete der auch für den Aufbau Ost zuständige Minister: "Eine staatliche Beteiligung für einen eng begrenzten Zeitraum kann als letzte Lösung notwendig sein. Alles, was vernünftig ist und zukunftsfähige Arbeitsplätze rettet, muss der Staat tun."
Als zweiter Kandidat für die Übernahme von Opel gilt der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna. Informationen der "Süddeutschen Zeitung" zufolge wäre Magna für Opel selbst der Favorit im Rennen um eine Übernahme.
Wirtschaftsminister Guttenberg (CSU) will sich SPIEGEL-Informationen zufolge Anfang kommender Woche mit Magna-Vertretern treffen. Der Minister wies die Kritik von SPD und Gewerkschaften an den Beteiligungsgesprächen mit Fiat zurück. Sie schwäche die deutsche Verhandlungsposition. Die Regierung werde "auch beim Fiat-Konzept sehr genau prüfen, wie viele Standorte und Arbeitsplätze in Deutschland erhalten werden können".
Lichtblick im Patentstreit
Noch hält man sich auf Investorenseite bedeckt, was einen möglichen Einstieg bei dem von der Pleite bedrohten Autobauer Opel betrifft: Fiat hatte auf Zeitungsberichte über einen möglichen Einstieg bei Opel mit deutlichen Worten reagiert: "Fiat wünscht klarzustellen, dass mit Ausnahme dessen, was bereits in Bezug auf die strategische Allianz mit Chrysler angekündigt wurde, kein Angebot gemacht wurde, einen Anteil an Opel zu erwerben", hieß es in einer Erklärung vom Freitag. Allerdings suche man in der derzeitigen Wettbewerbssituation - wie andere Konzerne - auch nach Gelegenheiten für "Abkommen verschiedener Art", die operative Synergieeffekte und Zugang zu neuen Märkten bieten würden.
Unterdessen bleibt die von Opel erhoffte Entscheidung über eine Rückgabe von Patenten, die der US-Mutterkonzern General Motors an das amerikanische Finanzministerium verpfändet hat, weiter offen. "Ich habe heute nicht von der US-Regierung gehört, wie sie das Thema entscheiden wird", sagte Wirtschaftsstaatssekretär Jochen Homann am Freitagabend in Washington nach Gesprächen im US-Finanzministerium.
Einen Lichtblick könnte es für den Konzern schon am Montag geben: Laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" könnte dann bereits eine Entscheidung zu den Patenten fallen. Die Rückgabe von Patenten ist ein wichtiger Teil der von Opel angestrebten größeren Unabhängigkeit vom Mutterkonzern GM, dem die Insolvenz droht. Es geht um Vermögenswerte sowie Bargeld im Volumen von zusammen rund drei Milliarden Dollar, die GM Opel schuldet.
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Deutsche Politiker wettern gegen eine Fusion zwischen Opel und Fiat - zum Unverständnis der Italiener: Denn die haben nach SPIEGEL-Informationen zugesichert, dass alle Schulden der Turiner Gruppe aus der Fusion herausgehalten werden. Und alle Standorte in Deutschland erhalten bleiben.
Die Fiat-Führung ist perplex. Die vielen negativen Reaktionen aus Deutschland sind ihr unbegreiflich. Sie fühlen sich falsch verstanden. Von den Gewerkschaften, von Ministerpräsident Roland Koch - und besonders von EU-Industriekommissar Günther Verheugen. Letzterer hatte öffentlich Zweifel an der Finanzkraft des italienischen Autobauers geäußert.
Diese Zweifel scheinen allerdings unbegründet.
"Es wurde klargestellt, dass die Schulden der Fiat-Gruppe nicht mit in die Ehe eingebracht werden", sagte am Sonntag ein Insider in Turin, der unmittelbar mit der geplanten Übernahme von Opel vertraut ist. "Diese Altlasten werden das Projekt nicht gefährden. Auch der problematische Bereich Nutzfahrzeuge wird von den Verhandlungen ausgespart. Es geht allein um die Sparte Fiat-Auto."
Berichte, wonach bereits am Dienstag ein Memorandum, ein "Letter of Intent", zwischen Fiat und Opel unterschrieben werden würde, seien ebenfalls nicht zutreffend: "Ein solches Papier gibt es nicht. Es hat bisher auch keine Gespräche der Fiat mit Opel-Aktionären gegeben", sagte der Insider. Fiat-Chef Sergio Marchionne hatte bereits am Freitag gesagt, dass Fiat noch kein Angebot für einen Einstieg bei Opel vorgelegt habe.
Die Initiative zur Annäherung zwischen Fiat und Opel kam nicht aus Berlin, und auch nicht aus Turin oder Rüsselsheim - Detroit hatte die Idee: "Die Amerikaner sind auf Fiat zugekommen, und zwar noch zu Zeiten von GM-Boss Rick Wagoner", ist in Turin zu erfahren. "Sie präsentierten einen sehr einschneidenden Aktionsplan für Opel und suchten offenbar dringend nach einer Lösung für das Problem GM-Europe."
In Deutschland liefen bislang alle Kontakte über das Bundeswirtschaftsministerium. Fiat hat demnach die eigenen Vorstellungen über die Fusion mit Minister Karl-Theodor zu Guttenberg besprochen. Der habe seinen Gästen die soziale Komponente einer derartigen Kooperation von Anfang an deutlich vor Augen geführt. Fiat-Chef Sergio Marchionne habe versprochen, dass die Übernahme nach europäischen Maßstäben ablaufen werde.
Dabei habe Fiat die Existenz der vier Montagestandorte in Deutschland garantiert - was allerdings nicht bedeute, dass auch die jetzigen Kapazitäten der Werke in Deutschland garantiert werden könnten.
Das Vorbild ist Volkswagen: "Ferdinand Piech hat gezeigt, dass unterschiedliche Marken wie VW, Audi, Skoda und Seat unter ein Dach gebracht werden können, zu gegenseitigem Nutzen", sagte eine Quelle aus Berlin. "In dem Plan der Fiat wird Opel seine Identität und seine Position auf dem deutschen Markt beibehalten. Es wird weitere gemeinsame Plattformen, aber eigenständige Architekturen geben."
Seit dem Kooperationsabkommen von 2000 mit GM entwickeln Fiat und Opel gemeinsam Dieselmotoren. "Im Segment B haben Corsa und der Fiat-Punto bereits eine gemeinsame Architektur", hieß es. Opel habe deswegen nicht weniger Autos verkauft. Diese positive Erfahrung solle auch auf Benzinmotoren ausgeweitet werden. Es werde daran gedacht, auch im sogenannten "Segment C" eine gemeinsame Plattform von Opel-Corsa und dem Fiat-Bravo zu erarbeiten.
Die Italiener sind verärgert über den nationalen Zungenschlag, der sich in die Debatte um die Zukunft von Opel eingeschlichen hat. Sie verweisen darauf, dass bereits heute zwei von sieben Top-Positionen in Turin von Deutschen besetzt seien: Chefingenieur und Produktionschef.
Selbst beim Namen des möglichen neuen Superkonzerns zeigt sich Fiat offenbar äußerst kompromissbereit: "Das neue Unternehmen kann FiatOpel heißen oder OpelFiat, das ist nicht wichtig", war in Turin zu erfahren. Es geht nicht um nationale Eitelkeiten, sondern um ein Projekt intelligenter europäischer Industriepolitik. Jemand musste die Initiative ergreifen, im Interesse von allen."
Letztere Aussage deckt sich mit der Linie des Fiat-Chefs. Marchionne betont in seinen Gesprächen immer wieder, dass er als Vierzehnjähriger Italien verlassen und einen Großteil seines Lebens in Kanada und den USA verbracht hat. Ihm sei die Flagge, unter der ein europäisches Industrieprojekt firmiere, nebensächlich. Die Krise von Opel könnte eine Chance sein, endlich in Europa einen zukunftsfähigen Mega-Autokonzern zusammenzuschmieden.
Für Marchionne wäre es fahrlässig, eine solche Gelegenheit nicht zu ergreifen. Man würde andernfalls in der Zukunft einen hohen Preis zahlen müssen, so äußerte er sich am Wochenende gegenüber Gesprächspartnern.
Quelle : www.spiegel.de
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US-Präsident Obama verkündet die Entscheidung persönlich: Chrysler beantragt Insolvenz und bekommt Fiat als neuen Anteilseigner. Im Gegenzug kassiert der kriselnde US-Autobauer noch einmal drei Milliarden Dollar Staatshilfen. Konzernchef Nardelli tritt zurück.
Washington - Warme Worte klingen anders: "Chrysler ist ein Stützpfeiler der amerikanischen Industrie", sagte US-Präsident Barack Obama auf einer Pressekonferenz zur Zukunft des maroden Autobauers, "ein Stützpfeiler allerdings, der immer schwächer wurde." Chrysler habe notwendige Reformen "zu langsam" durchgeführt. Es sei aber sein "Job als Präsident", ein wettbewerbsfähiges Unternehmen zu formen, sagte Obama - und keinen siechen Konzern, "basierend auf einer endlosen Menge an Steuergeldern".
Chrysler beantragte kurz nach der Pressekonferenz offiziell die Einleitung des Insolvenzverfahrens. Obama sagte in seiner kurzen Ansprache, dieser Schritt sei "kein Zeichen von Schwäche". Chrysler werde aus dem Verfahren gestärkt und konkurrenzfähig hervorgehen.
Profiteur der Insolvenz ist Fiat: Der italienische Autohersteller steigt bei dem insolventen US-Konzern ein. Beide Unternehmen hätten eine entsprechende Einigung erzielt, sagte Obama. Chrysler wird dafür weitere drei Milliarden Dollar an US-Staatshilfen erhalten, Entlassungen und Werksschließungen soll es während des Insolvenzverfahrens nicht geben. Fiat werde zunächst mit 20 Prozent bei Chrysler einsteigen und den Anteil später auf 35 Prozent aufstocken. Die Mehrheit bei Chrysler kann Fiat aber erst übernehmen, wenn der US-Konzern die Staatshilfen zurückgezahlt habe. Fiat habe zugesagt, seine Technologie einzubringen und neue Fahrzeuge zu entwickeln.
Chrysler-Chef Robert Nardelli kündigte kurz nach der Obama-Rede seinen Rücktritt an. Zwar habe ihn die amerikanische Regierung nicht darum gebeten, er halte den Beginn des Insolvenzverfahrens aber selbst als geeigneten Zeitpunkt um abzudanken, sagte Nardelli dem TV-Sender CNBC. Nach dem Fiat-Einstieg werde Chrysler von einem neunköpfigen Vorstand geführt, der den neuen Konzernchef bestimmen werde. Die Mitglieder des neuen Vorstands werden laut Nardelli zu zwei Dritteln von der US-Regierung bestimmt und zu einem Drittel von Fiat.
Im Drama um Chrysler beginnt damit ein neues Kapitel. Wochenlang wurde über die Rettung des siechen US-Konzerns verhandelt. Chrysler stritt mit der US-Regierung über Sanierungskonzepte, rang vier großen Gläubigerbanken Zugeständnisse zu milliardenschweren Umschuldungen ab, hielt der mächtigen Autogewerkschaft UAW die blanke Kehle hin - und machte Zugeständnisse an Fiat.
Das alles hat nun am Ende nichts genützt. Jetzt ist Amerikas drittgrößter Autobauer doch noch an seinen Schulden erstickt. Zuletzt ging es um die Umschuldung von 6,9 Milliarden Dollar - und um gut 40 Hedgefonds, die zusammen für etwa 30 Prozent dieses Betrags stehen. Das US-Finanzministerium hatte den Gläubigern 2,25 Milliarden Dollar in bar geboten, berichtet der TV-Sender CNN unter Berufung auf einen Regierungsbeamten. Im Gegenzug hätten sie auf ihre Ansprüche verzichten müssen. Doch die Hedgefonds sperrten sich, sie forderten 2,5 Milliarden und ließen den Deal platzen.
Obama monierte auf seiner Pressekonferenz am Donnerstagabend, "eine kleine Gruppe von Investoren" habe die Rettung Chryslers vereitelt.
Chrysler steht nun eine Blitz-Insolvenz nach Kapitel 11 des US-Konkursrechts bevor. Der Gläubigerschutz ermöglicht es dem Unternehmen, seinen Betrieb zunächst aufrechtzuhalten und zu sanieren, ohne die Forderungen der Gläubiger bedienen zu müssen. Nur 30 bis 60 Tage soll Chrysler unter Gläubigerschutz arbeiten, erklärte ein Sprecher des Weißen Hauses.
Daimler bekräftigt vollständige Trennung von Chrysler
Der Autobauer Daimler bekräftigte kurz nach Bekanntgabe der sich abzeichnenden Insolvenz noch einmal seine vollständige Trennung von Daimler. Man habe mit der endgültigen Trennung von Chrysler sogar einen Beitrag zur Restrukturierung des US-Herstellers geleistet, ließ der deutsche Autokonzern mitteilen.
Die Beziehung zwischen Chrysler und Daimler beschränke sich seit Anfang der Woche auf eine Kunden-Lieferanten-Beziehung. "Das bedeutet im Falle von Chapter 11: Daimler wird wie jeder andere Lieferant behandelt."
Am Montag hatte der Premiumhersteller nach einem monatelangem Streit bekanntgeben, auch seinen Chrysler-Restanteil von 19,9 Prozent an den Mehrheitseigner Cerberus abzugeben.
Dass die Rettung Chryslers an der Unnachgiebigkeit einiger Gläubiger gescheitert ist, sollte auch General Motors, den größten der drei US-Autobauer, eine Warnung sein: Auch dort fahren derzeit Gläubiger auf Kollisionskurs - und Obama hält dagegen.
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Widerstand gegen den Plan des US-Präsidenten: Gläubiger des maroden US-Autobauers Chrysler wollen sich gegen die kontrollierte Insolvenz wehren, die Barack Obama jetzt verkündet hat. Auch der Verkauf des Unternehmens an Fiat, die Regierungen und die Gewerkschaften missfällt ihnen.
Washington - Eine Gruppe von Gläubigern will Einspruch gegen die Veräußerung des zahlungsunfähigen US-Autobauers Chrysler einlegen. Der geplante Verkauf des Unternehmens an die Regierung, den italienischen Hersteller Fiat und die Gewerkschaften entspreche nicht dem Verfahren des Gläubigerschutzes nach "Chapter 11", sagte der Gläubiger-Anwalt Tom Lauria.
Die Geldgeber wehren sich gegen die Art, wie Chrysler versuche, die Erlöse aus dem Verkauf zu verteilen. Der Konzern habe auch seinen Investoren gegenüber Verpflichtungen, sagte Lauria, der eine Gruppe von 20 Fonds vertritt, denen Chrysler rund eine Milliarden Dollar schuldet.
Nach einer monatelangen Hängepartie hatte der taumelnde US-Autobauer am Donnerstag Insolvenz angemeldet. Der Konzern beantragte in New York Gläubigerschutz und kündigte an, eine Allianz mit dem italienischen Autohersteller Fiat einzugehen. Zuvor waren Umschuldungsverhandlungen mit einem Teil der Gläubiger in den USA gescheitert.
Chrysler hofft, binnen 60 Tagen die Partnerschaft mit Fiat unter Dach und Fach zu haben und mit einer neuen Unternehmensstruktur in die Zukunft zu gehen. In einem Chapter-11-Verfahren des US-Konkursrechts kann Chrysler den normalen Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten. Das Unternehmen erklärte jedoch, der größte Teil der Produktion solle während der Verhandlungen mit Fiat ausgesetzt werden.
Fiat will nach früheren Angaben zunächst einen Anteil von 20 Prozent an Chrysler übernehmen. Die Italiener zahlen dafür aber nicht mit Geld, sondern mit Technik. Chrysler soll künftig spritsparende Autos auf der Basis von Fiat-Modellen und mit Fiat-Motorentechnik bauen. Später könnte der Anteil auf 35 Prozent steigen.
Die Regierung ist dem Vernehmen nach bereit, den Neuaufbau des drittgrößten US-Autobauers mit 8 Milliarden Dollar (rund 6 Milliarden Euro) zu unterstützen. Sie hat Chrysler seit Jahresbeginn bereits Darlehen im Umfang von 4 Milliarden Dollar gewährt.
US-Präsident Barack Obama begrüßte die Entscheidung von Chrysler. Das Insolvenzverfahren werde dem Autokonzern helfen, wieder auf die Beine zu kommen, sagte er im Weißen Haus. Auch Kanada und die Regierung der kanadischen Provinz Ontario kündigten Unterstützung bei der Neustrukturierung an.
Vorstandschef Nardelli kündigt Rücktritt an
Der Vorstandsvorsitzende von Chrysler, Robert Nardelli, will nach Abschluss des Insolvenzverfahrens zurücktreten und als Berater für Cerberus Capital Management arbeiten, kündigte er am Donnerstag im Fernsehsender CNBC an. Er betonte, dass er nicht vom Finanzministerium zum Rücktritt aufgefordert worden sei. Er sei jedoch der Auffassung, dass nach dem Ende des Insolvenzverfahrens ein günstiger Zeitpunkt für einen solchen Schritt sei. Der Vizevorsitzende Tom LaSorda will in den Ruhestand gehen.
Nardelli erklärte, das neue Unternehmen solle von einem neunköpfigen Vorstand geleitet werden. Sechs der Mitglieder sollten von der Regierung und drei von Fiat bestimmt werden. Der Vorstand werde einen neuen Vorsitzenden wählen, sagte Nardelli, der Chrysler seit August 2007 führt.
Grund für den Insolvenzantrag ist nach Angaben von Gewährsleuten, dass keine Einigung über einen weitgehenden Erlass bevorrechtigter Schulden von 6,9 Milliarden Dollar (5,2 Milliarden Euro) erzielt werden konnte. Rund 40 Hedgefonds, die zusammen für etwa 30 Prozent dieses Betrags stehen, hätten eine Umschuldung zu den vorgeschlagenen Bedingungen bis zuletzt verweigert. Vier große Gläubigerbanken hätten der Umschuldung dagegen zugestimmt. Chrysler hatte im vergangenen Jahr einen Verlust von 8 Milliarden Dollar gemeldet. Der ebenfalls ins Taumeln geratene Opel-Mutterkonzern General Motors muss bis zum 1. Juni seine Pläne für eine Neustrukturierung vorlegen. Wie bei Chrysler könnte die Schuldenfrage zum Stolperstein werden.
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Fiat will es wissen: Nach dem Einstieg bei Chrysler kündigen die Italiener an, unbedingt Opel kaufen zu wollen. Konzernchef Marchionne will laut "SZ" jetzt mit den Ministern Guttenberg und Steinmeier verhandeln und eine Standortgarantie abgeben - Autoexperte Dudenhöffer warnt dagegen vor einem Deal.
Mailand/Hamburg - Für Fiat-Chef Sergio Marchionne haben die Deutschen jetzt oberste Priorität. "Nun müssen wir uns auf Opel konzentrieren. Sie sind unser perfekter Partner", sagte Marchionne der Zeitung "La Stampa" nach dem Einstieg beim US-Autobauer Chrysler.
Der Konzernchef will laut "Süddeutscher Zeitung" schon am Montag mit Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Berlin verhandeln. Marchionne werde der Bundesregierung ein erstes, grobes Konzept präsentieren. Er wolle alle deutschen Standorte erhalten, also die Werke in Rüsselsheim, Eisenach, Kaiserslautern und Bochum - allerdings nicht in der bisherigen Größe. Marchionne wolle einen globalen Autokonzern schaffen, der mindestens fünf Millionen Fahrzeuge herstelle.
"Fiat will an die 3,3 Milliarden Euro Staatsgeld rankommen"
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht dagegen im Autozulieferer Magna International den deutlich besseren Partner für Opel. Dudenhöffer, Professor an der Universität Duisburg-Essen, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Bundesregierung müsse jetzt besonders sorgfältig prüfen, dass Fiat keine übertriebenen Zusagen an den Autobauer mache. "Fiat wird jetzt aggressiv die Opel-Linie verfolgen, um an die 3,3 Milliarden Euro Staatsgeld heranzukommen und den Chrysler-Deal abzufedern."
Magna sei vertrauenswürdig und hocheffizient und habe für Opel eine tragfähige Lösung, lobte Dudenhöffer. Der Chef des österreichisch-kanadischen Autozulieferers, Frank Stronach, hat inzwischen zwar Berichten über eine mögliche Übernahme widersprochen. Das sieht Dudenhöffer aber gelassen. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Magna nur einen relativ niedrigen Anteil an Opel übernehmen könne, allein schon wegen der Kundenbeziehungen zu anderen Herstellern. Es gehe hier vielmehr um eine "Koalition" mehrerer Partner.
Mit der erwarteten Beteiligung russischer Magna-Partner wäre Opel unter anderem in einer besseren Position, um sich mit Russland einen Zukunftsmarkt zu erschließen, findet Dudenhöffer. Nach Medienberichten sind der russische Autohersteller GAZ und die ebenfalls russische Sberbank bereit, 31 Prozent von Opel zu übernehmen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hatte am Dienstag berichtet, Magna selbst wolle sich mit 19,1 Prozent an dem Autohersteller beteiligen. Der kanadische Zulieferer präsentierte der Bundesregierung zwischenzeitlich konkrete Pläne für einen Einstieg bei Opel. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sprach anschließend von einem "ersten, interessanten Grobkonzept".
100.000 Bestellungen für Insignia
So scheinen für die 25.000 Beschäftigten immer mehr Hoffnungsschimmer auf. Ein weiterer sind die vielversprechenden Zahlen, die Opel jetzt verkündete. Für das Opel-Flaggschiff Insignia. Nach Angaben des Rüsselsheimer Autobauers liegen bereits mehr als 100.000 Bestellungen vor.
Aufgrund der hohen Nachfrage sollen daher im Mai erneut drei Sonderschichten im Stammwerk gefahren werden. Das Unternehmen sprach am Freitag von einem fulminanten Marktstart des neuen Insignia, mit dem sich Opel in Europa an die Spitze im Mittelklassesegment gesetzt habe.
In Deutschland konnte der Autobauer den Angaben zufolge im Segment der Mittelklasse-Limousinen besonders stark zulegen und die Verkäufe im ersten Quartal um 82 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern. Sein Premium-Technikangebot erziele außergewöhnlich hohe Ausstattungsquoten, sagte Vertriebschef Alain Visser.
Chrysler-Gläubiger wehren sich gegen Insolvenz
Auch US-Analysten sind besorgt, Fiat könnte sich verzetteln, wenn das Unternehmen nach dem Einstieg bei Chysler auch noch Opel kaufe. Zumal die Chrysler-Übernahme anscheinend noch nicht in trockenen Tüchern ist. Eine Gruppe von Gläubigern will Einspruch gegen die Veräußerung des zahlungsunfähigen US-Autobauers Chrysler einlegen. Der geplante Verkauf des Unternehmens an die Regierung, den italienischen Hersteller Fiat und die Gewerkschaften entspreche nicht dem Verfahren des Gläubigerschutzes nach "Chapter 11", sagte der Gläubiger-Anwalt Tom Lauria.
Die Geldgeber wehren sich gegen die Art, wie Chrysler versuche, die Erlöse aus dem Verkauf zu verteilen. Der Konzern habe auch seinen Investoren gegenüber Verpflichtungen, sagte Lauria, der eine Gruppe von 20 Fonds vertritt, denen Chrysler rund eine Milliarde Dollar schuldet.
Nach einer monatelangen Hängepartie hatte der taumelnde US-Autobauer am Donnerstag Insolvenz angemeldet. Wie US-Präsident Barack Obama in Washington bekanntgab, soll Fiat zunächst mit 20 Prozent bei Chrysler einsteigen und später auf 35 Prozent aufstocken. Das Insolvenzverfahren soll ungewöhnlich schnell vollzogen werden und lediglich 30 bis 60 Tage dauern. Die US-Regierung gibt Chrysler weitere Hilfen von insgesamt rund acht Milliarden Dollar.
Chrysler kündigte an, die Produktion zunächst zu einem Großteil einzustellen. Sie soll erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens wieder das normale Niveau erreichen. Chrysler-Chef Bob Nardelli wird dann zurücktreten, auch Vize-Chef Tom LaSorda kündigte seinen Rückzug an. Das Weiße Haus hatte betont, im Insolvenzverfahren werde es keine Werksschließungen und Entlassungen geben.
Dudenhöffer zufolge passen Fiat und Chrysler gut zueinander. Er rechne damit, dass der US-Autohersteller mit den Italienern als Partner das Insolvenzverfahren schnell verlassen kann. Die Allianz sei für beide Seiten von Nutzen: "In den USA können die Chrysler-Kapazitäten in der Produktion und bei Händlern mit Modellen von Fiat und Alfa Romeo ausgelastet werden. In Europa kann Fiat mehr Fahrzeuge bauen, weil sie im US-Markt angeboten werden können."
Fiat sei in einer grundsätzlich anderen Position als der ehemalige Chrysler-Mutterkonzern Daimler, der mit einer Sanierung des US-Autobauers gescheitert war. "Fiat und Chrysler sind auf Augenhöhe, bei der Technik und im Markt." Mit Daimler hätten die Amerikaner dagegen nicht zusammengepasst, weil die Synergien zwischen Premium- und Massengeschäft nur gering seien.
Quelle : www.spiegel.de
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Das Finanzministerium sieht für die kommenden Jahre drastische Steuerausfälle voraus. Nach Informationen des SPIEGEL gehen Experten des Hauses wegen der Krise insgesamt von Mindereinnahmen in Höhe von 300 Milliarden Euro bis 2013 aus.
Hamburg - Fachleute des Bundesfinanzministeriums haben in einer internen Analyse eine düstere Prognose für die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden gestellt. Als Folge der Wirtschaftskrise rechnen sie nach Informationen des SPIEGEL mit Steuerausfällen von mehr als 300 Milliarden Euro bis 2013. Danach muss der Fiskus in diesem Jahr auf knapp 25 Milliarden Euro verzichten, rund die Hälfte davon fällt beim Bund an.
Spätestens bis Anfang Juni will Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) deshalb einen Nachtragshaushalt mit einem Volumen von bis zu 15 Milliarden Euro vorlegen. Die Nettokreditaufnahme des Bundes summiert sich damit 2009 auf rund 50 Milliarden Euro, für das nächste Jahr hält Steinbrück eine Neuverschuldung von bis zu 80 Milliarden Euro für erforderlich. In dieser Rechnung sind in beiden Jahren noch nicht die Belastungen aus einem Teil des zweiten Konjunkturprogrammes und dem Bankenrettungspaket berücksichtigt, die in zwei Schattenhaushalten aufgefangen werden.
Zusätzlich ist der Bund im nächsten Jahr gezwungen, der Bundesagentur für Arbeit ein Darlehen von 17,5 Milliarden Euro zu gewähren, wie ein koalitionsinterner Vermerk unter Berufung auf Berechnungen der Nürnberger Behörde ausweist. Das Finanzministerium erwartet, dass der Schuldenstand Deutschlands von 66 Prozent im vergangenen Jahr bis 2013 auf 80 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt steigt. Der Bund wird zu diesem Zeitpunkt noch immer eine Neuverschuldung von 50 Milliarden Euro aufweisen.
Anders als die Bundesregierung erwartet die Brüsseler EU-Kommission auch für 2010 einen Rückgang des Wirtschaftswachstums in Deutschland. Die Zeitung "Die Welt" berichtete vorab unter Berufung auf die neueste Wirtschaftsprognose der Kommission, die deutsche Wirtschaft werde in diesem Jahr um 5,6 Prozent zurückgehen. Für das Jahr 2010 erwarte die Brüsseler Behörde einen Rückgang von 0,2 bis 0,3 Prozent. Die Bundesregierung geht dagegen in ihrer jüngsten Prognose für dieses Jahr von einem Rückgang um sechs Prozent und für 2010 von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 Prozent aus.
Dem Blatt zufolge herrscht innerhalb der EU-Kommission Uneinigkeit über die wirtschaftlichen Aussichten nach 2010. Zahlreiche Fachleute in der EU-Behörde erwarten für Europa eine längere Phase wirtschaftlicher Stagnation. Derzeit ist allerdings unklar, inwieweit sie sich mit ihrer Meinung in der politischen Spitze der Kommission durchsetzen können.
Quelle : www.spiegel.de
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Rüsselsheim, Bochum, Eisenach: Diese drei Opel-Werke in Deutschland will Fiat erhalten, wenn ein Kauf des maroden Autobauers klappt. Das sagte Wirtschaftsminister Guttenberg nach einem Gespräch mit dem italienischen Konzernchef Marchionne - Kaiserslautern steht damit zur Disposition.
Berlin - Im Falle einer Übernahme durch Fiat müssten die Opelaner in Kaiserslautern bangen: Bei dem Standort sehe Fiat einen "gewissen Konsolidierungsbedarf", sagte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Montag nach einem Gespräch mit Fiat-Chef Sergio Marchionne. Die drei Endmontagewerke Rüsselsheim, Bochum und Eisenach sollten dagegen weiter betrieben werden. Marchionne sicherte außerdem den Erhalt der Marke Opel zu.
Der Betriebsrat des Kaiserslauterer Opel-Werks reagierte mit scharfer Kritik auf die Aussagen. "Wir werden uns unter dieser Voraussetzung gegen Fiat massiv wehren. Das können wir nicht hinnehmen", sagte der Betriebsratschef Alfred Klingel der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er zähle auch darauf, dass Land und Bund solche Überlegungen nicht akzeptierten.
Den Konsolidierungsbedarf im Falle eines Einstiegs habe Marchionne auf fünf bis sieben Milliarden Euro geschätzt, sagte Guttenberg weiter. Es sei jedoch zu früh, den entsprechenden Anteil für Deutschland zu ermitteln. "Fiat will ohne eigene Schulden in dieses Geschäft einsteigen und hier eine Konstruktion schaffen, die das möglich macht", erklärte der Politiker.
Beim genannten Kapitalbedarf handele es sich mangels konkreter Zahlen der Opel-Mutter General Motors nur um Schätzungen für die GM-Schulden und Pensionsverpflichtungen, die zu übernehmen wären. Hierfür wolle Fiat europaweit auf staatliche Bürgschaften und Garantien zurückgreifen, sagte Guttenberg.
"Das ist eine Hausnummer, die man in Europa erst einmal verteilen muss", sagte der CSU-Politiker, der ansonsten eine eindeutige Bewertung vermied. "Das ist ein interessanter Ansatz, keine Frage", sagte Guttenberg, auch wenn der Finanzierungsbedarf "nicht unerheblich" sei. Von der Bundesregierung werde es "heute oder morgen keine Vorfestlegungen" geben. Zunächst werde man weiterhin mit Interesse auf den Plan des kanadisch-österreichischen Zulieferer Magna warten, der ebenfalls Interesse an Opel hat.
Fiat plant Autogiganten
In der "Financial Times" hatte Marchionne seine Zukunftsvision zuvor in groben Zügen erklärt. Danach strebt der Fiat-Boss nicht weniger an als die Schaffung eines neuen Konzerns, der in der Weltliga ganz oben mitspielt. Sechs bis sieben Millionen Autos jährlich soll der neue Auto-Riese bauen und damit mehr als der Wolfsburger Volkswagen-Konzern, der nach Einschätzung von Experten bereits Toyota hinter sich gelassen hat.
"Aus technischer und industrieller Sicht ist das eine im Himmel geschlossene Hochzeit", zitiert die Zeitung den Fiat-Chef. Der bisherige Opel-Mutterkonzern General Motors würde dann Minderheitseigner des neuen Unternehmens. Bis Ende Mai solle die Fusion beschlossen werden. Inzwischen dürfte aber auch den Opel-Werkern klar sein, dass die Fusion mehrere tausend Arbeitsplätze kosten wird.
Entsprechend skeptisch stehen die Arbeitnehmervertreter Marchionnes Ansinnen gegenüber. Die Italiener hätten selbst "große Probleme", sagte Opel-Aufsichtsrat Armin Schild von der IG Metall im ZDF-"Morgenmagazin". Es sei zu befürchten, "dass die Entscheidungen bei Opel nicht mehr in Detroit, sondern in Turin getroffen werden, aber nicht in Rüsselsheim". Es wäre "sehr viel besser, wenn die Bundesregierung Zeitdruck rausnehmen würde", sagte Schild.
Öffentlich genannte Kriterien für einen Einstieg seien "absolut sinnvoll", sagte Schild weiter. Dies sei "nur fair" gegenüber allen Investoren neben dem italienischen Autokonzern Fiat und dem österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna, die sich für Opel interessieren könnten. Nach SPIEGEL-Informationen hat Steinmeier einen 14-Punkte- Katalog mit Kriterien für einen Investor bei Opel aufgestellt. Außer dem Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze gehe es auch um die Sicherheit möglicher Staatsbürgschaften, mögliche Synergien und die Vermittelbarkeit der Lösung bei der Belegschaft und den Händlern.
Mit einer schnellen Entscheidung ist allerdings ohnehin nicht zu rechnen. Wie SPIEGEL ONLINE aus Regierungskreisen erfuhr, sind die bisher von beiden möglichen Großinvestoren Magna und Fiat vorgelegten Konzepte nach Ansicht von Guttenberg viel zu vage, um überhaupt als Basis für eine Weichenstellung zu dienen. "Ich kann mir nur erhoffen, dass wir belastbarere Zahlen und Fakten bekommen, weil sich danach das Ob und Wie eines Eintritts der Bundesregierung bemessen wird", sagte der Bundeswirtschaftsminister. Überdies müsse vor einer Entscheidung eine Einigung von potentiellen Investoren mit General Motors abgewartet werden.
Quelle : www.spiegel.de
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Fiats Einstieg bei Opel stößt in der Belegschaft auf wachsenden Widerstand. Nach dem Treffen mit Konzernchef Marchionne zeigte sich Betriebsratschef Franz gegenüber dem SPIEGEL skeptisch: Wesentliche Fragen seien offen, kritisiert der Arbeitnehmervertreter.
Hamburg - Nach einem Gespräch mit Fiat-Chef Sergio Marchionne steht Opel-Betriebsratschef Klaus Franz einem möglichen Einstieg der Italiener bei Opel weiter sehr kritisch gegenüber: "Wesentliche Fragen sind offengeblieben", sagte Franz dem SPIEGEL. Verärgert hat ihn vor allem, dass vor dem Treffen durchsickerte, Fiat wolle bei einem Einstieg möglicherweise das Opel-Motorenwerk in Kaiserslautern schließen. Franz: "Das ist nicht die feine Art."
Marchionne komme es offenbar vor allem auf einen Technologietransfer von Opel zu Fiat an, sagt Franz. Der Fiat-Chef habe aber nicht die Frage beantworten können, wie die Marke Opel innerhalb eines möglichen Fiat-Chrysler-Opel-Konzerns positioniert werden solle. Opel müsste nach Ansicht des Betriebsrats preislich deutlich über der Einstiegsmarke Fiat angesiedelt sein.
Das Finanzierungskonzept von Fiat ist dem Opel-Betriebsrat auch nach dem Gespräch mit Marchionne "nicht klar". Franz gewann den Eindruck, dass der Fiat-Chef vor allem "beseelt ist von dem Gedanken, einen neuen Autokonzern zu schaffen, der zu den größten der Welt gehört". Die Unternehmensgröße sei aber, wie die Krise von General Motors zeige, nicht das entscheidende Erfolgskriterium.
Treffen mit Guttenberg
Fiat-Chef Marchionne hatte seine Pläne für Opel am Montag zuvor Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vorgestellt und traf sich anschließend mit dem Betriebsrat des angeschlagenen Autobauers und mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Sein Vorhaben ist ambitioniert: Fiat will zusammen mit Opel und Chrysler einen der größten Autokonzerne der Welt schaffen. Das italienische Unternehmen beabsichtigt, die drei traditionsreichen Autobauer zu einem einzigen Konzern zu verschmelzen.
Ohne Abstriche bei Opel dürfte der Zusammenschluss nicht funktionieren: Fiat will bei einem Einstieg in Deutschland offenbar nicht alle Werke erhalten. Das Konzept sehe "die eine oder andere Schließung in Europa" vor, sagte Guttenberg nach dem Gespräch mit Marchionne. Bedroht wäre vor allem das Motoren- und Komponentenwerk in Kaiserslautern mit rund 3300 Beschäftigten.
Dagegen soll die Marke Opel mit ihren drei deutschen Endmontagewerken in Rüsselsheim, Bochum und Eisenach erhalten bleiben. Unklar blieb, wie die ausländischen Standorte in Belgien, Polen, Spanien und England von den Plänen betroffen wären.
Fragen bei der Finanzierung
Weiter habe Fiat betont, nicht mit eigenen Schulden bei Opel einsteigen zu wollen, sagte Guttenberg. Der finanzielle Überbrückungsbedarf, der nach Schätzungen von Fiat europaweit auf fünf Milliarden bis sieben Milliarden Euro veranschlagt werde, würde sich aus den Schulden und Pensionsverbindlichkeiten der Opel-Mutter General Motors ergeben. Der Staat stehe dann gegebenenfalls mit Bürgschaften bereit. Eine direkte Beteiligung an Opel lehnte der Wirtschaftsminister weiter ab.
Entsprechend zurückhaltend reagierten die Beteiligten. "Ich habe diesen Plan entgegengenommen, und er wird einer entsprechenden Bewertung unterzogen werden", sagte Guttenberg. Das Konzept sei "interessant", es bringe ihn aber nicht dazu zu sagen, "so machen wir das".
SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier erklärte am Abend nach dem Treffen, jedes ernsthafte Konzept werde sorgfältig geprüft. Es gebe keine Vorfestlegung auf einen bestimmten Investor. Oberstes Ziel sei aber der langfristige Erhalt von Opel-Arbeitsplätzen inklusive aller Opel-Standorte in Deutschland. Bei dem Gespräch sei es auch um die Konsequenzen für die Opel-Standorte in Deutschland gegangen, erklärte Steinmeier. Einzelheiten nannte er nicht.
Empörung über Pläne für Kaiserslautern
Dagegen sorgte eine mögliche Schließung des Standortes in Kaiserslautern für offene Kritik: Der dortige Betriebsrat, Gewerkschaften und Politiker äußerten sich empört über die Fiat-Pläne. "Die Stimmung in der Belegschaft ist zornig", sagte der Betriebsratsvize Lothar Sorge. "Diese Forschheit habe ich Fiat nicht zugetraut."
Der rheinland-pfälzische DGB forderte den Erhalt der Kaiserslauterer Motoren- und Komponentenfertigung. "Das Werk ist ein wichtiger und integraler Bestandteil des Opel-Konzerns", sagte der DGB-Landesvorsitzende Dietmar Muscheid. Der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Hendrik Hering (SPD) nannte die Fiat-Pläne "inakzeptabel". "Es ist nicht hinzunehmen, wenn ein Einstieg von Fiat auf Kosten eines kompletten Opel-Standortes gehen soll", sagte Hering laut Mitteilung am Montag in Mainz.
Trotz der offenen Fragen setzen die Verantwortlichen bei Opel auf ein schnelles Ende der Investorensuche. Deutschland-Chef Hans Demant hofft "in absehbarer Zeit" auf eine Lösung. Man sei beim Aufbau einer neuen Organisation für Opel Europa bereits "ein ganzes Stück vorangekommen", sagte Demant bei einem Besuch im Opel-Werk Eisenach. Zu den potentiellen Investoren sagte der Manager, deren Konzepte würden jetzt durchgesprochen.
Opel ist durch die Krise beim US-Mutterkonzern General Motors in eine ernsthafte Krise geraten. Der von der Insolvenz bedrohte amerikanische Hersteller will sich von seinem Europa-Geschäft trennen. Neben Fiat interessiert sich auch der österreichisch-kanadische Zuliefererkonzern Magna für Opel.
Quelle : www.spiegel.de
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Verwirrung um Fiats Pläne für Opel: Konzernchef Marchionne hat sich jetzt doch zum Werk in Kaiserslautern bekannt. Alle vier Standorte sollen bleiben - aber Stellen gekürzt werden. Wirtschaftsminister Guttenberg hält es für möglich, dass noch im Mai über die Zukunft des Autobauers entschieden wird.
Berlin - Der italienische Autokonzern Fiat will bei einer Beteiligung an Opel doch alle vier deutschen Werke erhalten. "Wir wollen keines der vier Opel-Werke in Deutschland schließen", sagte Fiat-Chef Sergio Marchionne der "Bild"-Zeitung - am Montag hatte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg dagegen nach einem Gespräch mit Marchionne verkündet, die Italiener sähen einen "gewissen Konsolidierungsbedarf", was das Werk in Kaiserslautern betreffe.
Marchionne sagte dazu: "Ich brauche die Werke in der Zukunft, um genügend Autos zu bauen. Aber natürlich müssen die Belegschaften verkleinert werden." Das werde niemand ändern können. Die Werke müssten effizienter werden. Auf eine genaue Zahl zum Abbau von Arbeitsplätzen wollte sich der Fiat-Chef nicht festlegen: "Ich kann Ihnen heute aber noch nicht sagen, wie viele Mitarbeiter wir brauchen. Aber es werden weniger sein. Bitte vergessen Sie nicht: Der erste Rettungsplan von Opel selbst sah die Schließung von zwei Werken vor."
Zu den Bedenken des Opel-Betriebsrates und der Gewerkschaften zu einem möglichen Fiat-Einstieg sagte Marchionne: "Opel kann in seiner jetzigen Größe niemals Geld verdienen, und wenn man kein Geld verdient, kann man nicht überleben. Ich verstehe die Ängste der Gewerkschaften - aber so ist die Realität."
Befürchtungen, dass Fiat nur bei der bisherigen General-Motors-Tochter einsteigen will, um Gelder aus Staatsbürgschaften zu bekommen, wies Marchionne zurück. Fiat sei der einzige Autobauer in Europa, der bisher nicht um Staatshilfen gebeten habe. Zurzeit verbrenne Opel Geld, weswegen das Unternehmen um Staatshilfe gebeten habe. Deshalb müsse der Staat mit Bürgschaften einsteigen. "Das darf aber nicht zu lange dauern. Der Staat hat bei Opel auf Dauer nichts verloren. Wir müssen es ohne Steuergelder schaffen. Deshalb wollen wir die Bürgschaften in spätestens drei Jahren zurückzahlen."
Über den anderen Opel-Interessenten Magna sagte der Fiat-Chef, dieser wolle mit russischer Hilfe bei Opel einsteigen - und "wenn die deutsche Regierung das für eine gute Lösung hält, würde mich das überraschen". Fiats Plan sei ein echter europäischer Autokonzern, der weltweit erfolgreich sein werde. "Das macht Arbeitsplätze weltweit und in Deutschland zukunftssicher."
Das Konzept des italienischen Autobauers Fiat für Opel war in Deutschland mit Skepsis aufgenommen worden. Wesentliche Fragen seien offen geblieben, kritisierte Betriebsratschef Klaus Franz im Gespräch mit dem SPIEGEL. Verärgert hat ihn vor allem, dass vor dem Treffen durchsickerte, Fiat wolle bei einem Einstieg möglicherweise das Opel-Motorenwerk in Kaiserslautern schließen. Franz: "Das ist nicht die feine Art." Marchionne komme es offenbar vor allem auf einen Technologietransfer von Opel zu Fiat an - habe aber nicht die Frage beantworten können, wie die Marke Opel innerhalb eines möglichen Fiat-Chrysler-Opel-Konzerns positioniert werden solle.
Skeptische Reaktionen auch in der CDU
Der Bochumer Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel reagierte ebenfalls zurückhaltend. "Unsere Skepsis ist noch nicht ausgeräumt", sagte er der in Essen erscheinenden "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Dienstagsausgabe). Es blieben entscheidende Fragen ungeklärt. Der Betriebsrat kritisierte, dass der Fiat-Chef die Motorenfertigung in Kaiserslautern in Frage stelle. Von der Getriebeproduktion hingen auch in Bochum rund 600 Arbeitsplätze ab, warnte Einenkel.
Es werde sich zeigen, ob die Vorschläge tragfähig seien, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) der ARD und fügte hinzu : "Es gibt eine alte Erfahrung: Größe allein ist kein Wert." Vor allem der Nutzen der beabsichtigten Übernahme des US-Autobauers Chrysler durch Fiat sei ihm unklar. "Das war ja bisher, um es vorsichtig zu sagen, nicht die beste Adresse."
Über das Schicksal der Opel-Werke wird möglicherweise schon in wenigen Wochen entschieden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Beschluss noch im Mai fallen werde, sagte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) dem ZDF. Er lehnte eine Vorfestlegung erneut ab. Die Grundsatzentscheidung darüber, ob Opel von Fiat oder dem österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna übernommen werden solle, liege nun beim Opel-Mutterkonzern General Motors in den USA. Man müsse auch abwarten, was Magna nun vorlege.
Quelle : www.spiegel.de
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Der Kampf um Opel spitzt sich zu: Erstmals bestätigt auch der Zulieferer Magna offizielle Verhandlungen über einen Einstieg, allerdings nur als Minderheitsaktionär. Der Chef von Fiat kritisiert die Pläne des Mitbewerbers - und betont, das eigene Konzept werde langfristig mehr Arbeitsplätze sichern.
Aurora/Wien/Berlin - Magna legt in Sachen Opel nach: Der österreichisch-kanadische Autozulieferer hat Verhandlungen über einen Einstieg bei Opel bestätigt. Die Gespräche mit Opel, der US-amerikanischen Mutter General Motors (GM) und Behörden in Deutschland seien aufgenommen worden, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.
Es handele sich dabei um potentielle Alternativen für die "Zukunft von Opel, einschließlich der möglichen Übernahme einer Minderheitsbeteiligung an Opel durch Magna", hieß es weiter. Dass sich daraus eine Transaktion ergeben werde, könne nicht gewährleistet werden, schränkten die Verantwortlichen ein.
Erst am Montag hatte der italienische Autokonzern Fiat ein Grobkonzept für die Opel-Übernahme vorgelegt. Früheren Berichten zufolge will sich Magna mit russischer Hilfe bei dem Hersteller engagieren. So sollen der Autobauer Gaz und die Sberbank mit von der Partie sein.
Magna-Gründer Frank Stronach hatte vergangene Woche erklärt, er wolle Opel nicht als Abnehmer verlieren. Es sei im Interesse von Magna, dass es Opel gutgehe. "Wir haben ungefähr 1,5 Milliarden Dollar Barreserven auf der Bank", wurde Stronach zitiert. "Da können wir ruhig in ein Geschäft hinein gehen, ohne uns selbst zu gefährden."
Der Magna-Konzern, der nach eigenen Angaben etwa 70.000 Mitarbeiter in 25 Ländern beschäftigt, leidet allerdings selbst unter der aktuellen Wirtschaftskrise: In Österreich muss etwa ein Drittel der Angestellten ein Jahr lang auf bis zu 20 Prozent des Gehalts verzichten. Diesem Schritt habe die Mehrheit der Belegschaft zugestimmt, teilte das Unternehmen am Montag mit. Magna hat bereits 5000 der 11.000 österreichischen Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, weil die Nachfrage von Seiten der Automobilkonzerne deutlich zurückgegangen ist.
Fiat will alle deutschen Opel-Standorte erhalten
Die Bundesregierung hofft auf eine schnelle Lösung für Opel. "Die Entscheidung sollte jetzt nicht auf ewig hinausgeschoben werden", sagte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am Montagabend im ZDF. Mit Blick auf die Fiat-Pläne erklärte Guttenberg, die Angebote der Interessenten sollten genau geprüft und nicht schon von vornherein verdammt werden. Vorfestlegungen der Regierung gebe es keine. Nun müsse auch Magna noch mehr Einzelheiten zu seinen Vorstellungen nennen, betonte Guttenberg in einem anderen Interview in der ARD.
Fiat hat seine Offerte unterdessen konkretisiert. Der italienische Hersteller will alle vier deutschen Opel-Standorte nach einer möglichen Fusion erhalten. Der "Bild"-Zeitung sagte Fiat-Chef Marchionne: "Wir wollen keines der vier Opel-Werke in Deutschland schließen. Ich brauche die Werke in der Zukunft, um genügend Autos zu bauen. Aber natürlich müssen die Belegschaften verkleinert werden. Das wird niemand ändern können." Die Werke müssten effizienter werden.
Noch nach dem Treffen am Montag hatte Wirtschaftsminister Guttenberg erklärt, das Komponentenwerk in Kaiserslautern könnte bei einem Einstieg "negativ betroffen" sein. Die Italiener hätten lediglich den Erhalt der Montagestandorte in Bochum, Eisenach und Rüsselsheim zugesichert. Auch das Überleben der Marke Opel sei zugesagt worden.
"Opel verbrennt derzeit Geld"
Auf eine genaue Zahl beim Abbau von Arbeitsplätzen wollte sich der Fiat-Chef Marchionne nicht festlegen: "Ich kann Ihnen heute aber noch nicht sagen, wie viele Mitarbeiter wir brauchen. Aber es werden weniger sein. Bitte vergessen Sie nicht: Der erste Rettungsplan von Opel selbst sah die Schließung von zwei Werken vor."
Zu den Bedenken des Opel-Betriebsrates und der Gewerkschaften zu einem möglichen Fiat-Einstieg sagte Marchionne: "Opel kann in seiner jetzigen Größe niemals Geld verdienen und wenn man kein Geld verdient, kann man nicht überleben. Ich verstehe die Ängste der Gewerkschaften - aber so ist die Realität."
Bei der Übernahme setzt Marchionne auf staatliche Finanzhilfe: "Opel verbrennt derzeit Geld, deswegen haben sie um Staatshilfe gebeten. Deshalb muss der Staat mit Bürgschaften einsteigen. Das darf aber nicht zu lange dauern. Der Staat hat bei Opel auf Dauer nichts verloren. Wir müssen es ohne Steuergelder schaffen. Deshalb wollen wir die Bürgschaften in spätestens drei Jahren zurückzahlen", sagte der Fiat-Chef.
Auch zum Konkurrenten Magna äußerte sich der Manager: Dieser wolle mit russischer Hilfe bei Opel einsteigen. "Wenn die deutsche Regierung das für eine gute Lösung hält, würde mich das überraschen." Fiats Plan sei ein echter europäischer Autokonzern, der weltweit erfolgreich sein werde. "Das macht Arbeitsplätze weltweit und in Deutschland zukunftssicher."
Quelle : www.spiegel.de
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Werke in Italien und England sollen geschlossen werden, aber Opel käme glimpflich davon: Mit dem Einsparszenario "Project Football" bereitet sich Fiat auf die Zeit nach einer möglichen GM-Europe-Übernahme vor. Die Bundesregierung nennt die Planungen "veraltet", doch Autoexperten finden sie plausibel.
Berlin - Man kann Fiat-Chef Sergio Marchionne nicht vorwerfen, er habe seine Pläne zur Übernahme von Opel nicht gründlich durchdacht. 103 Seiten umfasst der Plan namens "Project Football", der der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vorliegt. Auch die "Süddeutsche Zeitung" berichtete von den Plänen.
Zwar folgte den Berichten der Zeitungen umgehend ein Dementi: Die beschriebenen Stellenstreichungen und Werksschließungen seien nicht Teil des Planes. Auch das Bundeswirtschaftsministerium beeilte sich, die Nachricht zu relativieren. "Das Modell (...) stammt von Anfang April und ist insofern nicht mehr aktuell", sagte Ministeriumssprecher Steffen Moritz am Mittwoch in Berlin. Es sei auch nicht Gegenstand der Gespräche des Fiat-Vorstandsvorsitzenden Sergio Marchionne mit Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am Montag gewesen.
Schlechte Nachrichten für die Belegschaft
Experten aber gehen trotzdem davon aus, dass bei einer Übernahme des Opel-Konzerns Einschnitte unvermeidlich sind - auch für Fiat. Denn der Konzern hätte dann weltweite Überkapazitäten von 25 bis 30 Prozent. "Das Dementi sagt wenig aus", sagt ein Insider. "Wenn man es genau nimmt, wäre es sogar richtig, wenn der Plan von externen Beratern stammt."
Doch egal, von wem der detaillierte Plan letztlich stammt: Für die Belegschaft des künftigen Gesamtkonzerns enthält er bestürzende Nachrichten. Fünf Autofabriken sollen geschlossen werden, dazu fünf Werke, in denen Motoren und Getriebe gefertigt werden. Rund 18.000 Arbeitsplätze sollen wegfallen. Die Neuordnung werde zu Einsparungen von insgesamt 282 Millionen Euro führen, schreibt die Zeitung.
Die deutschen Opel-Werker können allerdings zunächst aufatmen. Die Standorte Rüsselsheim, Bochum und Kaiserslautern kommen in den Planungen vergleichsweise glimpflich davon, müssen aber mit der Schließung der Motoren- und Getriebefertigung rechnen. An allen drei Standorten werden zusammen wohl 3600 Arbeiter ihren Job verlieren. Eisenach soll ganz ungeschoren bleiben.
"Alle GM-Standorte liegen gleichauf"
Die Hauptlast der Einsparungen würden dagegen die Standorte der Opel-Schwestergesellschaft Vauxhall in Großbritannien und Fiat-Fabriken in Italien tragen, wo insgesamt mehr als 12.000 Arbeitsplätze bedroht sind.
Kommentieren will die Pläne bei Opel natürlich niemand. Ein Sprecher weist lediglich darauf hin, dass die Produktivität der einzelnen Fabriken nicht der ausschlaggebende Faktor für eventuelle Schließungsentscheidungen sein kann. "Was das Leistungsniveau betrifft, liegen die GM-Standorte in Europa praktisch gleichauf."
Willi Diez, Direktor des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft, vermutet denn auch andere Gründe, die hinter den Planungen stecken könnten: "Produktivität ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht nur eine Kenngröße, die eine Rolle spielt", gibt der Experte zu bedenken. Ein wichtiger Punkt sei auch, ob die Komponenten oder Autos, die in den betreffenden Standorten gefertigt werden, überhaupt noch gebraucht würden und wenn, wo sie stattdessen produziert werden könnten. Auch die sogenannte Marktnähe spiele eine Rolle.
Fiat auch in Italien unter Druck
Warum dann aber ausgerechnet die britischen Vauxhall-Standorte Luton und Ellsmere Port von der Schließung bedroht sind, bleibt unklar. Denn die Modelle der Opel-Schwester belegen in ihrem Heimatmarkt regelmäßig Top-Plazierungen in der Zulassungsstatistik.
Bleibt also der politische Faktor: "Die Planer werden sich überlegt haben, wo im Falle einer Schließung mit welchem Widerstand von Politikern und Gewerkschaften zu rechnen ist", erklärt Diez vorsichtig. "Das wird sicherlich in die Rechnung mit einbezogen. Am Ende entscheidet aber die Gesamtkalkulation."
Der Experte weist allerdings auf ein wichtiges Statement hin, das auch aus den Planungen herauszulesen ist: Danach sieht Fiat ebenso die Schließung zweier eigener Standorte in Süditalien vor, der mehr als 6000 Stellen zum Opfer fallen würden.
Die Entscheidung wird Marchionne auch gegenüber der Regierung in Rom vertreten müssen, der er eine Menge Geld schuldet. "Das belegt, dass Fiat für die Allianz eine Menge in die Waagschale zu werfen bereit ist", vermutet Diez. "Die These, Fiat wolle sich auf Kosten von Opel sanieren, dürfte damit nur noch schwer aufrechtzuerhalten sein."
Quelle : www.spiegel.de
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Der Sportwagenhersteller Porsche strebt statt einer Übernahme von Volkswagen jetzt eine Fusion mit dem Wolfsburger Unternehmen an. Die Familiengesellschafter von Porsche hätten sich für die Schaffung eines integrierten Automobilkonzerns ausgesprochen, erklärte ein Sprecher in Stuttgart.
Dabei sollen zehn Marken unter einer einheitlichen Führungsgesellschaft operieren.
Die Eigenständigkeit aller Marken soll gewahrt bleiben. Zuvor hatten die Familien Porsche und Piëch in Salzburg über die Zukunft des Stuttgarter Sportwagenbauers Porsche und Volkswagens beraten. Porsche hält an dem größten europäischen Autohersteller knapp 51 Prozent der Anteile.
Quelle : www.spiegel.de
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Es sollte die Übernahme des Jahrzehnts werden: Porsche wollte den 15 Mal größeren VW-Konzern schlucken. Doch jetzt muss Vorstandschef Wiedeking seinen Plan aufgeben - wegen Finanzierungsproblemen reicht es nur noch zur Fusion der beiden Unternehmen. Die Zukunft des Spitzenmanagers ist offen.
Hamburg - Es war ein Kampf David gegen Goliath. Doch diesmal hat David verloren: Die geplante Übernahme von Volkswagen durch Porsche ist gescheitert. Die Hauptaktionäre des Sportwagenbauers, die Familien Porsche und Piëch, haben sich am Mittwochabend darauf verständigt, die Übernahme nicht mehr weiter zu betreiben. Stattdessen streben sie nun eine Fusion der beiden Unternehmen an. Für Porsche-Chef Wendelin Wiedeking ist das eine herbe Niederlage.
Der Manager hatte einen fast unglaublichen Plan. Er wollte mit Porsche den 15 Mal größeren VW-Konzern schlucken - und fast hätte er sein Ziel erreicht. Doch nun sollen beide Unternehmen nach dem Willen der Porsche-Eigentümerfamilien gleichberechtigt zusammengehen. Porsche wird im neuen Gesamtkonzern nur noch eine von zehn Marken sein, neben Namen wie Seat oder Skoda.
Mehr als zwei Jahre zog sich der Übernahmekampf hin. Nun soll alles ganz schnell gehen: Innerhalb von vier Wochen soll das Konzept für die Fusion stehen. So haben es die Familien Piëch und Porsche entschieden.
Dabei sah das Drehbuch ursprünglich ganz anders aus: Porsche, der Angreifer, auf der einen Seite. Volkswagen, das vermeintliche Opfer, auf der anderen. Durch nichts wollten sich die Schwaben aufhalten lassen. Nicht durch den VW-Großaktionär Niedersachsen, dessen Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sich im Dauerclinch mit Porsche befindet. Und nicht durch den mächtigen VW-Betriebsrat, der massiv gegen die bevorstehende Porsche-Regentschaft opponiert hatte.
Die Zuffenhausener schienen unendlich stark: Porsche, oft als Mittelständler verspottet, stand kurz davor, den Dax-Giganten Volkswagen zu beherrschen. Möglich werden sollte der Kauf durch ein ausgeklügeltes Finanzierungsmodell, das Porsche-Chef Wiedeking und sein Finanzvorstand Holger Härter entwickelt hatten. Mit Optionsgeschäften sicherten sie sich die knappe Mehrheit an Volkswagen.
Porsches Plan war kühn - doch die Rechnung ging nicht auf
Der Aktienkurs der Wolfsburger schoss im vergangenen Jahr - angeregt durch die Übernahmephantasie - in die Höhe. Zeitweise war VW das wertvollste Unternehmen der Welt. Allein dadurch konnte Porsche enorme Gewinne einfahren - während Hedgefonds und andere Spekulanten, die auf fallende Kurse gewettet hatten, Millionen, wenn nicht gar Milliarden verloren.
Doch am Ende ging die Rechnung nicht auf. Etwas mehr als 50 Prozent der VW-Anteile konnte Porsche erwerben. Das ursprüngliche Ziel - 75 Prozent - erreichte Wiedeking dagegen nicht.
Hat sich Wiedeking übernommen? Ist Porsche gar mit Schaeffler zu vergleichen, dem Autozulieferer, der ebenfalls einen größeren Konkurrenten - Continental - schlucken wollte und nun Staatshilfe braucht? Oder hat Wiedeking einfach nur Pech gehabt? Sind es widrige Umstände, die Porsche ausgebremst haben?
Fest steht: Porsche musste gigantische Kredite aufnehmen, um seine VW-Aktien kaufen zu können. Anfangs stellten die Banken bereitwillig Geld zur Verfügung. Doch dann kam die Finanzkrise. Für den Sportwagenbauer wurde es immer schwieriger, die Kreditlinien zu verlängern - und die Zinsen wurden immer höher. Aktuell steht das Unternehmen mit neun Milliarden Euro in der Kreide.
Nach SPIEGEL-Informationen müssen die Zuffenhausener binnen weniger Monate neue Finanzierungsmöglichkeiten finden.Das Porsche-Management hat deshalb eine spektakuläre Kehrtwende vollzogen. Wiedeking selbst sei nun - ebenso wie die Eigentümerfamilien - für eine Fusion mit Volkswagen, heißt es. Keine Rede mehr von einer Übernahme.
Wer im neuen Konzern das Sagen haben wird, ist noch offen. So steht nicht fest, ob das Unternehmen seinen Sitz in Stuttgart oder in Wolfsburg haben wird. Doch eines ist klar: Porsche als Koch und Volkswagen als Kellner - das wird es nicht geben.
Volkswagen begrüßte denn auch die Entscheidung der Porsche-Eigentümerfamilien. In der Arbeitsgruppe, die nun das Konzept der Fusion erstellen soll, übernehmen die Wolfsburger einen wichtigen Part. Auch das Land Niedersachsen soll eingebunden werden, ebenso wie die Arbeitnehmervertreter. So hatte sich das Wiedeking ursprünglich nicht vorgestellt.
Und noch eine Niederlage muss der einst gefeierte Spitzenmanager einstecken: Dem Vernehmen nach braucht der neue Gesamtkonzern eine Kapitalerhöhung. Mit dem frischen Geld sollen die milliardenschweren Porsche-Schulden getilgt werden.
Die nötigen Summen könnten vor allem aus zwei Quellen kommen: Zum einen von den Familien Porsche und Piëch - sie müssen wohl ihre privaten Ersparnisse einbringen. Zum anderen muss vermutlich ein externer Investor her, zumindest mittelfristig. Immer wieder war gemunkelt worden, ein arabischer Staatsfonds könnte bei Porsche einsteigen. Zuletzt brachte sich das Emirat Katar als Retter ins Spiel. Für die Scheichs hat Porsche einen äußerst wohlklingenden Namen: Die Luxusmarke weckt im arabischen Raum weitaus größeres Interesse als beispielsweise Opel.
Doch wer auch immer Porsche/Volkswagen beispringen wird - eines steht fest: Jeder neue Investor wird die Anteile der Altaktionäre verwässern. Wenn das Gleichgewicht erhalten bleiben soll, müssen nicht nur die Familien Porsche und Piëch Geld zuschießen. Auch Niedersachsen wäre in der Pflicht. Andernfalls würde der Aktienanteil des Landes unter die bisherigen 20 Prozent sinken. Die vom - ohnehin umstrittenen - VW-Gesetz garantierte Sperrminorität ließe sich dann kaum noch rechtfertigen. Ein Szenario, das sich Ministerpräsident Wulf kaum wünschen kann.
Der große Verlierer heißt jedoch Wiedeking. Die VW-Übernahme war seine Idee, das Scheitern ist jetzt untrennbar mit seinem Namen verbunden.
Wiedeking war 1992 an die Porsche-Spitze gerückt. Mit einem drastischen Sparkurs brachte er den damals schwer angeschlagenen Autohersteller auf Vordermann. Sein persönliches Jahreseinkommen wurde zuletzt auf bis zu 60 Millionen Euro geschätzt - Rekord unter deutschen Managern.
Piech - die entscheidende Macht
Doch im Kampf um Volkswagen machte Wiedeking nicht immer eine gute Figur. Die Wolfsburger stießen sich an seiner auftrumpfenden Art. Dass ein vergleichsweise kleines Unternehmen Europas größten Autokonzern übernehmen wollte, empfanden viele als anmaßend. Für die VW-Mitarbeiter wurde Wiedeking zur Hassfigur, als er seine Pläne zur Entmachtung des Betriebsrats vorlegte.
Deutlich besser kommt Ferdinand Piëch mit den Arbeitnehmervertretern zurecht. Der 72-Jährige gilt als der Strippenzieher im Hintergrund. Ist Wiedeking der Verlierer, so ist Piëch der Gewinner der nun angestrebten Lösung. Er war früher selbst VW-Vorstandschef, außerdem ist er Porsche-Miteigentümer. Piëch kennt beide Unternehmen bestens. Die geplante Fusion dürfte er eingefädelt haben, seit Jahren träumt er davon, aus Volkswagen ein riesiges Autoimperium zu machen. Im neuen Gesamtkonzern wird er vermutlich die entscheidende Macht darstellen.
Wie es dagegen mit Wiedeking weiter geht, ist noch nicht geklärt. Im Gesamtkonzern Volkswagen/Porsche dürfte er einen schweren Stand haben.
Immerhin einen Erfolg hat er aus Porsche-Sicht erzielt: Eine Gegenübernahme des Sportwagengeschäfts durch Volkswagen, über die zuletzt spekuliert worden war, ist offenbar vom Tisch. In diesem Punkt hat sich Porsche-Aktionär Wolfgang Porsche gegen seinen Cousin Piëch durchgesetzt. Mit der Fusion beider Unternehmen ist der Schein der Gleichberechtigung gewahrt, zumindest nach außen.
So gesehen kommt Wiedeking mit einem blauen Auge davon. Aber ob das reicht, um sich als Spitzenmanager zu halten? Verglichen mit der geplanten VW-Übernahme ist eine Fusion unter Gleichen eben doch weniger.
Quelle : www.spiegel.de
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Für die Opel-Mutter General Motors wird es eng: Einem Zeitungsbericht zufolge spielt die Bundesregierung bereits Pleite-Szenarien für den Autokonzern durch. Sollte Fiat das GM-Europageschäft mit den Marken Opel und Saab übernehmen, drohen offenbar weniger Werkschließungen als befürchtet.
Hamburg/Düsseldorf/New York - Wenn General Motors (GM) am Donnerstag seine Zahlen für das erste Quartal vorlegt, dürfte einmal mehr von Verlusten und Einbußen die Rede sein. Der existenzbedrohte US-Autobauer hat zum Jahresauftakt laut Experten erneut tief rote Zahlen geschrieben. Unter dem Strich wird ein Minus von rund sieben Milliarden Dollar befürchtet - der achte Quartalsverlust in Folge. Der GM-Umsatz dürfte sich in den ersten drei Monaten auf rund 20 Milliarden Dollar mehr als halbiert haben, schätzen Analysten.
Angesichts solcher Werte schwinden die Hoffnungen, dass der malade Konzern noch eine Insolvenz vermeiden kann. Insgesamt will GM mit dem bereits dritten Sanierungsplan Schulden von rund 44 Milliarden Dollar abbauen. Ein Ultimatum von US-Präsident Barack Obama für den Autobauer läuft Ende Mai ab. Noch diese Woche will Konzernchef Fritz Henderson mit der Gewerkschaft die Gespräche über weitere Einschnitte vorantreiben.
Doch in Deutschland bereitet man sich offenbar bereits auf die Insolvenz des Opel-Mutterkonzerns vor. Die Bundesregierung arbeitet laut "Financial Times Deutschland" (FTD) an einem Krisenszenario für den Fall einer Pleite. Der Plan sehe auch "kurzfristige Liquiditätshilfen" für Opel vor, um den Betrieb des Autobauers aufrecht zu halten, berichtet das Blatt unter Berufung auf Regierungskreise. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sei in Abstimmung mit dem Kanzleramt und dem Bundesfinanzministerium mit dem Vorhaben befasst.
Die Bundesregierung rechne intern mittlerweile fest damit, dass GM Ende Mai oder Anfang Juni Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts beantragen werde, heißt weiter. Damit wird ermöglicht, den Betrieb aufrecht zu erhalten und zu sanieren, ohne die Forderungen der Gläubiger bedienen.
Berlin habe bisher dem Vernehmen nach keinen Überblick über die möglichen Auswirkungen einer GM-Insolvenz für Opel. Als sicher gelte jedoch, dass die Rettung der europäischen Konzerntöchter dadurch erheblich erschwert würde. Allerdings dürften auch schnelle Finanzspritzen für Opel Probleme bringen. Diese dürfe der Bund insolventen Firmen eigentlich nicht gewähren. "Das Beste, was wir bis Ende Mai realistisch mit GM erreichen können, ist ein Letter of Intent oder ein verbindliches Angebot für Opel", zitierte die "FTD" Regierungskreise.
Fiat will weniger Werke schließen
Damit richten sich die Blicke einmal mehr auf mögliche Investoren für Opel. Bislang haben der italienische Hersteller Fiat und der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna Interesse am GM-Europageschäft bekundet.
Fiat plant bei einer Übernahme laut "FTD" weniger Werkschließungen als zunächst angepeilt. Nach den Plänen der Italiener sollten ein Werk in England und ein Werk in Polen geschlossen werden, sagte der Unternehmensberater Roland Berger, der im Verwaltungsrat des Opel-Interessenten sitzt und in die Gespräche involviert ist, der Zeitung. Offenbar geht es dabei um die Standorte Luton und Tychy.
Das deutsche Autoteile-Werk Kaiserslautern solle dagegen nicht geschlossen werden, betonte Berger. Fiat plane, den neuen Verbund aus Fiats Autosparte, GM Europa und dem Chrysler-Anteil innerhalb von drei Jahren an die Börse zu bringen, erklärte der Unternehmensberater.
Nach Informationen des "Handelsblatts" will Fiat auch zwei eigene Fabriken schließen: Eine in Norditalien und eine in Süditalien. Die Werke in Rüsselsheim und Bochum sollten verkleinert werden, hieß es. Kleiner werden sollen dem Bericht zufolge auch die GM-Werke in Saragossa (Spanien), Trollhättan (Schweden) und Antwerpen (Belgien). Die Opel-Zentrale bleibe in Rüsselsheim.
Die Fiat-Pläne seien Teil des am Montag vorgelegten Konzepts "Project Phoenix", schreiben die beiden Zeitungen. Das sei das Papier, das Fiat-Chef Sergio Marchionne der Bundesregierung vorgelegt habe. Der vorherige Plan "Project Football" habe die Schließung von zehn Werken in Europa vorgesehen (siehe Fotostrecke). Fiat hatte zuvor eine solche Dimension zurückgewiesen.
Die Italiener bekräftigten am Mittwoch auch das Interesse an der schwedischen GM-Tochter Saab. Dies sei eine interessante Gelegenheit, sagte Marchionne der Wirtschaftsagentur Bloomberg. Der Fiat-Chef kündigte in dem Interview zudem an, er werde den Plänen zufolge künftig auch Chrysler-Chef sein. Fiat will mit dem GM-Europageschäft rund um Opel sowie dem insolventen amerikanischen Autobauer Chrysler einen der größten Hersteller der Welt bilden.
Magna konkretisiert Angebot
Auch der zweite Opel-Interessent Magna bringt sich in Stellung: Im Verbund mit Opel ließen sich "sowohl Plattformen als auch wesentliche Module" miteinander teilen, sagte der Vize-Chef des österreichisch-kanadischen Zulieferers, Siegfried Wolf, am Mittwoch.
Auch Magna hat laut "Süddeutsche Zeitung" ein Konzept für ein mögliches Opel-Bündnis vorgelegt. Es gebe intensive Gespräche mit Magna und russischen Investoren, berichtet das Blatt unter Berufung auf Unternehmenskreise. Bei den russischen Interessenten handele es sich um den Autobauer Gaz und das staatliche russische Geldinstitut Sberbank. Opel-Management und -Betriebsrat seien dem Vernehmen nach angetan von dem Magna-Konzept. Opel gab dazu keine Stellungnahme ab.
Quelle : www.spiegel.de
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Fiat legt nach. Im Fall einer Übernahme will Konzernchef Sergio Marchionne für die Schulden von Opel und die Rentenansprüche der Mitarbeiter einstehen - und General Motors auch das Geschäft in Südafrika und Südamerika abnehmen.
Mailand - Fiat ist offenbar bereit, Verbindlichkeiten des Rüsselheimer Autobauers zu übernehmen. Rentenansprüche und Schulden von Opel könnten übernommen werden, sagte Konzernchef Sergio Marchionne dem "Economist": "Ich biete der deutschen Regierung ein Autogeschäft an, das praktisch schuldenfrei ist."
Außerdem stellte er einen zügigen Ausbau gemeinsamer Produktionsplattformen in Aussicht. Diese könnten bis 2012 etabliert sein. Marchionne will aus Fiat, Opel und dem insolventen US-Autokonzern Chrysler einen neuen Marktführer in Europa schmieden, stößt damit aber vor allem bei den Arbeitnehmervertretern der deutschen General-Motors-Tochter auf Widerstand.
Die Italiener haben bereits einen Plan ausgearbeitet, um das Europageschäft zu sanieren. Dieser Plan sieht auch Werksschließungen vor. Die deutschen Standorte sollen dabei aber vergleichsweise glimpflich davonkommen.
Nach Informationen der "New York Times" waren Fiat und GM aber noch weit von einer Einigung entfernt. GM strebt dem Bericht zufolge einen Anteil von 30 Prozent an Fiat an. Die Italiener seien nur bereit, im Gegenzug für den Erwerb von Opel zehn Prozent der Anteile an GM abzugeben.
Fiat will GM-Geschäft in Südafrika und Südamerika
Neben Opel und Saab will Fiat auch das General-Motors-Geschäft in Südafrika und Südamerika übernehmen. Das sehe das Konzept vor, dass der Konzern dem Bundeswirtschaftsministerium übergeben hätten, berichtet das "Handelsblatt", dem das 46-seitige Schreiben nach eigenen Angaben vorliegt.
Die Marken des neuen Weltkonzerns sollten nach dem Konzept des Fiat-Chefs jedoch weitgehend unabhängig geführt werden. Demnach würde die Führung der Marke Opel weiter im hessischen Rüsselsheim verbleiben, während Saab aus Schweden und die italienischen Marken aus Turin geführt würden.
Der neue Weltkonzern, den Fiat mit seiner Autosparte, mit der Beteiligung am US-Autobauer Chrysler und mit Opel schmieden will, wäre damit laut der Zeitung noch größer als bekannt. Fiat habe in dem Konzept das Synergienpotential auf 1,4 Milliarden Euro geschätzt. Marchionne hatte in der Öffentlichkeit bisher lediglich eine Zahl von einer Milliarde Euro genannt.
General Motors drückt aufs Tempo
Unterdessen drückt General Motors aufs Tempo. Noch im Mai soll ein Partner für das Europa-Geschäft um Opel gefunden werden. US-Präsident Barack Obama hat GM für einen endgültigen Sanierungsplan eine Frist bis Ende Mai gesetzt. Andernfalls droht eine Insolvenz als letzter Rettungsweg wie derzeit beim Wettbewerber Chrysler.
GM hoffe, noch im Laufe des Mai eine Vereinbarung zu haben, sagte Finanzchef Ray Young. Er machte außerdem klar, dass GM wegen der in den USA erhaltenen milliardenschweren Staatshilfen kein Geld zur Unterstützung des Europa-Geschäfts geben könne.
Am Donnerstag gab General Motors einen verheerenden Verlust von sechs Milliarden Dollar im ersten Quartal bekannt. Opel-Betriebsrat Klaus Franz warf General Motors Bilanzakrobatik vor - Teile des Verlusts seien von den USA nach Europa abgeschoben worden. Wegen der drohenden GM-Insolvenz hat auch Opel Interesse daran, schnellstmöglich einen Investor zu finden.
Fiat kennt Opel-Zahlen noch nicht
Nach einem Pressebericht hat Fiat noch keinen Einblick in die Bücher von Opel erhalten. Es habe bisher noch keine Gespräche zwischen Fiat-Chef Sergio Marchionne und der GM-Spitze gegeben, schreibt die "Rheinische Post" unter Berufung auf Unternehmensinsider. Entsprechend sei bisher auch kein Geheimhaltungsvertrag abgeschlossen worden, und Fiat habe deswegen die Opel-Zahlen noch nicht prüfen dürfen.
Am Freitag soll sich Marchionne mit Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) treffen. Wie Regierungssprecher Dirk Metz am Donnerstag in Dubai erklärte, hat Koch bereits Gespräche mit dem kanadischen Autozulieferer Magna geführt, der ebenfalls an einem Einstieg bei Opel interessiert ist. Vor diesem Hintergrund sei es ein Gebot der Fairness, auch mit dem italienischen Autobauer zu reden.
Nicht bestätigen wollte Metz einen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", wonach das Treffen am Freitag stattfinden soll. Zu Terminen und Einzelheiten werde man sich nicht äußern. Der hessische Regierungschef befindet sich derzeit auf einer Delegationsreise durch mehrere arabische Länder und wird am Freitag zurück erwartet.
Marchionne wird Chrysler-Chef
Bei dem schwerangeschlagenen Autobauer Chrysler ist nach Angaben der US-Regierung eine "chirurgische Insolvenz" geplant, die 30 bis 60 Tage dauern soll. In dieser Frist soll das Unternehmen von Altschulden befreit und restrukturiert werden.
An dem insolventen US-Autobauer will Fiat 20 Prozent übernehmen - die Führung des Unternehmens will Fiat-Chef Marchionne dann persönlich übernehmen. Wie ein Fiat-Sprecher am Donnerstag bestätigte, wird Marchionne zum Vorstandschef von Chrysler aufrücken, sobald das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist. Chrysler-Chef Bob Nardelli hatte bereits angekündigt, nach Abschluss der Insolvenz seinen Posten zu räumen.
Quelle : www.spiegel.de
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Export, Industrie, Börse: Die Zeichen für ein Ende des Absturzes mehren sich, die Bodenbildung der Krisenkurve scheint erreicht. Aber heißt das wirklich, dass sich die Konjunktur erholt? Ökonomen fürchten eine lange L-Rezession - ein Dümpeln der Wirtschaft auf niedrigem Niveau.
Hamburg - Der Mai hat für die Wirtschaft passabel begonnen. Eine Branche nach der anderen legte ihre Zahlen vor, erst der Maschinenbau, dann die Industrie, schließlich die Exporteure. Die Kernaussage war immer die gleiche: Wirklich gut geht es den Unternehmen nicht, aber der freie Fall scheint gestoppt. Ökonomen hoffen nun auf eine Bodenbildung der Krisenkurve - also ein Ende des Abschwungs. "Das Schlimmste liegt hinter uns", sagt Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Aufwärts geht es mit der Konjunktur noch lange nicht. Bisher hat sich der Abwärtstrend lediglich verlangsamt. Aber es gibt Grund zur Hoffnung. Denn gleich mehrere Nachrichten ließen in den vergangenen Tagen aufhorchen:
* Die Erzeugung im produzierenden Gewerbe hat sich im März stabilisiert: Im Vergleich zum Vormonat ist sie nicht weiter gesunken. Im Februar hatte die Branche noch ein Minus von 3,4 Prozent gemeldet.
* Die Exporteure verzeichnen ein leichtes Plus. Nachdem die Ausfuhren monatelang geschwächelt hatten, legten sie im März im Vergleich zum Vormonat zu.
* Der deutsche Mittelstand ist wieder optimistischer. Laut KfW-Barometer beurteilten die Unternehmen ihre Lage im April etwas besser - zum ersten Mal seit elf Monaten.
* Die Industrie meldet erstmals seit einem halben Jahr wieder mehr Auftragseingänge. Im März erhielten die Unternehmen 3,3 Prozent mehr Bestellungen als im Februar.
* In den USA beantragen weniger Personen Arbeitslosenhilfe. In der vergangenen Woche lag die Zahl bei 601.000 - in der Vorwoche waren es noch 635.000 gewesen.
* Auch die Stimmung unter den US-Konsumenten hebt sich. Das Verbrauchervertrauen ist im April deutlich gestiegen, die Einzelhandelsumsätze bleiben trotz hoher Arbeitslosigkeit stabil.
* Der Immobilienmarkt in den USA scheint die Talsohle erreicht zu haben. Nach einer monatelangen Flaute nimmt die Zahl der Hausverkäufe zu.
* In China zieht die Konjunktur wieder an, zumindest nach Schätzung von unabhängigen Experten. Demnach war das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2008 um lediglich ein bis zwei Prozent gewachsen - im ersten Quartal 2009 dagegen wuchs es um beachtliche fünf Prozent.
* Die lädierte Wirtschaft in Indien gewinnt an Fahrt. Seit Jahresbeginn investierten ausländische Anleger 1,9 Milliarden Dollar an der Börse - im vergangenen Jahr hatten sie noch 13 Milliarden Dollar abgezogen.
* Auch der Chef der US-Notenbank verbreitet Zuversicht: Ben Bernanke sagte Anfang der Woche, er erwarte noch vor Ende des Jahres einen leichten Konjunkturaufschwung.
* An der Börse entwickeln sich die Aktienkurse äußerst freundlich. Dax und Dow Jones legten in den vergangenen Wochen gut 30 Prozent zu, der deutsche Leitindex nähert sich bereits der 5000-Punkte-Marke.
Vor allem der letzte Punkt gibt Anlass zu Optimismus. Denn in der Regel nimmt die Börse Entwicklungen vorweg, die der Realwirtschaft erst noch bevorstehen. Das bedeutet: Nach dem Kursfeuerwerk an den Aktienmärkten könnten auch die Umsätze der Unternehmen steigen.
"An allen Ecken und Enden sieht man jetzt, dass die Weltwirtschaft nicht weiter abstürzt", sagt Dirk Schumacher, Chefvolkswirt von Goldman Sachs, in der "Financial Times Deutschland". Und Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America, ergänzt: "Es ist gut möglich, dass es nach dem Absturz zur Jahreswende positive Überraschungen gibt." Allerdings zitiert die Zeitung ebenso viele Konzernchefs, die Anzeichen für eine Erholung sehen, wie solche, die an eine lange Rezession glauben.
Fest steht: Ein veritabler Aufschwung ist nicht in Sicht. Allenfalls verlangsamt sich der Abschwung. Beispiel Maschinenbau: Im März schwächte sich die Talfahrt der Branche leicht ab. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sanken die Auftragseingänge "nur" um 35 Prozent. Dies ist nicht ganz so dramatisch wie im Februar, als die Bestellungen um 49 Prozent eingebrochen waren. Es ist aber immer noch ein herbes Minus.
Das Gleiche gilt für das produzierende Gewerbe. Hier hat sich die Entwicklung im Vergleich zum Vormonat ebenfalls stabilisiert - gegenüber dem Vorjahresmonat beträgt das Minus aber immer noch dicke 20,4 Prozent. Ebenso ist es in der deutschen Exportwirtschaft: Die Umsätze im März legten nur im Vergleich zum Vormonat zu. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum fallen die Zahlen katastrophal aus.
"Von einem Aufschwung kann man bei weitem nicht sprechen", erklärt Dreger vom DIW. "Aber wir könnten uns in der Nähe des Bodens befinden." Mit anderen Worten: Die Talsohle ist erreicht, mehr aber auch nicht.
Ökonomen sprechen von einer sogenannten L-Rezession. Erst geht es steil bergab - und dann dümpelt die Konjunktur vor sich hin. Anders als bei einer U- oder V-Rezession ist kein Wachstum in Sicht. "Den Absturz haben wir wohl hinter uns", sagt Dreger. "Aber jetzt bleiben wir auf diesem Niveau."
Immerhin: Im Vergleich zu den vergangenen Monaten ist das schon eine Verbesserung. Nach Berechnungen des DIW ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal um rund drei Prozent geschrumpft. Für das zweite Quartal rechnen die Forscher mit einem Minus von 0,9 Prozent. Und im dritten Quartal dürfte die Konjunktur die Nulllinie erreichen. "Wir erwarten eine gewisse Beruhigung", erläutert Dreger.
Wirklich ausgestanden ist die Krise damit nicht. Zu viele Fragen bleiben offen: Was passiert, wenn sich bei den Banken neue Milliardenlöcher auftun? Wie reagieren die Märkte, wenn die Konjunkturprogramme auslaufen? Bricht beispielsweise der Autoabsatz ein, wenn der Staat die Abwrackprämie nicht mehr zahlt? Und was ist, wenn die Unternehmen trotz Niedrigzinsen nicht investieren? Droht der Volkswirtschaft gar eine Deflation, also eine Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und Löhnen?
Letzte Hoffnung: die Weltwirtschaft
Der Internationale Währungsfonds bleibt deshalb pessimistisch. Die Organisation erwartet, dass die Rezession in Deutschland auch 2010 anhält. Die führenden Forschungsinstitute und die Bundesregierung sind kaum zuversichtlicher. Sie rechnen erst Ende des Jahres mit einer Erholung, im kommenden Jahr könnte die Wirtschaft dann minimal wachsen.
Die größte Sorge bereitet Volkswirten jedoch der Arbeitsmarkt. Hier steht das Schlimmste noch bevor. Bisher können sich die Betriebe mit Kurzarbeit über Wasser halten. Doch wenn die Produktion auf ihrem niedrigen Niveau verharrt, werden die Firmen Mitarbeiter entlassen. "Die Unternehmen versuchen, ihre Beschäftigten zu halten. Aber irgendwann geht das nicht mehr", sagt ein Sprecher des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI). Auch DIW-Experte Dreger warnt: "Die Arbeitslosigkeit wird im zweiten Halbjahr zunehmen." Die Bundesbürger sehen das ähnlich. Laut einer GfK-Umfrage fürchten immer mehr Deutsche um ihren Job.
Einzige Rettung: Die Konjunktur müsste doch noch in Schwung kommen. Die Chance besteht, wenn die Weltwirtschaft wider Erwarten anzieht - dann wären die deutschen Exporteure gut im Geschäft. Vor allem der Maschinenbau könnte seine Produktion rasch hochfahren, sagt Ökonom Dreger. "Die Branche ist dank ihrer mittelständischen Struktur flexibel." International gefragt seien insbesondere Energietechnik und energiesparende Technologien. "Da kann Deutschland richtig auftrumpfen."
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Lichtblick für die Belegschaft bei Opel: Das Stammwerk bekommt mitten in der Autokrise einen Auftrag zum Bau von zehntausend Pkw der Marke Buick. Der Mutterkonzern GM versucht mit aller Kraft, die Insolvenz zu vermeiden - und plant deswegen, Teile der Produktion zu verlagern.
New York - 130.000 Fahrzeuge weniger könnten es sein: Der von der Insolvenz bedrohte Autobauer General Motors (GM) will angeblich Teile seiner Produktion aus Europa in billigere Länder in Asien und Lateinamerika verlagern. Bislang werden rund 130.000 Fahrzeuge für den US-Heimatmarkt in Europa, Kanada und Australien produziert - sollen dort aber künftig nicht mehr vom Band laufen. Das berichtete die Zeitung "Detroit News" unter Berufung auf interne GM-Dokumente. GM vertreibt in den USA derzeit etwa unter der Marke Saturn das in Europa gefertigte Opel-Modell Astra.
Die Überlegung ist Teil eines umfassenden Sanierungsprogramms, mit dem der Konzern seine Insolvenz verhindern und weitere Finanzhilfen vom amerikanischen Staat bekommen will. GM-Chef Fritz Henderson will an diesem Montag über den neuesten Stand seiner Sanierungspläne informieren. GM muss nach einem Ultimatum von US-Präsident Barack Obama bis Ende Mai einen erfolgversprechenden Rettungsplan vorlegen. Sonst droht wie beim Wettbewerber Chrysler die Insolvenz.
Opel aber profitiert erst einmal von dem Umbau: Weil das US-Werk in Fairfax nicht schnell genug auf das Mittelklassemodell umgestellt werden kann, soll am Stammsitz in Rüsselsheim die US-Ausgabe des Mittelklassewagen Insignia vom Band laufen. Das bestätigte ein Konzernsprecher am Montag. Von einer Produktionsverlagerung auf andere GM-Standorte in Billiglohnländern könne da keine Rede sein, sagte Betriebsratschef Klaus Franz.
Während Franz zuvor allerdings von einem Produktionsanlauf nach den Werksferien im Sommer gesprochen hatte , nannte der Opel-Sprecher den Zeitraum 2010 bis 2011. Auch die Zahl von 70.000 Stück bestätigte das Unternehmen zunächst nicht.
Die Rüsselsheimer Fabrik ist derzeit mit einem Zweischichtbetrieb auf rund 180.000 Fahrzeuge im Jahr ausgelegt. Dort arbeiten rund 5600 Menschen. Für den Insignia liegen nach Werksangaben in Europa bereits mehr als 100.000 Bestellungen vor.
Auf Druck der US-Regierung treibt GM gleichzeitig den Umbau des Verwaltungsrats voran. Mindestens die Hälfte der zwölf Mitglieder des Aufsichtsgremiums sollen demnach ausgetauscht werden. Auf Drängen der Regierung habe der Autobauer für die Kandidatensuche eine externe Personalberatung engagiert, berichtete das "Wall Street Journal" am Montag.
Der jüngste Sanierungsplan von GM sieht eine mehrheitliche Verstaatlichung vor, weiterer Großaktionär soll die Gewerkschaft UAW werden. In einem neuen Verwaltungsrat, der bis Sommer komplett sein soll, würden beide ihre Vertreter bekommen, so die Zeitung. Für den Plan benötigt GM aber unter anderem noch eine Einigung mit seinen Gläubigern.
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) stellt sich allerdings auf eine Insolvenz des schwer angeschlagenen Opel-Mutterkonzerns ein. In diesem Fall denke er "über ein Modell nach, bei dem die GM-Anteile an Opel vorübergehend einem Treuhänder übergeben werden", sagte Guttenberg dem SPIEGEL.
Der Treuhänder würde die Interessen von Gläubigern und Schuldnern wahren. "Gleichzeitig könnte ein Bankenkonsortium dem Unternehmen in dieser Zeit Überbrückungshilfen gewähren", sagte der Minister. So wäre der Bestand der Firma gesichert, bis eine endgültige Einigung herbeigeführt worden ist.
Eine Beteiligung des Staates an Opel lehnte Guttenberg erneut ab. "Das funktioniert betriebswirtschaftlich nicht und würde für die Steuerzahler zu einem Milliardengrab", sagte er im SPIEGEL. Scharf kritisierte er das Verhalten von GM gegenüber Opel. "Ehrlich gesagt, haben wir uns auch schon gewundert, wie schnell sich die Zahlen aus Detroit ändern können."
Zuvor hatte Opel-Betriebsratschef Klaus Franz den Mutterkonzern beschuldigt, einen Teil seiner Verluste in Europa abgeladen zu haben. Die Europatochter GM Europe machte im ersten Quartal einen Vorsteuerverlust von zwei Milliarden Dollar (1,5 Milliarden Euro). Daraufhin kritisierte Franz, GM habe neben den Umstrukturierungskosten für die schwedische Tochter Saab auch noch weltweite Entwicklungsaufwendungen nachträglich mit 400 Millionen Dollar sowie Währungsverluste mit weiteren 400 Millionen Dollar bei der Europa-Tochter geltend gemacht.
Quelle : www.spiegel.de
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Notruf aus Detroit: Eine Insolvenz von General Motors wird immer wahrscheinlicher - bei der Rettung von Opel müsse deshalb die Bundesregierung helfen, verlangt Konzernchef Henderson. Im Gegenzug soll Berlin bei der Auswahl des Käufers für die deutschen Werke mit entscheiden.
Detroit/Rüsselsheim - General Motors (GM) hat bei der Opel-Rettung Staatsunterstützung aus Deutschland gefordert: Die Bundesregierung müsse bei der Finanzierung helfen, erklärte GM-Chef Fritz Henderson am Montag. Bereits bei der Vorlage des Sanierungsplans des Opel-Managements Ende Februar hatte GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster erklärt, Opel brauche für seine Zukunft "erhebliche finanzielle Mittel". Forster bezifferte den Bedarf damals auf 3,3 Milliarden Euro.
GM kämpft derzeit gegen eine drohende Pleite. Die US-Regierung hat das Unternehmen bislang mit mehr als 15 Milliarden Dollar Staatshilfe gestützt. US-Präsident Barack Obama hat dem Konzern eine Frist bis zum 1. Juni gesetzt, um einen schlüssigen Sanierungsplan vorzulegen. Andernfalls müsste der Autobauer, der im ersten Quartal einen Verlust von sechs Milliarden Dollar erlitt, wie Rivale Chrysler den Gang in die Insolvenz antreten.
Henderson dämpfte die Hoffnung, wonach sich eine Pleite vermeiden lasse könnte: "Die Insolvenz wird wahrscheinlicher", auch wenn es immer noch Hoffnung gebe, dass es doch nicht zur Zahlungsunfähigkeit komme.
Derzeit sucht GM Abnehmer für seine Auslandssparten. Über die Zukunft des Europageschäfts wolle der Konzern laut Henderson kurz vor Ende des Monats entscheiden. Für Opel interessieren sich der italienische Hersteller Fiat und der kanadisch-österreichische Zulieferer Magna. Für die bereits insolvente schwedische Marke Saab sollen nach Agenturberichten noch zwei bis drei Interessenten im Rennen sein.
Henderson erklärte, er wolle sich bei Suche nach einem Opel-Partner eng mit der Großen Koalition abstimmen. Es komme darauf an, dass ein Investor auf Zustimmung bei der Bundesregierung stoße. "Wir stellen sicher, dass der Partner, den wir aussuchen, auch ihnen gefällt", sagte Henderson.
GM-Auftrag für Opel
Vorerst allerdings planen die Amerikaner noch mit Opel. Die Deutschen erhalten einen Großauftrag aus Detroit. Nach den Werksferien im Sommer soll im Stammwerk Rüsselsheim die US-Ausgabe des Mittelklassewagen "Insignia" vom Band laufen, wie Betriebsratschef Klaus Franz sagte. Geplant seien 70.000 Exemplare des "Buick LaCrosse" innerhalb von zwei Jahren. Ein Opel-Sprecher nannte für den Auftrag dagegen den Zeitraum 2010 bis 2011. Auch die Zahl von 70.000 Stück bestätigte das Unternehmen zunächst nicht.
Die Rüsselsheimer Fabrik ist derzeit mit einem Zweischichtbetrieb auf rund 180.000 Fahrzeuge im Jahr ausgelegt. Dort arbeiten rund 5600 Menschen. Für den Insignia liegen nach Werksangaben in Europa bereits mehr als 100.000 Bestellungen vor. Opel übernehme die Produktion des Buick, weil das in den USA vorgesehene Werk Fairfax noch nicht auf das neue Modell umgestellt sei. Von einer Produktionsverlagerung auf GM-Standorte in Billiglohnländern könne da keine Rede sein, sagte Franz.
Zuvor hatten US-Medien berichtet, GM wolle Teile seiner für den US-Heimatmarkt bestimmten Produktion aus Kanada, Europa und Australien in billigere Länder in Asien und Lateinamerika verlagern. Es gehe um ein Volumen von rund 130.000 Fahrzeugen, berichtete die Zeitung "Detroit News" unter Berufung auf interne GM-Dokumente.
Opel-Treuhänder findet Unterstützer
Gewerkschafter Franz zeigte sich zudem offen für Vorschläge von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), die europäischen Teile des GM-Konzerns bei einem Treuhänder zu parken. "Mir wäre zwar der direkte Einstieg des Staates lieber, aber bei einem zu großen Widerstand ist auch das ein guter Vorschlag", sagte Franz. Er stehe jeder Lösung positiv gegenüber, die dafür sorge, dass das neue europäische Unternehmen juristisch korrekt aufgestellt werde. Ein temporärer Einstieg des Staates ohne die Hilfskonstruktion einer Treuhand wäre aber besser.
Franz rechnet weiterhin damit, dass GM in die Insolvenz nach US-Recht gehen wird. Bis dahin solle zumindest eine grundsätzliche Übereinkunft mit einem neuen Investor unter Dach und Fach sein. "Wer ernsthaft Interesse an Opel hat, muss das in den nächsten zwei, drei Wochen beweisen."
Quelle : www.spiegel.de
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Die Führungskräfte des angeschlagenen US-Autobauers General Motors flüchten aus ihren Beteiligungen an dem Konzern. Mehrere GM-Topmanager haben eigene Aktien verkauft - kurz nachdem Vorstandschef Henderson vor einer Insolvenz gewarnt hatte.
New York/Detroit - General Motors (GM) droht die Insolvenz. Jetzt haben mehrere Topmanager des US-Autobauers die Gelegenheit genutzt und eigene GM-Aktien für insgesamt 315.000 Dollar verkauft. Das geht aus einer Pflichtmitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC hervor.
Insgesamt veräußerten sechs Manager seit Freitag mehr als 200.000 GM-Papiere zu einem Preis zwischen 1,45 und 1,61 Dollar. Zu den genannten Führungskräften zählt unter anderem der scheidende GM-Vizechef Bob Lutz, der jetzt als Berater für den Konzern aktiv ist. Lutz trennte sich demnach von Anteilen für rund 131.000 Dollar und liquidierte damit seine GM-Beteiligung vollständig.
Lutz' Nachfolger Thomas Stephens, Nordamerika-Chef Troy Clarke, Chief Information Officer Ralph Szygenda und Produktionsvorstand Gary Cowger wurden ebenso genannt wie GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster, der auch für die Deutschland-Tochter Opel verantwortlich ist. Forster trennte sich dabei ebenso wie Lutz von seinen letzten Anteilen.
GM will sich nach seinem jüngsten Sanierungsplan mehrheitlich verstaatlichen lassen. Die bisherigen Aktionäre würden durch diesen Plan praktisch leer ausgehen, denn die Papiere werden durch die Aktion drastisch in ihrem Wert sinken. Eine GM-Sprecherin beteuerte, die Verkäufe seien vor diesem Hintergrund zu sehen und kein Beleg für mangelndes Vertrauen in das Unternehmen.
Die GM-Aktie schloss am Montag mit einem Verlust von fast elf Prozent bei 1,44 Dollar. Zuvor hatte GM-Chef Fritz Henderson eine Insolvenz als nun noch wahrscheinlicher bezeichnet - er selbst wurde in der Pflichtmitteilung nicht als Aktienverkäufer genannt.
GM-Chef warnt vor Insolvenz
Der GM-Chef sagte im Detail, die noch zu lösenden Aufgaben in dem Autokonzern seien so gewaltig, dass man ein Konkursverfahren in Betracht ziehen müsse. Es gebe aber immer noch die Hoffnung, dies vor dem Ablauf der von der Regierung gesetzten Frist am 1. Juni zu vermeiden.
General Motors hat nur noch zwei Wochen Zeit, um ein Sanierungskonzept vorzulegen. Das Unternehmen hat in den USA bislang 15,4 Milliarden Dollar an staatlichen Notkrediten erhalten.
Man betrachte die finanzielle Situation Land für Land, sagte Henderson weiter. Ein Konkursverfahren in den USA müsse nicht notwendigerweise die gleiche Konsequenz an allen internationalen Standorten haben. Henderson lehnte eine Stellungnahme zu Berichten ab, wonach Fiat an einer 80-prozentigen Beteiligung an den Unternehmungen in Europa interessiert sein soll. Er sagte lediglich, jede Neukonstruktion müsse den Interessen beider Partner Genüge tun.
Ford auf Kapitalsuche
GM kämpft wie die US-Wettbewerber Ford und Chrysler mit sinkenden Absätzen und zu hohen Kosten. Chrysler hat bereits Zahlungsunfähigkeit angemeldet.
Ford, der dritte der ehemals als "Big Three" gefeierten Konzerne, kommt zwar bislang ohne staatliche Hilfe aus. Dennoch reagiert auch dieser Hersteller jetzt auf seine schwierige Finanzsituation. Der US-Autobauer will 300 Millionen Stammaktien verkaufen und mit dem Erlös offene Forderungen der Gewerkschaften für einen Gesundheitsfonds begleichen. Der Konzern rechnet nach Angaben vom Montag außerdem damit, von den federführenden Banken Citigroup, Goldman Sachs, JPMorgan und Morgan Stanley eine Option von 30 Tagen zu erhalten, um bis zu 45 Millionen Stammaktien zu kaufen. Ford will so Kapital für einen von den Gewerkschaften kontrollierten Gesundheitsfonds auftreiben. Die Hälfte der eingesammelten Gelder will der zweitgrößte US-Autokonzern in Aktien auszahlen, um sein Barvermögen zu schonen. Das Vorhaben bedarf in dieser Woche aber noch der Zustimmung der Anteilseigner.
Quelle : www.spiegel.de
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Opel kämpft gegen den Untergang: Im Ringen um eine Zukunft für den angeschlagenen Autobauer könnte es zu einer Treuhandlösung kommen. In diesem Fall aber bräuchte der Konzern Finanzhilfe in Milliardenhöhe vom Staat - und einen Treuhänder. Dafür ist offenbar auch die KfW im Gespräch.
Berlin/Frankfurt - Für Opel wird die Zeit knapp: Angesichts der drohenden Pleite des US-Mutterkonzerns General Motors (GM) suchen Management und Bundesregierung fieberhaft nach einer Rettung für den Hersteller. Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, richten sich die Hoffnungen laut Presseberichten zusehends auf eine Treuhandlösung und ein finanzielles Engagement von Staatsbanken.
Der Treuhänder würde die Interessen von Gläubigern und Schuldnern wahren. "Gleichzeitig könnte ein Bankenkonsortium dem Unternehmen in dieser Zeit Überbrückungshilfen gewähren", hatte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg dem SPIEGEL gesagt. So wäre der Bestand der Firma gesichert, bis eine endgültige Einigung herbeigeführt worden ist.
In diesem Fall benötigt Opel einen Milliardenbetrag. "Wenn es zu der Treuhandlösung kommt, die das Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagen hat, dann wäre dies mit einer Kreditlinie verbunden. Die Summe müsste oberhalb von einer Milliarde Euro liegen", sagte GM-Europachef Carl-Peter Forster der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Bund und Länder wollen den Autobauer laut "Financial Times Deutschland" (FTD) dann vorübergehend über ihre staatlichen Banken finanzieren. Im Gespräch sei ein Engagement der KfW und der Landesbanken der Länder, in denen Opel Standorte hat (siehe Übersicht unten), berichtet das Blatt unter Berufung auf Regierungskreise.
Da private Geldhäuser offenbar abgewunken haben, sollen nun öffentliche Banken die Zwischenfinanzierung der europäischen GM-Aktivitäten sicherstellen, schreibt die Zeitung weiter. Im Rahmen der geplanten Treuhandlösung würden die Banken dem Autobauer Kredite zur Verfügung stellen, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Als Treuhänder kommt nach Angaben aus der Regierung entweder eine Beratungsgesellschaft wie PwC oder die KfW selbst in Frage.
Spitzentreffen in Sachen Opel
Die Regierung steht unter Zeitdruck, weil ab Ende Mai mit einer Insolvenz von General Motors gerechnet werden muss. Angesichts der zunehmenden Sorgen um die Zukunft von Opel plant die Bundesregierung am Donnerstag ein Spitzengespräch. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa nehmen an dem Treffen neben Wirtschaftsminister zu Guttenberg auch Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, Vize-Kanzler Frank-Walter Steinmeier, Finanzminister Peer Steinbrück und Arbeitsminister Olaf Scholz teil.
GM wird mit Milliardensummen von der US-Regierung gestützt und muss Washington bis Ende Mai einen erfolgversprechenden Rettungsplan vorlegen. Sonst droht die Pleite. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Opel-Interessenten bis dahin tragfähige Konzepte präsentieren. Zu den möglichen Käufern zählen neben Fiat auch der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna sowie mehrere Finanzinvestoren.
Das Wirtschaftsministerium habe den Firmen, die an einem Opel-Kauf interessiert sind, nun eine Frist bis nächste Woche gesetzt, berichtet die "FTD". "Am 20. Mai läuft die Frist ab", sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person. "Bis dahin müssen alle Interessenten offiziell ihre Angebote abgeben."
Ein Sprecher der Bundesregierung wies unterdessen am Mittwoch einen Bericht zurück, wonach bei dem Opel-Gipfel bereits eine vorübergehende Verstaatlichung von Opel beschlossen werden solle. Wie das "Handelsblatt" berichtet, wäre das die bevorzugte Lösung aus Sicht von General Motors. Der Mutterkonzern dränge die Bundesregierung, Opel besser direkt zu verstaatlichen, berichtet die Zeitung.
Quelle : www.spiegel.de
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Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), zuständig für die Auszahlung der Abwrackprämie für alte Pkw von jeweils 2500 Euro, hat den in einigen Auto-Foren geäußerten Spekulationen widersprochen, die Behörde würde bei der Vergabe von rund 120.000 Reservierungsbescheiden aus der Startphase des Online-Antragsverfahrens ab 30. März nicht immer in der Reihenfolge der Anmeldung vorgehen. Holger Beutel vom Leitungsstab der BAFA-Pressestelle erklärte auf Nachfrage von heise Autos: "Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle geht vielmehr streng nach der Reihenfolge des Antragseingangs vor, um eine möglichst effektive und faire Bearbeitung zu gewährleisten."
In der chaotischen Startphase des Online-Reservierungsverfahrens hatten zahlreiche Antragsteller Probleme, ihre Daten überhaupt vollständig zur Behörde zu übermitteln, außerdem kam es bei etwa 7000 Anträgen vom 30. März zu Verwechslungen bei den Datensätzen. Auf diese Datenpanne habe das BAFA aber mittlerweile reagiert, erläuterte Beutel und die von der Betroffenen aufgefordert, eine neue Reservierung vorzunehmen – wobei jedoch der ursprüngliche Reservierungszeitpunkt maßgeblich bleibe, sodass diese Antragsteller keine Nachteile zu befürchten hätten.
Darüberhinaus sind nach Auskunft der Behörde bei einigen späteren Reservierungen aus dem Nummernbereich 1.000.000 bis circa 1.280.000 Verarbeitungsprobleme aufgetreten, sodass diesen Antragstellern noch keine Reservierungsbescheide zugeschickt worden seien. Dies soll laut BAFA nun innerhalb der kommenden zwei Wochen nachgeholt werden. Antragsteller aus dem genannten Nummernbereich, die nach ihrer Online-Reservierung eine automatische Eingangsbestätigung per E-Mail, aber noch keinen Reservierungsbescheid vom BAFA erhalten haben, bräuchten sich also keine Sorgen zu machen: "Die automatische elektronische Eingangsbestätigung bietet dem Antragsteller eine Gewähr dafür, dass der Online-Reservierungsantrag hier eingegangen ist", bekräftigte Holger Beutel gegenüber heise Autos.
Inzwischen hat das BAFA nach eigenen Angaben den größten Teil der ersten 600.000 Zuwendungs- und Reservierungsbescheide bereits versandt. Die letzten Bescheide für die knapp 480.000 Antragsteller nach dem ursprünglichen Verfahren, die ihre Unterlagen per Post eingereicht haben, sollen spätestens Ende Juni verschickt werden. Auch ein Großteil der ersten 120.000 Antragsteller, die sich die Abwrackprämie dem Chaos zum Trotz online reservieren konnten, haben ihre Reservierungsbescheide bereits erhalten, teilte das BAFA gegenüber heise Autos mit. Derzeit würden Prämien zu je 2500 Euro täglich an eine fünfstellige Zahl Antragsteller ausbezahlt.
Damit ist die Zuteilung der zunächst bewilligten 1,5 Milliarden Euro der offiziell Umweltprämie getauften Fördermaßnahme fast abgeschlossen. Die übrigen, bis zu zwei Millionen möglichen Aspiranten, die ihre Prämie aus den von der Bundesregierung zusätzlich versprochenen Mittel von 3,5 Milliarden Euro müssen allerdings so lange auf den Abwrackbonus warten, bis ein entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen ist. Nach dpa-Informationen aus der Großen Koalition soll der Bundestag am 29. Mai die Gesetzgebung abschließen, der Bundesrat soll um eine verkürzte Frist gebeten werden. Im Gespräch ist eine Sitzung am 12. Juni, regulär käme die Länderkammer erst am 10. Juli wieder zusammen. Erst nach der Zustimmung des Bundesrats kann das BAFA mit Auszahlungen aus dem zweiten Prämientopf beginnen.
Quelle : www.heise.de
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Einigung in der Bundesregierung: Die Große Koalition plant laut Wirtschaftsminister Guttenberg ein Treuhandmodell für Opel. Die Zwischenlösung soll allen Seiten Zeit für weitere Verhandlungen mit Investoren verschaffen - Fiat und Magna sollen endgültige Übernahmekonzepte binnen einer Woche vorlegen.
Berlin - Die Bundesregierung setzt zur Rettung von Opel auf eine Zwischenlösung. Der schwer angeschlagene Autohersteller soll vorübergehend von einem Treuhänder verwaltet werden. Dies sei möglicherweise nötig für den Fall einer Insolvenz des US-Mutterkonzerns General Motors, sagte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Donnerstag nach einem Krisentreffen der Regierung.
Das Treuhand-Modell soll weitere Gespräche mit interessierten Investor ermöglichen. Dabei gehe es nicht um einen Einstieg des Staates, betonte Guttenberg. Voraussetzung für ein Treuhand-Modell sei, dass es bereits tragfähige Konzepte der potentiellen Investoren gebe. Über dieses Vorgehen bestehe zwischen Union und SPD in der Großen Koalition Konsens.
Guttenberg zufolge werden die beiden bisher aussichtsreichsten Opel-Interessenten - der italienische Fiat-Konzern und der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna - ihre jeweiligen Konzepte weiter verfeinern. Bis kommenden Mittwoch sollen sie ihre Pläne vorlegen.
Falls sich diese Konzepte als solide erweisen sollten, "könnte ein Treuhandmodell durchaus eine tragfähige Lösung sein", sagte Guttenberg. In dem Gespräch, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilnahm, habe völlige Übereinstimmung mit dem Koalitionspartner über diese denkbare Lösung geherrscht.
Das Treuhandmodell werde bereits jetzt mit der amerikanischen Seite verhandelt, sagte Guttenberg. Ein solcher Schritt hätte das Ziel, "dass die Verhandlungen fortgeführt werden können und zum zweiten, dass keine Steuergelder verschleudert werden".
Der Wirtschaftsminister hatte bereits am Wochenende erklärt, er erwäge, GMs Opel-Anteile im Fall einer Insolvenz vorübergehend einem Treuhänder zu übergeben. Gleichzeitig könne ein Bankenkonsortium dem Unternehmen in dieser Zeit Überbrückungshilfen gewähren. So wäre der Bestand der Firma bis zu einer endgültigen Einigung gesichert.
Russischer Interessent GAZ muss Banken Bericht erstatten
Probleme könnte es möglicherweise beim Interessenten Magna geben. Das Unternehmen will gemeinsam mit dem russischen Autobauer GAZ bei Opel einsteigen. GAZ bekommt auf seinem Heimatmarkt jedoch Schwierigkeiten. Laut der Moskauer Wirtschaftszeitung "Wedomosti" ist die GAZ-Gruppe mit rund 40 Milliarden Rubel (917,2 Millionen Euro) verschuldet.
Nun soll sie ihren Gläubigerbanken Bericht erstatten über die Kooperationspläne mit Opel. GAZ müsse seine Vorhaben in Deutschland offenlegen, bevor ein Teil der Verbindlichkeiten umgeschuldet werde, berichtet die Zeitung unter Berufung auf eine der beteiligten Banken.
GAZ will nach eigenen Angaben gemeinsam mit Opel und Magna Personenwagen in Russland herstellen. Es gebe aber bislang keine Pläne für einen Einstieg bei Opel, sagte ein GAZ-Sprecher Anfang Mai.
Der traditionelle russische Autobauer gilt selber als Sanierungsfall. Der Mehrheitseigner Oleg Deripaska, einer der reichsten russischen Oligarchen, hatte die Regierung um eine Finanzhilfe von umgerechnet 230 Millionen Euro zur Abfindung von Kreditoren ersucht. Die größten GAZ-Gläubiger - Sberbank, Gazprombank und VTB Bank - hätten sich bereits grundsätzlich bereit erklärt ihre Kredite umzuschulden, schreibt die Zeitung.
Magna hatte die Absicht bekundet, 19,9 Prozent der Opel-Anteile zu übernehmen. Andere Anteilseigner sollten laut einem Konzept, das Magna in Kürze vorlegen will, die GAZ-Gruppe gemeinsam mit Russlands größtem Geldhaus Sberbank mit 30,1 Prozent sowie General Motors mit bis zu 40 Prozent sein. Die Sberbank verweigert bislang jeden Kommentar.
Quelle : www.spiegel.de
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Die weltweite Wirtschaftskrise hat Deutschland im ersten Quartal voll erfasst: Das Bruttoinlandsprodukt ist gegenüber dem Vorquartal um 3,8 Prozent gesunken, stärker als erwartet - ein größeres Minus gab es noch nie seit Erhebung der Daten.
Berlin - Die deutsche Wirtschaft ist zu Jahresbeginn regelrecht abgestürzt. Das Bruttoinlandsprodukt sank im ersten Quartal um 3,8 Prozent verglichen mit dem Vorquartal. Dies teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Ein größeres Minus hat es seit Einführung der Quartalsvergleiche 1970 noch nicht gegeben.
Der Rückgang fiel zudem deutlicher aus als erwartet: 45 Ökonomen, die von der Nachrichtenagentur Reuters befragt worden waren, hatten lediglich einen Rückgang um drei Prozent vorausgesagt. Das Bruttoinlandsprodukt drückt den Wert aller in Deutschland erwirtschafteten Waren und Dienstleistungen aus und gilt als die wichtigste ökonomische Kennziffer.
"Der Einbruch ist Folge deutlich gesunkener Exporte und Investitionen", sagte ein Mitarbeiter des Statistischen Bundesamts. Die privaten und staatlichen Konsumausgaben hätten dagegen leicht zugelegt und ein noch schlechteres Ergebnis verhindert. Details will das Bundesamt am 26. Mai nennen.
Die Wirtschaftsleistung sank damit bereits das vierte Quartal in Folge. Ende 2008 hatte es ein Minus von 2,2 Prozent gegeben, in den beiden Vierteljahren davor war es um jeweils 0,5 Prozent nach unten gegangen (siehe Tabelle).
(http://img38.imageshack.us/img38/2575/tabelle.jpg)
Die Bundesregierung und die führenden Wirtschaftsinstitute rechnen für das Gesamtjahr 2009 mit einem Minus von sechs Prozent. Das wäre der stärkste Einbruch seit Gründung der Bundesrepublik. Ursache dafür ist die globale Wirtschaftskrise, unter der Exportweltmeister Deutschland besonders leidet.
Besonders heftig ist auch der Vergleich mit dem Vorjahresquartal: Hier fiel die Wirtschaftsleistung zu Jahresbeginn sogar um 6,7 Prozent zurück. Kalenderbereinigt - also unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Zahl von Arbeitstagen - lag das Minus bei 6,9 Prozent. Volkswirte hatten hier lediglich ein Minus von 6,2 Prozent erwartet. Insgesamt wurde die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal von 39,9 Millionen Erwerbstätigen erbracht, das waren 0,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Im verarbeitenden Gewerbe hat sich der Beschäftigungsrückgang allerdings fortgesetzt. Im März ging die Zahl der Beschäftigten um ein Prozent auf gut 5,1 Millionen Personen zurück, wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilte. Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden nahm im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat trotz drei zusätzlicher Arbeitstage nur um 1,9 Prozent auf 669 Millionen zu. Die Bruttolohn- und -gehaltssumme sank um 5,1 Prozent auf 16,6 Milliarden Euro.
Quelle : www.spiegel.de
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Alle Regeln helfen nichts: Laut einem Pressebericht mischen sich Politiker massiv in die Vergabe von Finanzhilfen aus dem Krisenfonds ein - und wollen damit die strengen Kriterien aushebeln. Für Kritik sorgt vor allem der Fall Arcandor.
Düsseldorf - Wer etwas will, wendet sich erst einmal an die Politik: Die meisten Anträge von Unternehmen auf Staatsgelder würden "mit einem Empfehlungsschreiben von Politikern eingereicht", zitierte das "Handelsblatt" aus Regierungskreisen. Demnach setzen sich Politiker aller Parteien aktiv für die Berücksichtigung einzelner Unternehmen ein.
In einem Fall hätten sich Politiker sogar für ein Unternehmen eingesetzt, dessen Antrag vorher von der KfW-Bankengruppe bereits abgelehnt worden sei. Der Kreditantrag solle noch einmal aufgerollt werden, hatten Landespolitiker gefordert, schreibt das "Handelsblatt". Bei dem Unternehmen handele es sich um den rheinland-pfälzischen Autozulieferer Aksys.
Der Autozulieferer aus Worms mit 1900 Mitarbeitern soll bei der KfW einen Antrag auf Mittel im zweistelligen Millionenbereich aus dem Kreditprogramm gestellt haben. Die KfW habe diesen aber "nach intensiver Prüfung" abgelehnt.
"Mehrere Politiker aus Bayern, darunter auch Mitglieder der Landesregierung, wehrten sich gegen den Befund der KfW und setzten sich beim Bundeswirtschaftsministerium für eine nochmalige Prüfung des Falls ein", schreibt die Zeitung. Hintergrund des Falls sei, dass Aksys auch in Bayern vier Standorte hat. Ziel der Intervention sei es gewesen, den abgelehnten Kreditantrag vom Lenkungsausschuss des Wirtschaftsfonds aus besonderem öffentlichem Interesse nachträglich genehmigen zu lassen. Das Gremium wolle sich jetzt tatsächlich mit dem umstrittenen Fall befassen, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Walther Otremba der Zeitung.
Experten sehen Kriterien nicht erfüllt
Für ähnliche Aufregung sorgen auch mögliche Hilfen für den kriselnden Karstadt-Mutterkonzern Arcandor: Der Konzern brauche Bürgschaften in Höhe von 650 Millionen Euro. Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick habe seine Rettungspläne schon mit der Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums besprochen, schreibt das "Handelsblatt".
Und das, obwohl der Handelskonzern nach Einschätzung von Experten die wichtigsten Bedingungen für die Vergabe einer Bundesbürgschaft nicht erfüllt. So befände sich das Unternehmen keineswegs erst seit Anfang Juli 2008 in finanzieller Schieflage. Arcandor habe schon vor der Krise in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt und sich nur durch den Verkauf von Tafelsilber wie etwa Immobilien in den schwarzen Zahlen gehalten.
In der Politik wächst deshalb der Widerstand gegen die Hilfe. Arcandor sei "ein Fall von Missmanagement und kein Notfallkandidat" für den Wirtschaftsfonds Deutschland, sagte CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs. SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider sagte der Zeitung, auch er sehe "keinen Grund", warum der Staat Arcandor helfen solle. "Wenn ein Unternehmen die Kriterien nicht erfüllt, darf es kein Staatsgeld geben", sagte Schneider.
Arcandor und Aksys zeigten, wie konkret die Gefahr des Missbrauchs der 100 Milliarden Euro Rettungshilfen sei, schreibt das "Handelsblatt" weiter. Bei der Gründung des Fonds hatte sich die Bundesregierung verpflichtet, die Vergabe der Staatsgelder an feste Kriterien zu knüpfen. "Wenn es tatsächlich zu rein politisch motivierten Zusagen für Staatshilfen kommt, ist der gesamte Wirtschaftsfonds desavouiert", warnte der Zeitung zufolge ein führendes Regierungsmitglied.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Chancen für eine Rettung von Opel schwinden: Der Mutterkonzern General Motors steht vor der Insolvenz, den deutschen Autobauer könnte dasselbe Schicksal treffen. Das Krisenmanagement von Wirtschaftsminister Guttenberg gerät immer stärker in die Kritik - jetzt will das Kanzleramt eingreifen.
Berlin - Der Unwille war ihm deutlich anzumerken: Natürlich liege die Federführung bei den Verhandlungen über die Zukunft von Opel weiterhin beim Bundeswirtschaftsministerium, betonte Regierungssprecher Thomas Steg auf der wöchentlichen Pressekonferenz der Regierung. Von der Leutseligkeit, mit der er zuvor von den Plänen für das bevorstehende Bürgerfest der Regierung in Berlin berichtet hatte, war in diesem Moment nicht mehr viel zu spüren.
Auch die Frage nach den rechtlichen Problemen, die die von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ins Gespräch gebrachte Treuhandlösung birgt, wies Steg mit leicht oberlehrerhaftem Unterton ab: "Sie können sicher sein, dass es auch in der Bundesregierung genug Juristen gibt, die sich mit den Fragen auseinandersetzen." Im Übrigen verweigerte er jeden Kommentar zum Stand der Verhandlungen: In einer sensiblen Phase wie derzeit werde man keine Zwischenstände über Verhandlungen oder "spekulative Betrachtungen" über Positionen abgeben, beschied der Regierungssprecher die Runde.
"Von Tag zu Tag mehr Probleme und offene Fragen"
Abgesehen von dem spärlichen Informationstransfer lässt sich Stegs Auftritt durchaus als Bestätigung der inoffiziellen Nachrichten interpretieren, die derzeit in Berlin kursieren: Beim Thema Opel liegen bei allen Beteiligten inzwischen die Nerven blank - denn die Rettungsaktion wirft von Tag zu Tag mehr Probleme, Schwierigkeiten und offene Fragen auf.
Und Guttenberg, der bei seinem Amtsantritt als Shooting-Star der Regierung gefeiert wurde, macht dabei keine gute Figur. Der Wirtschaftsminister schließt eine Insolvenz des angeschlagenen Autobauers Opel nicht mehr aus. Das derzeit diskutierte Treuhand-Modell könne es nur geben, wenn die möglichen Opel-Investoren tragfähige Konzepte vorlegen, betonte Guttenberg am Freitag in Berlin. Sollte dies nicht der Fall sein oder das Treuhand-Modell von den Beteiligten nicht akzeptiert werden, könne es auch eine "geordnete Insolvenz" als Ausgangspunkt für einen Neuanfang für Opel geben.
Obwohl nach außen hin einmütig befürwortet, tobt hinter den Kulissen ein heftiger Streit um Guttenbergs Plan. Der CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs brachte die Bedenken am Donnerstag auf den Punkt: "Ich befürchte, dass wir dann Opel nicht mehr loswerden", sagte er zu "Bild.de". Stattdessen sollte Guttenberg die Angebote der Interessenten schnell und intensiv prüfen und zu einer raschen Lösung zu kommen. Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier signalisierte seine Distanz, indem er lediglich von einer "staatlichen Brückenfinanzierung", sprach.
Bei den harten Verhandlungen mit dem Mutterkonzern General Motors will nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nun das Kanzleramt die Zügel stärker in die Hand nehmen. Kommende Woche soll eine Delegation nach Washington reisen.
"Ich sehe null Chancen"
Geplant als Faustpfand, um die dringend benötigte Liquiditätshilfe von mindestens einer Milliarde Euro wenigstens halbwegs abzusichern, erweist sich die Umsetzung von Guttenbergs Treuhand-Modell als ausgesprochen schwierig. Mehreren Zeitungsberichten zufolge soll auch die US-Regierung massive Einwände haben. Das entscheidende Problem stellt dabei offensichtlich die ungelöste Frage dar, ob die Gläubiger von General Motors nicht einen Anspruch darauf haben, den gesamten Konzern inklusive Opel verwerten zu können, um ihre Ansprüche zu befriedigen. Findige Anwälte könnten die Herauslösung der europäischen Tochter als Verkürzung der Insolvenzmasse betrachten und dagegen klagen.
Experten wie Ferdinand Dudenhöffer, Professor der Universität Duisburg-Essen, bezeichnen den Plan gar als Rohrkrepierer: "Ich sehe null Chancen, dass General Motors und die US-Regierung zustimmen."
Doch selbst wenn man sich auf eine derartige Konstruktion verständigen würde, so bliebe immer noch die Aufgabe, Opel aus dem GM-Verbund herauszulösen - die hochkomplizierten Verhandlungen darüber dürften mehrere Wochen in Anspruch nehmen.
So viel Zeit aber bleibt der Regierung nicht mehr, wenn sie den Rüsselsheimer Autohersteller davor bewahren will, in den Sog der strauchelnden Konzernmutter zu geraten. Am 1. Juni läuft für GM die von der US-Regierung gesetzte Frist ab, in der sich der Konzern mit Gläubigern und Gewerkschaften auf ein tragfähiges Zukunftsmodell einigen muss. Zwar steht GM einem Zeitungsbericht zufolge vor einer Einigung mit den Arbeitnehmervertretern. Den Plänen zufolge sollten die Lohnkosten für GM-Schichtarbeiter um mehr als eine Milliarde Dollar pro Jahr gekürzt werden, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Verhandlungskreise. Doch die weitaus größere Hürde ist der ungelöste Streit mit Tausenden von Gläubigern, bei denen GM mit rund 27 Milliarden Dollar in der Kreide steht.
"Die strukturellen Probleme sind nicht gelöst"
GM-Chef Fritz Henderson glaubt offensichtlich selbst nicht, dass das gelingt. Er denkt bereits öffentlich über eine Insolvenz nach dem Vorbild von Chrysler nach. Die Opel-Mutter würde dann die überlebensfähigen Teile an eine neue Einheit verkaufen, die das Insolvenzverfahren möglichst rasch wieder verlassen soll.
Für Opel wäre dieser Weg die schlechteste aller Möglichkeiten. Denn im günstigsten Fall würde dies den Verkauf an einen Investor massiv verzögern und die Geduld der Interessenten auf die Probe stellen. Wahrscheinlicher ist aber, dass den Rüsselsheimern vorher das Geld ausgeht, um das laufende Geschäft zu finanzieren.
Angesichts der Schwierigkeiten dürften selbst diejenigen in der Regierung verzweifeln, die restlos davon überzeugt sind, dass sich die Rettung des Rüsselsheimer Autobauers lohnt. Hinter vorgehaltener Hand jedoch bringen nicht wenige ihre Befürchtung zum Ausdruck, dass damit allenfalls der Zeitpunkt des endgültigen Zusammenbruchs nur in die nächste Legislaturperiode verschoben wird. "Selbst wenn es gelingt, Opel aus GM herauszulösen - die strukturellen Probleme des Unternehmens sind damit ebenso wenig gelöst wie die der ganzen Branche", sagt ein Beteiligter.
Das sehen übrigens auch die Banken so. Um einen Partner für die Finanzierung zu finden, der wenigstens ein Zehntel des Risikos zu tragen bereit war, mussten Guttenbergs Unterhändler fleißig Klinken putzen. Nach langer Suche signalisierte jetzt die Landesbank Hessen-Thüringen jetzt ihre Bereitschaft zur Hilfe - allerdings nur innerhalb eines Bankenkonsortiums. "Wir sind grundsätzlich dazu bereit", sagte Sprecher Hans Wolfgang Kuß und bestätigte einen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
In der Branche wird spekuliert, dass am Ende die staatliche KfW-Bankengruppe gemeinsam mit mehreren Landesbanken herangezogen werden muss, wenn sich kein privates Institut findet.
Die einzigen die derzeit noch an eine Zukunft von Opel glauben, sind die Vertragshändler. Sie trafen sich heute in Wien, um über Einzelheiten ihres geplanten Einstiegs bei der angeschlagenen General-Motors-Tochter zu beraten. Der Chef der Händlervereinigung Euroda, Jaap Timmer, sagte anschließend, die Händler strebten eine Minderheitsbeteiligung und einen Sitz im Aufsichtsrat an, dazu einen guten Profit, der vielleicht etwas später komme. Details der Ausgestaltung und die Umsetzung des Beteiligungsmodells sind seinen Worten zufolge noch in der Diskussion und sollen auch von der Entscheidung eines zukünftigen Investors abhängig gemacht werden.
Quelle : www.spiegel.de
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Berlin. Zehntausende haben in Berlin für ein soziales Europa demonstriert. DGB-Chef Sommer warnte vor den Folgen der Krise für die Demokratie. Außerdem dürften die Opfer der Kirse nicht noch die Kosten der Krise tragen.
Für ein soziales Europa haben am Samstag in Berlin zehntausende Menschen aus vielen Teilen Deutschlands demonstriert. Zur Abschlusskundgebung an der Siegessäule kamen nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) rund 100 000 Teilnehmer, die Polizei sprach von mehreren zehntausend Demonstranten. Der Protest stand unter dem Motto «Die Krise bekämpfen. Sozialpakt für Europa! Die Verursacher müssen zahlen!». Die Aktion verlief nach Angaben eines Polizeisprechers friedlich. Zwischenfälle habe es nicht gegeben.
Mehrere Redner forderten von der Politik wirksame Maßnahmen gegen die Krise und gegen drohende Massenentlassungen. Zudem müsse der Finanzmarkt in Europa streng reguliert werden. Auf Transparenten der Demonstranten war unter anderem zu lesen «Wir machen Alarm», «Wir sind sozial unruhig» oder «Kapitalismus = Krise». Die DGB-Demonstration in Berlin war Teil der Aktionstage des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) für ein soziales Europa, an denen nach DGB-Angaben seit Donnerstag insgesamt 320 000 Menschen teilnahmen.
Reißleine ziehen
Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer äußerte scharfe Kritik an jenen Politikern, »die alle Schleusen für Voodoo-Geldgeschäfte geöffnet und dabei jeden Schutzdamm gegen die grenzenlose Gier eingerissen haben«. Er verlangte, jetzt und nicht erst mit Blick auf die Bundestagswahl müsse gehandelt werden, bevor noch mehr Menschen ins Elend stürzten.
«Eine Umkehr ist überfällig«, forderte Sommer mit Verweis darauf, dass die Eliten in Politik und Wirtschaft angesichts der Krise versagt hätten. Deutschland brauche ein Zukunftsinvestitionsprogramm sowie ein drittes Konjunkturprogramm, das seinen Namen verdiene und die Binnenkonjunktur ankurbele.
Es müsse außerdem dafür gesorgt werden, dass sich eine solche Krise niemals wiederholen könne, betonte Sommer. Wenn nicht energisch gehandelt werde gegen die Krise und die Krisenverursacher, «dann wird das Folgen haben für Demokratie und sozialen Frieden», warnte der DGB-Chef. Dazu gehöre auch, dass die Opfer der Krise nicht noch die Kosten der Krise tragen dürften. »Die Verursacher müssen zahlen», rief Sommer unter Beifall der Demonstranten.
Kapitalismus-Krise von historischem Ausmaß
ver.di-Chef Frank Bsirske verwies darauf, dass für den Herbst Massenentlassungen nicht mehr ausgeschlossen würden. Auszubildende, müssten damit rechnen, nach ihrer Lehre nicht übernommen zu werden. «Was wir erleben, ist eine Krise des Kapitalismus von historischem Ausmaß«, sagte er.
IG-Metall-Chef Berthold Huber warnte, viele Betriebe stünden vor dem Aus, wenn die Politik nicht eingreife. Hunderttausende von Existenzen stünden auf dem Spiel. Er appellierte an die Regierungen in Bund und Ländern, die Industrie und ihre Arbeitsplatze «nicht absaufen zu lassen».
Quelle : www.derwesten.de
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115 Milliarden Euro liegen im Deutschlandfonds für notleidende Unternehmen - doch das Geld wurde bislang kaum angefragt. Jetzt interessieren sich nach SPIEGEL-Informationen unter anderem Porsche und BMW für einen Staatskredit.
Hamburg/Berlin - Erste Adressen der deutschen Wirtschaft bemühen sich um Staatshilfen aus den Konjunkturprogrammen des Bundes. So sprach Porsche bei der KfW-Bankengruppe vor, um sich über die Konditionen für einen Staatskredit zu erkundigen. Das Unternehmen will nach Informationen des SPIEGEL ein Darlehen in Höhe von rund einer Milliarde Euro.
Staatliche Absicherungen für Kredite bei anderen Kreditinstituten will Porsche aber nicht in Anspruch nehmen. "Wir brauchen keine Bundes- und auch keine Landesbürgschaften", erklärte ein Porsche-Sprecher. Auch der Automobilhersteller BMW informierte sich bei der KfW über einen Kredit aus dem sogenannten Deutschlandfonds der Bundesregierung.
Neben einer Bürgschaft hat der angeschlagene Warenhauskonzern Arcandor ebenfalls einen Staatskredit von rund einer halben Milliarde Euro beantragt. Die Bürgschaft soll etwa in gleicher Höhe ausfallen. Mit 53.000 Mitarbeitern in Deutschland seien Arcandor und seine Tochterunternehmen Quelle und Karstadt sowohl volkswirtschaftlich als auch gesellschaftspolitisch relevant, begründete der Handelsriese seinen Anspruch auf Hilfe. "Wir wollen weder etwas geschenkt, noch wollen wir den Einstieg des Staates als Aktionär bei Arcandor beziehungsweise sonstige Sonder-Finanzspritzen", sagte Konzernchef Karl-Gerhard Eick in Essen.
Bei der Konkurrenz stößt der Wunsch von Arcandor, einen Teil seiner Kredite durch Staatsbürgschaften abzusichern, auf heftigen Widerstand. Der Chef des größten deutschen Handelskonzerns Metro Eckhard Cordes warnte erst vor wenigen Tagen davor, dass eine derartige staatliche Intervention zugunsten eines Wettbewerbers die Metro benachteilige und ordnungspolitisch außerordentlich fragwürdig sei.
Auch der Aufsichtsratschef des Otto-Versands, Michael Otto, äußerte sich kritisch. "Die Bundesregierung muss sehr vorsichtig sein, damit sie nicht durch Missmanagement marode gewordene Unternehmen stützt", zitierte ihn die "Financial Times Deutschland".
Nach SPIEGEL-Informationen hat auch der Maschinenbauer Heidelberger Druckmaschinen einen KfW-Kredit über 300 Millionen Euro und eine Bürgschaft über 400 Millionen Euro beantragt. Beides soll am Mittwoch vom Lenkungsausschuss für den Deutschlandfonds bewilligt werden.
Und auch der Essener Baukonzern Hochtief erwägt, einen Staatskredit in Höhe von 200 Millionen Euro zu beantragen. Der Nutzfahrzeughersteller Iveco hat ebenfalls schon um einen Kredit nachgesucht. Eine Bürgschaft in dreistelliger Millionenhöhe haben ebenfalls der Kölner Autobauer Ford und die Rostocker Wadan Werft angemeldet.
Erst vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass der von der Regierung eingerichtete Deutschlandfonds zur Unterstützung notleidender Firmen bislang kaum angenommen wird. Insgesamt lägen bisher Kreditanträge in Höhe von insgesamt 4,4 Milliarden Euro vor, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstag mit. Eine Bürgschaft beantragten oder erfragten demnach knapp 20 Firmen; das Volumen betrage hier insgesamt mehr als sechs Milliarden Euro.
Im Deutschlandfonds stehen insgesamt 115 Milliarden Euro für Kredite und Bürgschaften zur Verfügung. Das Wirtschaftsministerium rechnet mit einer zunehmenden Nachfrage in den kommenden Wochen.
Quelle : www.spiegel.de
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Der Machtkampf zwischen Volkswagen und Porsche spitzt sich zu. Jetzt hat der Wolfsburger Konzern überraschend die Fusionsgespräche mit dem Sportwagenbauer unterbrochen. Begründung: Es gebe derzeit keine Atmosphäre für konstruktive Gespräche.
Hamburg - VW-Konzernsprecherin Christine Ritz sagte der Nachrichtenagentur AP am Sonntag, der für den Montag angesetzte nächste Gesprächstermin über das Zusammengehen der beiden Autobauer auf Arbeitsebene sei abgesagt worden. Das Unternehmen schließe sich der Auffassung des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh an, wonach es derzeit keine Atmosphäre für konstruktive Gespräche gebe.
"Wir sind nicht diejenigen, die um Gespräche gebeten haben. Und wir lassen es nicht zu, dass Volkswagen und einzelne Personen unseres Unternehmens in Misskredit gebracht werden, weil es bei Porsche keine Linie gibt", sagte Osterloh. Ein Porsche-Sprecher wollte sich auf AP-Anfrage zur Unterbrechung der Beratungen zunächst nicht äußern.
Die Gespräche zwischen Unternehmens- und Arbeitnehmervertretern sowie dem Land Niedersachsen sollen klären, wie die Modalitäten eines Zusammenschlusses aussehen könnten.
Osterloh stellte klar, dass die Familie Porsche jetzt deutlich vorgeben müsse, wozu sie bereit ist und wozu nicht. "Das sollte sie vor allem erst einmal hausintern bei Porsche klären, vor allem mit den Beschäftigten. Wenn man dann wieder auf Volkswagen zugeht, dann muss klar sein, worüber wir überhaupt sprechen wollen. Verkauf, Fusion oder etwas ganz anderes", sagte er. "Aber wir sind nicht bereit, uns die Probleme Dritter ins Haus zu holen. Wir haben keinen Druck und wollen uns auf unser Kerngeschäft konzentrieren. Wolfgang Porsche muss für Klarheit sorgen", forderte er.
Bei Volkswagen seien alle Beteiligten für eine Lösung offen - Aufsichtsratsvorsitzender, Vorstandsvorsitzender und Betriebsrat. "Aber nicht, wenn hier jeden Tag von Porsche eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird", sagte Osterloh.
Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück will unterdessen weiter für die Unabhängigkeit der Sportwagenschmiede kämpfen. Er wirft Porsche-Miteigentümer Piëch vor, die Stuttgarter zu "verraten". Für Montag hat Hück mehrere tausend Porsche-Beschäftigte zu einer Demonstration gegen den VW-Patriarchen aufgerufen.
Die Eigentümer-Familien Porsche und Piëch - Ferdinand Piëchs Mutter war eine geborene Porsche - hatten sich Anfang Mai bei einem Treffen in Salzburg auf ein Zusammengehen des hoch verschuldeten Sportwagenbauers mit dem VW-Konzern geeinigt. Einzelheiten sollten die Vorstände beider Firmen innerhalb von vier Wochen ausarbeiten.Seitdem gab es zahlreiche Spekulationen sowohl über Personalfragen als auch über den zukünftigen Firmensitz und das Thema Finanzen.
Nach Informationen des SPIEGEL gibt es vor allem heftige Auseinandersetzungen um die Äußerungen von VW-Patriarch Piëch am Rande einer Polo-Präsentation auf Sardinien. Wolfgang Porsche und andere Mitglieder der Clans fürchten, dass Piëch den möglichen Preis, den ein Verkauf der Porsche AG an den VW-Konzern erzielen könnte, heruntergeredet habe. Auf die Frage, ob der Wert von elf Milliarden Euro für Porsche richtig sei, hatte Piëch gesagt: "Das ist sicherlich ein paar Milliarden zu hoch gegriffen. 'Paar' groß geschrieben."
Aus dem Umfeld des Porsche-Aufsichtsrats und früheren Henkel-Chefs Lehner verlautet, er beurteile diese Aussagen kritisch. Sie stünden möglicherweise nicht im Einklang mit dem Aktiengesetz.
Am Samstag hieß es nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa in VW-Konzernkreisen, die Porsche-Führung verkenne die Lage total. Die finanzielle Situation des Sportwagenbauers sei "äußerst brenzlig". Vorwürfe, VW wolle Porsche fertigmachen, seien eine "Dolchstoßlegende".
Am Montag treffen erstmals seit den umstrittenen Äußerungen von Piëch die Porsche-Eigentümerfamilien bei einer Aufsichtsratssitzung zusammen.
Quelle : www.spiegel.de
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Für Porsche ist es nur ein "verschobener Termin", für Volkswagen geht es um mehr: Der Konzern aus Wolfsburg hat die Fusionsgespräche mit dem Sportwagenbauer gestoppt. Die Porsche-Spitze müsse zuerst ihre Linie klären, verlangt VW.
Frankfurt am Main - Der Machtkampf zwischen Porsche und Volkswagen eskaliert: Kurz vor dem Spitzentreffen der Porsche-Eigentümerfamilien hat der Wolfsburger Konzern am Sonntag überraschend die Gespräche über ein Zusammengehen der beiden Unternehmen "auf unbestimmte Zeit" unterbrochen, wie Volkswagen-Sprecher Peik von Bestenbostel sagte.
Der Sprecher widersprach damit den Darstellungen der Porsche-Holding, wonach lediglich ein Termin abgesagt und Folgetermine bereits vereinbart seien. Die Verhandlungen würden "ganz normal weitergeführt", sie seien nicht unterbrochen worden, hieß es in einer Stellungnahme von Porsche.
Der VW-Sprecher stellte dagegen klar, der Dialog sei "unterbrochen". "Vor einer Wiederaufnahme ist es notwendig, dass auch Porsche eine entsprechend konstruktive Haltung gegenüber den Gesprächen deutlich macht", erklärte Bestenbostel. Derzeit sei keine klare Linie erkennbar. "Daher haben weitere Gespräche momentan keinen Zweck."
VW-Chef Martin Winterkorn machte die weiteren Schritte nach einem Zeitungsbericht von der "vollen Transparenz" der Situation beim Stuttgarter Sportwagenbauer abhängig. "Für ein Zusammengehen von Volkswagen und Porsche müssen wir die Ausgangslage systematisch analysieren und uns ein klares Bild über die tatsächlichen Verhältnisse bei Porsche machen", zitierte die "Berliner Zeitung" aus einem "Brief an die Führungskräfte" vom Sonntag.
"Wir benötigen die volle Transparenz der derzeitigen Lage. Es ist im Interesse aller Beteiligten, unserer Belegschaften, aller Aktionäre und unserer Kunden, dass wir die finanzielle Stabilität und Souveränität von Volkswagen nicht gefährden." Der VW-Chef verteidigte der "Berliner Zeitung" zufolge die Absage des für Montag geplanten Arbeitstreffens mit Porsche und betonte, dass "wir uns von niemandem zu überstürzten Handlungen verleiten lassen". Für die Gespräche werde eine "notwendige konstruktive Atmosphäre" benötigt: "Das ist derzeit nicht gegeben. Wir sind nicht unter Druck."
Auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff forderte Porsche in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu konstruktiverem Verhalten auf. "Was wir brauchen, ist volle Transparenz", sagte der niedersächsische Staatssekretär und Wulff-Sprecher, Olaf Glaeseker, "bei allem Verständnis dafür, dass mancher auf dem Weg in die Sauna den Bademantel möglichst lange anbehalten will. Die Stunde der Wahrheit für Porsche naht."
"Porsche muss klären, wohin die Reise gehen soll"
Von Seiten des größten europäischen Autobauers wird in dem Machtpoker immer wieder betont, dass schließlich der hochverschuldete Porsche-Konzern um Gespräche gebeten habe. Der Volkswagenbetriebsrat erklärte: "Wir sind von der Familie Porsche gebeten worden, Gespräche über die Schaffung eines integrierten Automobilkonzerns zu führen. Aber Porsche muss erst mal intern klären, wohin die Reise eigentlich gehen soll." Bereits zuvor war aus dem Unternehmen verlautet, offenbar werde der Ernst der Lage bei dem hochverschuldeten Sportwagenbauer verdrängt.
An diesem Montag treffen erstmals seit den umstrittenen Äußerungen von Volkswagen-Aufsichtsratschef und Porsche-Miteigentümer Piëch zur Zukunft des Sportwagenbauers die Porsche-Eigentümerfamilien bei einer Aufsichtsratssitzung zusammen.
Parallel dazu planen die Porsche-Beschäftigten Proteste gegen Piëch. Bei der Aufsichtsratssitzung soll es nach Informationen der Nachrichtenagentur AP um eine Kapitalerhöhung bei Porsche in Höhe von vier bis fünf Milliarden Euro gehen. Der Sportwagenbauer ist mit rund neun Milliarden Euro verschuldet. Volkswagen soll dagegen Nettoreserven von elf Milliarden Euro haben.
Personalfragen, Firmensitz, Finanzen
Porsche hatte VW ursprünglich übernehmen wollen, war dadurch aber in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die Porsche-Eigentümer streben daher nun eine Fusion mit Volkswagen an. Im Gespräch war auch eine umgekehrte Übernahme des Sportwagenbauers durch VW. Darum hatte nach Informationen des manager magazin sogar die Porsche-Führung selbst bei einem Krisentreffen im März gebeten.
Die Eigentümer-Familien Porsche und Piëch - Ferdinand Piëchs Mutter war eine geborene Porsche - hatten sich Anfang Mai bei einem Treffen in Salzburg auf ein Zusammengehen mit dem VW-Konzern geeinigt. Einzelheiten sollten die Vorstände beider Firmen innerhalb von vier Wochen ausarbeiten. Seitdem gab es am vergangenen Montag Gespräche auf Arbeitsebene. In der Öffentlichkeit gab es zahlreiche Spekulationen sowohl über Personalfragen als auch über den zukünftigen Firmensitz und das Thema Finanzen.
Quelle : www.spiegel.de
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Es wäre eine Revolution im Einzelhandel: Die Kaufhof-Mutter Metro könnte die Karstadt-Häuser des siechen Arcandor-Konzerns übernehmen. Gewerkschafter fürchten radikalen Jobabbau, Bürgermeister warnen vor verödeten Städten - doch Börsianer zweifeln, ob die Fusion überhaupt stattfindet.
Hamburg - Für die Börse war die Sache klar: Arcandor plus 15 Prozent, Metro minus 2,5 Prozent. Die Entwicklung ist typisch für eine bevorstehende Übernahme: Der Aktienkurs des Übernahmekandidaten schießt in die Höhe, und der mögliche Käufer verliert an Wert - schließlich kommen auf ihn hohe Kosten zu.
Genau das scheint bei Deutschlands größten Handelskonzernen der Fall zu sein. Am Wochenende wurde bekannt, dass sich die Kaufhof-Mutter Metro für die Karstadt-Häuser des schwerangeschlagenen Arcandor-Konzerns interessiert. An diesem Montag, unmittelbar nach Eröffnung der Börse, reagierten nun die Anleger: Sie kauften Arcandor-Aktien und verkauften die Papiere der Metro.
Der Vorteil einer Fusion liegt auf der Hand: Arcandor könnte privatwirtschaftlich gerettet werden. Ohne Staatshilfe, um die sich das Management seit Wochen bemüht. Und damit ohne Risiko für den Steuerzahler. Andernfalls braucht Arcandor wohl öffentliche Bürgschaften von 650 Millionen Euro. Den Bedarf an staatlichen Krediten noch nicht mitgerechnet.
Aber wie sinnvoll ist eine Fusion der beiden Warenhausketten wirklich? Wäre eine Bürgschaft der Regierung nicht doch die bessere Alternative? Und vor allem: Was bedeutet ein Karstadt-Kaufhof-Konglomerat für Kunden und Arbeitnehmer?
"Betriebswirtschaftlich macht eine Fusion Sinn", sagt Ulrich Eggert von Eggert Consulting. "Was man nicht braucht, wird dichtgemacht." Das gelte für alle Standorte, an denen es sowohl eine Kaufhof- als auch eine Karstadt-Filiale gebe, außerdem könnte man nach einem Zusammenschluss eine der beiden Zentralen schließen. "Ein solches Unternehmen wäre sicher rentabel", sagt Eggert. Auf jeden Fall rentabler als Arcandor allein.
"Volkswirtschaftlich bedeutet eine Fusion allerdings Massenentlassungen", fügt der Experte hinzu. Das neue Gesamtunternehmen werde bis zu 20.000 Stellen streichen, schätzt er. "Warum sollte sich Metro sonst darauf einlassen?" Arcandor-Insider sprechen im "Handelsblatt" gar von einem drohenden "Blutbad". Ihre Furcht: Ein Drittel aller Karstadt-Filialen könnte unter Metro-Führung wegfallen.
Metro möchte alle 121 Karstadt-Warenhäuser übernehmen. Zusammen mit Kaufhof sollen sie in einer "Deutschen Warenhaus AG" zusammengeführt werden. Das neue Unternehmen hätte dann 247 Filialen. Offizielles Ziel des Metro-Managements: Die "Mehrheit der Karstadt-Filialen" soll erhalten werden, ebenso wie "ein großer Teil der Arbeitsplätze".
In Wahrheit dürfte dies aber eine Illusion bleiben. "Die Beschäftigten haben Angst, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren", sagt Cornelia Haas von der Gewerkschaft Ver.di. Falls es wirklich zu einer Fusion komme, sei zu befürchten, dass viele Häuser schließen. Was Metro-Chef Eckhard Cordes vorhabe, "sieht nach Rosinenpickerei aus", sagt Haas.
Die Gewerkschafter favorisieren deshalb eine andere Lösung: Sie fordern nach wie vor Staatshilfe für die Karstadt-Mutter Arcandor. Das Unternehmen hat schon seit Jahren enorme Probleme, jetzt will Konzernchef Karl-Gerhard Eick Mittel aus den Krisenfonds der Regierung anzapfen. Mit 53.000 Mitarbeitern sei Arcandor volkswirtschaftlich als auch gesellschaftspolitisch relevant. "Ohne uns würden viele Einkaufsstraßen ihren Mittelpunkt verlieren", sagte Karstadt-Chef Stefan Herzberg kürzlich in einem Interview. Und Ver.di-Chef Frank Bsirske assistierte: "Ein Kaufhaus-Konzern ist nicht weniger wichtig als ein Autohersteller."
Tatsächlich erwartet auch Handelsexperte Eggert für die betroffenen Städte nichts Gutes. Solange wenigstens ein Warenhaus erhalten bleibe, sei ja alles in Ordnung. Aber was, wenn sich auch die letzte verbliebene Filiale nicht rentabel führen lässt? "Eine Stadt hat keine Zentralität mehr, wenn ein solcher Laden zumacht", fürchtet Eggert.
"Warenhäuser sind wichtige Magneten im innerstädtischen Gefüge", sagt auch Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. "Für Innenstädte und Stadtteilzentren wäre es negativ, wenn attraktive Einzelhandelseinrichtungen wegfallen." Die Städte hätten "auch mit Blick auf Steuereinnahmen und Arbeitsplätze" ein großes Interesse daran, dass es dem Einzelhandel vor Ort gutgehe.
Immerhin: Für die Kunden wäre ein Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof wohl verkraftbar. "Ob Karstadt oder Kaufhof - die Ware ist sowieso die gleiche", erklärt Eggert. Auch an den Preisen werde sich kaum etwas ändern - denn die würden ohnehin von den hohen Mieten in den Innenstädten diktiert.
Wie ernst meint Cordes sein Angebot?
Eine Verzerrung des Wettbewerbs fürchtet der Experte ebenfalls nicht. Der Grund ist die geringe Bedeutung, die Karstadt und Kaufhof mittlerweile haben. In den siebziger Jahren kamen alle Warenhäuser zusammen noch auf einen Marktanteil von 13,5 Prozent. Heute sind es knapp drei Prozent - und nach einer Fusion von Karstadt und Kaufhof vermutlich nur noch zwei Prozent. "Das sind Peanuts in Bezug auf den gesamten deutschen Einzelhandel", sagt Eggert. Kartellrechtlich sehe er deshalb keine Probleme. "Es gibt genug Konkurrenz durch die Fachhändler."
Trotzdem wird das Kartellamt vermutlich ein Wort mitreden. Einen Zusammenschluss von Kaufhof und Karstadt würde man genau unter die Lupe nehmen, sagte ein Sprecher der Wettbewerbsbehörde. "Eine eingehende Prüfung wäre aller Voraussicht nach notwendig."
Wenn es denn tatsächlich so weit kommt. Denn manche Fachleute zweifeln, ob Metro-Chef Cordes sein Angebot überhaupt ernst meint. Ist das Interesse an Karstadt womöglich nur erfunden, damit der Konkurrent Arcandor keine Staatshilfe bekommt? In Berlin wird dies zumindest vermutet - schließlich verbietet das Gesetz Beihilfen, solange es private Investoren gibt.
"Wir haben unsere Vorbehalte", sagt auch Ver.di-Frau Haas. Bei Arcandor selbst liege kein konkretes Angebot auf dem Tisch - dafür aber bei der "Bild"-Zeitung, die am Wochenende als erste über Cordes' Pläne berichtet hatte. "Das ist nicht gerade seriös", sagt Haas.
Bemerkenswert: Auch die Karstadt-Immobilienbesitzer wissen noch von nichts. Laut Nachrichtenagentur Reuters gab es keinerlei Gespräche mit Metro. Dabei sollen die Immobilienbesitzer im fusionierten Konzern eigentlich mit an Bord sein. Das zumindest sehen die Cordes-Pläne angeblich vor.
Ist also alles nur ein schlechter Scherz? Dazu würde passen, dass sich die Aktienkurse im Lauf des Montags wieder beruhigten. Das Plus bei Arcandor-Titeln schrumpfte auf rund fünf Prozent zusammen, Metro-Titel drehten nach dem Minus vom Vormittag sogar ins Plus. So gesehen erscheint eine Fusion eher unwahrscheinlich.
Auch bei Arcandor selbst stoßen die Metro-Pläne auf Skepsis. Ein Sprecher erklärte, der von dem Konkurrenten ins Gespräch gebrachte Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof stelle noch keine langfristige Perspektive sicher.
Metro erneuerte indes seinen Vorschlag. "Wir erwarten, dass es in den nächsten Tagen Gespräche mit der Politik gibt", sagte ein Unternehmenssprecher am Montag. Konzernchef Cordes habe sich bereits mit einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gewandt.
Der wiederum machte eines klar: Mögliche Staatshilfen für Arcandor werde man sehr genau prüfen. "Das ist keine Aktion, die in zwei Tagen zu bewältigen wäre."
Quelle : www.spiegel.de
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Die Wirtschaftskrise hat auch die Private-Equity-Branche kalt erwischt - doch jetzt formieren sich die Finanzinvestoren erneut. Ihr Ziel: die kapitaldurstige amerikanische Bankenbranche.
New York - Die Bank United, Floridas größtes kommunales Geldhaus, symbolisiert derzeit die Malaise der ganzen Branche: In ihren Schaufenstern werben die 86 Filialen mit Fotos von Palmen, Stränden und frohen Kunden. Doch das ist nur Fassade. Allein für das zweite Quartal 2009 erwartet Bank United rund 443 Millionen Dollar Verlust. Das wäre fast siebenmal so viel wie im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres.
Viel mehr weiß man über die Lage der Bank mit Sitz in Coral Gables, einem der feinsten Viertel Miamis, allerdings nicht - wegen der Turbulenzen hat das Institut bisher weder die Ergebnisse der vergangenen drei Quartale offiziell gemacht noch die Gesamtbilanz für 2008 veröffentlicht. Die US-Einlagensicherungsbehörde FDIC schätzt, dass Bank United eine Kapitalspritze von mindestens einer Milliarde Dollar braucht, und hat ein Ultimatum gestellt: Entweder sucht sich die Bank einen Investor oder fusioniert mit einem Rivalen - oder die FDIC übernimmt das Ruder.
Die erste Frist für Kaufofferten lief am Freitag ab, wurde aber in letzter Minute bis zu diesem Dienstag verlängert. Drei Interessenten sind im Rennen: die kanadische TD Bank im Verbund mit Goldman Sachs, außerdem ein Team des Firmenjägers Wilbur Ross mit den Beteiligungsgesellschaften Blackstone, Carlyle und Centerbridge - sowie der Privatinvestor Christopher Flowers, der in Deutschland durch seine Engagements bei den Krisenbanken Hypo Real Estate und HSH Nordbank Bekanntheit erlangte.
Das Ross-Konsortium soll die besten Chancen haben. Nicht nur das ist bemerkenswert, sondern die Interessenten insgesamt. Ross, Flowers, Blackstone, Carlyle: Diese Namen galten bisher eigentlich als Geißel und Gabe der Finanzszene zugleich - Milliardäre und Privatfirmen, die sich in den vergangenen Jahren nach Belieben sieche Unternehmen schnappten, sie ausweideten und die Reste gewinnbringend weiterverscherbelten. Und das alles ohne jede öffentliche Aufsicht. Der SPD-Politiker Franz Müntefering prägte für die Finanzinvestoren den Schimpfnamen "Heuschrecken".
Doch zuletzt litt der Nimbus vom finanzstarken Firmenjäger mit vollen Kassen. Die Private-Equity-Branche kämpft wie der Rest der Wirtschaft mit der Finanzkrise. Einige Investoren stecken in ernsten Schwierigkeiten. Beispiel Chrysler: Der Autobauer, 2007 von Daimler an den Finanzinvestor Cerberus abgestoßen, ist nur das jüngste Beispiel für die Misere. Chrysler ist mittlerweile insolvent.
In jüngster Zeit war es denn auch still geworden um die "Heuschrecken". Vorbei die Zeiten, als Blackstone-Chef Stephen Schwarzman seinen 60. Geburtstag mit 1500 VIP-Gästen feierte. Die letzten, größten Deals Schwarzmans - die Übernahme des Immobiliengiganten Equity Office und der Börsengang seiner Firma - entpuppten sich als Flops und wurden prompt, in einem Sturm populistischer Entrüstung, als Ende der Heuschrecken-Ära gefeiert.
Finanzinvestoren wittern ihre Chance
Doch nun scheint sich das Blatt wieder zu wenden, das Drama um Bank United offenbart erstmals, was sich seit Monaten hinter den Kulissen anbahnt: In der Bankenkrise wittern Beteiligungsgesellschaften eine neue Chance. Bank United wäre die erste große US-Banken-Akquisition der Private-Equity-Fürsten. "Jeder starrt auf diesen Deal", sagte Harvard-Ökonom Josh Lerner dem "Wall Street Journal". "Dies könnte ein Präzedenzfall werden, der die Schleusen für künftige Transaktionen öffnet." Denn hier zeigt sich, ob die Rechnung der Investoren aufgeht.
Gerade erst hat die Federal Reserve den größten US-Banken einen Kapitalbedarf von mindestens 75 Milliarden Dollar attestiert. Eine prima Gelegenheit also für die Geldgeber. Nach den Worten eines Insiders verfügt die Private-Equity-Branche trotz Krise momentan über rund 400 Milliarden Dollar "Trockenpulver" für neue Übernahmen.
So rangiert Buyout-Unternehmer Wilbur Ross aus dem krisenfesten Mammon-Refugium Palm Beach auf der "Forbes"-Liste der 400 reichsten Amerikaner derzeit zwar "nur" auf Platz 262 - mit einem Privatvermögen von 1,8 Milliarden Dollar. Doch seine wahre Finanzkraft ist viel größer: Kürzlich erst schnappte er sich für 2,6 Milliarden Dollar zwei Hypothekenfirmen und eine Anleihenversicherung. Bank United wäre jedoch sein erster, größerer Ausflug in die Bankenbranche - nach dem kleineren Institut First Bank & Trust, an dem er die Mehrheit hält.
Banken werden interessant
Ohne weitere Beteiligungsgesellschaften könnte aber auch Ross den Deal nicht stemmen. Die Investoren scheuten allerdings lange vor Banken zurück - nicht zuletzt, weil eine Übernahme viele öffentliche Auflagen bedeuten würde, die den sonst lieber im Stillen wirkenden Finanziers zuwider sind. Letztendlich hat sich manch eine "Heuschrecke" auch in der Bankenbranche verhoben. Im April 2008 stieg die texanische Private-Equity- Firma TPG bei Washington Mutual ein. Ein halbes Jahr später übernahm die Regierung die kaputte Bank, TPG verlor am Ende fast 1,4 Milliarden Dollar.
Doch im Zuge der Finanzkrise beginnen die Investoren damit, auch die Banken wieder zu umkreisen, bei der Bank United liefern sie sich jetzt sogar einen Bieterkrieg. Die Institute gelten auf einmal als "die größte Beute der Rezession" ("New York Times"). Der US-Regierung wird dabei allmählich etwas mulmig. Zwar forciert sie private Beteiligung an der Geldindustrie neuerdings: Kernstück ihres jüngsten Bankenrettungsplans ist ein "öffentlich-privates Investitionsprogramm", bei dem der Staat den Privatanlegern unter die Arme greift, um die Problemkredite der Banken so abzustoßen.
Doch bisher erlaubt die zuständige US-Notenbank den Beteiligungsgesellschaften dabei nur Minderheitsbeteiligungen. Damit soll verhindern werden, dass es zu Zuständen wie Anfang des 20. Jahrhunderts kommt, als sich Wirtschaft und Geldwesen der USA unter der Kontrolle weniger Individuen befanden. Damals wurde ein Ausdruck für solche Querbeet-Übernahmen geprägt: "Morganisierung" - nach dem Eisenbahn- und Stahlmagnat John Pierpont Morgan, dem Gründer der Großbank JP Morgan.
Kapitalbedarf der Banken lockt die Investoren
Kritiker warnen bereits davor, dass die Beteiligungsfirmen die US-Banken vollends in den Untergang treiben könnten. Doch die geben sich unbeirrt: Sie sehen im gigantischen Kapitalbedarf der maroden Finanzkonzerne eine historische Chance.
Dazu haben die Geldgeber in Washington eine massive Lobby-Kampagne angestoßen. Anwaltsheere wurden angeheuert, um Entscheidungsträger im Finanzministerium zu bearbeiten. Alte Drähte zum Obama-Team dürften sich auszahlen: Blackstone und Carlyle gehörten zu Obamas emsigsten Wahlkampfspendern.
Die Private-Equity-Unternehmen versprechen, das Bank-Business und den Rest ihrer Geschäfte weiter separat zu führen, indem sie Holdingfirmen für die Finanzbeteiligungen einrichten. Eine andere Option: "Club Deals" wie bei Bank United, bei denen sie sich mit anderen Investoren zusammentun. Jede Gesellschaft kauft dabei den gesetzlich erlaubten Höchstanteil, was sich am Ende dann zu 100 Prozent addiert.
Ein solcher Investorenclub kaufte sich auch bei IndyMac ein, einer der ersten Banken, die im Strudel der US-Hypothekenkrise untergingen. Die FDIC gab sie, unter strengen Auflagen, an ein Konsortium aus Christopher Flowers, den umtriebigen Hedgefonds-Milliardären George Soros und John Paulson sowie Michael Dell, dem Gründer des Computerkonzerns Dell.
Flowers soll in der Szene derzeit besonders aktiv sein. "Ich glaube nicht, dass die Republik in die Knie gehen wird, wenn Finanzinvestoren Banken besitzen", sagte er der "New York Times". Komplett sicherte er sich bereits die First National Bank of Cainesville, eine der kleinsten Banken der USA im Bundesstaat Missouri. Die Beschränkung für Kapitalgesellschaften umging er, indem er als Privatmann zahlte. Im Februar verschwand das Namensschild First National Bank. An seiner Stelle erschien ein neuer Name im Schaufenster: "Flowers Bank".
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Im Machtkampf zwischen Porsche und VW wird der Ton rauer: Volkwagen-Patriarch Piëch fordert die Führung des Sportwagenbauers mit neuen Provokationen heraus - und verlangt Klarheit über riskante Finanzgeschäfte. Wann die geplante Fusion kommt, ist unklarer denn je.
Berlin - Ferdinand Piëch gab wieder einmal das Enfant terrible: Ohne Erklärung oder Entschuldigung blieb der VW-Patriarch dem Treffen des Porsche-Aufsichtsrats am Montag fern. Er übermittelte dem Gremium nach Angaben aus seinem Umfeld nur sein Votum für die eine oder andere Entscheidung. Was bewog ihn, seine Mitkontrolleure aus dem Familienkreis um Cousin Wolfgang Porsche zu düpieren? Die Spekulation darüber überließ er den Beobachtern.
Aus Sicht von Volkswagen ist die Erklärung ganz einfach. "Was bringt es, seine Zeit in Sitzungen zu verbringen, wenn es ganz woanders hakt?", heißt es aus dem Konzern. Man habe auf Wunsch der Eigentümer Verhandlungen mit dem Porsche-Management begonnen, um den Sportwagenhersteller in den Konzernverbund zu holen. Das mache aber nur Sinn, wenn man auch einen Überblick darüber gewinnen könne, wie es bei Porsche aussehe. Und eben da scheint es Probleme zu geben, die aus Sicht von Volkswagen weitere Konsultationen unnötig erscheinen lassen.
Vor eineinhalb Wochen hatten sich die Porsche-Eigentümerfamilien auf einen Zusammenschluss mit dem VW-Konzern geeinigt. Die Details sollen Unterhändler aller Seiten in den kommenden Wochen ausarbeiten. Dazu zählen die Vertreter beider Unternehmen und die des Landes Niedersachsen, das als zweitgrößter VW-Aktionär neben Porsche ein gewichtiges Wort mitzureden hat.
Doch die Verhandlungen scheinen ins Stocken geraten zu sein, ehe sie richtig begonnen haben. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hatte auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) Porsche von mehr Offenheit gefordert. "Was wir brauchen, ist volle Transparenz", sagte sein Staatssekretär, Olaf Glaeseker, "bei allem Verständnis dafür, dass mancher auf dem Weg in die Sauna den Bademantel möglichst lange anbehalten will. Die Stunde der Wahrheit für Porsche naht."
Die Wolfsburger sehen derzeit nach offizieller Lesart keinen Gesprächsbedarf. Intern aber pochen sie darauf, Details zu Optionsgeschäften zu erfahren, die Finanzchef Holger Härter im Zusammenhang mit den Käufen von VW-Aktien abgeschlossen hat. Die aber hält der gewiefte Finanzexperte eisern unter Verschluss. Ob sich dahinter Verlustrisiken oder Gewinnaussichten verbergen, können auch Branchenexperten wie der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler nicht einschätzen: "Es liegen keinerlei Informationen darüber vor. Es könnten sich Verluste oder Gewinne - womöglich sogar in Milliardenhöhe - dahinter verbergen. Wir wissen es schlicht nicht".
Bei Porsche hingegen kann man die Aufregung nicht verstehen. "Wir sind eben ein keusches Unternehmen", erklärt Konzernsprecher Anton Hunger in Anspielung auf Glaesekers Äußerung. "Und wir sind es aus voller Überzeugung".
Tatsächlich hat die Zurückhaltung der Porsche-Finanzabteilung handfeste rechtliche Gründe. "Wenn wir die Optionen offenlegen würden, würden wir eine ganze Reihe an Rechtspflichten verletzten", erklärt eine Person aus dem Konzern. "Im Übrigen könnte sich dann in kurzer Zeit eine werthaltige Option in ein Verlustgeschäft umwandeln". Entscheidend aber sei, dass die zentralen Figuren über die Geschäfte Bescheid wüssten. "Wieso fragen die VW-Leute nicht bei denen nach?"
Porsche weist Finanzprobleme zurück
Der Zwist um die Offenlegung der Bücher dürfte aber nur einen Teil der Spannungen ausmachen, der derzeit zwischen den Unternehmen und den Verantwortlichen im Hintergrund herrschen. Jede Annährung scheitert schon an Grundsätzlichkeiten. Während man bei Volkswagen etwa behauptet, um die Prüfung einer Porsche-Übernahme gebeten worden zu sein, weist man bei Porsche schon den Anlass für solche Gedankenspiele von sich.
Das Aufsichtsratstreffen am Montag etwa beschreibt Specher Hunger als reine Routine: "Da ging es um Kotflügel und Ledersitze", erklärt er. Es habe sich um eine ganz reguläre Sitzung des Aufsichtsrats der Porsche AG gehandelt.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur AP soll es bei der Sitzung allerdings auch um eine Kapitalerhöhung in Höhe von vier bis fünf Milliarden Euro gegangen sein. Trotzdem befinden sich die Stuttgarter aus ihrer Sicht keinesfalls nicht in einer finanziellen Notlage. Die jüngst mit den Banken vereinbarte Kreditlinie über zehn Milliarden Euro laufe bis März 2010 und könne dann verlängert werden, betonte Hunger. Ein Drittel der Summe werde dann fällig. "Bis März kommenden Jahres haben wir keinen Refinanzierungsbedarf", sagte er.
Eine Beschreibung der auch Metzler-Analyst Pieper durchaus folgen kann. "Die Eigenkapitalausstattung beträgt 45 Prozent, die Rendite stimmt und die Kreditzinsen lassen sich von den Gewinnen bezahlen", erklärt er. Wenn man dann noch das Vermögen von Porsche einbeziehe, gebe es eigentlich keinen Grund mehr, von einer Schieflage zu sprechen. Die Banken hätten deshalb im Grunde auch keinen Grund, Kredite zu verweigern.
Piëch sieht Porsche in der Kreditklemme
Piëch hatte dagegen vor wenigen Tagen öffentlich von finanziellen Schwierigkeiten bei den Stuttgartern gesprochen und damit seine Verwandten im Porsche-Clan gegen sich aufgebracht. VW könne leichter Kredite bekommen. Daher sei auch eine Übernahme und die anschließende Integration von Porsche bei VW denkbar. Dabei wären elf Milliarden Euro als Kaufpreis für Porsche zu hoch gegriffen - Anlass genug für Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück von Verrat zu sprechen und mehrere tausend Porsche-Beschäftigte am Rande der Aufsichtsratssitzung zu einer Demonstration gegen den VW-Patriarchen zu versammeln.
Wie die Gespräche nun weiterlaufen werden, ist nach dem turbulenten Montag vollkommen offen. Einig sind sich die Beteiligten lediglich, dass es um die Zusammenführung beider Unternehmen gehen soll - irgendwie, irgendwann. "Am Ende werden zehn Marken unter einem Konzerndach vorhanden sein", sagt ein Parteigänger von Porsche - und er ließ durchblicken, dass die Stuttgarter am Ende das Sagen haben würden. In Wolfsburg spekuliert man dagegen, dass Porsche wegen finanzieller Schwierigkeiten früher oder später klein beigibt und sich unter das Konzerndach flüchtet.
Das könnte aber noch eine Weile dauern - denn zunächst müsste dazu der Machtkampf innerhalb des Porsche/Piëch-Clans entschieden werden. Und derzeit deutet nichts darauf hin, dass eine Versöhnung bevorsteht.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Wirtschaftsflaute trifft den Arbeitsmarkt in Deutschland immer härter. Einem Pressebericht könnte die Zahl der Langzeitarbeitslosen bis zum kommenden Jahr deutlich ansteigen - der Bund muss sich jetzt auf drastische Mehrausgaben für Hartz-IV-Empfänger einstellen.
Düsseldorf/Berlin/Nürnberg - Neue Hiobsbotschaft für die Bundesregierung: Die Rezession dürfte die Ausgaben für Langzeitarbeitslose im kommenden Jahr in die Höhe treiben. Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) für das "Handelsblatt" zeigen, dass der Bund im kommenden Jahr 44,6 Milliarden Euro für Hartz IV wird ausgeben müssen - nach 37,7 Milliarden Euro im laufenden Jahr und 34,8 Milliarden Euro 2008. Konkrete Zahlen über die erwartete Zahl der Langzeitarbeitslosen wurden nicht bekannt.
Zusammen mit den hohen Steuerausfällen werde dies dazu führen, dass der Bund 2010 gut 91 Milliarden Euro neue Schulden machen müsse, heißt es in dem Zeitungsbericht. "Die Nettokreditaufnahme wird sich gegenüber diesem Jahr damit verdoppeln", prognostizierte IfW-Finanzexperte Alfred Boss.
Nach der IfW-Prognose dürften neben den Steuerausfällen auch andere Staatseinnahmen ausbleiben. Angesichts des geringeren Güterverkehrs dürfte die Lkw-Maut dem Staat deutlich weniger als bislang geplant einbringen. Außerdem dürften die Erlöse aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten durch den Preisverfall unter den Erwartungen liegen. Die Bundesbank werde 2010 nicht die üblichen 3,5 Milliarden Euro Gewinn nach Berlin überweisen können.
Regierung hofft auf ein Ende der Talfahrt
Die Bundesregierung hofft jetzt auf erste Anzeichen für eine Bodenbildung. Die Konjunkturdaten seien "noch kein sicheres Zeichen einer Trendwende", sagte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). "Aber der zuletzt nahezu ungebremste Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten wird sich wohl so nicht fortsetzen", heißt es im Monatsbericht des Wirtschaftsministeriums vom Montag.
In der Industrie gebe es Hoffnung auf ein "absehbares Ende der Talfahrt". Vor allem am Bau machten sich die Konjunkturpakete bemerkbar. Auch der Privatkonsum profitiere nicht zuletzt dank der Abwrackprämie davon. Die Verschlechterung der Lage auf dem Arbeitsmarkt wirke sich allerdings immer belastender aus, was durch Kurzarbeit gedämpft werde, heißt es im Bericht.
Tatsächlich verschlechtert sich die Situation am Jobmarkt rapide. Im ersten Jahresviertel sank die Zahl der offenen Stellen gegenüber dem Vorquartal um rund 221.000 auf 870.000, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am Montag in Nürnberg unter Berufung auf eine Studie mitteilte. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum habe es 273.000 Jobangebote weniger gegeben.
Dem IAB zufolge hat die Wirtschaftskrise mit der üblichen Verzögerung von einigen Monaten inzwischen deutliche Spuren auf dem Stellenmarkt hinterlassen. Der Rückgang der offenen Stellen zwischen Januar und März habe nahezu ausschließlich Westdeutschland betroffen. Wegen ihrer geringeren Exportabhängigkeit sei die ostdeutsche Wirtschaft weniger hart von der Rezession betroffen.
Quelle : www.spiegel.de
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Im Machtkampf mit VW könnte Porsche ein entscheidender Schlag gelingen: Der Sportwagenbauer führt Gespräche mit einem arabischen Investor, um seine Milliarden-Schulden in den Griff zu bekommen. Selbst VW-Großaktionär Niedersachsen unterstützt den Einstieg neuer Kapitalgeber.
Stuttgart/Hannover - Porsche sieht sich bei der Suche nach einem Geldgeber auf gutem Wege: "Wir führen vielversprechende Gespräche mit einem möglichen Investor", sagte ein Unternehmenssprecher am Dienstag. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert aus Kreisen, wonach die Kontakte in Richtung Nahost gingen. Auch bei der Deutschen Presse-Agentur ist von einem potentiellen arabischen Investor die Rede.
In den vergangenen Wochen war bereits mehrfach über einen Partner aus dem arabischen Raum spekuliert worden. Laut "Financial Times Deutschland" wurden die finanzstarken Emirate Abu Dhabi und Katar genannt.
Porsche kämpft derzeit mit hohen finanziellen Belastungen. Schulden in Höhe von neun Milliarden Euro belasten die Bilanz, nachdem der Autobauer 51 Prozent von Volkswagen gekauft hatte. Angesichts der Probleme hatten die Porsche-Eigentümer, die Familien Piëch und Porsche, die geplante Übernahme von Volkswagen abgeblasen und sich auf eine Fusion der beiden Hersteller verständigt.
Doch die Gespräche über den neuen Autokonzern liegen seit dem Wochenbeginn auf Eis, weil sich Volkswagen von Porsche nicht ausreichend über dessen Finanzlage informiert sieht. Zudem ringen die Beteiligten um den Einfluss bei dem fusionierten Unternehmen.
VW-Aufsichtsratschef und Porsche-Mitaktionär Ferdinand Piëch will erreichen, dass Porsche als zehnte Marke in den Wolfsburger Autokonzern eingegliedert wird und das Volkswagen-Lager den neuen Autokonzern dominiert. Sein Cousin Wolfgang Porsche und Porsche-Chef Wendelin Wiedeking pochen dagegen auf die Eigenständigkeit des Herstellers.
Porsches Investorensuche verschärft die Situation zusätzlich, zumal Ferdinand Piëch dem möglichen Einstieg eines Kapitalgebers zur Lösung der Porsche-Finanzprobleme eine Absage erteilt hat. "Ich kann mir keine guten Bedingungen für VW und Porsche erwarten, wenn da ein Dritter dazukommt." Zunächst müssten die akuten Probleme gelöst werden. Wenn dies erledigt sei, sei ein weiterer Investor natürlich willkommen.
Piëchs Absage verwundert kaum: Der neue Anteilseigner würde im fusionierten VW-Porsche-Konglomerat seinen Einfluss geltend machen. Zudem gewänne Porsche mehr Spielraum, um sich gegen Piëchs Hegemonialpläne zu verteidigen.
Niedersachsen unterstützt Investorensuche
Dennoch bekommt Porsche nun Schützenhilfe aus dem Volkswagen-Lager. Der neue Autoriese sollte nach Meinung des Landes Niedersachsen offen für weitere Investoren sein. "Am Ende des Tages könnte es so aussehen: Porsche hält 50 Prozent, Niedersachsen 20 Prozent und im Streubesitz liegen 30 Prozent", sagte der Sprecher der Staatskanzlei in Hannover, Olaf Glaesecker, am Dienstag. Der Streubesitz würde Geldgebern genügend Raum für Beteiligungen geben. "Da kann jeder Investor reingehen", sagte Glaesecker. Das Land Niedersachsen wolle seine Rolle nicht verändern.
Niedersachsen kommt in dem Übernahmezank eine besondere Rolle zu. Das Land hat dank des VW-Gesetzes ein Vetorecht bei dem Wolfsburger Autobauer und will seinen Einfluss auch in einem neuen Konzern behalten. Regierungschef Christian Wulff sieht die Dominanz von Porsche bei VW allerdings als gescheitert an. "Es ist traurig, dass es einigen an Mumm fehlt, es allen Beteiligten - auch dem Betriebsrat und der Belegschaft - zu sagen", sagte Wulff auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung am Montagabend in Wolfsburg. Dennoch zeigte sich Wulff offen für Petrodollars: "Wir haben mit arabischen Investoren immer nur gute Erfahrungen gemacht."
Wulff forderte Porsche erneut dazu auf, seine Linie für einen Zusammenschluss der beiden Autobauer darzulegen. "Ohne eine klare Positionierung der Porsche-Seite wird es diese engere Partnerschaft nicht geben." Er halte dieses Ziel aber nach wie vor für richtig. "Es muss aber fair zugehen zwischen Porsche und VW, zwischen Porsche und Niedersachsen."
Von Fairness sind zumindest Piëch und Porsche noch ein gutes Stück entfernt. Der VW-Patriarch hatte am Montag für einen Eklat gesorgt, als er einem Treffen des Porsche-Aufsichtsrates ohne Gründe fernblieb. Die Sitzung wurde begleitet von massiven Protesten von Porsche-Mitarbeitern gegen den Kurs Piëchs. Bereits zuvor hatte Piëch sich kritisch über die Führung der Stuttgarter geäußert und Porsche-Chef Wiedekings wenig transparenten Managementstil kritisiert.
Piëch hatte in der vergangenen Woche zudem von Schwierigkeiten der Stuttgarter gesprochen, Geld aufzutreiben. Volkswagen könne dagegen leichter Kredite bekommen. Daher sei auch eine Übernahme von Porsche durch die Wolfsburger denkbar.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Notlösung für Opel steht: Bundesregierung und Banken haben sich auf eine Finanzierung geeinigt, sollte der angeschlagene Autokonzern übergangsweise Geld brauchen. Welcher Bieter den Zuschlag bekommt, bleibt unklar - Fiat-Boss Marchionne ist bei den Gewerkschaften vorerst abgeblitzt.
Berlin/Frankfurt am Main - Die Banken stehen bereit, wenn der Fall der Fälle eintreten sollte: Die Bundesregierung hat sich nach Angaben aus Regierungskreisen mit einigen Banken auf eine Brückenfinanzierung für den angeschlagenen Autohersteller Opel geeinigt - falls diese notwendig werden sollte. Es habe im Kanzleramt ein Gespräch mit Banken gegeben, bei dem man sich über den Finanzierungsteil des Treuhandmodells der Regierung für Opel verständigt habe, verlautete aus den Kreisen.
An dem Treffen habe unter anderem die Deutsche Bank teilgenommen. Welche Banken bei der Übergangsfinanzierung bis einem Zeitpunkt beteiligt sein könnten, an dem ein Investor einsteigt, und in welcher Höhe dies geschehen könnte, wurde zunächst nicht bekannt.
Die Bundesregierung plant ein Treuhandmodell, über das mit staatlicher Unterstützung für den deutschen Autobauer eine Brücke bis zu einer endgültigen Übernahme durch ein privates Unternehmen gebaut werden soll. Dieses Modell soll aber nach den Plänen der Regierung nur genutzt werden, wenn Verhandlungen mit einem Investor Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss versprechen. In diesem Fall soll ein unabhängiger Treuhänder die Anteile an der europäischen Tochter von General-Motors übernehmen.
Zugleich soll eine Bankengruppe dem aus dem GM-Konzern herausgelösten Konzernteil einen Kredit geben, damit das Unternehmen zunächst weiter wirtschaften kann. Der Bund soll diesen Kredit verbürgen. Damit würde Zeit gewonnen, um die Gespräche mit einem Übernahmeinteressenten zu Ende zu führen.
Huber nicht überzeugt
Am Mittwoch läuft eine Frist aus, bis zu der Opel-Interessenten der Bundesregierung konkrete Konzepte vorschlagen sollen. Am selben Tag berät die Regierung bei einem Spitzentreffen über den Autobauer. Bislang geht man dort von drei Interessenten aus: dem italienischen Autobauer Fiat Chart zeigen, dem österreich-kanadischen Zulieferer Magna und dem US-Finanzinvestor Ripplewood.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hält nur die Konzepte des italienischen Autobauers Fiat und des österreichisch-kanadischen Zulieferers Magna für interessant. Beim dritten Interessenten handele es sich um einen "reinen Finanzinvestor". Wenn der Opel-Mutterkonzern GM in den USA nicht bis Ende Mai einen tragfähigen Rettungsplan vorlegen, droht die Insolvenz - mit Folgen für Opel.
Fiat-Chef Sergio Marchionne kam unterdessen zum ersten Mal mit der IG Metall in Frankfurt zusammen. Der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber zeigte sich im Anschluss nicht überzeugt von den Plänen der Italiener. Huber sprach von unterschiedlichen Traditionen und Kulturen der Mitbestimmung in Italien und Deutschland. Auch das grundsätzliche Problem der ähnlichen Modellpaletten beider Hersteller sei nicht ausgeräumt worden, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende.
Fieberhaftes Arbeiten an Brückenmodell
Unterdessen arbeitet die Bundesregierung fieberhaft an einem Treuhandmodell, um Opel mehr Zeit für die Verhandlungen zu geben. Damit soll Opel Deutschland aus dem Gesamtkonzern herausgelöst werden, um negative Auswirkungen einer GM-Insolvenz auf die deutsche Tochter zu vermeiden. Für das Modell ist die Zustimmung von GM und der US-Regierung nötig.
Laut Steinbrück kommen von der US-Regierung und GM aber bislang keine eindeutigen Signale. Eine Delegation aus Deutschland reist möglicherweise am Wochenende für Verhandlungen nach Washington. Daran beteiligen sich dann voraussichtlich das Bundeskanzleramt sowie das Wirtschafts- und das Finanzministerium.
Voraussetzung für das Treuhandmodell ist nach Angaben von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), dass Opel-Interessenten zukunftsträchtige Konzepte vorlegen, die einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen wahrscheinlich machen. Sollte es diese Konzepte nicht geben, hält Guttenberg weiterhin auch eine "geordnete Insolvenz" des Autobauers für denkbar.
Da Opel kurzfristig einen Finanzbedarf von ein bis zwei Milliarden Euro hat, begleitet ein Bankenkonsortium das Treuhandmodell. An dem Gespräch über ein Modell für eine Brückenfinanzierung nahmen am Dienstag neben Vertretern der Bundesregierung und Länder auch Vertreter mehrerer Banken teil, darunter der staatlichen KfW, der Landesbanken und Förderinstitute der betroffenen Opel-Länder sowie der Commerzbank. Zu dem Treffen eingeladen war auch der Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank.
IG Metall pocht auf unabhängige Opel-Marke
Die IG Metall hatte in der Vergangenheit mehrfach den Fiat-Konkurrenten Magna als möglichen Opel-Investor bevorzugt. Huber hat nach eigenen Angaben dem Fiat-Chef eine Reihe von Bedingungen für die Zustimmung der Gewerkschaft zu einer Opel-Übernahme durch Fiat genannt. Neben Standortgarantien, einer soliden Kapitalausstattung des Investors und einer weitgehenden künftigen Eigenständigkeit von Opel sei über die Mitbestimmung in einem künftigen europäischen Auto- Konglomerat gesprochen worden.
An dem Spitzentreffen zu Opel an diesem Mittwoch im Kanzleramt nehmen neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD), Wirtschaftsminister Guttenberg (CSU), Finanzminister Peer Steinbrück und Arbeitsminister Olaf Scholz (beide SPD) teil. Koalitionskreise bestätigten damit Angaben der "Financial Times Deutschland".
Quelle : www.spiegel.de
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Entspannung im Machtkampf zwischen VW und Porsche: In einer offiziellen Mitteilung erklären die Familien Porsche und Piëch die Zankereien der vergangenen Tage für beendet - und kündigen die Fortsetzung der Fusionsverhandlungen an.
Stuttgart/Hannover - Seit Sonntag haben sich Porsche und VW in immer neue Zankereien verstrickt - jetzt ziehen die beiden Autogiganten einen vorläufigen Schlussstrich: In einer knappen Mitteilung vom Dienstag teilten die Konzerne mit, die Aufsichtsratsvorsitzenden von VW und Porsche, Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche, "bestätigen, dass das Ziel des integrierten Automobilkonzerns weiter verfolgt wird". Dieses Ziel würden beide Häuser "konstruktiv und einvernehmlich mit allen Beteiligten vorantreiben".
Mit der Erklärung versuchen die beiden Autobauer etwas Ruhe in die zuletzt immer hitziger geführte Debatte um ihre Fusion zu bringen. Seit Sonntag lagen die Verhandlungen auf Eis, weil sich Volkswagen von Porsche nicht ausreichend über dessen Finanzlage informiert sieht.
Die Beteiligten ringen um den Einfluss bei dem fusionierten Unternehmen. VW-Aufsichtsratschef und Porsche-Mitaktionär Ferdinand Piëch will erreichen, dass Porsche als zehnte Marke in den Wolfsburger Autokonzern eingegliedert wird und das Volkswagen-Lager den neuen Autokonzern dominiert. Sein Cousin Wolfgang Porsche und Porsche-Chef Wendelin Wiedeking pochen dagegen auf die Eigenständigkeit des Herstellers.
Investorensuche verschärft Konflikt
Porsches Investorensuche verschärfte die Situation noch zusätzlich. Am Dienstag hatte der Konzern mitgeteilt, "vielversprechende Gespräche mit einem möglichen Investor" zu führen. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert aus infomierten Kreisen, wonach die Kontakte in Richtung Nahost gingen. Auch bei der Deutschen Presse-Agentur ist von einem potentiellen arabischen Investor die Rede.
VW-Chefaufseher Piëch hatte dem möglichen Einstieg eines Kapitalgebers zur Lösung der Porsche-Finanzprobleme eine Absage erteilt. "Ich kann mir keine guten Bedingungen für VW und Porsche erwarten, wenn da ein Dritter dazukommt", sagte er. Zunächst müssten die akuten Probleme gelöst werden. Wenn dies erledigt sei, sei ein weiterer Investor natürlich willkommen.
Piëchs Absage verwundert kaum: Der neue Anteilseigner würde im fusionierten VW-Porsche-Konglomerat seinen Einfluss geltend machen. Zudem gewänne Porsche mehr Spielraum, um sich gegen Piëchs Hegemonialpläne zu verteidigen.
Niedersachsen unterstützt Investorensuche
Dennoch bekommt Porsche nun Schützenhilfe aus dem Volkswagen-Lager. Der neue Autoriese sollte nach Meinung des Landes Niedersachsen offen für weitere Investoren sein. "Am Ende des Tages könnte es so aussehen: Porsche hält 50 Prozent, Niedersachsen 20 Prozent und im Streubesitz liegen 30 Prozent", sagte der Sprecher der Staatskanzlei in Hannover, Olaf Glaesecker, am Dienstag. Der Streubesitz würde Geldgebern genügend Raum für Beteiligungen geben. "Da kann jeder Investor reingehen", sagte Glaesecker. Das Land Niedersachsen wolle seine Rolle nicht verändern.
Niedersachsen kommt in dem Übernahmezank eine besondere Rolle zu. Das Land hat dank des VW-Gesetzes ein Vetorecht bei dem Wolfsburger Autobauer und will seinen Einfluss auch in einem neuen Konzern behalten. Regierungschef Christian Wulff sieht die Dominanz von Porsche bei VW allerdings als gescheitert an. "Es ist traurig, dass es einigen an Mumm fehlt, es allen Beteiligten - auch dem Betriebsrat und der Belegschaft - zu sagen", sagte Wulff auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung am Montagabend in Wolfsburg. Dennoch zeigte sich Wulff offen für Petrodollars: "Wir haben mit arabischen Investoren immer nur gute Erfahrungen gemacht."
Wulff forderte Porsche erneut dazu auf, seine Linie für einen Zusammenschluss der beiden Autobauer darzulegen. "Ohne eine klare Positionierung der Porsche-Seite wird es diese engere Partnerschaft nicht geben." Er halte dieses Ziel aber nach wie vor für richtig. "Es muss aber fair zugehen zwischen Porsche und VW, zwischen Porsche und Niedersachsen."
Von Fairness sind zumindest Piëch und Porsche noch ein gutes Stück entfernt. Der VW-Patriarch hatte am Montag für einen Eklat gesorgt, als er einem Treffen des Porsche-Aufsichtsrats ohne Gründe fernblieb. Die Sitzung wurde begleitet von massiven Protesten von Porsche-Mitarbeitern gegen den Kurs Piëchs. Bereits zuvor hatte Piëch sich kritisch über die Führung der Stuttgarter geäußert und Porsche-Chef Wiedekings wenig transparenten Managementstil kritisiert.
Piëch hatte in der vergangenen Woche zudem von Schwierigkeiten der Stuttgarter gesprochen, Geld aufzutreiben. Volkswagen könne dagegen leichter Kredite bekommen. Daher sei auch eine Übernahme von Porsche durch die Wolfsburger denkbar.
Porsche kämpft derzeit mit hohen finanziellen Belastungen. Schulden in Höhe von neun Milliarden Euro belasten die Bilanz, nachdem der Autobauer 51 Prozent von Volkswagen gekauft hatte. Angesichts der Probleme hatten die Porsche-Eigentümer, die Familien Piëch und Porsche, die geplante Übernahme von Volkswagen abgeblasen und sich auf eine Fusion der beiden Hersteller verständigt.
Quelle : www.spiegel.de
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Fiat, Magna und der US-Finanzinvestor Ripplewood: Alle drei potentiellen Investoren haben bei General Motors Europe ein Konzept für den angeschlagenen Autobauer Opel eingereicht. Zuvor hatte die Bundesregierung überraschend die Angebotsfrist verlängert.
Berlin - Jetzt liegen die Karten auf dem Tisch: Der italienische Autobauer Fiat, der kanadisch-österreichische Zulieferer Magna sowie der amerikanische Finanzinvestor Ripplewood über seine europäische Tochter RHJ International hätten jeweils ein Angebot für Opel abgegeben, teilte ein GM-Europa-Sprecher am Mittwochabend mit. Es habe "keine Überraschung" in letzter Minute gegeben. Bis Ende kommender Woche will die Bundesregierung die Angebote nun prüfen und Klarheit schaffen.
Als erster Interessent hatte Fiat sein Übernahmekonzept eingereicht. Der italienische Hersteller habe eine Offerte für die europäischen General-Motors-Töchter Opel und Vauxhall abgegeben, sagte ein Fiat-Sprecher am Mittwochabend. Sollte die Übernahme zustande kommen, würde ein neuer Konzern gebildet, der die Fiat-Aktivitäten einschließlich ihrer Beteiligung am US-Hersteller Chrysler sowie Opel umfassen würde, berichtet die Zeitung "La Repubblica". Demnach will Fiat "neue Motoren, gemeinsame Plattformen, Technologie und sein Händlernetz in Lateinamerika und Asien, wo Opel nicht präsent sei, einbringen.
Auch der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna hat ein Konzept eingereicht. Wie die "Rheinische Post" unter Berufung auf Unternehmenskreise berichtet, hat der Zuliefererkonzern zusammen mit dem russischen Autobauer Gaz ein Übernahme-Konzept vorgelegt. Magna will mit Gaz und finanzieller Unterstützung der russischen Bank Sberbank die Mehrheit an Opel übernehmen. Magna gab dazu zunächst keinen Kommentar ab.
Ursprünglich sollten potentielle Investoren ihre Übernahmekonzepte für Opel bis 18 Uhr am Mittwoch einreichen. Doch Minuten vor Ablauf der Frist lockerte die Bundesregierung den Zeitplan. Dem Vernehmen nach war der Termin ohnehin nie als harte Frist zu verstehen gewesen.
Regierung will schnelle Entscheidung
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Vormittag mit Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) und mehreren Bundesministern über das weitere Vorgehen in Sachen Opel beraten. Einer der Teilnehmer, Arbeitsminister Olaf Scholz, sagte anschließend, es sei sinnvoll, "im Laufe dieser oder nächster Woche" eine Lösung zu finden.
"Es ist uns natürlich wichtig, dass wir möglichst schnell eine klare Zukunft haben für das Unternehmen und für die Arbeitnehmer", sagte Scholz. Zentrales Ziel sei der Erhalt der deutschen Standorte und möglichst vieler Arbeitsplätze. Die Konzepte der Investoren werde die Regierung "sehr schnell, sehr zügig und sehr intensiv" prüfen. Dazu treffen sich die Spitzen auch in dieser Woche noch einmal. "Wir werden uns so oft treffen, dass wir in der Lage sind, rechtzeitig vor Ende dieses Monats eine Entscheidung zu treffen", sagte Scholz.
Die Bundesregierung fürchtet eine Insolvenz von GM. Eine Pleite der US-Mutter könnte auch hierzulande Arbeitsplätze gefährden. Mit einem Treuhandmodell für Opel will der Bund den Hersteller nun aus dem amerikanischen Gesamtkonzern herauslösen, um negative Auswirkungen einer GM-Insolvenz auf die deutsche Tochter zu vermeiden.
Bedingung für das Treuhandmodell ist Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zufolge, dass Opel-Interessenten zukunftsträchtige Konzepte vorlegen. Sollte es diese Pläne nicht geben, hält Guttenberg auch eine "geordnete Insolvenz" des Autobauers für denkbar.
Zumindest Bund und Länder haben sich bereits über eine Aufteilung der Zwischenfinanzierung für Opel geeinigt. Das hessische Finanzministerium bestätigte am Mittwoch in Wiesbaden einen entsprechenden Vorabbericht des Hessischen Rundfunks. Danach übernehmen der Bund mit 750 Millionen Euro und Hessen mit 447 Millionen Euro den Löwenanteil der von Opel benötigten Staatsbürgschaften in einer Gesamthöhe von 1,5 Milliarden Euro.
Nordrhein-Westfalen übernehme 150 Millionen Euro, Rheinland-Pfalz 102 Millionen Euro und Thüringen 51 Millionen Euro, sagte Ministeriumssprecher Michael Scheerer. Damit verbürgen Bund und Länder den Notkredit für Opel je zur Hälfte. Die Länder hatten ihren Anteil gemessen nach der Zahl der Opel-Beschäftigten untereinander aufgeteilt.
Der Kredit soll dem Autobauer von verschiedenen staatlichen Banken wie der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) zur Verfügung gestellt werden.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Bundesregierung will binnen einer Woche die Opel-Rettungskonzepte von Fiat, Magna und einem US-Finanzinvestor prüfen - die Betriebsräte machen schon mal Druck. Sie kündigen an, notfalls mit den Händlern der Marke selbst ein Übernahmeangebot vorzulegen, "wenn alle Stricke reißen".
Berlin - Jetzt liegen die Karten auf dem Tisch: Der italienische Autobauer Fiat, der kanadisch-österreichische Zulieferer Magna sowie der US-Finanzinvestor Ripplewood über seine Europatochter RHJ International bieten für Opel. Bis Ende kommender Woche will die Bundesregierung die Angebote prüfen und Klarheit schaffen - doch der Betriebsrat bringt nun noch eine ganz andere Notlösung ins Gespräch, falls die Offerten als untauglich verworfen werden sollten.
"Wenn alle Stricke reißen, würden die Arbeitnehmer und die Händler von Opel eine gemeinsame Offerte vorlegen", sagte Opel-Betriebsratschef Klaus Franz der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Eine Milliarde Euro für ein solches Angebot könne durch einen Lohnverzicht der Beschäftigten aufgebracht werden und weitere 500 Millionen Euro durch den Rettungsfonds, den die rund 4000 Opel-Händler schon beschlossen haben.
Franz habe den Plan schon mit Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern vorbereitet, schreibt die Zeitung unter Berufung auf den Betriebsratsschef. Mit den insgesamt 1,5 Milliarden Euro sei aber keine Mehrheitsübernahme durch die Arbeitnehmer geplant. Vielmehr solle in diesem Notfallplan die Mehrheit des jetzigen Mutterkonzerns GM auch im Aufsichtsrat erhalten bleiben.
Der Notfallplan verstärkt den Druck auf Fiat, Magna und RHJ, ihre Übernahmekonzepte mit den Betriebsräten zu erörtern. "Wir haben die Investoren für Anfang kommender Woche nach Rüsselsheim eingeladen, damit sie uns ihre Konzepte im Detail erläutern können", sagte Franz der Zeitung. Magna habe dies bereits zugesagt, von Fiat gebe es noch keine Antwort.
Die Bundesregierung ihrerseits will die Konzepte der drei potentiellen Investoren jetzt rasch überprüfen. Regierungsvertreter sagten am Mittwochabend, die Opel-Task-Force sitze schon zusammen. Auch an Christi Himmelfahrt werde mit Hochdruck weitergearbeitet. "Diese und die nächste Woche werden entscheidend sein", sagte ein Insider.
Einen Favoriten habe die Bundesregierung nicht, sagte der Sprecher von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Die Grundsatzentscheidung werde aber ohnehin allein vom Mutterkonzern GM getroffen. Die Bundesregierung sei nur insofern gefragt, als es um staatliche Hilfen für Opel unter neuer Regie gehe. Gebe es allerdings keinen Investor mit tragfähigem Konzept, drohe Opel die Insolvenz.
Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier formulierte dagegen deutlich Kriterien für den Investor, der den Zuschlag bekommen soll. Der Erhalt der vier deutschen Opel-Standorte und möglichst vieler Stellen sei ein entscheidendes Kriterium: "Unsere Sympathie hat der, der die vier Opel-Standorte und die größtmögliche Zahl von Arbeitsplätzen glaubwürdig garantiert", sagte der Außenminister und SPD-Spitzenkandidat dem "General-Anzeiger". Es sei darum gegangen, strategische Investoren zu interessieren. Das sei gelungen, "jetzt können wir in die Bewertung eintreten", sagte Steinmeier. Es gebe "ganz klar" eine Chance für den Erhalt der deutschen Standorte Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die Runde der zuständigen Minister werde sich in dieser Woche erneut treffen, um die Konzepte zu erörtern. Eine Verhandlungsdelegation stehe weiterhin bereit, kurzfristig nach Washington zu reisen, um eine Herauslösung von Opel auszuloten. In einem ersten wichtigen Schritt hätten sich Bund, Länder mit Opel-Standorten und staatliche Banken am Dienstagabend auf eine Brückenfinanzierung verständigt, die Opel in der derzeitigen unübersichtlichen Lage Zeit für weitere Verhandlungen mit Investoren verschaffen solle.
Als erster Interessent hatte Fiat sein Übernahmekonzept eingereicht. Der italienische Hersteller habe eine Offerte für die europäischen General-Motors-Töchter Opel und Vauxhall abgegeben, sagte ein Fiat-Sprecher am Mittwochabend. Sollte die Übernahme zustande kommen, würde ein neuer Konzern gebildet, der die Fiat-Aktivitäten einschließlich ihrer Beteiligung am US-Hersteller Chrysler sowie Opel umfassen würde, berichtet die Zeitung "La Repubblica". Demnach will Fiat "neue Motoren, gemeinsame Plattformen, Technologie und sein Händlernetz in Lateinamerika und Asien, wo Opel nicht präsent sei, einbringen.
Auch der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna hat ein Konzept eingereicht. Wie die "Rheinische Post" unter Berufung auf Unternehmenskreise berichtet, hat der Zuliefererkonzern zusammen mit dem russischen Autobauer Gaz ein Übernahmekonzept vorgelegt. Magna will mit Gaz und finanzieller Unterstützung der russischen Bank Sberbank die Mehrheit an Opel übernehmen. Magna gab dazu zunächst keinen Kommentar ab.
Über das Konzept des US-Finanzinvestors Ripplewood wurde zunächst nichts bekannt. Die Bundesregierung bevorzugt jedoch einen Investor, der möglichst selbst in der Automobilbranche tätig ist. Deshalb werden Ripplewood und seiner europäischen Tochter RHJ International wenig Chancen eingeräumt.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Bundesregierung berät noch über die Rettungskonzepte für Opel, beim Mutterkonzern GM in Detroit gibt es schon eine Präferenz. Nach SPIEGEL-Informationen liegt in einem internen Ranking Magna auf Platz 1, dahinter folgt der Finanzinvestor Ripplewood - und Fiat überraschend nur auf Platz 3.
Hamburg - In einem geheimen Ranking hat General Motors (GM) ermittelt, welchem Interessenten der Autokonzern am liebsten eine Beteiligung an seiner europäischen Tochter Opel einräumen will. Platz 1 belegt nach SPIEGEL-Informationen der Autozulieferer Magna, Rang 2 der US-Finanzinvestor Ripplewood - und erst auf Platz 3 steht Fiat.
Die Entscheidung darüber, wer die europäischen GM-Aktivitäten mit den Marken Opel und Vauxhall übernimmt, muss der Mutterkonzern in Detroit selbst fällen. GM-Boss Fritz Henderson hat sich intensiv mit den Interessenten befasst. Er muss berücksichtigen, welche Folgen die Mehrheitsübernahme eines Investors bei GM Europe auf das Geschäft von General Motors hat - denn der US-Konzern will weiter an dem Unternehmen beteiligt bleiben und technisch mit ihm zusammenarbeiten.
Für Magna spricht, dass der Autozulieferer im Ruf steht, selbst über Spitzentechnologie zu verfügen. So hat er beispielsweise große Teile der Entwicklungsarbeit für den BMW-Geländewagen X 3 geleistet. Außerdem könnte Magna Opel-Werke auch dadurch auslasten, dass es darin Modelle anderer Hersteller fertigt.
Dass Fiat überraschenderweise auf dem letzten Rang landet, erklären sich Konzern-Insider mit zwei Gründen. Zum einen steigt Fiat beim GM-Konkurrenten Chrysler ein. Der italienische Autokonzern könnte mit dem Know-how, auf das er bei GM in Europa Zugriff hat, ausgerechnet Chrysler stärken.
Zum anderen ist bei GM die Verärgerung darüber offenbar noch groß, dass der US-Konzern für die Trennung von Fiat vor einigen Jahren den Italienern noch eine Ausgleichszahlung von 1,5 Milliarden Dollar zahlen musste.
Das interne Ranking von GM stellt noch keine Entscheidung über die Zukunft von Opel dar. Der US-Konzern wird auch berücksichtigen müssen, zu welcher Einschätzung die Bundesregierung kommt, die die Konzepte der drei Interessenten seit Mittwochabend prüft. Schließlich kann GM die Mehrheit an Opel nur an einen Investor abgeben, der auch Milliardenbürgschaften der Bundesregierung und der beteiligten Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Thüringen erhalten wird.
Die Bundesregierung will binnen einer Woche die Opel-Rettungskonzepte von Fiat, Magna und Ripplewood prüfen. Allerdings könnte es noch eine vierte Alternative geben. So haben die Betriebsräte angekündigt, notfalls mit den Händlern der Marke selbst ein Übernahmeangebot vorzulegen.
"Wenn alle Stricke reißen, würden die Arbeitnehmer und die Händler von Opel eine gemeinsame Offerte vorlegen", sagte Opel-Betriebsratschef Klaus Franz der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Eine Milliarde Euro für ein solches Angebot könne durch einen Lohnverzicht der Beschäftigten aufgebracht werden und weitere 500 Millionen Euro durch den Rettungsfonds, den die rund 4000 Opel-Händler schon beschlossen haben.
Der Notfallplan verstärkt den Druck auf Fiat, Magna und Ripplewood, ihre Übernahmekonzepte mit den Betriebsräten zu erörtern. "Wir haben die Investoren für Anfang kommender Woche nach Rüsselsheim eingeladen, damit sie uns ihre Konzepte im Detail erläutern können", sagte Franz der Zeitung. Magna habe dies bereits zugesagt, von Fiat gebe es noch keine Antwort.
Die Regierung will die Konzepte der Investoren rasch prüfen. Regierungsvertreter sagten am Mittwochabend, die Opel-Task-Force sitze schon zusammen, an Christi Himmelfahrt werde weitergearbeitet. "Diese und die nächste Woche werden entscheidend sein", sagte ein Insider.
Möglicherweise gibt es schon bald eine Vorentscheidung. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters kommen die zuständigen Minister am Freitag bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen, um die Angebote für Opel zu bewerten. Die Regierung wolle schnell klären, ob mindestens eines der Angebote tragfähig genug erscheine, um das Überleben von Opel und möglichst vieler Arbeitsplätze zu gewährleisten, sagten Insider in Berlin.
Einen Favoriten habe die Bundesregierung aber nicht, sagte der Sprecher von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Mittwoch. Die Grundsatzentscheidung werde ohnehin allein vom Mutterkonzern GM getroffen. Die Bundesregierung sei nur insofern gefragt, als es um staatliche Hilfen für Opel unter neuer Regie gehe.
Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier formulierte allerdings deutlich Kriterien für den Investor, der den Zuschlag bekommen soll. Der Erhalt der vier deutschen Opel-Standorte und möglichst vieler Stellen sei ein entscheidendes Kriterium.
Quelle : www.spiegel.de
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Im Wettrennen um Opel geht Magna in Führung: GM, Belegschaft und Länderfürsten befürworten das Angebot von Investor Frank Stronach und Partnern - auch in den Bundesministerien gibt es nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen parteiübergreifende Sympathien dafür. Fiat fällt dagegen durch.
Rüsselsheim/Berlin/Turin - Die drei Konzepte für eine Opel-Übernahme liegen vor, jetzt muss die Bundesregierung mit dem Management des US-Mutterkonzerns General Motors (GM) zwischen dem Autobauer Fiat, dem Zulieferer Magna und dem Finanzinvestor Ripplewood wählen.
Zusehends kristallisiert sich Magna dabei als Spitzenreiter heraus. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE gibt es in den Ministerien in Berlin parteiübergreifend Sympathien für den österreichisch-kanadischen Zulieferer, der sich gemeinsam mit der russischen Sberbank und dem russischen Autobauer Gaz engagieren will. Regierungssprecher Thomas Steg verneinte am Freitag jedoch, dass die Bundesregierung eine Präferenz für einen der Bieter habe. "Dafür ist es noch zu früh", sagte Steg.
Auch bei GM liegt Magna derweil vorne: In einem geheimen Ranking hat die US-Mutter ermittelt, welchem Interessenten der Autokonzern am liebsten eine Beteiligung an seiner europäischen Tochter einräumen will. Platz eins belegt nach SPIEGEL-Informationen Magna, Rang zwei der US-Finanzinvestor Ripplewood - und erst auf Platz drei steht Fiat.
Die Entscheidung darüber, wer die europäischen GM-Aktivitäten mit den Marken Opel und Vauxhall übernimmt, muss der Mutterkonzern in Detroit selbst fällen. GM-Boss Fritz Henderson hat sich intensiv mit den Interessenten befasst. Er muss berücksichtigen, welche Folgen die Mehrheitsübernahme eines Investors bei GM Europe auf das Geschäft von General Motors hat - denn der US-Konzern will weiter an dem Unternehmen beteiligt bleiben und technisch mit ihm zusammenarbeiten.
Koch favorisiert Magna
Auch auf Ebene der Bundesländer, in denen Opel produziert, gibt es erste Stimmen für Magna. Der Konzern ist nach den Worten von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) der Favorit für die Übernahme. Das Angebot von Magna, sei "sicherlich am nächsten an den Hoffnungen und Wünschen vieler in der deutschen Politik, aber auch bei den Arbeitnehmern", sagte Koch am Freitag im Deutschlandfunk.
Die Offerte des US-Finanzinvestors Ripplewood sei ebenfalls "interessant". Dagegen habe das Angebot des italienischen Autobauers Fiat "manche enttäuscht". Dieses sei "sehr weit von dem entfernt, was man sich vielleicht erhofft hat an mancher Stelle", sagte Koch.
Die Bundesländer - allen voran Hessen - wollen Opel mit einer milliardenschweren Finanzhilfe stützen. Hintergrund ist eine mögliche Pleite von GM. Eine Insolvenz des Mutterkonzerns könnte auch Opel treffen. Bund und Länder fürchten um die Arbeitsplätze in Deutschland und hoffen daher auf einen Investor für den Hersteller.
Bund prüft die Konzepte
Nach der Vorlage der Übernahmekonzepte berät die Bundesregierung unter Hochdruck weiter über die Rettung von Opel. Die zuständigen Minister sowie die Ministerpräsidenten der vier Opel-Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen treffen sich dazu am Freitag im Bundeskanzleramt. Regierungssprecher Steg schloss nicht aus, dass es dabei zu einer Vorentscheidung kommen könnte. Die endgültige Entscheidung müsse aber in den USA fallen.
Um Stellenstreichungen wird Opel bei keinem der drei Konzepte herumkommen. Fiat-Chef Sergio Marchionne machte im Gespräch mit dem SPIEGEL deutlich, dass in den vier deutschen Opel-Fabriken in Rüsselsheim, Kaiserslautern, Bochum und Eisenach Arbeitsplätze abgebaut werden, falls eine Fusion zustande kommt. "Wir müssen die Produktionskapazitäten in dem neuen Gemeinschaftsunternehmen aus Fiat und den europäischen GM-Töchtern um 20 Prozent reduzieren", sagte der Manager. Das bedeute nicht, dass auch die Zahl der Arbeitsstellen um 20 Prozent sinken müsse, fügte er hinzu. Der erforderliche Abbau von Stellen werde gleichmäßig über Europa verteilt.
Fiat will im Falle eines Einstiegs europaweit insgesamt 18.000 Jobs streichen, auch in Fiat-Werken, berichtet die "Bild"-Zeitung. Magna plane den Abbau von rund 10.000 Stellen. Auch das Ripplewood-Konzept sehe Stellenstreichungen in dieser Größenordnung vor. GM beschäftigt in Europa insgesamt rund 55.000 Mitarbeiter.
Auch fordern alle Bieter Finanzhilfe durch die Bundesregierung. Nach "Bild"-Informationen verlangt Magna Bürgschaften von rund fünf Milliarden Euro, Ripplewood taxiere den abzudeckenden Kreditbedarf auf unter fünf Milliarden Euro. Die höchsten Staatsgarantien verlange Fiat mit rund sieben Milliarden Euro.
Der Finanzbedarf des Autobauers soll unter anderem über einen verbürgten Kredit, für den der Bund und die Länder je zur Hälfte einstehen, gedeckt werden. Thüringen will 51 Millionen Euro beisteuern, Nordrhein-Westfalen 150 Millionen Euro und Rheinland-Pfalz rund 102 Millionen Euro. Hessen will sich mit 447 Millionen Euro beteiligen. Insgesamt sind 1,5 Milliarden Euro an Überbrückungshilfen im Gespräch.
Betriebsrat unterstützt Magna und Ripplewood
Magna ist nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" auch Favorit des Opel-Gesamtbetriebsrates, der die rund 25.000 Mitarbeiter in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern vertritt. Der Autozulieferer habe ein "sehr detailliertes Konzept" vorgelegt, hieß es.
Die Opel-Beschäftigten basteln gleichzeitig an einer Notlösung, sollte die Übernahme durch die drei Kandidaten scheitern. "Wenn alle Stricke reißen, würden die Arbeitnehmer und die Händler von Opel eine gemeinsame Offerte vorlegen", sagte Betriebsratschef Klaus Franz der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Summe könnte bei 1,5 Milliarden Euro liegen. Davon entfielen eine Milliarde Euro auf einen Lohnverzicht der Beschäftigten und weitere 500 Millionen Euro auf den Rettungsfonds, den die 4000 Opel-Händler schon beschlossen haben.
Franz begrüßte seinerseits auch die Ripplewood-Offerte: Das Konzept sei "absolut logisch und nachvollziehbar", sagte der Betriebsrat der Zeitung "Die Welt". "Das Angebot muss ernsthaft geprüft werden." Leider werde es in der aktuellen Diskussion nicht angemessen wahrgenommen.
Chinesen legen Last-Minute-Angebot vor
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will eine erste Bewertung der Opel-Investorenkonzepte an diesem Freitag im Kanzleramt vorstellen. Dabei sollten die drei vorliegenden Übernahmeangebote im Lichte verschiedener Kriterien erörtert werden, sagte der Minister am Donnerstag im fränkischen Burghaslach.
Er sei guter Dinge, "dass wir die Überprüfung zügig vornehmen können, aber gleichzeitig auch mit General Motors und den Amerikanern verhandeln", sagte er. Keine Angaben machte Guttenberg zu der Frage, wann er mit einem Ergebnis der Bewertung rechne. Der spätest mögliche Zeitpunkt sei der 28. Mai. "Bis dahin müssen wir eine Grundeinschätzung treffen, weil bis dahin aller Voraussicht nach mit einem Insolvenzverfahren der Amerikaner zu rechnen ist."
Unterdessen hat sich offenbar ein vierter Investor für Opel in Position gebracht. Die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg berichtet, ein chinesischer Hersteller habe General Motors am Donnerstag schriftlich sein Interesse signalisiert. Ob es aber tatsächlich zu einem detaillierten Angebot kommen werde, sei offen.
Quelle : www.spiegel.de
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Solide, verlässlich, gut organisiert: So hat Magna-Chef Wolf sein Unternehmen in Berlin präsentiert. Lange hielt sich die Konzernspitze beim Feilschen um Opel im Hintergrund, nun geht sie in die Offensive - und wird von der Bundesregierung favorisiert. Nur Nordrhein-Westfalen lehnt das Konzept ab.
Berlin - Nach anderthalb Stunden hält es Siegfried Wolf nicht mehr auf seinem Stuhl. Der Magna-Chef springt auf, ist mit zwei Schritten am Flipchart und malt mit einem großen Filzstift los. Er hat den etwa 20 Journalisten im Raum so viel erzählt, hat sie umschmeichelt und erheitert, ihnen die Automobilwelt im Großen und Kleinen zu erklären versucht. Aber immer noch schaut der Chef des österreichisch-deutschen Automobilzulieferers in einige kritische Gesichter. Auch nach 90 Minuten hängt die Frage im Raum, genauer in Salon 5 des edlen Berliner "Hotel de Rome": Kann Magna der Retter für Opel sein?
Für Wolf ist die Antwort klar - und inzwischen auch für die Bundesregierung.
Magna, mit 70.000 Mitarbeitern einer der Giganten der Zulieferbranche, hat im Rennen um die Opel-Übernahmen die Konkurrenten Fiat und die aus dem Ripplewood-Fonds hervorgegangene Beteiligungsgesellschaft RHJ International abgehängt. Diese Einschätzung vertraten die Regierungschefs Roland Koch und Dieter Althaus nach einem Treffen der Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der betroffenen Länder am Freitag in Berlin. In den nächsten Tagen komme es darauf an, dass man sich "auf das im Augenblick interessanteste Angebot, das aus der Magna-Gruppe kommt, konzentriert", sagte Koch.
Bereits zuvor hatte SPIEGEL ONLINE Informationen erhalten, wonach die zuständigen Bundesministerien und die vier Bundesländer mit Opel-Standorten eindeutig zu Magna tendierten.
Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bremste am Freitagnachmittag allerdings - und machte auch den Magna-Konkurrenten Mut. "Es wäre verwegen, jemanden abzuschreiben", sagte der CSU-Politiker. Aus Düsseldorf kam gar eine komplette Ablehnung der Magna-Offerte: "Nordrhein-Westfalen stimmt nicht zu", sagte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. "Das ist auch abgestimmt so mit dem Betriebsrat und den Gewerkschaften." Der Arbeitsplatzabbau sei "nicht akzeptabel."
Bei Magna scheint man jedenfalls der Meinung zu sein, dass dieser Freitag genau der richtige Zeitpunkt war, um sich in Berlin zu präsentieren. Entweder, weil die Entscheidung längst klar ist. Oder um dafür zu sorgen, dass Merkel & Co. nicht doch noch auf andere Gedanken kommen.
Wolfs Plan: Gemeinsam mit dem russischen Autobauer Gaz und der ebenfalls russischen Sberbank will er Opel von der Konzernmutter General Motors erwerben. 35 Prozent der Anteile sollen bei GM bleiben, 35 Prozent die Russen bekommen. Magna selbst hielte demnach nur 20 Prozent, die restlichen 10 die Mitarbeiter. 500 bis 700 Millionen Eigenkapital wollen Magna und der Gaz-Finanzier Sberbank dafür investieren.
Wir haben uns Zeit gelassen und waren sorgfältig - so lautet die Botschaft von Magna-Chef Wolf. "Man sollte erst reden, wenn man die Fakten kennt", sagt er im Hotel de Rome. Nicht wie andere, die mit großem Gefolge kamen, im Pullover und ohne Krawatte - Fiat-Chef Sergio Marchionne ließ sich bereits als Opel-Retter feiern. Nun sollen die Italiener nur auf Platz drei liegen, noch hinter den Investoren von RHJ International. "Extrem luftig", nennt einer das Fiat-Papier, der mit allen drei eingereichten Konzepten vertraut ist.
Aber das sei auch "kein Wunder", sagt er. "Magna hat Opel mit 40 Leuten durchforstet, Fiat kam mit zwei."
Siegfried Wolf, 51, wird das gerne lesen. Das Firmenbild, mit dem er die Journalisten vom Magna-Rettungspotential überzeugen will, ist das eines ziemlich perfekten Unternehmens: Kleine Einheiten, motivierte Mitarbeiter, maximale Transparenz. So produziert Magna den Worten Wolfs nach in 25 Ländern rund um den Globus, 2008 lag der Umsatz bei 24 Milliarden US-Dollar. Der Vorstandsvorsitzende sagt dazu in seinem gepflegten Steirisch: "Ich bin darauf gekommen, dass Manager sein gar nicht so schwer ist." Wolf hat Werkzeugmacher gelernt, aber das ist lange her. In Berlin trägt er an diesem Tag eine lila Krawatte und ein Hemd mit Manschettenknöpfen unter dem dunklen Anzug.
Schwer lastet die Finanz- und Wirtschaftskrise auf der Welt - und eben auch auf Magna. "Niemand legt sich ein zweites Getriebe oder einen zweiten Motor zu Hause hin", sagt Wolf. Um die Krise zu meistern, will und muss das Unternehmen wachsen. Einige Zukäufe in der Vergangenheit scheiterten - Opel kommt nun gerade recht für Magna.
Die Allianz mit dem Autobauer Gaz scheint auch deshalb reizvoll, weil man Russland bei Magna als absoluten Wachstumsmarkt sieht. Was aber nicht heißt - das betont Wolf ausdrücklich - dass man auf Dauer die Produktion immer mehr dorthin verlagern wolle. Oder sich schon bald wieder aus dem Projekt zurückziehen wolle. "Wir sind keine Finanzjongleure", sagt er. "Unser Erfolg ist auf Langfristigkeit ausgelegt."
Was der Bundesregierung im Superwahljahr besonders wichtig sein dürfte: Magna will alle vier Standorte in Deutschland erhalten. Natürlich werde man nicht alle Arbeitsplätze in Deutschland retten können, sagt Wolf. 18.000 Stellen würde Fiat streichen, heißt es - "bei uns wären es deutlich weniger". Allerdings gibt es inzwischen auch Informationen, wonach die Italiener europaweit nur 10.000 Jobs abbauen wollen.
Und was gerade Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) gerne hören wird: "Ich will so wenig Geld vom deutschen Staat wie nötig", sagt Wolf - wegen der hohen Zinsen. Zwischen "vier und fünf Milliarden Euro" an Staatsgarantien, genauer will sich der Magna-Chef nicht festlegen.
Eines sei jedenfalls sicher, sagt Siegfried Wolf nach knapp zwei Stunden, mehrere große Blätter hat er auf der Schautafel noch mit Kreisen und Zahlen bemalt: "Wir wollen hier kein Abenteuer machen". Und wenn das die Bundesregierung genauso sähe, "dann freut uns das, dann haben wir wohl gute Arbeit gemacht." Dann bedankt sich Wolf für das Interesse.
Er freue sich schon auf das nächste Treffen mit den Journalisten.
Quelle : www.spiegel.de
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Der Favorit stellt Bedingungen: Der Autozulieferer Magna fordert nach SPIEGEL-Informationen weitere Hilfen für die Rettung von Opel. Er will dem angeschlagenen Autobauer nur dann helfen, wenn Pensionslasten des Unternehmens in Höhe von drei Milliarden Euro übernommen werden.
Hamburg - Die Bürgschaft in Höhe von 4,5 Milliarden Euro reicht nicht: Der österreichisch-kanadische Automobilzulieferer Magna knüpft eine Rettung des Autobauers Opel nach Informationen des SPIEGEL an weitere staatliche Hilfen. Das geht aus dem Übernahmekonzept Magnas hervor, das der Konzern bei der Bundesregierung eingereicht hat.
Magna werde mit dem Opel-Mutterkonzern General Motors (GM), der Bundesregierung und dem Pensionssicherungsverein zusammenarbeiten, "um eine akzeptable Lösung zu finden und einzuführen", heißt es in dem Konzept.
Magna stellt zudem in Aussicht, jedes Jahr zwei Prozent seines Nettogewinns für wohltätige Zwecke zu spenden. Obwohl in den deutschen Werken Personal abgebaut wird, sollen die Fertigungszahlen kräftig steigen. So sollen in Rüsselsheim nach den Plänen künftig 250.000 Autos vom Band rollen, derzeit sind es nur 160.000. Selbst in Bochum soll die Produktion um 58.000 Einheiten steigen.
Guttenberg ist skeptisch
Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sieht das Magna-Konzept dennoch genauso skeptisch wie die beiden Konkurrenzangebote von Fiat und dem Finanzinvestor Ripplewood. "Eine Risikoanalyse, die keine Zweifel lässt, steht noch aus", sagte er dem SPIEGEL. "Insofern bleibt auch eine geordnete Insolvenz immer noch eine Option."
Magna hatte am Freitag mitgeteilt, bei einer Opel-Übernahme mit seinem russischen Partner Sberbank 700 Millionen Euro in den angeschlagenen deutschen Autobauer investieren zu wollen. Die Summe solle teils von der Bundesregierung garantiert werden. Die Bundesländer mit Opel-Standort zeigten sich uneinig über die Angebote, die Magna und seine Mitbewerber Fiat und Ripplewood am Mittwoch vorgelegt hatten.
Das nicht-bindende Kaufangebot von Magna sieht nach eigenen Angaben vor, dass GM einen Anteil von 35 Prozent an dem deutschen Autobauer behalten solle, erklärte Magna. Sberbank werde ebenfalls 35 Prozent übernehmen, Magna selbst 20 Prozent und die Opel-Belegschaft die übrigen zehn Prozent.
Die "Frankfurter Rundschau" ("FR")berichtete, Magna plane eine stärkere Auslastung des Opel-Stammwerkes in Rüsselsheim. Dort solle neben dem Modell Insignia auch der neue Astra produziert werden. Für Bochum bleibe der Zafira übrig. Magna erwägt nach "FR"-Informationen das britische Werk Luton und den belgischen Standort Antwerpen zu schließen.
Die vier Ministerpräsidenten mit Opel-Standort in ihrem Land kamen am Freitag im Bundeskanzleramt mit den Spitzen der Regierung zusammen, um die Übernahmekonzepte von Magna, Fiat und Ripplewood zu bewerten. Der hessische Regierungschef Roland Koch (CDU) sagte danach, Magna erfülle "die Bedingungen mit weitem Abstand am meisten". Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte, es sei "gemeinsamer Wille", die Verhandlungen fortzusetzen, sicher mit einem "Schwerpunkt Magna". Auch Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich in der "Frankfurter Rundschau" klar für Magna aus: Der Zulieferer habe "ein sehr solides Konzept vorgelegt".
Rüttgers stellt sich quer
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers verwies hingegen auf die offenbar von Magna geplanten Stellenstreichungen im Werk in Bochum mit seinen derzeit 5300 Mitarbeitern. Medienberichten zufolge will der Zulieferer dort 2200 Jobs abbauen - von 2500 in ganz Deutschland. Dies sei "nicht akzeptabel" und "unfair", sagte Rüttgers. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte, die kommenden "vier, fünf Tage" seien entscheidend.
US-Präsident Barack Obama gibt sich unterdessen zuversichtlich, dass die angeschlagene Opel-Mutter GM nach der Sanierung wieder auf den Erfolgsweg zurückfindet. "Ich glaube, GM wird eine starke Firma sein", sagte Obama in einem Interview mit dem Fernsehsender C-Span, das am Samstag ausgestrahlt werden sollte. "Sobald die Wirtschaft wieder anzieht und GM seine Umstrukturierung abgeschlossen hat, wird es wieder aufwärts gehen."
Obama äußerte sich nicht dazu, ob die Sanierung der Opel-Mutter unter Gläubigerschutz stattfinden soll oder nicht. Er hoffe, dass GM und der insolvente Rivale Chrysler nach ihrer Sanierung schlankere und konkurrenzfähigere Unternehmen seien, die mit verbrauchsarmen Autos Zukunftsmärkte erobern, sagte Obama.
Am Freitag hatte seine Regierung GM eine weitere Kapitalspritze über vier Milliarden Dollar genehmigt. Damit belaufen sich die bisher vom Staat bereitgestellten Mittel für GM nun auf insgesamt 19,4 Milliarden Dollar.
GM muss der US-Regierung bis zum 1. Juni ein tragfähiges Konzept für seine Zukunft vorlegen, um in den Genuss weiterer Hilfen zu kommen. Andernfalls droht dem Konzern die Insolvenz. Um die deutsche GM-Tochter Opel buhlen der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna, der italienische Fiat-Konzern und der Finanzinvestor RHJ International.
Quelle : www.spiegel.de
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So schnell geben die Italiener nicht auf: Fiat hat sein Angebot für eine Übernahme von Opel überarbeitet. Der Autobauer legte Wirtschaftsminister Guttenberg ein neues Konzept vor - mit mehr Details zu Risiken und Eigenkapital.
Berlin - Die Nachbesserung kam auch für den Wirtschaftsminister überraschend: "Interessanterweise hat auch Fiat nachgebessert, wir haben ein umfassenderes Konzept in den letzten Stunden bekommen", sagte Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Samstag am Rande der Bundesversammlung in Berlin. Unter anderem äußere sich Fiat genauer zur Risikoverteilung und zur Eigenkapitalausstattung.
Aber auch bei den anderen Bietern gebe es Bewegung. "Wir spüren Verhandlungsbereitschaft an allen Stellen", sagte der Minister, der allerdings auch eine geordnete Opel-Insolvenz weiter nicht ausschließen wollte.
Guttenberg plädierte dafür, auch weiterhin die Möglichkeit einer Insolvenz von Opel in Betracht zu ziehen. "Wir dürfen keine Option ausschließen." Sollte das Risiko so groß werden, dass staatliche Bürgschaften für Kredite des Autobauers fällig würden, müsse auch an einen solchen Schritt gedacht werden.
Im Rennen um den angeschlagenen Autobauer wurden bisher dem österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna die besten Chancen eingeräumt. Dritter im Bunde der Bieter ist der US-Finanzinvestor Ripplewood. Bis Ende kommender Woche soll eine Grundsatzentscheidung fallen.
Nach Beratungen der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder mit Opel-Standorten hatte sich am Freitag eine Präferenz für Magna abgezeichnet. Allerdings wurden Nachverhandlungen unter anderem wegen der geplanten Stellenstreichungen gefordert.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Finanznot von Porsche ist größer als bisher bekannt: Nach SPIEGEL-Informationen braucht der Autobauer zusätzlich 2,5 Milliarden Euro Kredit und hat erst einen Teil davon erhalten. Schon im März kämpfte das Unternehmen gegen die Insolvenz - und wurde damals von Volkswagen per Notdarlehen gerettet.
Hamburg - Drei Tage lang stand der Sportwagenbauer auf der Kippe: Nach Informationen des SPIEGEL hat Porsche vom 22. bis 24. März gegen eine möglicherweise drohende Insolvenz gekämpft. Verhindert werden konnte dies auch durch einen Überbrückungskredit über 700 Millionen Euro, den der VW-Konzern dem Autohersteller gewährte.
Doch dieser Kredit hat nur eine Laufzeit von einem halben Jahr. Insgesamt benötigt Porsche zusätzliche Kredite über 2,5 Milliarden Euro, von denen das Unternehmen sich erst 750 Millionen sichern konnte.
Porsche benötigt dieses Geld zur Finanzierung des laufenden Geschäfts. 15 Banken hatten Porsche am 24. März diesen Jahres zwar einen Zehn-Milliarden-Euro-Kredit gewährt. Doch das Geld diente vor allem dazu, Schulden aus dem Kauf von VW-Aktien abzudecken. Zugleich hatten einige der Banken aber ihre sogenannten Betriebsmittelkredite an Porsche reduziert, die beispielsweise zum Begleichen der Lieferantenrechnungen genutzt werden.
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat vor dem Aufsichtsrat der Porsche Automobil Holding SE eingestanden, auch nach Verlängerung des Zehn-Milliarden-Kredits halte die "kritische Situation" an. Auf der Sitzung des Kontrollgremiums am 30. März sagte Wiedeking auch, dass er "bis eine Woche vor dem 24. März", an dem der Kredit auslief, "nicht über die sich zuspitzende Kreditsituation informiert" war.
Nach Informationen des SPIEGEL gehen inzwischen auch Mitglieder des Porsche-Clans auf Distanz zu Wiedeking. Sie verübeln dem Porsche-Chef, dass er sich nicht ausreichend um die Finanzen gekümmert hatte.
Die Porsche-Eigner, die Familien Porsche und Piëch, hatten sich Anfang Mai auf einen Zusammenschluss mit Europas größtem Autohersteller Volkswagen verständigt, um die durch die VW-Übernahme entstandene Finanzlücke zu schließen. Auf dem Stuttgarter Unternehmen lasten durch die Übernahme von 51 Prozent an VW Nettoschulden von neun Milliarden Euro.
In der vergangenen Woche waren die Gespräch allerdings auf Eis gelegt worden, was vor allem an internen Streitigkeiten des VW-Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch und Porsche-Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche. So hatte Piëch unter anderem öffentlich Porsche-Chef Wiedeking kritisiert.
Quelle : www.spiegel.de
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Drei Angebote zur Übernahme von Opel liegen vor - doch Wirtschaftsminister zu Guttenberg hält alle für unzureichend. Nach derzeitigem Stand, so seine Position, sei eine geordnete Insolvenz die beste Möglichkeit.
Hamburg - Drei Bieter haben ihre Konzepte zur Rettung von Opel vorgelegt - und konnten die Bundesregierung noch nicht überzeugen. Auch in den Bundesländern mit Opel-Standort werden die Angebote, die Magna, Fiat und dem Finanzinvestor RHJ International am Mittwoch vorgelegt haben, kritisch bewertet.
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hält alle drei Angebote bislang für unzureichend. "Eine Risikoanalyse, die keine Zweifel lässt, steht noch aus", sagte Guttenberg dem SPIEGEL. "Insofern bleibt auch eine geordnete Insolvenz immer noch eine Option."
Ähnlich äußerte sich der Minister gegenüber der "Bild am Sonntag": "Uns liegen jetzt drei Angebote für eine Übernahme von Opel vor. Das bedeutet aber nicht, dass eines davon automatisch und zwingend zum Tragen kommt. Zuvor müssen wir eine hohe Sicherheit dafür haben, dass die erheblichen Steuermittel, die wir dafür einsetzen müssen, nicht verloren gehen. Diese Sicherheit gewährleistet bislang aus meiner Sicht noch keines der drei Angebote in ausreichender Weise." Bliebe es bei diesen Defiziten, wäre eine geordnete Insolvenz die klar bessere Lösung - auch sie könnte Chancen für die Zukunft Opels eröffnen, sagte er der "BamS".
Fiat-Chef Sergio Marchionne hat für den Fall einer Opel-Übernahme den Beschäftigten weitgehende Garantien zugesichert. "Im ungünstigsten Fall wären in Deutschland maximal 2000 Arbeitsplätze durch die Integration von Opel in ein schuldenfreies Gemeinschaftsunternehmen mit Fiat betroffen", sagte der Chef des italienischen Konzerns der "BamS". Sein Konzern bekenne sich überdies zu "allen in Deutschland geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere zum Betriebsverfassungsgesetz und der Mitbestimmung".
In das Fiat-Konzept für eine Übernahme von Opel sind nach Marchionnes Darstellung auch Pensionsverpflichtungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro eingerechnet. Ein Gemeinschaftsunternehmen aus Fiat und GM Europe werde die erhofften Staatsgarantien in spätestens fünf Jahren ablösen, fügte er hinzu. "Unser Konzept erfüllt am besten alle Kriterien", gab sich Marchionne zuversichtlich, dass Fiat das Bieter-Rennen gewinnen werde. "Jeder, auch in der Politik, der die Grundrechenarten beherrscht, kann dies nachprüfen." Fiat hatte am Samstag sein Konzept nachgebessert.
Der österreichisch-kanadische Automobilzulieferer Magna dagegen knüpft eine Rettung des Autobauers Opel nach Informationen des SPIEGEL an weitere staatliche Hilfen. Das geht aus dem Übernahmekonzept Magnas hervor, das der Konzern bei der Bundesregierung eingereicht hat.
Magna werde mit dem Opel-Mutterkonzern General Motors (GM), der Bundesregierung und dem Pensionssicherungsverein zusammenarbeiten, "um eine akzeptable Lösung zu finden und einzuführen", heißt es in dem Konzept.
Magna stellt zudem in Aussicht, jedes Jahr zwei Prozent seines Nettogewinns für wohltätige Zwecke zu spenden. Obwohl in den deutschen Werken Personal abgebaut wird, sollen die Fertigungszahlen kräftig steigen. So sollen in Rüsselsheim nach den Plänen künftig 250.000 Autos vom Band rollen, derzeit sind es nur 160.000. Selbst in Bochum soll die Produktion um 58.000 Einheiten steigen.
Magna hatte am Freitag mitgeteilt, bei einer Opel-Übernahme mit seinem russischen Partner Sberbank 700 Millionen Euro in den angeschlagenen deutschen Autobauer investieren zu wollen. Die Summe solle teils von der Bundesregierung garantiert werden. Das nicht-bindende Kaufangebot von Magna sieht nach eigenen Angaben vor, dass GM einen Anteil von 35 Prozent an dem deutschen Autobauer behalten solle, erklärte Magna.
Am Montag will die Regierung erneut zusammenkommen und möglicherweise eine Vorentscheidung treffen.
Quelle : www.spiegel.de
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Lange galten Deutschlands Sparkassen als Fels in der Finanzkrise. Doch nun werden auch sie zur Bedrohung. Die Verbandsfürsten verhindern eine Neuordnung der maroden Landesbanken. Und manche Institute sind bereits akut gefährdet.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück spielt gelegentlich gern den wilden Mann. Mal wettert er dann lautstark gegen Steueroasen. Mal beschimpft er Vorstände großer Geldinstitute wegen deren "Abkassiermentalität". Doch wenn Steinbrück seinen heimischen Sparkassenfürsten gegenübertritt, wird er leise und vorsichtig.
Als der Finanzminister am vorvergangenen Donnerstag die Mannen rund um Sparkassenpräsident Heinrich Haasis zum Geheimgespräch traf, nahm er wie zum Geleitschutz auch noch Kanzleramtsminister Thomas de Maizière und Bundesbankpräsident Axel Weber mit.
Das Trio appellierte eindringlich an Haasis und die Vorsteher der regionalen Sparkassenverbände. Sie müssten die Verantwortung für die teilweise ihnen gehörenden Landesbanken übernehmen. Wenn sie nicht ihren Anteil an den Verlusten übernähmen, könne es auch keine Unterstützung der Bundesregierung für die Landesbanken geben.
Die Verbandsvorsteher, vor ihrer Finanzkarriere oftmals selbst Politiker, hörten sich die Argumente eine Weile an. Dann sagten sie unisono: "Wir zahlen nicht." Grund: Die Sparkassen hätten genug eigene Probleme. Landesbanken wie die WestLB müssten fortan ohne ihre finanzielle Unterstützung auskommen.
Die Finanzkrise beutelt die bisher einigermaßen stabile Sparkassen-Gruppe offenbar mehr, als sie zugeben will. Lange Zeit sahen die 438 Sparkassen wie die großen Gewinner aus, weil sie weniger Geld auf den Kapitalmärkten verloren hatten. "Wenn der Himmel nicht runterfällt", seien die Einlagen der Sparkassen sicher, beruhigte Haasis im vergangenen Herbst die 50 Millionen Kunden, die seinen Einflussbereich letztlich zum gewaltigsten Geldspeicher der Welt machen (siehe Grafik).
Mit solch vollmundigen Äußerungen hält Haasis sich heute lieber zurück. Viele Sparkassen konnten nur mit einem entschlossenen Griff in die eigenen Rücklagen verhindern, dass sie Verluste ausweisen mussten. Zudem profitieren sie von einer speziellen Bilanzierung: Im Gegensatz zu den Privatbanken müssen sie beispielsweise ihre Wertpapierpakete nicht zeitnah den fallenden Marktpreisen anpassen. Das heißt aber auch, dass man noch gar nicht so genau weiß, wie groß die Risiken in ihren Bilanzen eigentlich sind.
Schon gibt es erste Präsidenten, die sich eine Bad Bank exklusiv für die Sparkassen vorstellen können. Den Städten und Landkreisen, denen die meisten Sparkassen gehören, käme eine solche Verschiebung der Risiken gerade recht. Denn es wäre eine Verschiebung Richtung Bund. Vor allem wollen die Verbandsfürsten Berlin zwingen, den Landesbanken beizuspringen.
Über ihre Verbände halten die Sparkassen beispielsweise über 50 Prozent an der WestLB. Der Rest gehört den nordrheinwestfälischen Landschaftsverbänden und dem Land Nordrhein-Westfalen. Steinbrück will diese Alteigentümer zwingen, für die Risiken der Vergangenheit aufzukommen.
Doch die Sparkassen boykottieren bisher jede Lösung. Erstes Opfer war WestLB-Chef Heinz Hilgert. Vergangene Woche trat er zurück, nachdem ihm das Ergebnis der Sitzung in Berlin hinterbracht worden war. Er habe "nicht die erforderliche wirtschaftliche Unterstützung der maßgeblichen Eigentümer", sagte er. Bereits Anfang Mai hatte er deren "Attentismus" beklagt.
Offenbar wollte Hilgert dem Untergang seiner Bank nicht still und tatenlos zusehen. Dem Aufsichtsrat liegt eine Simulationsrechnung vor, nach der die WestLB bei weiteren Verschlechterungen der Ratings im Herbst von der Bankenaufsicht geschlossen werden muss. In diesem Fall werde die Kernkapitalquote bis dahin unter die aufsichtsrechtliche Grenze von 4 Prozent fallen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres war sie schon von 6,4 auf 5,9 Prozent geschmolzen.
Das kümmert die Sparkasseneigentümer offenbar nicht. Sie kalkulieren damit, dass wegen der Finanzkrise zurzeit keine große Bank wie die WestLB pleitegehen darf. Letzten Endes bliebe der Bundesregierung doch gar nichts übrig, als einzuspringen. "Die Sparkassen schieben die Bank bewusst an die Kante", sagt einer der Düsseldorfer Manager verbittert.
Dabei hatten sie ihren Anteil an den Landesbanken noch vor wenigen Jahren massiv ausgebaut. Haasis kaufte mit dem Geld der Sparkassen für sechs Milliarden Euro die Landesbank Berlin (LBB). Er wollte mit dem Deal verhindern, dass ein Privatinvestor in das Lager der öffentlichrechtlichen Institute einbricht.
Die teure Zeche müssen nun die Sparkassen zahlen, die ihren Anteil an der LBB teilweise mit Krediten finanziert haben. Weil die Berliner keine Dividende mehr zahlen, schmälert die Zinslast direkt die Gewinne. Der aktuelle Wert der LBB liegt bei höchstens zwei Milliarden Euro. Deshalb müssten die Sparkassen ihre Beteiligung massiv abschreiben.
So ähnlich läuft es auch in anderen Regionen der Republik: Die 15 schleswig-holsteinischen Institute, denen rund 15 Prozent an der taumelnden HSH Nordbank gehören, leben hart an der Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten. Ihre einst 700 Millionen Euro teure Beteiligung an der HSH haben sie bisher nur um die Hälfte abgeschrieben.
Als Retter fallen die Sparkassen komplett aus. Die am Mittwoch vergangener Woche beschlossene Kapitalerhöhung um drei Milliarden Euro schultern die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein allein.
Die Sparkassen versäumten es allerdings nicht, die Notfallaktion über Wochen hinweg in einer unheiligen Allianz zu torpedieren. Zusammen mit der privaten Investorengruppe um J. C. Flowers hielten sie vor der Kapitalerhöhung rund 40 Prozent der Bank. Zwar wollten beide kein neues Geld nachschießen. Gleichzeitig aber kämpften sie gegen eine zu starke Verwässerung ihrer Anteile. "Die Sparkassen reisten auf Flowers' Rücksitz mit, ohne Rücksicht auf Verluste bei der HSH", sagt ein Insider bitter.
Seit Mittwoch ist der Streit beigelegt. Flowers' Anteil sinkt auf knapp unter 10 Prozent, die Sparkassen kommen künftig auf 7 Prozent. Die Bundesländer halten nun über 84 Prozent an der Bank.
Die Bundesregierung soll einspringen
Bei der BayernLB schrumpfte der Anteil der Sparkassen von 50 auf 6 Prozent. Ministerpräsident Horst Seehofer sprang mit zehn Milliarden Euro bei der in Not geratenen Landesbank ein. Die EU-Kommission hat bereits angekündigt, dass sie sich diesen Beihilfefall gesondert vornimmt.
So viel staatliche Großzügigkeit will sich Seehofers NRW-Kollege Jürgen Rüttgers nicht mehr leisten. Bei einem Treffen mit den anderen Ministerpräsidenten und Steinbrück am 11. Mai machte er deutlich, dass eine Haftungsfreistellung der Sparkassen bei der WestLB für ihn nicht in Frage komme.
Einige Tage später telefonierte Rüttgers in der Sache mit Kanzlerin Angela Merkel. Selbst in einer CDU-Präsidiumssitzung machte er zum Ärger der Kanzlerin Druck. Auch Amtskollege Günther Oettinger plädierte in der Sitzung dafür, die Sparkassen nicht aus der Verantwortung zu nehmen.
Doch wie zahlungsfähig sind die Sparkassen überhaupt noch? Zwar erzählt ihr Präsident Haasis gern, sie seien eine der wenigen Bankengruppen auf der Welt gewesen, die auch im Krisenjahr 2008 noch profitabel gearbeitet hätten. Doch bei einer internen Strategietagung der Sparkassen schlägt er Alarm: "Für den Fall, dass in Ausnahmefällen einzelne Sparkassen überfordert werden sollten, haben sich die Verbandsvorsteher darauf verständigt, Auffanglösungen durch die Gesamtheit der Sparkassen zu finden", so Haasis. Diese Überforderung kommt mit Sicherheit. Die konjunkturelle Lage ist schlecht. Die Gefahr, dass Firmenkredite ausfallen, "wird derzeit völlig unterschätzt", sagt der Chef einer Landesbank. Er erlebe zurzeit Unternehmen, die "einen Kapazitätsabbau von bis zu 50 Prozent planen". Bei kleinen Zulieferern gehen dann zuerst die Lichter aus.
Viele Sparkassen mit Mittelstandsgeschäft werden deshalb massive Probleme bekommen, zumal die Kommunen aufgrund der einbrechenden Steuereinnahmen als Retter ausfallen. "Die Zwangsfusionen maroder Sparkassen werden zunehmen", prophezeit der Bankmanager.
Das ist zunächst nicht weiter tragisch für die Kunden. Sie müssen sich keine Sorgen um ihre Spareinlagen machen.
Dank der Solidarität im Sparkassenlager wurde noch jede Bank aufgefangen. Und am Ende steht der Staat als Gewährsträger bereit. Doch wenn die Krisenfälle sich häufen, müssen die Kunden schlechtere Konditionen in Kauf nehmen.
Mittlerweile sorgen die einst so soliden Sparkassengrößen sogar in der einschlägigen Klatschpresse für reichlich negative Schlagzeilen - allen voran die Stadtsparkasse Düsseldorf. Die geschäftliche Liaison des dortigen Top-Managements mit dem Glamourpaar Franjo und Verona Pooth endete als hässliche Provinzposse auf dem Tisch des Staatsanwalts.
Die Sparkasse gab dem Jungunternehmer Pooth reichlich Kredit und engagierte seine TV-bekannte Gattin für ein wohltätiges Golfturnier, wo sie den Leuten "das Geld aus der Tasche gezogen hat", erinnert sich ein Insider. Die Grenzen zwischen Geschäft und Privatleben lösten sich über die Jahre langsam auf. Gleich mehrere Banker waren zur Hochzeit eingeladen. Noch gegen Ende von Pooths Unternehmerkarriere ließen sich Kassenwarte von ihm teure Geschenke wie einen Flachbildfernseher nach Hause liefern.
Ein Ausnahmefall? Oder eher Exempel für den typischen Sparkassenfilz zwischen lokaler Wirtschaft, Politik und Verbandsfürsten? Pooth ist bereits wegen Vorteilsgewährung verurteilt. Gegen alte Bankvorstände wird noch ermittelt. Die Stadtsparkasse produzierte 2008 einen zweistelligen Millionenverlust. Für 2009 ist "ein deutlich höheres Kreditausfallrisiko eingeplant", bestätigt ein Sprecher.
Die Düsseldorfer stehen mit ihren Verlusten und Skandälchen aber längst nicht mehr allein. Die Sparkasse Südholstein ist praktisch pleite und muss vom Verbund gestützt werden. Andere Sparkassen jubelten ihren Kunden Lehman-Zertifikate unter und müssen nun mit Schadensersatzforderungen rechnen. Bei den Kollegen der Großsparkasse KölnBonn klafft für 2008 ein Loch von über 180 Millionen Euro in der Bilanz.
Da Kommunen und Bundesländer mit den Problemen ihrer Sparkassen und Landesbanken teilweise überfordert sind, soll nun die Bundesregierung einspringen. Noch wehrt die Berliner Großkoalition die Begehrlichkeiten ab. Doch der Ausgang des Machtkampfs ist durchaus ungewiss.
"Sie können die Bundesrepublik nicht gegen die Rentner oder die Sparkassen führen", sagt einer, der sich in der Grauzone zwischen öffentlich-rechtlichen Instituten und Politik auskennt. Weil die Sparkassen extrem gut verdrahtet sind, können sie jederzeit die Basis mobilisieren.
Wenn ein Bürgermeister einen Gehweg begrünen möchte oder ihm eine Kulturveranstaltung besonders am Herzen liegt, kann er meist auf die Hilfe der örtlichen Sparkasse zählen. Das lässt er im Zweifelsfall auch die Bundeskanzlerin wissen.
Der Einfluss reicht bis in die Parlamente. 30 Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind oder waren gleichzeitig Funktionsträger der Sparkassen. Auch bei der SPD sind sie eine Macht.
Jede kritische Frage nach Privilegien oder Eigentumsverhältnissen gilt quasi als Landesverrat. "Wenn ich auch nur einen Nebensatz schreibe, der den Interessen der Sparkassen zuwiderläuft, dann geht hier ein Geschrei los, dass einem die Ohren weh tun", sagt die Finanzexpertin einer Bundestagsfraktion.
Einer der aktuellen Streitpunkte ist, dass die Bundesregierung wegen der Finanzkrise die Anforderungen an die Mitglieder der Kontrollorgane von Kreditinstituten verschärfen will. Am 29. April schrieben die Chefs des Deutschen Städtetags, des Deutschen Landkreistags sowie des Deutschen Städte- und Gemeindebundes allen Ernstes an den Vorsitzenden des Finanzausschusses des Bundestags, "dass rein nach fachlicher Qualifikation besetzte Gremien keine effektivere Kontrolle ausüben".
Bei der Intervention der kommunalen Spitzenvertreter geht es vorrangig um die Sparkassen. Der Gesetzentwurf solle sicherstellen, dass "die Qualifikation der Oberbürgermeister, Landräte und sonstigen kommunalen Vertreter für die Tätigkeit in Kontrollorganen der Sparkassen und Kommunalversicherer ausreichend" sei, verlangen die Autoren. Es gilt als sicher, dass sie sich mit ihren Forderungen nach so einem Blankoscheck durchsetzen werden. Pfründen stehen auf dem Spiel.
Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Rüttgers bekam diese Macht schon zu spüren. Als er im Sparkassengesetz seines Landes Fusionen zwischen Sparkassen und der Landesbank ermöglichen wollte, kam es zu einer von der Gewerkschaft Ver.di organisierten Großdemonstration. Rüttgers musste den Plan aufgeben. Dabei wären solche Hochzeiten zwischen Sparkassen und Landesbanken durchaus sinnvoll.
Die beiden Landesbanken Helaba und Nord/LB, die bislang am besten durch die Krise kamen, verfügen durch eine enge Liaison mit den Sparkassen über ein vergleichsweise stabiles Geschäftsmodell. Doch insbesondere die Verbandsfürsten der Sparkassen wehren sich mit aller Kraft gegen Veränderungen. Sie fürchten, dass ihre Jobs womöglich überflüssig würden.
Angesichts der vielen Mitspieler ist die Neuordnung der Staatsbanken eine riesige Herausforderung für die gesamte föderale Finanzlandschaft. Für die Steuerzahler steht viel auf dem Spiel. Bei den Landesbanken haben die öffentlich-rechtlichen Gewährsträger immer noch Garantien von rund 400 Milliarden Euro ausstehen.
Finanzminister Steinbrück wird manchmal neidisch nach Frankreich schauen. Dort hat Staatspräsident Nicolas Sarkozy innerhalb kurzer Zeit einen neuen Finanzriesen entstehen lassen. Die Sparkassen (Caisses d'Epargne) und die Genossenschaftsbanken (Banques Populaires) machten gewaltige Verluste und mussten deshalb auf Sarkozys Anweisung fusionieren.
Als staatliche Mitgift bekam der nun zweitgrößte Finanzkonzern Frankreichs fünf Milliarden Euro - und einen neuen Bankchef. Der war mal Wirtschaftsberater von Sarkozy.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Chancen für eine schnelle Opel-Rettung schwinden. Einem Zeitungsbericht zufolge kritisieren die Berater der Bundesregierung die Übernahmekonzepte aller Interessenten als unzureichend. Eines der Angebote soll bereits komplett vom Tisch sein - dafür meldet sich ein vierter Bieter aus China.
Berlin/Rüsselheim - Es sind unsichere Tage für Opel: Belegschaft und Konzernspitze hatten große Hoffnungen in ein Krisentreffen am Mittwochabend im Kanzleramt gesetzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), mehrere Bundesminister und Ministerpräsidenten mit Opel-Produktionsstätten, hochrangige Repräsentanten der Bieter und des Opel-Mutterkonzerns GM nehmen daran Teil. In derselben Nacht sollte ursprünglich ein Retter für die angeschlagene GM-Tochter bestimmt werden.
Jetzt ist dieser Plan vermutlich Makulatur - eine schnelle Opel-Rettung ist aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr in Sicht.
Nach Informationen des "Handelsblatts" geben die Regierungsberater allen Opel-Interessenten schlechte Noten für ihre Übernahmekonzepte. Sie raten der Regierung deshalb von einer schnellen Entscheidung ab. Keinesfalls solle sie sich schon in der Nacht zum Donnerstag auf einen Bieter festlegen. "Eine Vorfestlegung wäre eine Katastrophe", hieß es in Beraterkreisen.
Besonders kritisch sehen die Berater laut "Handelsblatt" das Konzept des austro-kanadischen Autozulieferers Magna. Würde dessen Konzept umgesetzt, "wäre das neue Unternehmen vom ersten Tag an insolvent", sagte ein Insider - aber auch Fiats Offerte stehen die Experten kritisch gegenüber. Das Angebot von RHJ werde mittlerweile schon gar nicht mehr seriös geprüft.
Fiat-Chef Sergio Marchionne hatte am Dienstag bei Merkel noch einmal für sein Übernahmekonzept geworben. Zu dem Gespräch war auch Guttenberg geladen, der das Angebot Fiats bisher als "unzureichend" abgelehnt hatte.
Opels Arbeitnehmervertretung brüskierte Fiat dagegen: Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa sind die Italiener am Dienstag nicht wie erwartet nach Rüsselsheim gekommen, um ihr Konzept vorzustellen. Opel-Betriebsratschef Klaus Franz nannte Fiats Verhalten inakzeptabel und empörend. "Das zeigt, was von mündlichen Zusagen von Sergio Marchionne zu halten ist", sagte Franz.
Die europäische Arbeitnehmervertretung hatte die drei Hauptbieter für Opel zu sich eingeladen. Der Opel-Betriebsrat bevorzugt nach eigenen Angaben Magna als Investor. Dieser sei "eindeutig in der Poleposition", sagte Franz am Dienstag in Rüsselsheim. Aber auch der Investor Ripplewood habe "ein interessantes und ausbaufähiges Konzept vorgestellt."
Laut Franz stünde bei beiden Konzepten ein Arbeitsplatzabbau von jeweils rund 10.000 Stellen an. Es sei aber nicht im Detail über einzelne Standorte gesprochen worden.
Die Trennung von GM sei indes unterschriftsreif. Er habe das Dokument selbst gesehen, "das sieht sehr gut aus und läuft alles in die richtige Richtung", sagte er am Dienstagabend im ZDF-heutejournal.
Vierter Opel-Interessent aus China
Guttenberg bestätigte derweil, dass es offenbar noch einen vierten potentiellen Bieter für Opel gebe. Es handele sich um einen chinesischen Interessenten, sagte Guttenberg, ohne genauere Angaben zu machen. Laut "Financial Times Deutschland" handelt es sich um den Autohersteller BAIC. Laut "Welt" hat BAIC offenbar eine Garantie für den Bestand aller deutschen Werke abgegeben - allerdings nur für zwei Jahre. Außerdem würden die Pekinger mit weniger Staatsbürgschaften auskommen als die anderen Kandidaten.
Kanzlerin Merkel hatte zuvor den Plan der Bundesregierung verteidigt, Opel mit Staatshilfe zu retten. Es gehe dabei um ein Unternehmen, das im Wesentlichen der US-Regierung gehöre, sagte die CDU-Politikerin am Dienstag beim Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Berlin. "Und deshalb versteht es sich von selbst, dass eine Bundesregierung darum in den Gesprächen mit der US-Regierung sich mehr kümmern muss als in all den ganz normalen Fällen." Merkel betonte außerdem, das Bürgschaftsprogramm des Bundes helfe sowohl großen als auch kleinen Unternehmen. Allerdings seien die Fälle des Kaufhauskonzerns Karstadt und von Opel bekannter als die der mittelständischen Kandidaten.
Seit dem Wochenende hatte es heftige Diskussionen um die Äußerungen von Guttenberg gegeben, der eine mögliche Insolvenz der angeschlagenen GM-Tochter als Möglichkeit bezeichnet hatte. Dafür war er vor allem von Seiten der SPD und ihrem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier heftig kritisiert worden. Guttenberg solle endlich mit dem "Gerede über eine Insolvenz" aufhören, sagte Steinmeier. Der Außenminister hat sich nach Informationen von SPIEGEL ONLINE inzwischen selbst in die Gespräche mit GM-Chef Fritz Henderson eingeschaltet.
Guttenberg kein "Abwrackminister"
Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles kritisierte Guttenberg. "Ein Wirtschaftsminister, der in einer solchen Situation von Insolvenz faselt, weiß nicht, was er tut", sagte sie der "Frankfurter Rundschau". Guttenberg solle sich daran erinnern, dass er Wirtschaftsminister sei und nicht "Abwrackminister". Er sollte sich weniger dem Lehrbuch der reinen Marktwirtschaft verpflichtet fühlen als vielmehr der deutschen Wirtschaft, die auch in Zukunft industrielle Kerne und qualifizierte Fachkräfte brauche. "Bei Opel geht es um den Bestand des Unternehmens, die Sicherung aller Standorte und den langfristigen Erhalt von Arbeitsplätzen", sagte Nahles.
Trotz Merkels klarem Bekenntnis zu Opel ist die Rettung des Autobauers aber auch in der eigenen Partei umstritten. So warnte die CSU vor zu kostspieliger staatlicher Hilfe. "Wir sind nicht bereit, unverantwortliche Risiken auf den Steuerzahler beziehungsweise die öffentlichen Haushalte abzuwälzen", sagte CSU-Landesgruppenchef und Parteivize Peter Ramsauer. Deshalb sollten im Fall von Opel alle Optionen offengehalten werden. Er warnte zugleich davor, zu leichtfertig auch in anderen Fällen wie Arcandor oder Porsche zu helfen. Es gehe nicht darum, allgemeine unternehmerische Risiken abzudecken.
Viel Zeit bleibt nicht, um über die Hilfen für die 25.000 Opel-Beschäftigten in Deutschland zu beraten: Schon Ende der Woche könnte GM in den USA Insolvenz anmelden. Das Schicksal des US-Autobauers liegt momentan in der Hand von Zehntausenden von Gläubigern. Ihre spätestens in der Nacht zum Mittwoch nötige Zustimmung zu einem milliardenschweren Schuldenverzicht galt am Dienstag unter Experten als höchst unwahrscheinlich.
GM ist derweil offenbar mit einem weiteren Rettungsversuch gescheitert. Der Konzern hatte Gläubigern angeboten, ihre Forderungen gegen Teile an einem umstrukturierten Unternehmen einzutauschen. Nur deutlich weniger als zehn Prozent hätten dem zugestimmt, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. GM hatte im Vorfeld erklärt, von den Gläubigern mit ihren Forderungen von 27 Milliarden Dollar müssten mindestens 90 Prozent für das Vorhaben gewonnen werden. Andernfalls könne GM gezwungen sein, Insolvenz anzumelden.
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Die 26.000 Opel-Beschäftigten müssen weiter bangen: Bund, Länder, Investoren und US-Regierung haben sich beim Spitzentreffen im Kanzleramt nicht einigen können - weder auf eine Brückenfinanzierung noch auf ein Treuhandmodell. GM hatte in letzter Sekunde überraschend mehr Geld gefordert.
Berlin - Fast elf Stunden lang wurde im Kanzleramt verhandelt - am Ende ohne Erfolg: Das Spitzentreffen aus Politik und Wirtschaft ist vorerst gescheitert, dem Autobauer Opel droht weiter die Insolvenz.
Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) gaben vor allem der Opel-Mutter General Motors (GM) und der US-Regierung Schuld daran, dass auch nach mehr als elfstündigen Gesprächen nicht der erhoffte Durchbruch geschafft wurde.
"Wir haben noch nicht die Sicherheiten, die wir brauchen, um eine Überbrückungsfinanzierung bereits heute zusichern zu können", sagte Guttenberg. Ursprünglich wollte die Bundesregierung die Opel-Zukunft mit einem Überbrückungskredit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro und einem Treuhandmodell sichern. General Motors habe aber unerwartet weiteren Finanzbedarf angemeldet. "Es sind ungefähr 300 Millionen Euro, die kurzfristig abgedeckt werden müssen", sagte Steinbrück. Die US-Regierung sperrte sich zudem gegen das Treuhandmodell.
Die Politiker zeigten sich empört über die Verhandlungsweise der USA. Guttenberg sprach von einer "teilweise skurrilen Nacht". Steinbrück nannte die Last-Minute-Forderung eine "Zumutung". Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) rügte die "nicht gerade sehr hilfreiche Verhandlungsweise der amerikanischen Seite".
Anwesende Journalisten berichteten von "Wahlkampfgerangel", von einem ständigen Kommen und Gehen in den Verhandlungszimmern, ohne dass sich über Stunden etwas zu bewegen schien.
Jetzt sollen am Freitag bei einem weiteren Treffen die Probleme ausgeräumt und doch noch ein Durchbruch bei der Zukunftssicherung für Opel erzielt werden. Alle Beteiligten äußerten die Hoffnung, dass dies gelinge, bemühten sich aber gleichzeitig, den öffentlichen Druck hoch zu halten. Werde bis Freitag keine Lösung gefunden, sei die Insolvenzgefahr sehr hoch, sagten mehrere Teilnehmer des Spitzentreffens vom Donnerstag.
Fiat und Magna im Bieterrennen vorn
Von den bisher vier Interessenten an einer Opel-Übernahme haben offenbar nur noch Fiat und Magna realistische Chancen. Gutenberg sagte, die Regierung erwarte von beiden bis Freitag Nachbesserungen bei ihren Übernahmekonzepten. "Das ist die Deadline", sagte Guttenberg. Der US-Investor Ripplewood sei aus dem Rennen, vom chinesischen Autohersteller BAIC gebe es bislang erst eine zweiseitige Absichtserklärung.
Der Gesprächsmarathon, der den Weg in eine sichere Zukunft für Opel ebnen sollte, hatte am Donnerstag gegen 17 Uhr im Kanzleramt begonnen. Ab 20.30 Uhr hatte sich auch Kanzlerin Angela Merkel in die Gespräche mit den Opel-Interessenten, den Regierungschefs der Bundesländer mit Opel-Standorten sowie Vertreter der US-Regierung und von General Motors eingeschaltet.
Eine Festlegung auf einen Investor war bereits zu Beginn des Gipfels so gut wie ausgeschlossen worden. "Weder Opel noch der Steuerzahler haben ein Interesse daran, dass nur ein Kaufinteressent mit der US-Seite verhandelt", hatte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm vor dem Treffen zu SPIEGEL ONLINE gesagt. Erst der Wettbewerb unter mehreren Bietern werde die Bereitschaft für Zugeständnisse erhöhen.
Heftige Kritik an den USA
Guttenberg, Steinbrück und auch Hessens Regierungschef Roland Koch übten heftige Kritik an der US-Regierung und der Opel-Mutter GM. "Einmal mehr hat uns insbesondere General Motors mit Überraschungen konfrontiert", sagte Guttenberg. Die Bundesregierung habe daher Forderungen an die US-Regierung gestellt, über die bis Freitag entschieden werden solle. "Diese Antworten werden kommen müssen, um ein Konzept verankern zu können."
Steinbrück kritisierte, die US-Regierung hätte durchaus einen besseren Verhandlungspartner nach Berlin entsenden können. "Aufgrund der Blockadehaltung von GM und des US-Finanzministeriums endete das Treffen in einem Desaster", sagte ein Verhandlungsteilnehmer zu Reuters.
Guttenberg unterstrich, dass das Ausfallrisiko für die Überbrückungskredite an Opel möglichst gering sein müsse. "Wenn das nicht der Fall sein sollte, ist eben dieser Weg (einer Insolvenz) zu gehen", sagte der Wirtschaftsminister. Das aber könne nicht im Interesse der US-Regierung sein.
Beim Überbrückungskredit droht Ärger mit Brüssel
Die Bundesregierung muss ihren Rettungsplan laut "Financial Times Deutschland" ("FTD") bei der EU-Wettbewerbsaufsicht vorlegen. Bei dem geplanten Übergangskredit von 1,5 Milliarden Euro muss ein Investor befürchten, dass die Kommission den Verkauf oder auch die Schließung von Werken zur Auflage macht.
"Um die Verzerrung des Wettbewerbs durch die staatlichen Hilfen auszugleichen und dabei auch die Überkapazitäten in der Autoindustrie anzugehen, dürfte die Kommission einen Kapazitätsabbau um mindestens 30 Prozent verlangen", hieß es laut "FTD" in EU-Kreisen. "Banken, die vom Staat gestützt werden, müssen ihre Bilanzsummen ja teilweise um 50 Prozent schrumpfen." Nach den Regeln des EU-Binnenmarkts sei es zudem verboten, Staatshilfen an den Erhalt von nationalen Standorten zu knüpfen.
Im Konzern fielen unterdessen wichtige Entscheidungen. Der Opel-Aufsichtsrat billigte am Mittwochvormittag die Übertragung aller europäischen General-Motors-Einheiten auf die Adam Opel GmbH. Er schaffte außerdem die organisatorischen Voraussetzungen für das geplante Treuhandmodell.
GM vor Verstaatlichung
Gleichzeitig rutscht Opel-Mutterkonzern GM immer näher an die nun fast unausweichliche Insolvenz. Tausende Anleihebesitzer lehnten mehrheitlich eine Abfindung durch Aktien ab. General Motors droht nun, an der eigenen Schuldenlast zu ersticken - oder verstaatlicht zu werden. Das Ultimatum der US-Regierung für einen Sanierungsplan läuft am 1. Juni ab.
Der angeschlagene US-Autokonzern hatte am Mittwoch nach langem Ringen der Abspaltung seines Europa-Geschäfts zugestimmt - und damit den Weg für eine Opel-Übernahme frei gemacht. Die Unternehmenswerte wie die europäischen Werke, die Patente und der Zugriff auf Technologien sollen nach Angaben des Unternehmens schuldenfrei auf die deutsche Tochter Adam Opel GmbH überschrieben werden. Damit erst war für mögliche künftige Opel-Investoren klar, dass tatsächlich ein komplettes Unternehmen im Angebot ist und kein komplexes Konstrukt, von dem wichtige Teile noch in den USA liegen.
Quelle : www.spiegel.de
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Der Nervenkrieg um Opel eskaliert: Die US-Verhandler brüskieren die Große Koalition, fordern einen 350-Millionen-Euro-Nachschlag - nun wird ein neuer Krisengipfel im Kanzleramt nötig. Der Ärger über die Amerikaner verdeckt sogar die Differenzen zwischen den Verhandlern von SPD und Union - vorerst.
Berlin - Steffen Kampeter ist verärgert: "Die Amerikaner versuchen uns über den Tisch zu ziehen", schimpft der Haushaltspolitiker der Unionsfraktion. "General Motors versucht uns über den Tisch zu ziehen. Alle wollen unser Geld."
Der verstimmte CDU-Politiker kommt gerade aus dem Haushaltausschuss - dort haben Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und sein Kollege aus dem Wirtschaftsressort, Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CSU), vertraulich über ihren Verhandlungsmarathon in Sachen Opel berichtet. Fast acht Stunden lang, bis in den frühen Morgen hinein, hatten die müde dreinschauenden Minister im Kanzleramt gepokert - und doch keine rettende Einigung finden können.
Denn die Nacht brachte eine faustdicke Überraschung: Der Vertreter von General Motors (GM) forderte zusätzliche 350 Millionen Euro als Überbrückungshilfe für Opel. Es war ein offener Affront für die deutsche Seite.
Mit so viel Chuzpe hatte niemand gerechnet - die Provokation hat alle deutschen Beteiligten für einen Augenblick zusammengeschweißt. Dabei hatten Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Guttenberg in den letzten Tagen öffentlich über die Frage einer "geordneten Insolvenz" für Opel gestritten. Der Dissens bleibt, aber die Nachforderung aus Amerika hat die Reihen in Regierung und Großer Koalition fürs erste einmal geschlossen.
Eigentlich wollten Steinbrück und Guttenberg an diesem Donnerstagmorgen den Haushaltsausschuss des Bundestags über jene 1,5 Milliarden Euro in Kenntnis setzen, die als Überbrückungskredit in eine Treuhandanstalt gehen sollen - und den Opel stabilisieren sollen, bis ein Vertrag mit einem möglichen Investor wie Fiat oder Magna perfekt ist. Voraussetzung für die Bewilligung ist, dass sich Opel von der Muttergesellschaft GM löst und dem dann selbstständigen Unternehmen Patente und Lizenzen als Sicherheiten zur Verfügung stehen. Das US-Finanzministerium hat in der Nacht indes deutlich gemacht, keinesfalls auf den Rückgriff auf Patente und andere Vermögenswerte verzichten zu wollen.
Jetzt steht alles auf Anfang, jetzt muss weiter miteinander gesprochen werden. Die Vertreter von GM blieben gleich in Berlin - im Hotel Adlon am Pariser Platz. Steinmeier telefonierte noch am Donnerstag mit seiner US-Kollegin Hillary Clinton, die ihm Unterstützung zusicherte.Bundesregierung und US-Regierung müssten gemeinsam an einer geordneten Trennung von GM und GM Europe arbeiten, das sei eine Voraussetzung für den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks, so ein Sprecher Steinmeiers. Zugleich mahnte er eine "partnerschaftliche Zusammenarbeit" an. Clinton habe zugesichert, sich bei US- Finanzminister Timothy Geithner für eine "größtmögliche amerikanische Unterstützung" einzusetzen.
Die Verschachtelung des US-Konzerns ist Teil des Problems - Opel ist dort nur ein Anhängsel. Die deutsche Seite will tunlichst verhindern, dass Steuergelder auf der anderen Seite des Atlantiks versickern. Mit Blick auf die weiteren Verhandlungen sagt Guttenberg denn auch: Man sei in der Regierung und in der Großen Koalition übereinstimmend der Ansicht, dass "wir Steuergelder nicht versemmeln".
Das Verhalten der Amerikaner ist Teil eines mächtigen Tauziehens. Bis Freitag, 14 Uhr, gilt von Seiten der Bundesregierung eine Frist - bis dahin sollen offengebliebene Fragen zu klären. Steinbrück nannte vor allem drei Punkte:
* Wenn die Bundesregierung mit Steuergeldern Risiken abdecke, "dann müssen wir wissen, wo das gegenüberliegende Ufer ist".
* Die deutsche Seite müsse im Falle eines Überbrückungskredits für Opel erfahren, "wem das Konto gehört und wo das Konto liegt".
* Drittens müsse bilateral mit dem US-Finanzministerium geklärt werden, auf welchem Wege das Ausfallrisiko der deutschen Staatsgarantien durch Sicherheiten "so gering wie möglich" ausfallen könne.
Voraussichtlich am Freitagnachmittag dann wird im Kanzleramt weiterverhandelt. Als ernsthafte Interessenten für den Kauf von Opel gelten nur noch der italienische Autobauer Fiat und der österreichisch-kanadische Konzern Magna. Der Finanzinvestor Ripplewood ist nicht mehr im Geschäft, heißt es in Berlin, ein Angebot des Konzerns BAIC aus China gilt als unausgereift.
Aus Kreisen der Länder hieß es am Donnerstagnachmittag allerdings zu SPIEGEL ONLINE, man sei sich "unter den Beteiligten weitestgehend einig, dass es auf Magna hinausläuft". Man müsse nun sehen, was das Unternehmen bei General Motors heraushole. Im Kern geht es um die 350 Millionen, die der US-Konzern ursprünglich als "Cash-Flow" vom Bund haben wollte.
Das vorläufige Scheitern der Verhandlungen von Mittwochabend auf Donnerstagmorgen stützt das Bild, das die deutsche Seite seit Wochen von den Amerikanern gewonnen hat. Informationen werden von dort nur unzureichend geliefert. Guttenberg hatte am Dienstag im Unions-Fraktionsvorstand angemerkt, die US-Seite würde täglich ihre Ansichten ändern.
An diesem Donnerstagmorgen nickt er zustimmend, als Steinbrück vor den Türen des Haushaltsausschusses erklärt, jede Seite habe natürlich legitime Interessen. Doch er und sein Kollege hätten manchmal den Eindruck, "dass die Informationen, die wir bekommen, eine sehr kurze Validität haben - damit drücke ich mich höflich aus". Auch bemängelt Steinbrück die "Intransparenz" auf US-Seite.
Die Amerikaner haben offenbar versucht, die Deutschen zu testen. Statt eines hochrangigen Vertreters schickte das US-Finanzministerium nur einen untergeordneten Berater ins Kanzleramt. Schon das eigentlich ein Affront. Außenminister Frank-Walter Steinmeier, hieß es, sei sauer gewesen. Auch aus Kreisen der vier Bundesländer, in denen Opel-Produktionstätten stehen, hieß es: "So geht das nicht." Die amerikanische Seite müsse respektieren, dass die Zukunft des hiesigen Autobauers für Deutschland "keine Kleinigkeit" sei und sich durch ein solches Verhalten ein "relevantes Problem für die deutsch-amerikanischen Beziehungen ergeben könnte". Die US-Seite sei durch ihr Auftreten im Kanzleramt "nicht absprachefähig" gewesen, lautete die Einschätzung gegenüber SPIEGEL ONLINE. So musste im Kanzleramt aus die Nacht über auch eine Videokonferenz mit dem Investmentbanker Ron Bloom geschaltet werden. Er ist ein wichtiges Mitglied der von US-Präsident Barack Obama eingesetzten Task Force, die sich der US-Autokrise widmet. Bloom gilt als zweiter Mann hinter US-Finanzminister Timothy Geithner.
Als die deutsche Delegation am frühen Morgen vor die wartenden Journalisten trat, war jedem Einzelnen die Verärgerung anzumerken. Wirtschaftsminister zu Guttenberg sprach von einer "teilweise skurrilen Nacht". Einmal mehr habe vor allem General Motors die Regierung "mit Überraschungen konfrontiert". Ohnehin macht der einst in der Unionsfraktion als Außenpolitiker und ausgeprägter Transatlantiker gefragte CSU-Politiker in diesen Wochen eine ganz neue Erfahrung: Dass die amerikanischen Freunde in geschäftlichen Dingen sehr hartnäckig sein können. "Er lernt sie jetzt von ihrer anderen Seiten kennen", sagt ein Unionsabgeordneter.
Auf Guttenberg haben sich die Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen eingeschossen. Der Wahlkampf hat längst begonnen - zunächst noch subtil. Die Pfeile, die man nicht gegen die Kanzlerin abschießen kann, sie sollen den Neuling am Kabinettstisch treffen. Sein Bekenntnis, im Zweifel auch ein geordnetes Insolvenzverfahren bei Opel durchzusetzen, ist von Steinmeier wiederholt attackiert worden. Auch wenn der schroffe Verhandlungskurs der US-Seite die Kontrahenten für einen Augenblick zusammengebracht hat, der Konflikt schwelt weiter.
Die SPD hatte sich wiederholt, zuletzt durch Fraktionschef Peter Struck, für Magna als Investor ausgesprochen - zum Ärger von Teilen der Union und Guttenbergs.
Der CSU-Politiker lässt nach der Sitzung des Haushaltsausschusses seine Kritik an der SPD-Haltung durchschimmern. Über die lange Nacht im Kanzleramt sagt er: "Es wurde einmal mehr wichtig, keine Vorfestlegungen zu treffen." Denn diese "schwächen die Verhandlungspositionen von Opel, der Bundesregierung und damit auch gegenüber den Betroffenen". Ein Seitenhieb gegen den Außenminister. Ganz vergessen sind die Streitigkeiten zwischen den deutschen Opel-Rettern also doch nicht, trotz allem Ärger über die Amerikaner.
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Die Pläne für das Insolvenzverfahren von GM werden konkreter: Der Umbau des größten Autokonzerns der Welt soll in 60 bis 90 Tagen abgeschlossen sein - wenn alles gut geht. Allein in den USA stehen 21.000 Jobs 14 Werke vor dem Aus - am Montag wird bekannt, welche es trifft.
Washington/Detroit/Berlin - General Motors (GM) steht vor tiefen Einschnitten: Eine Insolvenz des schwer angeschlagenen Opel-Mutterkonzerns würde US-Regierungskreisen zufolge mindestens 60 bis 90 Tage in Anspruch nehmen. Das Verfahren sei im Fall des börsennotierten Unternehmens komplexer als beim Wettbewerber Chrysler, der im Besitz der Beteiligungsgesellschaft Cerberus ist, hieß es am Donnerstag. Daher könnte GM auch länger als 90 Tage unter Gläubigerschutz arbeiten müssen.
in Sprecher von GM wollte sich zu Auswirkungen einer möglichen Insolvenz nicht äußern. Die US-Regierung hat dem Autobauer bis zum 1. Juni Zeit gegeben, einen Plan für sein Überleben vorzulegen. Allerdings schwinden die Hoffnungen, dass der Konzern ein belastbares Konzept präsentieren kann. Entsprechend rechnen die meisten Beobachter unterdessen mit einem Insolvenzverfahren ab kommender Woche.
Insider berichten, dass GM dann auch Details zu möglichen Einschnitten bekanntgeben wird. Nach Angabe des Konzerns stehen 16 Werke und 21.000 Jobs in den USA zur Disposition. Zwei betroffene Standorte - in New York und Michigan - wurden bereits genannt. Weitere 14 Fabriken sollen am Montag benannt werden.
Einigung mit Gläubigern
Am Donnerstag errang GM einen wichtigen Teilerfolg und einigte sich mit mehreren Gläubigern auf eine Reduzierung seiner drückenden Schuldenlast. Eine Gruppe von Geldgebern, die zusammen rund 20 Prozent der GM-Schulden halten, stimmte einem nachgebesserten Vorschlag der US-Regierung zu. Das Votum gilt als Voraussetzung für eine geordnete Insolvenz. In einer Stellungnahme nannten die Gläubiger den Vorschlag zwar unfair. Sie wollten aber nicht das Risiko eingehen, das Angebot abzulehnen - allein aus der Hoffnung heraus, vor Gericht zu einem für sie günstigeren Ergebnis zu kommen, hieß es.
Das neue Angebot des ehemals größten Autobauers der Welt sieht vor, dass den privaten Gläubigern 10 Prozent der Anteile an einer neu gebildeten GM-Gesellschaft gehören sollen. Zudem sollen sie Bezugsrechte für weitere 15 Prozent erhalten. Bedingung dafür: Die Gläubiger müssen einer Übertragung der Vermögenswerte von der alten auf die neue GM-Gesellschaft unter Insolvenzrecht zustimmen, wie aus einer Stellungnahme des Konzerns hervorgeht. Dem Vorschlag zufolge würden also die "guten" Vermögenswerte in die neue Gesellschaft übergehen, während die "schlechten" ausgelagert würden. Das Angebot an die übrigen Investoren läuft am Samstag um 17.00 Uhr Ortszeit ab.
Ein Vertreter der US-Regierung nannte die Übereinkunft einen wichtigen Stritt beim Umbau von GM. Die Regierung werde sich "weiter darum bemühen sicherzustellen, dass die Firma aus der Umstrukturierung als ein starkes, lebensfähiges Unternehmen hervorgeht, das unabhängig von staatlicher Unterstützung tätig sein kann". Der stellvertretende GM-Chef Bob Lutz erklärte vor Journalisten in Detroit, GM werde durch die Umstrukturierung einige Altlasten los, die das Unternehmen schon seit 20 Jahren mit sich herumschleppe. "Wir werden aus dieser Sache mit einem neuen Fokus auf Produktentwicklung herauskommen", sagte Lutz.
Das US-Finanzministerium hat bereits 19,4 Milliarden Dollar in GM gepumpt, um den Konzern noch am Leben zu erhalten. Derzeit laufen Gespräche zwischen dem Hersteller, Washington und der kanadischen Regierung. Wie aus Verhandlungskreisen verlautete, würde die US-Regierung mit einer weiteren Finanzspritze sicherstellen, dass die neue Gesellschaft weiter arbeiten kann. Gleichzeitig würde sie die Mittel für eine Liquidation der alten GM bereitstellen.
Bundesregierung ringt um Opel
Eine Insolvenz von GM würde auch die europäischen Aktivitäten mit der Tochter Opel betreffen. Die Bundesregierung versucht deshalb fieberhaft, die Tochtermarke mit Standorten unter anderem in Deutschland aus dem Konglomerat herauszulösen. Als Investor sind der italienische Autobauer Fiat und der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna im Gespräch.
m Freitag will die Regierung erneut einen Anlauf zur Opel-Rettung unternehmen, nachdem ein Krisengipfel in der Nacht zum Donnerstag an finanziellen Forderungen der US-Seite scheiterte. Sollte keine Lösung gefunden werden, schließt die Bundesregierung eine Insolvenz des Rüsselsheimer Autobauers mit seinen rund 25.000 Beschäftigten in vier deutschen Werken nicht aus. Unter anderem hatte Bundeswirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) dieses Szenario zuletzt wiederholt ins Spiel gebracht - und war dafür vor allem von der SPD attackiert worden.
Guttenberg wies die Kritik an seinen Äußerungen zur Insolvenz am Donnerstag scharf zurück. Dies sei ein Druckpotential gegenüber den Amerikanern, sagte Guttenberg in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Dieses Potential werde von jenen "unterminiert", die "immer wieder sagen, von der Insolvenz zu reden, ist ein Fehler", kritisierte Guttenberg seinerseits. Er betonte erneut, es wäre falsch, in der Diskussion mit Opel-Interessenten und GM "Milliarden in die Hände zu nehmen und überhaupt keine Risikoüberprüfung mehr vorzunehmen". Die Bundesregierung dürfe sich von niemandem erpressen lassen.
Streit zwischen USA und Deutschland
Das Scheitern des Gipfels hat zudem zu Verwerfungen zwischen Deutschland und den USA geführt. Guttenberg hatte sich "verwundert" über die Verhandlungsführung der US-Seite geäußert und hinzugefügt, das amerikanische Finanzministerium hätte sich "mehr Mühe geben können bei der Auswahl ihrer Vertreter". Auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ließ deutliche Kritik an den USA erkennen.
Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers (CDU), hat das Management von General Motors in Europa scharf attackiert. Rüttgers, ebenfalls ein Teilnehmer der langen Verhandlungsnacht im Kanzleramt, sagte der "Rheinischen Post", die Forderung nach 300 Millionen Euro Soforthilfe habe überrascht: "Ich glaube, General Motors Europa braucht ein neues Management. Dort herrscht Chaos." Rüttgers bekräftigte, man kämpfe rund um die Uhr und werde alles tun, um zu einer Lösung zu kommen. Leider sei die Unsicherheit für Opel-Mitarbeiter noch nicht beendet.
Die US-Regierung hat die Kritik aus Deutschland an ihrer Verhandlungsführung zurückgewiesen. "Wir wenden uns entschieden gegen die Vorstellung, dass es auf US-Seite an Interesse gemangelt habe", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. "Wir werden weiterhin alles tun, um eine positive Lösung für Opel zu finden", sagt er weiter.
Der Sprecher ging im Einzelnen auf die Kritikpunkte ein, die von deutschen Regierungsmitgliedern geäußert wurden. Den Vorwurf, die US-Regierung sei nur mit einem niederrangigen Beamten vertreten gewesen, wies er zurück: "Wir sind angemessen vertreten gewesen. Es ging hier um Verhandlungen zwischen Opel und der deutschen Regierung, nicht zwischen dem US-Finanzministerium und der deutschen Regierung."
Auch den Vorwurf, General Motors habe das Treffen mit einer unerwarteten Finanzforderung belastet, wollte der Sprecher nicht gelten lassen. "Eines unserer Prinzipien ist, dass das Geld amerikanischer Steuerzahler nicht zur Unterstützung von Opel verwendet wird", sagte er. "Die Gründe dafür dürften ja offensichtlich sein."
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Erst Fiat, jetzt Magna? Auch der zweite Opel-Bieter steht kurz vor dem Abbruch der Gespräche. Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen sind die Österreicher um Frank Stronach schwer verärgert über den Verhandlungsstil der US-Delegation - der Krisengipfel im Kanzleramt könnte nun abgesagt werden.
Hamburg - Bis zwei Uhr am Freitagmorgen verhandelten die Emissäre von Magna und General Motors (GM) über den Verkauf von Opel. Seit sechs Uhr sitzen die Parteien in Berlin wieder am Tisch - und ein Ergebnis ist immer noch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Verhandlungen stehen auf der Kippe.
Wie Insider SPIEGEL ONLINE sagten, sind die Magna-Verantwortlichen schwer genervt vom Verhandlungsstil der US-Seite. Es geht um Patente, Lizenzen und Märkte. Doch sobald der kleinste Konsens stehe, baue GM sofort eine neue Gegenposition auf. Es seien extrem ungewöhnliche Gespräche. "Wir sind nicht sicher, ob die Amerikaner Opel überhaupt verkaufen wollen", sagte der Insider.
Branchenexperten teilen diese Ansicht. Ihrer Meinung nach ist noch längst nicht klar, dass GM Opel tatsächlich loswerden will. "GM-Chef Fritz Hernderson betont seit kurzem wieder, dass er sich auf jeden Fall einen Produktionsverbund zwischen GM und Opel wünscht", sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive in Bergisch Gladbach. GM dürfte kaum gewillt sein, die eigenen Standorte in Deutschland vollständig aufzugeben.
Vor diesem Hintergrund sei zumindest nicht auszuschließen, dass die Amerikaner den Weg des größten Widerstands gingen - und Opel letztlich gar nicht hergäben. "Opel ist zwar aus dem GM-Konzern herausgelöst, der Eigentümer ist aber nach wie vor GM", sagt Bratzel. Was mit Opel geschehe, sei letztlich die Entscheidung der Konzernspitze - und der US-Regierung. Diese aber stehe bei General Motors ohnehin vor einem spektakulär teuren Insolvenzverfahren - in dem die Causa Opel nur eine untergeordnete Rolle spiele.
Auch der Autoexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler hält diese Entwicklung für möglich. "Nicht auszuschließen, dass die Amerikaner Opel gar nicht wirklich abgeben wollen", sagt er. "Die Entwicklungen der letzten zwei Tage sprechen dafür."
Relativ klar ist Experten zufolge, dass die US-Regierung kein Interesse hat, Opel auch noch zu retten. Sie könnte darauf spekulieren, dass die Bundesregierung in jedem Fall Geld zuschießt - weil es politisch kaum tragbar wäre, Opel einfach im Stich zu lassen.
Fiat sagt Gipfel ab
Zuvor hatte der italienische Autobauer Fiat seine Teilnahme am Opel-Krisentreffen am Freitagnachmittag abgesagt. Die neuen Geldforderungen von GM "würden Fiat dazu zwingen, Opel finanziell zu unterstützen und sich damit unnötigen und irrationalen Risiken auszusetzen", sagte Fiat-Chef Sergio Marchionne. Unter diesem Aspekt habe der Konzern beschlossen, an dem Krisentreffen nicht teilzunehmen. GM hatte zuvor einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 350 Millionen Euro angemeldet. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE ist ein Engagement der Italiener allerdings schon seit Donnerstag kein Thema mehr.
Bei dem Gipfel in Berlin sollte an diesem Freitag ein neuer Rettungsversuch für Opel unternommen werden, nachdem erste Gespräche in der Nacht auf Donnerstag an finanziellen Forderungen der Amerikaner scheiterten. Die Bundesregierung hatte jetzt erwartet, dass sich die US-Seite und die verbleibenden potentiellen Investoren Fiat und Magna bis 14 Uhr über den Finanzbedarf und die Absicherung einigen würden. Die Bundesregierung hat nun offengelassen, ob ein für den Nachmittag geplantes Spitzentreffen mit Investoren zur Rettung des Autobauers Opels überhaupt stattfinden kann.
Sollte nach Fiat jetzt auch Magna aussteigen, verdüsterten sich die Aussichten für eine Abtrennung von Opel aus dem GM-Konglomerat. Bund und Länder suchen seit Wochen einen Abnehmer für die Europa-Aktivitäten des US-Autobauers. GM steht kurz vor der Insolvenz. Die Folgen einer Pleite könnten auch die Opel-Standorte treffen.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat die Chance auf eine europäische Opel-Lösung auf "fifty-fifty" eingeschätzt. Niemand solle von einem besseren Wert ausgehen, sagte er am Freitag in Frankfurt vor dem Spitzentreffen. "Wir warten auf ein Signal aus den USA." Der Ausstieg von Fiat sei zumindest besser für die Übersichtlichkeit der schwierigen Verhandlungen, meinte Koch. Das Unternehmen habe wohl eingesehen, dass es die zahlreichen offenen Fragen zu seinem Konzept nicht auf die Schnelle klären könne.
Quelle : www.spiegel.de
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Durchbruch im Kanzleramt: Beim Opel-Gipfel haben sich Bund, Länder, General Motors und die US-Regierung auf Magna als Investor für den Autobauer geeinigt. Auch eine Treuhandlösung und Kredite zur Absicherung vor einer GM-Insolvenz soll es geben - allerdings gilt der Plan als riskant, Minister Guttenberg trägt ihn nur widerwillig mit.
Berlin - Gut sechs Stunden lang hatte der Krisenrat im Kanzleramt getagt - dann endlich konnte Finanzminister Peer Steinbrück gegen 2.15 Uhr den Durchbruch verkünden. Es sei "eine Lösung gefunden, um Opel aufrecht zu halten", sagte der SPD-Politiker und bestätigte, was sich schon zuvor abgezeichnet hatte: Die Bundesregierung unterstützt das Konzept des österreichisch- kanadischen Autozuliefers Magna zur Rettung des angeschlagenen deutschen Autobauers.
Auch der geforderte staatliche Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro an Opel und der geplante Verkauf des Unternehmens an einen Treuhänder bis zum endgültigen Einstieg von Magna steht. Damit ist garantiert, dass Opel bei der für Montag erwarteten Insolvenz des US-Mutterkonzerns General Motors (GM) nicht mitgerissen wird.
Offenbar gab es in den Gesprächen unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel bis zuletzt Konflikte. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagte nach dem Treffen, er trage die Entscheidung der Bundesregierung mit. Er sei allerdings weiter für eine geordnete Insolvenz von Opel gewesen - auch wenn diese von ihm mehrfach ins Spiel gebrachte Variante genauso mit Risiken behaftet gewesen wäre. Der CSU-Politiker wörtlich: "Es ist eine schwere Risikoabwägung gewesen und eine, die mich zu einem anderen Schluss gebracht hat, aber in der Gesamtschau können wir sie gemeinsam tragen."
Natürlich könne niemand für die Zukunft alle Risiken ausschließen, sagte dagegen Frank-Walter Steinmeier, SPD-Spitzenkandidat, Vizekanzler und Außenminister. "Aber ich glaube, wir haben wirklich eine verantwortbare Lösung gefunden": "Die Perspektive für Opel steht."
Steinbrück sagte, man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Es gebe für den Staat hohe Risiken, deren sich alle Beteiligten bewusst seien: "Aber diese Risiken waren abzuwägen auch gegen die Risiken (...) für den Fall, dass Opel insolvent gegangen wäre." Dies hätte erhebliche finanzielle Folgen gehabt. Der jetzige Plan sei gegenüber dem Steuerzahler zu vertreten angesichts der Zusicherungen von Magna.
Der Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro, auf den sich Bund und Länder geeinigt hätten, sei das letzte Angebot, sagte Steinmeier. Die Summe solle innerhalb von fünf Jahren in einen 4,5-Milliarden-Euro-Bürgschaftsrahmen für Magna überführt werden. Auf diese Summe werde auch nichts mehr draufgestockt - trotz der bevorstehenden Bundestagswahl. Man wolle so deutlich machen, dass der Staat "nicht erpressbar ist", sagte Steinbrück. Man habe aber ein großes Interesse daran, dass an allen vier deutschen Opel-Standorten Beschäftigung gesichert werde.
Magna kündigt Gespräche über Jobabbau an
GM-Europachef Carl-Peter Forster, der an der Runde teilnahm, sagte, Opel sei im Moment "absolut gerettet": "Das ist der Beginn einer neuen Zukunft für Opel, die Mitarbeiter und die Marke." Das Treuhandmodell und die Brückenfinanzierung nannte er "eine Brücke, um das neue Ufer zu erreichen". Diese werde halten. Neue finanzielle Forderungen des Mutterkonzerns GM sehe er momentan nicht. Magna lobte er als "guten Partner", der sicher auch " von den Mitarbeitern gerne angenommen wird, mit dem wir gerne zusammenarbeiten werden. Wir verstehen uns gut".
Magnas Ko-Vorstandschef Siegfried Wolf, der auch im Kanzleramt war, sagte nach dem Durchbruch, man wolle alle deutschen Standorte erhalten - werde aber "jetzt in den nächsten Wochen unterwegs" sein und "mit allen Ländern Gespräche zu führen, wo Opel-Standorte sind. Wir sind sehr zuversichtlich, Lösungen zu finden, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten". Jeder verlorene Arbeitsplatz sei "einer zu viel", sagte er: "Jetzt haben wir ein großes Ziel, eine Riesenverantwortung für Tausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wir sehr sehr ernst nehmen." Konkrete Zahlen zum geplanten Jobabbau nannte Wolf nicht - bisher ging man bei Magnas Konzept von 2500 bis 2600 Stellen aus.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch sprach von einem vertretbaren Ergebnis. Das Magna-Konzept enthalte deutliche, aber vertretbare Risiken. Der CDU-Politiker wies darauf hin, dass die Haushaltspolitiker in den betroffenen Bundesländern Nordrhein-Westfalen und in Hessen den Kreditvereinbarungen am Sonntag noch zustimmen müssen. Die beiden CDU-FDP-Landesregierungen hätten aber klare Bedingungen dafür, die weitgehend erfüllt seien. Das Ergebnis müsse nur noch auf seine wirtschaftliche Plausibilität hin geprüft werden.
Zur Option einer Insolvenz sagte Koch, diese hätte einen Sozialplan notwendig gemacht und andere Fragen aufgeworfen: "Wenn am Montag das Unternehmen insolvent wäre, käme an Dienstag spätestens der Konkursverwalter und würde uns fragen, wie wir den Massekredit mit Bürgschaften absichern. Und wenn nicht am Mittwoch alle Bänder stillstehen sollten, müsste der Staat das machen." Bei einer Zulieferer-Absicherung über drei Monate wäre ein Massekredit von 1,5 Milliarden Euro nötig - die Summe des nun geplanten Brückenkredits -, und dieses Geld wäre verloren. Da sei die Lösung mit Magna besser.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bezeichnete die Einigung als "tragfähige Lösung". Der nordrhein- westfälische Standort Bochum habe damit eine Zukunftsperspektive bekommen. Es werde keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Neben dem Modell Zafira werde dort auch das Elektroauto Ampera produziert.
Forster: Noch keine endgültigen Verträge
Den Durchbruch erst ermöglicht hatten harte, aber erfolgreiche Verhandlungen zwischen Magna und GM im Laufe des Freitags. Am späten Nachmittag wurde eine Absichtserklärung zwischen Magna, dessen russischen Finanzpartner Sberbank und GM unterzeichnet. "Wir haben ein Memorandum Of Understanding, in dem wichtige Punkte schon sehr weitgehend geklärt sind", sagte GM-Europachef Forster nach dem Gipfel im Kanzleramt dazu. "Das heißt aber noch nicht, dass wir unterschriftsreife Verträge haben." Diese würden jetzt ausgearbeitet. "Wir haben den ersten Schritt getan in eine neue Zukunft, aber die Zukunft ist noch nicht da, wir müssen noch harte Arbeit leisten."
Auch Magna-Manager Wolf sagte, noch sei viel zu tun. Er glaube aber nicht, dass die nun anstehende intensive Prüfung des Zustands von GM Europe böse Überraschungen ergeben werde. Er erwarte die endgültige Vertragsunterzeichnung "in vier, fünf Wochen".
SPIEGEL ONLINE erfuhr am Abend noch vor Beginn des Gipfels aus der Bundesregierung, dass es unter anderem ein Entgegenkommen bei den Lizenzgebühren gab und außerdem bei der kurzfristigen Kapitalspritze von 350 Millionen Euro, die die US-Seite beim geplatzten Opel-Gipfel vor zwei Tagen nachgefordert hatte.
Am Nachmittag war wegen der harten Verhandlungen zwischen Magna und GM eigens der Beginn des Gipfels von 16 Uhr nach hinten verschoben - es sollte ein komplettes Übernahmekonzept vorliegen, das von Regierungsexperten begutachtet werden konnte. Erst nachdem dies geschehen war, kamen gegen 20 Uhr die Spitzenpolitiker der Großen Koalition und der Länder zusammen.
Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich auch schon ab, dass es im Kanzleramt noch kontroverse Debatten geben dürfte: "Es ist nicht gesagt, dass wir heute zu einem Ergebnis kommen", sagte CSU-Politiker Guttenberg vor den Gesprächen. SPD-Spitzenkandidat Steinmeier verkündete dagegen: "Ich arbeite dafür, dass eine Lösung noch heute gelingt." Es komme der Zeitpunkt, "an dem der Knoten auch durchgeschlagen werden muss": "Der heutige Tag ist ein Tag, an dem wir mit aller Kraft versuchen sollten, abschließend die Voraussetzungen für eine Zukunft von Opel zu schaffen." Steinmeier hatte am Nachmittag mit Magna-Chef Frank Stronach in Österreich telefoniert.
Obama dürfte GM-Insolvenz am Pfingstmontag verkünden
Die Große Koalition sucht seit Wochen nach einem Investor für die Europaaktivitäten von GM - wobei der Druck besonders groß ist, seit klar ist, dass der US-Konzern kurz vor der Insolvenz steht. Die offizielle Ankündigung wird am Pfingstmontag bei einer Rede von US-Präsident Barack Obama erwartet, wenn das von ihm gestellte Ultimatum für GM abläuft. Sein Sprecher Robert Gibbs sagte am Freitag, das Beispiel des Autobauers Chrysler, der vor einem Monat in die Insolvenz ging, sei "ein hoffnungsvolles Beispiel für General Motors".
Die Schockwellen einer Insolvenz drohten auch Opel zu erreichen, die Bundesregierung bangte deshalb akut um die rund 25.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Sie hatte deshalb in Aussicht gestellt, Opel den dringend benötigten Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro zu gewähren und so vor einer möglichen Folgeinsolvenz retten. Sie verlangte dafür aber Zusagen der US-Seite, damit das Geld im Falle einer GM-Pleite nicht versickert: Die Opel-Anteile sollten bis zum endgültigen Einstieg von Magna an eine Treuhandgesellschaft verkauft und dort geparkt werden. So kommt es nun.
Magnas Mitbewerber Fiat hatte sich am Freitagmorgen zurückgezogen und mitgeteilt, nicht an dem Gipfel in Berlin teilzunehmen. Die neuen Geldforderungen von GM, die bei dem ersten Gipfel vor zwei Tagen bekannt wurden, "würden Fiat dazu zwingen, Opel finanziell zu unterstützen und sich damit unnötigen und irrationalen Risiken auszusetzen", sagte Fiat-Chef Sergio Marchionne. Damit blieb nur Magna als ernsthafter Bewerber übrig.
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General Motors lässt Opel von der Leine: Magna soll die Europatochter des Konzerns retten - doch der Durchbruch in der Nacht bedeutet längst nicht das Ende der Verhandlungen, warnt GM-Manager Forster. Die Detailgespräche können wegen des rabiaten Stils der US-Seite erneut zur Belastungsprobe werden.
Berlin/Hamburg - Nach sechs Stunden harter Verhandlungen verkündete Finanzminister Peer Steinbrück die frohe Botschaft: Es sei "eine Lösung gefunden, um Opel aufrecht zu halten", sagte der SPD-Politiker am frühen Samstagmorgen. Die Bundesregierung unterstützt jetzt offiziell das Konzept des österreichisch-kanadischen Zulieferers Magna zur Abtrennung deutschen Autobauers von seiner quasi insolventen US-Konzernmutter General Motors (GM).
Es ist ein Durchbruch, aber noch keine finale Rettung für die Opelaner in Deutschland, Spanien, Polen, Großbritannien und Belgien. Jetzt gibt es zwar den Beschluss - und das ist nach den Turbulenzen der vergangenen Tage schon viel. Dessen Umsetzung dürfte jedoch weiter Zeit und Nerven kosten.
Wie groß die Skepsis selbst in der Regierung ist, zeigen die Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Er trage die Entscheidung der Bundesregierung mit. Er sei allerdings weiter für eine geordnete Insolvenz von Opel gewesen. Der CSU-Politiker wörtlich: "Es ist eine schwere Risikoabwägung gewesen und eine, die mich zu einem anderen Schluss gebracht hat, aber in der Gesamtschau können wir sie gemeinsam tragen." Euphorie klingt anders.
GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster, der an der nächtlichen Runde im Kanzleramt teilnahm, gab die Route vor: Zum Entscheid für Magna sagte er: "Das heißt aber noch nicht, dass wir unterschriftsreife Verträge haben." Diese würden jetzt ausgearbeitet. "Wir haben den ersten Schritt getan in eine neue Zukunft, aber die Zukunft ist noch nicht da, wir müssen noch harte Arbeit leisten."
Dabei dürfte er die vergangenen Tage im Sinn gehabt haben, denn dem Kompromiss ging ein wahrer Verhandlungsmarathon voraus. Erst am Freitagnachmittag, kurz vor Ablauf der von der Regierung gesetzten Frist, sendeten die Emissäre von Magna und GM erste positive Signale. "Es gibt eine dünne Chance, dass es zu einer Lösung kommt", berichtete ein Insider aus dem Berliner Adlon Hotel, wo sich die Delegationen seit dem frühen Morgen um Details zankten.
Zeitweise sah es zuvor sogar nach einem Scheitern aus. Mit Fiat hatte sich ein potentieller Investor bereits vorzeitig aus dem Rennen verabschiedet. Und auch der Zuschlag für Magna stand bis auf der Kippe. Besonders die nervenaufreibende Verhandlungstaktik der GM-Truppe hatte die Magna-Vertreter zur Verzweiflung getrieben. Nach jedem mühsam erarbeiteten Kompromiss warf die US-Seite eine neue Frage auf, die schon längst geklärt schien. Es seien extrem ungewöhnliche Gespräche, berichteten Eingeweihte, "wir waren nicht sicher, ob die Amerikaner Opel überhaupt verkaufen wollen".
Die Unnachgiebigkeit der Amerikaner hatte konkrete Gründe: "GM-Chef Fritz Henderson betont immer wieder, dass er sich auf jeden Fall einen Produktionsverbund zwischen GM und Opel wünscht", sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive in Bergisch Gladbach. Autoexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler ergänzt: "Die Verhandlungsführung, das offensichtliche Desinteresse an einer schnellen Lösung - die Entwicklungen der letzten zwei Tage sprachen eher dafür, dass die Amerikaner Opel gar nicht unbedingt abgeben wollen."
Immerhin: Jetzt gibt es zumindest eine Vereinbarung, die GM eine Beteiligung weiter garantiert. Experten bleiben dennoch skeptisch. "Ich gebe dem Merger eine Erfolgsquote von 20 bis 30 Prozent", sagt Wolfgang Meinig von der Bamberger Forschungsstelle für Automobilwirtschaft (FAW). "Das Thema Opel wird uns in den kommenden Wochen sicher nicht weniger intensiv beschäftigen. Die Zukunft des deutschen Autobauers bleibt extrem wackelig."
So bleibe das Problem bestehen, dass gleich mehrere Interessengruppen Opel unter sich aufteilten, was ein weiteres Gezerre um den Autobauer nach sich ziehen dürfte: Nach dem aktuellen Übernahmekonzept sollen GM und die russische Sberbank je 35 Prozent der Anteile halten. 20 Prozent will sich Magna sichern und mit zehn Prozent sollen sich die Opel-Mitarbeiter beteiligen. "Magnas Anteil ist viel zu klein, und die Sberbank soll Gerüchten zufolge finanziell alles andere als stabil aufgestellt sein", warnt Meinig.
Ob die Amerikaner in den kommenden Wochen von ihrer kompromisslosen Haltung abrücken, bleibt fraglich. Es drohen schon bald neue Finten, die das mühsam geschnürte Paket wieder in Frage stellen könnten.
Es wäre allerdings ungerecht, die harte Linie der GM-Unterhändler als bloße Geldschneiderei hinzustellen: Denn aus US-Sicht gibt es eigentlich keinen zwingenden Grund, Opel zu verkaufen: General Motors steht in den USA kurz vor einem Insolvenzverfahren, das die Regierung Obama schnell abschließen will. Geplant ist eine Abspaltung der notleidenden Konzernteile nach Art einer Bad Bank. Dem Vorschlag zufolge würden die "guten" Vermögenswerte in die neue Gesellschaft übergehen, während die "schlechten" ausgelagert und liquidiert würden.
Die entscheidende Bedingung dafür aber ist, dass die Gläubiger einer Übertragung der Vermögenswerte von der alten in die neue GM-Gesellschaft unter Insolvenzrecht zustimmen müssen, wie aus einer Mitteilung von GM an die US-Börsenaufsicht SEC hervorgeht. Dabei dürfte auch Opel eine Rolle spielen, denn nach den derzeitigen Vorstellungen würden die Rüsselsheimer quasi zum Nulltarif an den neuen Eigentümer gehen.
Auch gilt Opel keineswegs als Ballast, den abzuwerfen nennenswerte Vorteile bringen würde. Die Rüsselsheimer schreiben zwar Verluste, doch nicht nur die Patente sind wertvoll. Auch auf den Zugang zum europäischen Markt kann GM-Chef Henderson nicht verzichten. Ein Verkauf wäre gegenüber den Gläubigern also nur durchsetzbar, wenn er etwas einbringen würde. Das könnte einer der Gründe dafür gewesen sein, dass die gewieften GM-Unterhändler alle Register zogen.
Über die Verhandlungstricks, die die US-Seite dabei anwendete, konnten auch die Bundesregierung und Magna in den Gesprächen noch etwas lernen. Die Bamberger Forschungsstelle für Automobilwirtschaft hat unlängst in einer Delphi-Studie (mehr auf SPIEGEL WISSEN...) Kniffe zusammengetragen, mit denen vor allem die großen US-Autobauer ihren Verhandlungspartnern in der Zuliefererbranche Zugeständnisse abtrotzen. Sie lesen sich wie eine Blaupause für den gescheiterten "Supergipfel" vom Donnerstag oder für das Hickhack mit Magna im Hotel Adlon.
Immer wieder kommt es demnach vor, dass Autobauer drittklassige Abgesandte zu Verhandlungen mit Zulieferern schicken, um einen Abschluss der Gespräche zu verzögern und den Verhandlungspartner zu demütigen. Beim Spitzentreffen im Kanzleramt hatte die US-Regierung genau diese Taktik angewandt: Sie schickte einen Vertreter ohne Prokura, der die Konsultationen regelmäßig unterbrechen musste, um sich mit seinen Vorgesetzten in Washington abzustimmen.
Auch das Verhaltensmuster, die Gesprächsagenda kurzfristig zu ändern, ist laut der FAW-Analyse wohlbekannt. Der Autobauer bringt plötzlich völlig neue Themen in die Diskussion ein, die im Vorfeld nicht ausreichend von der Gegenseite vorbereitet werden konnten. GM tat dies am Donnerstag, indem der Konzern plötzlich 350 Millionen Euro mehr forderte als zuvor besprochen. Auch die Magna-Insider sprachen von "extrem ungewöhnlichen Gesprächen". Das Ziel dieser Volten ist, den Lieferanten durch Überrumpelung in die Enge zu treiben und ihn in seiner Reaktion tendenziell unprofessionell wirken zu lassen.
Gegen diese Taktik konnte sich die Bundesregierung während der Verhandlungen über die Brückenfinanzierung letztendlich nur mit der Drohung zur Wehr setzen, Opel in die Insolvenz gehen zu lassen. Das habe in der Nacht zum Donnerstag für Bewegung auf amerikanischer Seite gesorgt, betonten Regierungsvertreter anschließend.
Für Magna wird das in den kommenden Verhandlungen mit GM jedoch nicht gelten. Es wird also noch eine Menge Mühe und Nerven kosten, alle Details der Übernahme zu Ende zu verhandeln.
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Bundeswirtschaftsminister Guttenberg hat seine Kritik an dem Rettungspaket für Opel erneuert. "Der Staat läuft Gefahr, sich erpressbar zu machen, wenn er einmal großzügig hilft", sagte der CSU-Politiker. Für seine Kritik erhält Guttenberg auch Lob vom Unions-Wirtschaftsflügel.
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat seine Kritik an dem Rettungspaket für Opel erneuert. «Der Staat läuft Gefahr, sich erpressbar zu machen, wenn er einmal großzügig hilft», sagte der CSU-Politiker der «Welt am Sonntag». Der Minister hätte eine sogenannten Planinsolvenz dem Einstieg des Automobilzulieferers Magna vorgezogen. «Bei der Bewertung der Risiken des vorliegenden Konzepts kam ich zu einer anderen Einschätzung als meine Kollegen», bekräftigte Guttenberg. «Alle Seiten haben berechtigte Gründe für die jeweilige Einschätzung. Es liegt in der Natur der Sache, dass man erst hinterher weiß, welche die richtige war.»
Für seine Kritik erhält Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Lob vom Unions-Wirtschaftsflügel. Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Michael Fuchs (CDU), sagte, mit der Opel-Rettung würden Steuergelder mit einer «Freibier-für-alle-Mentalität» ausgegeben. Der Chef der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, sieht durch den Einstieg von Magna bei Opel Gefahren für deutsche Automobilzulieferer. Guttenberg hatte eine geordnete Insolvenz von Opel favorisiert, akzeptierte aber die Entscheidung für Magna. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verteidigte dagegen die Pläne zur Opel-Rettung. Mit der Milliardenbürgschaft befassen sich an diesem Sonntag auch der Haushaltsausschuss des Bundestages und der Finanzausschuss Nordrhein-Westfalens und Hessens.
CSU: Schwierigkeiten für deutsche Zulieferer zu erwarten
Er sei sehr damit einverstanden, dass Guttenberg aufmerksam mache, welche Gefahren das jetzt vereinbarte Vorgehen berge, sagte Fuchs. Wenn das jetzt zugesagte Geld nicht ausreiche, um Opel zu retten, «muss jedenfalls Feierabend sein mit den Rettungsversuchen».
Michelbach sieht Schwierigkeiten für die deutschen Automobilzulieferer, Anschlussaufträge von Opel zu erhalten. «Magna wird in erster Linie an der Auslastung seiner eigenen Zulieferkapazitäten interessiert sein», warnte Michelbach. Zudem bestehe die Gefahr, dass «Magna intensiven Einblick in Entwicklungen der Konkurrenten erhält und deren Innovationen auf dem internationalen Markt frühzeitig selbst verwertet». Eine von Guttenberg angestrebte geordnete Planinsolvenz hätte eine saubere Lösung für Opel gebracht.
Dagegen sagte Koch, der Einstieg von Magna sei für die Steuerzahler mit Abstand am besten. Das Ausfallrisiko der Milliarden-Bürgschaft sei gering. Das neue europäische Unternehmen wird nach Einschätzung Kochs in Rüsselsheim seinen Sitz haben. Auf alle ehemaligen Töchter des General-Motors-Konzerns in Europa komme aber insgesamt der Abbau von 10 000 bis 11 000 Arbeitsplätze zu.
Dudenhöffer: „Magna ist die beste Wahl“
Auch der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht in der Entscheidung für Magna die «beste Wahl, die man hätte treffen können». Opel könne sich so auf dem europäischen Markt weiter «ohne Konkurrenz im eigenen Hause» entfalten. Zudem stehe für Opel durch Magna auch der russische Markt «ganz weit offen», während durch die verbleibenden Anteile des US-Mutterkonzerns General Motors zugleich auch China und Nordamerika als Absatzmarkt infrage kämen.
Nach den Worten von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will der Autozulieferer Magna so lange keine Dividende zahlen, bis die beim Opel-Einstieg gewährten staatlichen Kredite getilgt sind. «Auch das hat uns überzeugt», sagte der SPD-Kanzlerkandidat der «Bild am Sonntag». Mit dem Konzept des österreichisch-kanadischen Autozulieferers werde die größtmögliche Zahl von Arbeitsplätzen bei Opel erhalten. «Deshalb hat sich auch die Arbeitnehmerseite klar dafür ausgesprochen.» Steinmeier stellte zugleich klar, dass es nunmehr «keinen Raum für Nachforderungen gibt». Es sei noch «harte Arbeit», mit den gewährten staatlichen Hilfen die Zukunft des Autobauers zu sichern.
Steinmeier rechnet damit, dass bei der Erschließung neuer Märkte für Opel in Osteuropa Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eine Rolle spielen wird. «Magna setzt unter anderem auf die Erschließung der osteuropäischen Märkte. Das ist doch klar, dass sie mit Blick auf Russland auch Kontakt zu Schröder suchen», sagte Steinmeier.
Stronach will Opel-Autos in Kanada bauen
Guttenberg wollte nach Informationen der «Bild am Sonntag» während der Verhandlungen in der Nacht zum Samstag zurücktreten. Guttenberg machte laut Zeitung unmissverständlich klar, dass er die Magna-Lösung wegen der Risiken für den Steuerzahler «nicht mittragen» werde. Dabei sei auch das Wort «Rücktritt» gefallen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe ihren Minister aber davon abhalten können.
Magna-Chef Frank Stronach kündigte unterdessen den Aufbau einer kanadischen Automobilindustrie an. «Wir werden Opel-Autos in Kanada bauen», sagte er. Er wisse aber nicht, wo in Kanada Autos produziert werden könnten. »Ich weiß, wir sind wettbewerbsfähig, ich weiß, wir können Jobs in Kanada und den Vereinigten Staaten schaffen«, sagte er.
Noch keine Entscheidung zu Insolvenz von General Motors bekannt
Der Verwaltungsrat von General Motors hat seine zweitägigen Beratungen abgeschlossen, aber vorerst keine Entscheidung zu einer möglichen Insolvenz bekanntgegeben. Der Automobilhersteller kündigte für Montagmorgen eine Pressekonferenz in New York an. Das US-Finanzministerium lehnte jede Stellungnahme zur Zukunft des Opel-Mutterkonzerns ab.
Am Samstagabend lief um 23.00 Uhr (MESZ) eine Frist ab, innerhalb der die Inhaber von GM-Firmenanleihen ein Angebot annehmen konnten, ihre Forderungen von insgesamt 27 Milliarden Dollar in eine Beteiligung von mindestens zehn Prozent einzutauschen. Diese Regelung sollte Teil einer von der Regierung geforderten Lösung sein. Die von Washington gesetzte Frist für eine Sanierungsregelung läuft am Montag ab. Nur bei einem tragfähigen Sanierungskonzept will die Regierung weitere Milliarden an Notkrediten überweisen. Dabei würde sich der Staat zu nahezu drei Viertel an General Motors beteiligen.
Abkommen für drastische Kostensenkungen
Als Voraussetzung für eine noch mögliche Sanierung stimmte die Gewerkschaft der United Auto Workers (UAW) am Freitag einem Abkommen für drastische Kostensenkungen zu. Außerdem wurde am Samstagmorgen eine Absichtserklärung unterzeichnet, um Opel aus dem Konzern herauszulösen und mit Investitionen des kanadisch-österreichischen Autozulieferers Magna International auf neue Beine zu stellen.
Bei einem typischen Insolvenzverfahren nach Kapitel 11 des amerikanischen Konkursgesetzes (Bankruptcy Code) erhält das verschuldete Unternehmen einen Schutz vor Gläubigerforderungen, um eine Neuorganisation einzuleiten. Dabei muss eine Mehrheit der Gläubiger, die zusammen mindestens zwei Drittel der Forderungen vertreten, dem Sanierungsplan zustimmen. Bei einer Insolvenz von General Motors wird erwartet, dass die Vermögenswerte an eine neugebildete Einheit verkauft werden, aus der eine neue General Motors hervorgehen könnte.
Der Automobilkonzern Chrysler, der am 30. April in Insolvenz gegangen ist, hat einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Dort ist ein Verkauf der Vermögenswerte an den italienischen Fiat-Konzern geplant. Es wird erwartet, dass der zuständige Richter Arthur Gonzalez den Verkauf am Montag billigt. Fiat hat eine Frist für den Abschluss der Transaktion bis zum 15. Juni gesetzt.
Quelle : www.derwesten.de
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Wichtiger Schritt für die Rettung des Autobauers Opel: Die Haushaltsausschüsse von Hessen und Nordrhein-Westfalen haben einer Bürgschaft für die marode GM-Tochter zugestimmt. Die beiden Länder schultern den Löwenanteil des geplanten Überbrückungskredits.
Frankfurt am Main - Durchbruch in Hessen und Nordrhein-Westfalen: Die Haushaltsausschüsse der beiden Bundesländer haben den Weg für den ersten Überbrückungskredit für Opel frei gemacht. Ihre formale Zustimmung war erforderlich, damit die Hilfe für den Autobauer, die aus Bundes- und Landesanteilen besteht, in der neuen Woche gewährt werden kann.
Der Haushaltsausschuss in Hessen winkte ohne Gegenstimme dem Landesanteil in Höhe von 447 Millionen Euro durch. Dies ist die mit Abstand größte Bürgschaft aller Bundesländer mit Opel-Standorten. Bund und Länder wollen insgesamt Kredite in Höhe von 1,5 Milliarden Euro verbürgen. "Wir entscheiden mit, dass ein neuer europäischer Konzern entsteht", sagte Ministerpräsident Roland Koch in der Sitzung. "Ich glaube, dass es für Opel und die Mitarbeiter eine unglaubliche Chance ist."
Auch Nordrhein-Westfalen gibt grünes Licht für die staatliche Überbrückungshilfe an Opel. Am Sonntag stimmte der Haushalts- und Finanzausschuss des Düsseldorfer Landtags einer Bürgschaft einstimmig zu. Damit wird NRW für 150 Millionen der insgesamt 1,5 Milliarden Euro umfassenden Opel-Hilfe von Bund und Ländern bürgen. Der stellvertretende Ministerpräsident Andreas Pinkwart (FDP) betonte, dass die NRW-Hilfe verknüpft sei mit der Sicherung von Arbeitsplätzen im Bochumer Opel-Werk. Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) geht davon aus, dass in Bochum etwa 1800 von gut 5000 Stellen abgebaut werden.
In Rheinland-Pfalz mit dem Opel-Werk in Kaiserslautern waren bereits vorher alle für die Landesbürgschaft benötigten Zustimmungen erteilt worden. Das Land werde über die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) für gut hundert Millionen Euro bürgen, sagte Ministerpräsident Kurt Beck.
Das Land Thüringen wird sich nach den Worten von Ministerpräsident Dieter Althaus ebenfalls mit rund 52 Millionen Euro an der Absicherung des Brückenkredits für Opel beteiligen. In einer in Erfurt veröffentlichten Erklärung begrüßte der CDU-Politiker die Einigung über das Treuhandmodell für den Autobauer als "positives Signal für Thüringen und speziell für Opel in Eisenach und die vielen Zulieferbetriebe".
Magna will 500 Millionen Euro in Opel pumpen
Seit zwei Tagen ist der Kompromiss über die Opel-Übernahme spruchreif - Details darüber, wie Investor Magna Opel konkret retten will, sind noch immer rar. Immerhin werden nun neue Details über den Finanzplan der Austro-Kanadier bekannt.
Magna will nach Angaben von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) innerhalb von fünf Jahren rund 500 Millionen Euro "ohne irgendeine Form von Sicherheit" in Opel investieren. Im Gegenzug würden in den deutschen Werken "etwas mehr als 2000 Arbeitsplätze" gestrichen, sagte Koch der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Bei Opel sind an den Standorten Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern insgesamt rund 26.000 Mitarbeiter beschäftigt.
Der für Opel vorgesehene Treuhandvertrag, der eine Loslösung vom bisherigen Mutterkonzern General Motors (GM) ermöglicht, wird laut Koch sofort wirksam, sobald die Haushaltsausschüsse der Landtage in Hessen und Nordrhein-Westfalen am Sonntag zugestimmt hätten. Ab Dienstag würde Opel dann von Magna und mit Hilfe eines staatlichen Überbrückungskredits finanziert. Derzeit würde Opel pro Tag drei Millionen Euro an Verlust erwirtschaften. "Das muss so schnell wie möglich aufhören", betonte Koch und forderte das Opel-Management auf, mit der Restrukturierung des Unternehmens sofort zu beginnen.
Das Rettungskonzept für Opel und die möglichen Risiken für die Steuerzahler stehen am Sonntagmittag im Mittelpunkt der Sondersitzung des Bundestag-Haushaltsausschusses, an dem unter anderem Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) teilnehmen.
Die nicht-öffentliche Sondersitzung war kurzfristig auf Antrag der Grünen einberufen worden. Deren haushaltspolitischer Sprecher, Alexander Bonde, sagte, da es um Milliardensummen gehe, stehe das Parlament "in der Verantwortung, zu klären und zu bohren". Es sei eine "fundierte Risikoabschätzung" nötig. Dazu müsse auch klar sein, wie tragfähig das Konzept des Konsortiums zur Rettung von Opel sei. Auch Otto Fricke, der Vorsitzende des Ausschusses, forderte die Bundesregierung auf, in der Sitzung die Mechanismen der Opel-Rettung so transparent wie möglich zu machen. Der Bundeshaushaltsausschuss hat über den ausgehandelten Opel-Kompromiss keine Macht. Er hat lediglich ein Anhörungs- und Auskunftsrecht.
Unionspolitiker verbünden sich mit Rebell Guttenberg
Die Rettung der maroden GM-Tochter mag in trockenen Tüchern sein - die politische Debatte darüber, ob der gewählte Weg richtig ist, nimmt dennoch auch am zweiten Tag nach dem Kompromiss zwischen Opel-Mutter General Motors und Investor Magna weiter an Fahrt auf.
Bis zuletzt hatte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg darauf beharrt, dass der sieche Autobauer Opel besser in die Insolvenz gegangen wäre. Sogar an Rücktritt soll er laut "Bild am Sonntag" in der Nacht des Krisengipfels im Kanzleramt gedacht haben.
Nachdem die Opel-Rettung nun aber besiegelt ist, wagen sich zahlreiche Unionspolitiker, die an dem Entscheidungsprozess gar nicht beteiligt waren, aus der Deckung. Den Rücken stärken Guttenberg unter anderem Horst Seehofer. Der Wirtschaftsminister habe seine "volle Rückendeckung und volle Solidarität" für die kritische Haltung gegenüber staatlichen Hilfen für Opel, sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef.
Auch Michael Fuchs, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand (CDU), und sein CSU-Pendant Hans Michelbach sowie der CDU-Finanzexperte Otto Bernhardt schlugen sich auf Guttenbergs Seite. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans-Heinrich Driftmann, kritisierte den Einstieg von Magna bei Opel ebenfalls. "Eine geordnete Insolvenz wäre im Zweifel besser gewesen", sagte er am Sonntag im Deutschlandfunk.
Guttenberg selbst erneuerte seine Kritik am Sonntag: "Der Staat läuft Gefahr, sich erpressbar zu machen, wenn er einmal großzügig hilft", sagte er der "Welt am Sonntag".
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kritisierte dagegen Guttenbergs Haltung: Es reiche nicht, immer nur öffentlich die Risiken zu beschreiben, sagte Steinmeier in einem Interview mit der "Bild am Sonntag". "Vielmehr kommt es darauf an, die Risiken für eine öffentliche Unterstützung zu minimieren - auch abseits der Kameras und Mikrofone, in harten Verhandlungen."
Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verteidigte die Pläne zur Opel-Rettung. Das Opel-Stammwerk in Rüsselsheim werde nach Einschätzung Kochs von Jobeinbußen weitgehend verschont bleiben. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) zeigte sich ebenfalls erleichtert über den Magna-Einstieg. "Auf diese Weise können die Opel-Standorte in den deutschen Bundesländern gerettet werden", sagte er. Nicht bekannt ist, wie viele Jobs im Opel-Werk Eisenach gefährdet sind. In Bochum stehen etwa 1800 von bislang rund 5000 Arbeitsplätzen zur Disposition.
"Blitz-Insolvenz" von General Motors
Unterdessen trifft die Führung der Opel-Mutter General Motors (GM) letzte Vorbereitungen für den als unvermeidlich geltenden Weg in die Insolvenz. Einzelheiten der Beratungen am Samstagabend wurden nicht bekannt. Der einst weltgrößte Automobilbauer teilte lediglich mit, Konzernchef Fritz Henderson werde sich am Montag in New York öffentlich äußern. Es wird erwartet, dass dann auch US-Präsident Barack Obama den Gang des Unternehmens in die Insolvenz offiziell bekanntgeben wird.
Medienberichten zufolge ist eine "Blitz-Insolvenz" von 60 bis 90 Tagen vorgesehen. Das gut hundert Jahre alte Unternehmen soll zunächst praktisch verstaatlicht werden und sich - geschützt vor dem Zugriff der Gläubiger - gesundschrumpfen. Die Staatshilfen werden auf insgesamt 50 Milliarden Dollar veranschlagt. Die Beratungen der GM-Spitze sollten auch am Sonntag fortgesetzt werden, heißt es.
Die Einigung mit Opel sowie die jüngste Zustimmung der mächtigen Autogewerkschaft United Auto Workers (UAW) zu drastischen Einschnitten gelten als wichtige Voraussetzung, um die Insolvenz zu erleichtern. Zudem stimmten bisher insgesamt 35 Prozent der Gläubiger zu, auf ihre Gelder zu verzichten und sich stattdessen mit Anteilen am "neuen GM" zufriedenzugeben. Eine Frist für die Zustimmung weiterer Gläubiger verstrich am Samstag, ohne dass ein Ergebnis bekanntgegeben wurde.
Insgesamt schuldet GM Zehntausenden Gläubigern 27 Milliarden Dollar. Das gerichtliche Gläubigerschutz-Verfahren wäre das größte seiner Art in der US-Geschichte. Der Staat soll zunächst 72 Prozent der GM-Anteile übernehmen. Das US-Finanzministerium geht davon aus, einen großen Betrag der insgesamt 50 Milliarden-Dollar-Hilfen innerhalb der nächsten fünf Jahren vom "neuen GM" wiederzubekommen, berichtete die "Washington Post".
Quelle : www.spiegel.de
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Auf Opel folgt Arcandor: Nach der geglückten Rettung des Autobauers positioniert sich die SPD als Helferin der maroden Karstadt-Mutter. Die Union protestiert energisch, Haushaltsexperten warnen vor einem Dammbruch bei den Staatshilfen - schon 1164 Unternehmen haben Kredite beantragt.
Berlin - Krisenzeiten sind Festzeiten für Politiker: Gleich mehrere milliardenschwere Unternehmen stehen am Rande des Abgrunds. Und gleich eine ganze Reihe von Ministern, Parteichefs und sonstiger Großkoalitionäre nutzt das dazu, sich als Retter in Szene zu setzen. Schwer bepackt mit Steuermilliarden entzünden die Staatsmänner und -frauen Debatte um Debatte darüber, welchem Konzern als nächstes beigestanden werden soll.
Gerade erst wurde bei der Rettung der maroden GM-Tochter Opel ein fragwürdiger Kompromiss erzielt. Gerade erst haben mit Hessen und Nordrhein-Westfalen auch die letzten beiden Bundesländer ihren Beitrag zu dem 1,5 Milliarden schweren Opel-Überbrückungskredit zugesagt. Noch immer schwelt die Debatte darüber, ob Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Ende nicht doch Recht hatte, ob man Opel nicht doch insolvent hätte gehen lassen sollen. Gerade erst erholt sich das politische Berlin vom Opel-Marathon, von den Strapazen der seit Donnerstag laufenden Rettungsverhandlungen.
Schon läuft in der Politik die nächste Konzern-Rettungsdebatte.
Diesmal geht es um Arcandor, darum, ob auch der marode Karstadt-Mutterkonzern Staatshilfen erhalten soll. Die Kaufhauskette fordert eine Bürgschaft über 650 Millionen Euro und einen Kredit der staatlichen Förderbank KfW über 200 Millionen Euro.
SPD prescht bei Arcandor vor, Union warnt
Bislang verlief diese Debatte eher in Opels Windschatten - jetzt prescht die SPD vor: Die Politik könne nicht einfach so tun, als ginge sie die Entwicklung nichts an, sagte Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier der "Bild am Sonntag". Es gehe schließlich um 50.000 Arbeitsplätze.
Auch SPD-Chef Franz Müntefering forderte, die Politik dürfe sich auch bei Arcandor nicht heraushalten und den Eindruck erwecken, "als ginge uns die drohende Verödung ganzer Innenstädte in Deutschland nichts an", sagte er der "Bild am Sonntag". Im "Tagesspiegel" sagte er einen Satz, der sich zwischen den Zeilen wie ein Wahlkampfversprechen liest: "Wir wollen zeigen, dass wir nicht nur industrielle Arbeitsplätze retten, sondern auch solche im Dienstleistungsbereich und Arbeitsplätze für Frauen."
Guttenberg dagegen profiliert sich auch bei Arcandor als Anti-Retter. Er warnte davor, einen Kardinalfehler zu wiederholen, den der Staat seiner Meinung nach auch schon bei Opel begangen hat: "Wer jetzt schon auf Bundesebene Unternehmen Hunderte Millionen in Aussicht stellt, ohne dass überhaupt eine erste fachliche Prüfung abgeschlossen ist, der führt einen Wahlkampf auf dem Rücken der Steuerzahler", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Dies sei "ein zynisches Spiel mit den berechtigten Sorgen der Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz."
Auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch, der sich in den Opel-Verhandlungen noch sehr öffentlichkeitswirksam als Retter positioniert hatte, sieht eine Arcandor-Bürgschaft "sehr skeptisch". Der Konzern verfüge über ein gesundes, profitables Touristikgeschäft. "Hier dürfen nicht Vermögenswerte der Eigentümer auf Kosten des Steuerzahlers geschont werden", sagte der CDU-Vize der "Rheinischen Post".
DIHK-Chef Hans-Heinrich Driftmann warnte gar vor Wettbewerbsverzerrungen. Für ein "Ausufern" der Finanzspritzen gebe es kein Verständnis beim Mittelstand - der Staat dürfe nicht "weitere Systemfehler" begehen. "Politik darf nicht durch Politikmarketing ersetzt werden", wetterte er im Deutschlandfunk.
Driftmanns Sorge scheint nicht ganz unbegründet zu sein. Tatsächlich fordern immer mehr Unternehmen Regierungshilfen. Der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) liegen einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zufolge 1164 Anträge auf staatliche Kredite vor - Gesamtumfang: 4,7 Milliarden Euro.
345 Anträge seien positiv beschieden worden, was einer Gesamtsumme von 640 Millionen Euro entspreche. Zudem gebe es 20 Anträge auf Großbürgschaften mit einem Gesamtvolumen von sieben Milliarden Euro von Großunternehmen. Bei diesen Summen sind die für die Opel-Rettung fälligen Staatsmittel noch nicht eingerechnet, berichtet die Zeitung.
Die Koalition hatte ursprünglich festgelegt, dass sich staatliche Hilfe auf Firmen beschränken sollte, die durch die Krise in Not geraten sind. Normalerweise will die Regierung nur einspringen, wenn Unternehmen im Juli 2008 noch nicht in Schwierigkeiten steckten - dies ist etwa eine Bedingung für Kredite aus dem 40-Milliarden-Euro- Programm der staatlichen KfW-Bank.
Haushaltsexperten fürchten Dammburch
Haushaltsexperten fürchten nun, dass die Causa Opel einen Dammbruch darstellen könnte: Opel hatte schon vor der Finanz- und Wirtschaftskrise erhebliche, vor allem durch GM verschuldete Probleme. Auch auf Arcandor treffen diese Regeln nicht zu: Der zum Konzern gehörenden Kaufhauskette Karstadt wird seit Jahren ein nicht mehr zeitgemäßes Konzept und Sortiment beklagt.
Die SPD forciert deshalb schon eine Debatte darüber, ob die Rettungsregeln nicht gelockert werden sollten. Müntefering sagte, es gebe kein Lehrbuch für die Krise. "Wir müssen Firmen, die aus System- und grundsätzlichen Gründen relevant sind, zu stabilisieren versuchen."
Der Bürgschaftsausschuss des Bundes hat bislang keine Entscheidung darüber getroffen, ob die Auflagen, wer gerettet werden darf und wer nicht, geändert werden sollen. Er will sich aber in der kommenden Woche erneut mit der Frage befassen. Wirtschaftsprüfer der Bundesregierung sollen in einer Stellungnahme von weiteren Hilfen abgeraten haben.
Tatsächlich hat eine Ich-lasse-euch-nicht-im-Stich-Rhetorik klare Nachteile: Sie führt bisweilen dazu, dass der Staat auch Unternehmen unter die Arme greift, die trotzdem über kurz oder lang in die Insolvenz gehen müssen.
Bekanntestes Beispiel ist der Fall des Baukonzerns Philipp Holzmann. Gut zwei Jahre nach einer vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) unterstützten Rettungsaktion kam 2002 das Aus für den 1849 gegründeten Baukonzern - die Bürgschaft des Bundes hatte er nie abgerufen.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Insolvenz von General Motors steht einem Zeitungsbericht zufolge noch am Vormittag bevor. Laut "Wall Street Journal" meldet der einst weltgrößte Autohersteller noch vor Börsenbeginn in New York Gläubigerschutz nach US-Recht an.
Washington - Der Termin für das Insolvenzverfahren von General Motors (GM) steht schon fest. Um 8 Uhr Ostküsten-Ortszeit, also 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit, wird der Bote die Unterlagen beim zuständigen Insolvenzgericht in New York abgeben, berichtet das "Wall Street Journal". Später würden sich Konzernchef Fritz Henderson sowie US-Präsident Barack Obama äußern, heißt es in dem Zeitungsbericht.
Es handelt sich um das größte gerichtliche Gläubigerschutzverfahren seiner Art in der US-Geschichte. Dabei soll der marode Konzern, der seit Jahren Milliardenverluste einfährt, zunächst verstaatlicht werden und anschließend - geschützt vor dem Zugriff der Gläubiger - gesundschrumpfen. Die Federführung für die Umstrukturierung soll Al Koch übernehmen. Koch, ein leitender Direktor der Beraterfirma AlixPartners LLP, gilt als erfahrener Krisenmanager, der bereits die amerikanische Handelskette Kmart nach ihrer Insolvenz erfolgreich reorganisierte.
Obama hatte dem Traditionsunternehmen ein Ultimatum bis zum 1. Juni gestellt: Entweder legt GM einen Sanierungsplan vor oder geht in die Insolvenz nach US-Muster. Den Plänen zufolge wird Staat zunächst 72 Prozent der GM-Anteile übernehmen und den Konzern in einen "guten" und einen "schlechten Teil" aufspalten. Die Staatshilfen werden auf insgesamt 50 Milliarden Dollar veranschlagt, 20 Milliarden davon wurden bereits bezahlt.
Wichtiger Beitrag der Gläubiger
Am Wochenende leisteten die GM-Gläubiger bereits einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Insolvenz, indem sie sich zum großen Teil bereit erklärten, ihre ausstehenden Gelder in Anteile am "neuen GM" einzutauschen. Im Gegenzug sollen sie zehn Prozent des neuen Konzerns erhalten, später möglicherweise weitere 15 Prozent. Wie die "New York Times" berichtet, stehen die Gläubiger, die dem neuen Angebot zugestimmt haben, für gut die Hälfte von 27 Milliarden Dollar GM-Schulden.
Die erwogene "Blitz-Insolvenz" soll laut US-Medien lediglich 60 bis 90 Tage dauern. Auch die Einigung mit Opel sowie die jüngste Zustimmung der mächtigen Autogewerkschaft UAW zu drastischen Einschnitten gelten als wichtige Voraussetzung für ein zügiges Verfahren.
Guter und schlechter Teil
Der Konzern soll in einen "guten" und einen "schlechten Teil" aufgespalten werden. Marken wie Chevrolet und Cadillac, die als überlebensfähig gelten, sollen die Insolvenz rasch wieder verlassen, andere wie etwa wie etwa Hummer, Saturn und die schwedische Tochter Saab dürften abgestoßen werden; Pontiac muss sterben. Weltweit sollen mehr als 35.000 Stellen gestrichen werden, es dürften weniger als 200.000 Jobs übrigbleiben.
Das US-Finanzministerium gehe davon aus, einen großen Betrag der insgesamt 50 Milliarden-Dollar-Hilfen innerhalb der nächsten fünf Jahre vom "neuen GM" wiederzubekommen, berichtete die "Washington Post". Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die die Risiken betonen. "Es ist eine große Unsicherheit, ob das Unternehmen gut laufen wird. Der potenziell größte Verlierer ist unglücklicherweise der US-Steuerzahler", sagte Edward Altmann von der Finanzagentur Bloomberg.
Bereits am Freitag hatte die UAW Einschnitten bei Löhnen und Sozialleistungen zugestimmt, die für GM jährliche Einsparungen von 1,3 Milliarden Dollar bedeuten. Dafür erhält die Gewerkschaft einen Anteil von 17,5 Prozent an GM. "Diese Vereinbarung gibt GM eine Chance zu überleben", sagte der UAW-Vorsitzende Ron Gettelfinger.
Chrysler vor Abschluss des Insolvenzverfahrens
GM-Konkurrent Chrysler hat dagegen nach nur einem Monat gute Aussichten, den Gläubigerschutz nach Chapter 11 wieder verlassen zu können. Der am US-Konkursgericht zuständige Richter Arthur Gonzalez habe den Verkauf des US-Kerngeschäfts von Chrysler an eine von Fiat angeführte Investorengruppe erlaubt, berichtet die Tageszeitung "New York Times" am Montag. Damit könne Chrysler nun die geplante Allianz mit dem italienischen Automobilhersteller Fiat eingehen. Sollte Chrysler so schnell wieder das Gläubigerschutzverfahren verlassen können, dann dürfte das nach Einschätzung von Beobachtern als Erfolg für die US-Regierung gewertet werden.
In der letzten Woche hatte Robert Gibbs, Sprecher des Weißen Hauses, den Fall des insolventen US-Automobilherstellers Chrysler als ein "hoffnungsvolles Beispiel" für General Motors (GM) dargestellt. Die US-Regierung wertet das Insolvenzverfahren als Testfall für GM. Kern des Verfahrens ist die weitreichende Entschuldung von Chrysler durch das Abtrennen defizitärer Konzernteile. Der werthaltige Rest soll Fiat übertragen werden, der Chrysler künftig als Großaktionär operativ führen soll.
Quelle : www.spiegel.de
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Erst Opel, dann Arcandor? Und wer noch? Die Milliardenhilfen für marode Firmen stoßen auf immer mehr Widerstand. Arbeitgebervertreter Kannegießer warnt vor einer unkontrollierten Ausweitung staatlicher Unterstützung. Opel sei ein "Sündenfall", der nicht wiederholt werden dürfe.
Berlin - Kaum ist die dramatische Rettung von Opel geschafft, ist eine Debatte über weitere Staatshilfen entbrannt - und löst immer lautere Kritik aus: In Wirtschaft und Politik wehren sich immer mehr Stimmen gegen staatliche Unterstützung für Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, hat mit Blick auf Opel und das Handelsunternehmen Arcandor eindringlich vor einer unkontrollierten Ausweitung staatlicher Hilfen gewarnt. Zwar habe es Hilfen des Staates zu allen Zeiten gegeben, aber "jetzt haben wir das Gefühl, als ob alle Dämme brechen", sagte Kannegiesser der "Berliner Zeitung".
"Es scheint eine Politisierung in die Wirtschaft einzuziehen, die letztlich wirtschaftliche Maßstäbe aushöhlt." Genau dies sollte aber "unsere Wirtschaftsordnung nach den bitteren Erfahrungen aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts" vermeiden. Er forderte eine Besinnung auf die Grundsätze und Regeln der sozialen Marktwirtschaft: "So gesehen ist die Opel-Lösung ein Sündenfall, der politischer Opportunität geschuldet war. Die schwierige Entscheidung ist gefallen. Schwamm darüber, "aber bloß nicht noch mal."
In der Nacht zu Samstag hatten sich Bund und Länder mit Vertretern der US-Regierung und General Motors (GM) auf einen Einstieg des Zulieferers Magna mit der russischen Sber-Bank bei Opel geeinigt. Der Bund und die vier Bundesländer mit Opel-Standorten sichern einen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro staatlich ab. Insgesamt übernimmt der Bund Bürgschaften für Kredite von bis zu 4,5 Milliarden Euro. Die für ein überlebensfähiges Unternehmen nötigen europäischen Teile von GM werden in eine Treuhandgesellschaft ausgelagert. Damit soll verhindert werden, dass Opel in den Strudel der GM-Insolvenz gerät.
700.000 Unterschriften für Karstadt
Ähnliche Hilfe fordert jetzt auch der vor der Insolvenz stehende Warenhauskonzern Arcandor ein - doch dagegen mehrt sich Kritik: "Ich habe das Gefühl, dass manche Firmen den von der Bundesregierung bereitgestellten Kredit- und Bürgschaftsfonds als Einladung verstehen, sich Subventionen abzuholen", sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, der "Rheinischen Post". Das sei verbunden mit einer Dreistigkeit im öffentlichen Auftreten, wie er sie selten erlebt habe, sagte Schneider. Eine Arcandor-Bürgschaft könne "in der öffentlichen Wahrnehmung sehr schnell zu einem Dammbruch führen".
Trotzdem hat Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) eine vorbehaltlose Prüfung des Arcandor-Antrags zugesagt. Die Anträge aller Unternehmen würden unabhängig von deren Größe nach den gleichen objektiven Kriterien geprüft, sagte Guttenberg der "Bild"-Zeitung. Wie die Prüfung im Fall Arcandor ausgehen werde, könne er noch nicht sagen. Aber wer jetzt schon mit Hunderten von Millionen winke, führe einen durchsichtigen Wahlkampf auf dem Rücken der Steuerzahler und der Beschäftigten des Konzerns. Der Staat könne nur dort Hilfestellung geben, wo es Sinn ergebe, hob der Minister hervor.
Der angeschlagene Karstadt-Mutterkonzern sammelte bereits 700.000 Unterschriften für eine Staatsbürgschaft, wie die Essener "WAZ"-Gruppe unter Berufung auf Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski berichtete. Mit der seit der vergangenen Woche laufenden Aktion wirbt Arcandor für die geforderte Staatshilfe zur Rettung des von der Insolvenz bedrohten Unternehmens.
Staatshilfe nur bei Gegenleistung für die Beschäftigten
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Linkspartei wollen Staatshilfen an Unternehmen von Gegenleistungen für die Beschäftigten abhängig machen. "Die Altaktionäre und Eigentümer dürfen nicht geschont werden", sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki ebenfalls der "Berliner Zeitung". "Bevor Steuermittel fließen, müssen sie gezwungen werden, alle finanziellen Ressourcen zu mobilisieren." Staatliche Bürgschaften und Beteiligungen müssten zudem mit dem Ausbau der Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer einhergehen. Auch seien eine Standort- und Beschäftigungssicherung "notwendige Voraussetzungen" für staatliche Hilfsleistungen.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, verlangte eine Verpflichtung der betroffenen Unternehmen, auf Massenentlassungen, Standortschließungen und Lohnsenkungen zu verzichten. "Die Gewährung von Staatshilfen muss an soziale Kriterien gebunden werden", sagte Ernst in einer Mitteilung. Aus den Staatsmitteln müssten Staatsanteile und mittelfristig Belegschaftsbeteiligungen werden. Die Spitzen von DGB und Linkspartei wollen heute (Dienstag) in Berlin ein gemeinsames Positionspapier "Für ein gerechtes und soziales Europa" vorstellen.
Quelle : www.spiegel.de
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Der Finanzlage bei Arcandor ist noch brenzliger als bislang bekannt: Ende vergangener Woche konnte die Tochterfirma Karstadt nach SPIEGEL-Informationen nicht mal mehr die Mieten für ihre Kaufhäuser zahlen. Bundeswirtschaftsminister Guttenberg knüpft Hilfen für den Konzern an strenge Bedingungen.
Hamburg - Arcandor hat inzwischen offenbar Probleme, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Ende vergangener Woche konnte - oder wollte - Karstadt nicht mal mehr die Miete zahlen - gut 20 Millionen Euro muss das Unternehmen für seine Filialen an jedem dritten Werktag einem Monats an ein Konsortium entrichten, das aus der Investmentbank Goldman Sachs, der Deutschen Bank, der Immobiliensparte des italienischen Reifenherstellers Pirelli und der Generali-Versicherung besteht. Weitere rund drei Millionen müssen für fünf weitere Häuser an den Oppenheim-Esch-Fonds gehen.
Das Geld kam am Freitag nicht an, Arcandor wollte sich zu der säumigen Mietzahlung "derzeit nicht äußern".
Die Vermieter werden Karstadt dennoch nicht gleich kündigen. Bereits im Laufe der Woche hatten sie über eine Stundung der Zahlungen debattiert. Vor allem Arcandor-Hauptinvestor Oppenheim, aber auch Pirelli waren dazu bereit.
Die restlichen Investoren aber blieben hart. "Es nützt nichts, Arcandor jetzt bei der Miete ein paar Millionen nachzulassen. Das Unternehmen muss sich so schnell wie möglich von unrentablen Flächen trennen, auf denen Tag für Tag Geld verbrannt wird. Dabei werden wir helfen", heißt es aus dem Konsortium. Gedacht werde an ein "finanzielle Entlastung". Wie die genau aussehen soll, dazu wollte sich bislang niemand äußern.
Merkel: "Erhebliches Missmanagement"
Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab, über Staatshilfen für den Arcandor nachzudenken. "Bei Arcandor muss man zunächst einmal die Eigentümer und die Gläubiger stärker fordern, zumal es Teile des Konzerns gibt, die wirtschaftlich gesund sind, wie zum Beispiel der Touristikbereich", sagte sie der "Bild am Sonntag". "Das sind Fragen, die beantwortet werden müssen, bevor über Staatshilfen nachgedacht wird."
Bei Arcandor habe es "ein erhebliches Missmanagement mit äußerst ungünstigen Vertragsgestaltungen, zum Beispiel bei den Mietverträgen" gegeben, so die Kanzlerin weiter. "Da ist es überhaupt nicht einzusehen, warum manche in der SPD den deutschen Steuerzahler mit einem Risiko belasten wollen und nicht vielmehr an diesen Ursachen ansetzen."
Stattdessen forderte Merkel die Geschäftsführung auf, Gespräche mit Kaufhof über eine Fusion der beiden Warenhaus-Ketten zu führen. "Es gibt zum Beispiel andere Unternehmen wie die Kaufhof-Betreiber, die Interesse an den Karstadt-Häusern haben. Ich rate der Geschäftsleitung sehr dazu, die entsprechenden Gespräche zu führen und nicht zu versuchen, stattdessen allein den Staat unter Druck zu setzen."
Guttenberg: Über Insolvenz nachdenken
Auch Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) steht Staatshilfe skeptisch gegenüber. Dem SPIEGEL sagte er: "Die Eigentümer des Unternehmens müssen nachprüfbar bereit sein, ihr Eigenkapital zu erhöhen". Zudem brauche es ein "Stillhalteabkommen der Gläubigerbanken", andernfalls sei der Einsatz von Steuergeldern nicht zu rechtfertigen. "Wer sich jetzt mit einem nicht plausiblen Konzept zufriedengibt, zynisch kalkulierend, ob es über die anstehenden Wahlen reicht, spielt mit dem Schicksal der Betroffenen", so der Minister weiter.
Er zieht auch die Möglichkeit einer Insolvenz in Betracht: "Es wäre gut, wenn sich eine Insolvenz vermeiden ließe. Aber selbst wenn sie nicht vermieden werden kann, würden nicht plötzlich alle Mitarbeiter auf der Straße stehen. Es bestünde die Möglichkeit, das Unternehmen zu restrukturieren und Arbeitsplätze dauerhaft zu sichern."
Minister Guttenberg bestätigte gegenüber dem SPIEGEL, dass er während der Verhandlungen über Staatshilfen für Opel vor gut einer Woche seinen Rücktritt erwogen hatte. Dann habe er sich aber doch zum Weitermachen entschieden: "Niemandem wäre damit geholfen gewesen, wenn ich mich in die Schmollecke gesetzt hätte."
Quelle : www.spiegel.de
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Konjunkturprogramme und Rettungsmaßnahmen für angeschlagene Finanzinstitute lassen die Staatsverschuldung weltweit explodieren
Wieder einmal treibt die internationalen Finanzmärkte die Angst vor dem Dollarverfall um. Diesmal sind es Spekulationen um die Bonität der Vereinigten Staaten, die den Greenback unter Druck setzen. Nachdem die Ratingagentur Standard & Poor's am 21. Mai vor einer Abstufung der erstklassigen Bewertung der britischen Staatsanleihen warnte, die derzeit noch die Bestnote AAA tragen, schossen ähnliche Spekulationen bezüglich der US-amerikanischen Kreditwürdigkeit ins Kraut.
Hierbei handelt es sich nicht nur um bloße Spekulationen, da mit Japan bereits ein Schwergewicht der kapitalistischen Weltwirtschaft einer Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit erfahren hat. So setzte die Ratingagentur Moody's die Bonitätsnote Japans Mitte Mai gleich um zwei Stufen auf nunmehr Aa2 herunter.
(http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30415/30415_3.jpg)
Für die betroffenen Staaten ist ein solcher Schritt der Ratingagenturen äußerst folgenschwer, da eine schlechtere Bewertung der Staatsanleihen mit einer höheren Zinslast einhergeht. Je größer das Risiko, desto höher die Verzinsung: Diese Gesetzmäßigkeit der internationalen Finanzmärkte wirkt sich verheerend auf die finanzielle Situation gerade der wirtschaftlich besonders stark unter Druck stehenden Staaten aus. Die Länder, die am dringendsten finanzielle Unterstützung brauchen, müssen die größte Zinslast tragen.
Dabei waren bereits etliche Länder von einem drohenden Staatsbankrott bedroht und mussten durch Notkredite des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der Europäischen Union vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt werden. Doch bislang waren es – zumeist hochverschuldete - Volkswirtschaften der Peripherie, die durch massive Kapitalflucht im Gefolge der Finanzkrise in Zahlungsschwierigkeiten gerieten. Bislang musste der IWF allein in Osteuropa Ungarn, Rumänien, Lettland, der Ukraine, Weißrussland und Serbien finanziell unter die Arme greifen. Im Gegenzug wurden die Regierungen der besagten Länder zumeist genötigt, in bester neoliberaler Tradition drastische Sparmaßnahmen einzuleiten oder weitere Privatisierungen durchzuführen.
Mit Japan rücken die Einschläge der Wirtschaftskrise näher an die Zentren des kapitalistischen Weltsystems heran. In keinem führenden Industrieland ist die Staatsverschuldung derartig hoch wie im Land der aufgehenden Sonne. Derzeit belaufen sich die Verbindlichkeiten des japanischen Staates auf nahezu 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dieser führenden Exportnation, wobei diese Schuldenquote bis 2010 auf 227 Prozent des BIP steigen soll. Der Schuldenberg wächst angesichts der - eigentlich schon als verzweifelt zu bezeichnenden - Gegenmaßnahmen zur Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise auch munter weiter. Um den Absturz der Ökonomie aufzuhalten, will die japanische Regierung umgerechnet 805 Milliarden Euro für diverse Konjunkturprogramme aufwenden.
Historisches Vorbild Japan?
Allerdings sind diese Stützungsmaßnahmen auch dringend notwendig, um den historisch einmaligen Zusammenbruch der japanischen Exportwirtschaft zumindest zu bremsen. So sank das BIP Japans im ersten Quartal 2009 gegenüber dem Vorquartal um vier Prozent. Im Vergleich zu den ersten drei Monaten des vorangegangenen Jahres brach die Wirtschaftsleistung gar um 15 Prozent ein, wobei auch das letzte Quartal 2008 mit einer schrumpfenden BIP von 14,4 Prozent bereits ein desaströses Ergebnis zeitigte.
Ähnlich wie beim Magersüchtigen Exportweltmeister Deutschland trugen auch im Falle Japans die einbrechenden Exporte zu dieser verheerenden Entwicklung maßgeblich bei. Die Ausfuhren gingen im ersten Quartal 2009 gegenüber dem Vorquartal um ganze 26 Prozent zurück. Dabei werden erst aus längerfristiger Perspektive die wahren Ausmaße des Zusammenbruchs der japanischen Exportindustrie deutlich. Deren monatliches Volumen lag im April 2009 noch bei 2,536 Billionen Yen (ca. 17,6 Milliarden Euro) – im März 2008 waren es stolze 7,681 Billionen Yen. Es ist dies ein Fall des Exportvolumens um nahezu 70 Prozent innerhalb von 13 Monaten!
Auch die Industrieproduktion war im März 2009 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 34,2 Prozent eingebrochen. Der Warenausstoß der japanischen Wirtschaft geht somit auch im sechsten Monat in Folge zurück. Diese Entwicklung wird durch einen seit einem Jahr anhaltenden Rückgang der gewerblichen Investitionen verstärkt, die im ersten Quartal 2009 um 10,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal sanken.
Der japanische Wirtschaftspolitik bleibt angesichts dieses Einbruchs - und im Rahmen der kapitalistischen Logik - tatsächlich nichts anderes übrig, als in bester keynesianischer Tradition mit massiven Konjunkturprogrammen zu versuchen, für die am Boden liegende Wirtschaft eine schuldenfinanzierte Nachfrage zu generieren. Da im Gefolge der Krise auch die Steuereinnahmen einbrechen, wird das Geld hierfür auf den Finanzmärkten durch die Ausgabe von Staatsanleihen eingenommen. Die Ausgabe von staatlichen Schuldscheinen in Höhe von umgerechnet 330 Milliarden Euro binnen kürzester Zeit soll Medienberichten zufolge Moodys dazu verleitet haben, das Kreditranking Japans herunterzustufen.
Indes kann sich die Regierung in Tokio noch glücklich schätzen, dass die hohe staatliche Verschuldung mit einer sehr hohen Sparquotequote in Japan einhergeht. Diese entstand in den neunziger Jahren, die oftmals auch als das verlorene Jahrzehnt Japans bezeichnet werden, in der das Land mit einer stagnierenden Wirtschaft und deflationären Tendenzen zu kämpfen hatte. So werden die Ersparnisse der Japaner auf über zehn Billionen Euro geschätzt, weswegen die japanische Regierung ihre Staatsobligationen einfach auf den heimischen Finanzmarkt absetzen kann.
Japan erlebte seine Spekulationsblase auf den Aktienmärkten und dem Immobiliensektor bereits Ende der achtziger Jahre. In dieser "verlorenen Dekade" baute sich auch der enorme staatliche Schuldenberg Japans auf, da die japanische Regierung damals bereits massive Konjunkturprogramme auflegte und sich zu großzügigen Stützungsaktionen der Finanzmärkte genötigt sah - trotzdem zeitigten diese Maßnahmen nur bescheidenste Auswirkungen. Insofern ist der Erfolg der jüngst aufgelegten Konjunkturprogramme Japans alles andere als gewiss.
In gewisser Weise könnten Hypothekennehmer und Investmentbanker in den USA in die eigene Zukunft schauen, wenn sie den spektakulären Zusammenbruch des japanischen Immobilienmarktes Anfang der 90er Jahre studieren würden. Der ging seinerzeit mit dramatischen Kursstürzen an der Tokioter Börse und etlichen Bankenpleiten einher. Die japanische Wirtschaft erholte sich nie wieder richtig von dieser Krise. Die Krise zog sich vermittels zahlreicher Rezessionen über das gesamte folgende Jahrzehnt hin und führte zu weitgehender sozialer Zerrüttung in dem vorher auf Dauerboom programmierten Land. Erst der globale Aufschwung nach der Jahrtausendwende, der maßgeblich von der Spekulationsblase auf dem US-Immobilienmarkt getragen wurde, zog Japan kurzzeitig aus dieser Misere.
Selbst der amerikanische Präsident Barack Obama warnte jüngst davor, dass die Vereinigten Staaten in einem ähnlich verlorenen Jahrzehnt wirtschaftlicher Stagnation zu versinken drohen, wie sie in den neunziger Jahren Japan heimsuchte. Demnach könnte auch auf das gesamte kapitalistische Weltsystem - nach dem nun sich vollziehenden Crash - eine lange Periode zukommen, in der eine stagnierende Ökonomie mit zunehmender Verelendung und sozialer Desintegration einhergeht. Doch selbst diese düstere Prognose könnte noch zu optimistisch sein, da das stagnierende Japan der neunziger Jahre in einer noch relativ intakten Weltwirtschaft eingebettet war, in der auch weiterhin die japanischen Exporte Abnehmer fanden. Die Krise der japanischen Ökonomie in den Neunzigern konnte somit zum Teil "exportiert" werden, die systemimmanenten Widersprüche traten nicht mit voller Kraft hervor. Das ist natürlich im Falle des kapitalistischen Weltsystems nicht mehr möglich, da dieses ja über kein "Außen" verfügt, in das es seiner Widersprüche "exportieren" könnte.
Quelle : www.heise.de
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Jetzt also doch: Arcandor strebt ein Zusammengehen von Kaufhof und Karstadt an, um dadurch an staatliche Hilfen zu kommen. Die Einzelheiten soll ein Krisengipfel mit dem Handelsriesen Metro klären. Die Zeit drängt - denn schon am Montag könnte dem angeschlagenen Warenhauskonzern das Geld ausgehen.
Essen - Es bleibt ihm wohl nichts anderes übrig: Der angeschlagene Handelskonzern Arcandor scheint sich auf ein Zusammengehen von Kaufhof und Karstadt einzulassen. Eine Lösung in Richtung Deutsche Warenhaus AG mit dem Metro-Konzern sei eine Möglichkeit, eine der Voraussetzungen für Staatsbürgschaften oder Rettungsbeihilfen zu erfüllen, sagte Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski am Sonntag. "Wir setzen alle Hebel in Bewegung", so Koslowski weiter.
Damit wolle Arcandor eine der Forderungen der Politik - das Voranbringen einer Fusion der Arcandor-Tochter Karstadt mit der Metro-Tochter Kaufhof - erfüllen, sagte Koslowski. Ihm zufolge ist allerdings die angestrebte Warenhaus AG aus Karstadt und Kaufhof "keine Finanzierungsalternative" zu den Staatshilfen. Diese seien trotzdem nötig.
Zuvor hatte Metro-Chef Eckhard Cordes Arcandor Zögerlichkeit bei der Rettung der Karstadt-Häuser vorgeworfen. "Die Zeit läuft Karstadt davon", sagte Cordes der Zeitung "Bild am Sonntag". Jeder Tag, an dem der Karstadt-Mutterkonzern Arcandor mit anderen Optionen spiele oder neue Optionen für Staatshilfen erörtere, sei ein verlorener Tag für konkrete Verhandlungen. Cordes kritisierte gleichzeitig, das Zögern und Zaudern des Konzerns finde letztlich auf dem Rücken der Mitarbeiter statt. "Es ist schon eigenartig: Ausgerechnet diejenigen, die uns immer vorgeworfen haben, wir spielten mit der Insolvenz, tragen mit ihrem Verhalten zu einer solchen Entwicklung bei", sagte Cordes.
Metro will Klarheit
Tatsächlich steht der angeschlagene Warenhauskonzern kurz vor dem Aus: Wenn die Bundesregierung den beantragten Notkredit von 437 Millionen Euro am Montag ablehne, müsse Arcandor noch am gleichen Tag Insolvenz anmelden. "Dann bleibt uns keine andere Wahl", sagte Arcandor-Sprecher Koslowski. Ohne staatliche Hilfszusage werde Arcandor am kommenden Freitag zahlungsunfähig. Dann läuft ein 650-Millionen-Euro-Kredit aus.
Um die Zahlungsunfähigkeit in letzter Minute abzuwenden, treffen sich am Sonntag Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick, Metro-Chef Cordes und der Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs, Alexander Dibelius, sagte Koslowski. Goldman Sachs ist Haupteigentümer der Immobiliengesellschaft Highstreet, der die meisten Karstadt- Warenhäuser gehören. Karstadt zahlt nach Informationen des SPIEGEL seit Freitag keine Miete mehr.
Bislang hat sich der Konzern allerdings noch nicht abschließend geäußert, wie er der Zahlungsunfähigkeit begegnen will. Metro-Sprecher Michael Inacker hatte deshalb in einer Mitteilung verlangt, Arcandor müsse bei dem Treffen Klarheit über den angestrebten Weg zur Rettung der Karstadt-Warenhäuser schaffen: "Dabei sollten Eigentümer und Management von Arcandor erläutern, welcher Lösung - Staatshilfe oder privatwirtschaftliche Option - sie den Vorzug geben", sagte Inacker.
Metro gehe davon aus, dass auch über den von Vorstandschef Eckhard Cordes vorgeschlagenen vierstufigen Fahrplan zur Rettung der Karstadt-Warenhäuser geredet werde. "Darüber hinaus wird es in dem Gespräch auch darum gehen, die Ernsthaftigkeit zu klären, mit der alle Beteiligten sehr zeitnah einen konstruktiven Beitrag zur Rettung von Karstadt-Warenhäusern und deren Arbeitsplätzen leisten können", so Inacker weiter.
Politik hat kein Interesse an Staatshilfe
Klar ist nur: Von Seiten der Politik gibt es wenig Interesse an staatlicher Unterstützung. "Bei Arcandor muss man zunächst einmal die Eigentümer und die Gläubiger stärker fordern, zumal es Teile des Konzerns gibt, die wirtschaftlich gesund sind, wie zum Beispiel der Touristikbereich", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel der "Bild am Sonntag". "Das sind Fragen, die beantwortet werden müssen, bevor über Staatshilfen nachgedacht wird."
Bei Arcandor habe es "ein erhebliches Missmanagement mit äußerst ungünstigen Vertragsgestaltungen, zum Beispiel bei den Mietverträgen" gegeben, so die Kanzlerin weiter. "Da ist es überhaupt nicht einzusehen, warum manche in der SPD den deutschen Steuerzahler mit einem Risiko belasten wollen und nicht vielmehr an diesen Ursachen ansetzen."
Stattdessen forderte Merkel die Geschäftsführung auf, Gespräche mit Kaufhof über eine Fusion der beiden Warenhausketten zu führen. "Es gibt zum Beispiel andere Unternehmen wie die Kaufhof-Betreiber, die Interesse an den Karstadt-Häusern haben. Ich rate der Geschäftsleitung sehr dazu, die entsprechenden Gespräche zu führen und nicht zu versuchen, stattdessen allein den Staat unter Druck zu setzen."
Auch Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) steht Staatshilfe skeptisch gegenüber. Dem SPIEGEL sagte er: "Die Eigentümer des Unternehmens müssen nachprüfbar bereit sein, ihr Eigenkapital zu erhöhen." Zudem brauche es ein "Stillhalteabkommen der Gläubigerbanken", andernfalls sei der Einsatz von Steuergeldern nicht zu rechtfertigen. "Wer sich jetzt mit einem nicht plausiblen Konzept zufriedengibt, zynisch kalkulierend, ob es über die anstehenden Wahlen reicht, spielt mit dem Schicksal der Betroffenen", so der Minister weiter.
Karstadt-Stammhaus in Wismar besetzt
Im Ringen um staatliche Hilfen für ihren Mutterkonzern haben Karstadt-Beschäftigte unterdessen symbolisch des Karstadt-Stammhaus in Wismar besetzt. Zugleich wurden Unterschriften von Passanten gesammelt. Damit wollen die rund 50 Beschäftigten für die Rettung ihrer Arbeitsplätze demonstrieren, sagte Filialleiter Ralf Lehmkuhl. In Wismar hatte der Kaufmann Rudolph Karstadt 1881 sein erstes Geschäft eröffnet. Bundesweit sind von Sonntag an Mahnwachen, symbolische Hausbesetzungen und Solidaritätsaktionen geplant.
Angesichts der schwierigen Lage will sich Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Montag mit Oberbürgermeistern der betroffenen Städte und Vertretern des Unternehmens treffen. Bei den Gesprächen sollen mögliche Hilfen aus der Städtebauförderung erörtert werden. "Kaufhäuser machen unsere Innenstädte attraktiv. Brechen sie weg, verlieren auch die Stadtzentren an Anziehungskraft", erklärte der für Stadtentwicklung zuständige Minister am Sonntag in Berlin. "Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Innenstädte verkümmern, dass aus lebendigen Plätzen öde Leerflächen werden." Tiefensee strebt auch die Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung an.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat Kanzlerin Merkel unterdessen in einem eindringlichen Appell zu staatlichen Hilfen zum Erhalt der Arbeitsplätze bei Arcandor noch an diesem Montag aufgefordert. "Ohne die Hilfe der Politik geht es nicht. Die Rettungsbeihilfe muss am Montag kommen", verlangte die stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Margret Mönig-Raane am Sonntag zusammen mit Betriebsräten. Ansonsten sei eine Insolvenz nicht abzuwenden.
Die Eigentümer, die Vorstände des Arcandor-Konzerns, Betriebsräte und Ver.di könnten eine schnelle Lösung finden, sofern seitens der Bundesregierung der Wille dazu bestünde, fügte Mönig-Raane hinzu. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Regierung ihre Entscheidung für eine Rettungsbeihilfe noch am morgigen Montag treffe.
Ver.di verlangte von Merkel auch die Einberufung eines runden Tisches. "Bitte holen Sie umgehend alle Beteiligten, die zur Lösung dieser existentiellen Krise von Arcandor beitragen können und müssen, an den Tisch - und lassen Sie sie erst wieder gehen, wenn eine Lösung gefunden ist", sagte die Gewerkschaftsvize.
Quelle : www.spiegel.de
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Die Lage für den Handelskonzern Arcandor spitzt sich zu: Eine Bundesbürgschaft aus dem "Wirtschaftsfonds Deutschland" wird es nicht geben. Der Lenkungsausschuss hat einen entsprechenden Antrag abgelehnt. Letzte Chance, eine Insolvenz noch abzuwenden, ist nun ein staatlicher Notkredit.
Berlin - Der Lenkungsausschuss des Bundes hat sich am Montag gegen Bürgschaften und Kredithilfen aus dem Deutschlandsfonds für den angeschlagenen Handels- und Touristikkonzern Arcandor entschieden. "Das ist abgelehnt", sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums am Montag.
Die Entscheidung war erwartet worden, da die EU-Kommission sich bereits zuvor gegen eine solche Bürgschaft ausgesprochen hatte. Die europäischen Wettbewerbshüter bezweifeln, dass Arcandor erst durch die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise in Schieflage geraten ist. Hilfen aus dem Deutschland-Fonds sind aber nur für solche Unternehmen gedacht.
Nach dem Scheitern der Staatsbürgschaft fiebert Arcandor nun der vermutlich letzten Chance auf Rettung entgegen: Die Regierung diskutiert zur Stunde heftig über einen Rettungsbeihilfekredit über 437 Millionen Euro für die Karstadt-Mutter, mit dem Arcandor nach eigener Aussage das operative Geschäft für sechs Monate am Laufen halten könnte. Eine Entscheidung wird bis spätestens Mittwoch erwartet.
Die Bundesregierung macht Hilfen von einer höheren Beteiligung der Eigentümer abhängig. "Es ist für die Bundesregierung nicht ganz einsehbar, dass die öffentliche Hand ein Risiko übernhemen soll, wenn die Eigentümer es bisher nicht für nötig befunden haben, ein klares Signal zu geben, inwieweit sie bereit sind, Verantwortung für das Unternehmen und für eine gute Zukunft des Unternehmens zu geben", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. "Wir erwarten, dass die Alteigentümer die Aktionärsgruppen ihrer Verantwortung auch gerecht werden."
Für Arcandor ist ein staatlicher Rettungskredit nach eigenen Angaben überlebensnotwendig. Bis Freitag muss der Konzern Kredite über 650 Millionen Euro verlängern und braucht zusätzlich bis zu 900 Millionen Euro, um den geplanten Konzernumbau zu finanzieren. Die Banken wollen das Gesamtfinanzierungskonzept nach Aussage von Arcandor nur mittragen, sofern es Hilfe vom Staat gibt.
Wenn sowohl Staatsbürgschaften als auch Rettungsbeihilfe am Montag abgelehnt werden, wird Arcandor Insolvenz anmelden. "Dann wissen wir heute schon, dass wir am Freitag zahlungsunfähig sind", sagte der Arcandor-Sprecher weiter. Würden allerdings nur die Staatsbürgschaften am heutigen Tage abgelehnt, dann würde keine Insolvenz angemeldet.
Zähes Ringen um Karstadt-Kaufhof-Fusion
Auch die Verhandlungen über eine Fusion zwischen Karstadt und dem Konkurrenten Kaufhof unter dem Dach der Metro stehen auf Messers Schneide. Nach Angaben von Arcandor werden sie am Montag fortgeführt. Knackpunkte sind nach Reuters- Informationen der Kaufpreis und die Frage der zu übernehmenden Häuser. Darüber hätten sich beide Seiten am Sonntag nicht einigen können. Die Unternehmen wollten dies nicht kommentieren.
Ein möglicher Zusammenschluss der Warenhausketten erfordert nach Angaben des Bundeskartellamts auf jeden Fall die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden. Bei der Fusion der beiden Kaufhäuser entstehe ein neues Großunternehmen, dessen Umsätze bestimmte Kontrollschwellen überschritten, sagte ein Sprecher des Bundeskartellamts am Montag in Bonn. Führten die beiden Mutterkonzerne von Karstadt und Kaufhof, Arcandor und Metro, ihre beiden Kaufhaustöchter zu einer "Deutschen Warenhaus AG" zusammen, wäre voraussichtlich die EU-Kommission für diesen Zusammenschluss zuständig. Beide Ketten hätten zusammen einen Umsatz von weltweit mehr als fünf Milliarden Euro, davon jeweils mehr als 250 Millionen Euro in der EU.
Möglicherweise könnte das Prüfverfahren von der EU aber auch an das Bundeskartellamt abgegeben werden, sagte der Sprecher. Dies passiere in Fällen, bei denen "die wettbewerbliche Bedeutung eines Zusammenschlusses offenkundig in einem Staat" liege. Ausschlaggebend sind laut Bundeskartellamt auch hierfür bestimmte Umsatzschwellen. Erzielen zwei Unternehmen mehr als zwei Drittel ihrer Einnahmen in einem EU-Mitgliedsstaat, ist die EU-Kommission demnach nicht für die Kontrolle der Fusion zuständig. Die Prüfung des Zusammenschlusses erfolgt dann durch die nationalen Behörden.
Arcandor-Aktie stürzt ab, Ermittlungen gegen Middelhoff
Für den Fall, dass Arcandor zerschlagen wird, signalisierte der Hamburger Versandhandelskonzern Otto Interesse an Konzernteilen. Sollte es eine privatwirtschaftliche Lösung bei Arcandor geben, so wäre die Otto Group sicher Teil dieser Lösung, sagte ein Konzernsprecher der Wirtschaftszeitung "Euro am Sonntag". Otto sei insbesondere an den Sportfilialen der Karstadt-Gruppe interessiert, erfuhr das Blatt aus Konzernkreisen. Sollte es zu einer Herauslösung der Sporthäuser kommen, wäre dies eine gute Ergänzung zu den SportScheck-Filialen, hieß es.
Die Arcandor-Aktie befindet sich am Montagmorgen im freien Fall. Nachdem die Verhandlungen über eine Fusion mit dem Konkurrenzen Kaufhof am Sonntagabend ins Stocken geraten sind, ist die Zukunft der maroden Kaufhauskette akut bedroht. Papiere des Konzerns stürzten zu Börsenbeginn regelrecht ab: Die Aktie notierte zeitweise bis zu 35 Prozent im Minus - und zog den kompletten MDax nach unten. Inzwischen steigen die Titel allerdings wieder.
Die Essener Staatsanwaltschaft prüft die Einleitung von Untreue- Ermittlungen gegen Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff. "Wir haben ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet und prüfen, ob es einen Anfangsverdacht gibt", sagte Oberstaatsanwältin Angelika Matthiesen am Montag auf Anfrage. Zuvor hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nach SPIEGEL-Informationen in einem Brief an ihre Düsseldorfer Kollegin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) die Überprüfung von Hinweisen verlangt, Middelhoff und seine Frau seien an einem Immobilienfonds beteiligt, der zu außergewöhnlich hohen Mieten Gebäude an die Arcandor-Tochter Karstadt vermietet haben soll.
Quelle : www.spiegel.de
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Es ist schon die zweite Abfuhr innerhalb weniger Stunden: Der Bund lehnt nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa einen Notkredit für den maroden Handelskonzern Arcandor endgültig ab. Zuvor hatte bereits der Deutschlandfonds Hilfe verweigert - eine Insolvenz der Karstadt-Mutter rückt damit immer näher.
Berlin - Die Bundesregierung will Arcandor nicht mit einem Kredit helfen. Die Entscheidung sei - entgegen früheren Berichten - endgültig, meldet die Nachrichtenagentur dpa. Der Beitrag der Banken, Eigentümer und Vermieter sei zu gering, hieß es in Regierungskreisen.
Arcandor hatte staatliche Rettungsbeihilfen in Form eines Kredites von 437 Millionen Euro beantragt, um eine noch diese Woche drohende Insolvenz abzuwenden. An diesem Freitag läuft eine Kreditlinie über 650 Millionen Euro aus. Spätestens bis dahin muss ein Rettungskonzept stehen.
Am Montagmittag hatte bereits der Deutschlandfonds Hilfen für Arcandor verweigert. Dabei ging es um staatliche Bürgschaften.Dass die Bundesregierung nun auch Rettungsbeihilfen abgelehnt hat, ist für Arcandor ein schwerer Schlag. Damit führt praktisch kein Weg mehr an der Insolvenz vorbei. Das Unternehmen muss seine fälligen Kredite bis Freitag verlängern. Im Vorfeld hatte das Management bereits angekündigt, dass dies nur mit Staatshilfe gehen werde. Sollte es keine staatliche Unterstützung geben, müsse man unverzüglich Insolvenz anmelden.
Der Betriebsrat der Arcandor-Tochter Karstadt reagierte geschockt. "Ich bin total erschlagen, damit habe ich nicht gerechnet", sagte die Essener Gesamtbetriebsrätin Gabriele Schuster. Karstadt aus einer drohenden Insolvenz heraus zu sanieren, koste deutlich mehr Arbeitsplätze als eine Rettung, sagte sie. "Dafür habe ich kein Verständnis - so viele Existenzen, wie da dranhängen."
Zunächst hieß es, die Absage der Bundesregierung sei nicht endgültig. Man habe nur das Arcandor-Konzept in der aktuellen Form abgelehnt - Nachbesserungen seien also möglich. Kurze Zeit später wurde dann laut dpa klar: Für Arcandor gibt es praktisch keine Hoffnung mehr. Offen blieb zunächst nur, ob Arcandor nochmals einen neuen Anlauf für staatliche Rettungsbeihilfen nimmt und einen überarbeiteten Antrag mit anderen Konditionen vorlegt.
Offenbar hilft es auch nicht, dass die Gläubigerbanken zu Zugeständnissen bereit sind. Die Institute hätten grundsätzlich die Forderung des Bundes akzeptiert, sechs Monate auf Zinszahlungen zu verzichten, wenn der Bund den von Arcandor beantragten Notkredit bewillige, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Auch die Banken, die ein kleineres Engagement bei Arcandor hätten, seien inzwischen zu diesem Schritt bereit. Als Bedingung drängten sie aber auf eine klare Ausstiegsmöglichkeit nach einem halben Jahr. Größte Kreditgeber von Arcandor sind die BayernLB, die Commerzbank und die Royal Bank of Scotland.
Auch die Eigentümer sind offenbar zu Zugeständnissen bereit. Das Bankhaus Sal. Oppenheim und die Erbin Madeleine Schickedanz stellen demnach eine Kapitalerhöhung von 150 Millionen Euro für Arcandor in Aussicht. "Wir alle haben das Ziel, zu einer Lösung zu finden, bevor es zu einer Insolvenz kommt", sagte Friedrich Carl Janssen, der persönlich haftender Gesellschafter von Sal.Oppenheim und zugleich Aufsichtsratschef von Arcandor ist.
"Die Gesellschafter von Sal. Oppenheim unterstreichen noch einmal ihre Bereitschaft, als Miteigentümer von Arcandor an einer Kapitalerhöhung von bis zu 150 Millionen Euro teilzunehmen. Ich kann hier auch für Frau Schickedanz sprechen, die ebenfalls entsprechend ihrer Beteiligung an der Arcandor AG die Kapitalerhöhung mit trägt."
Sal. Oppenheim war im September 2008 bei Arcandor eingestiegen. Die Bank hält direkt und indirekt 28,6 Prozent der Anteile und liegt damit knapp vor dem Aktionärspool um die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, dem 26,7 Prozent zugerechnet werden. Beide wollen ihrem Anteil entsprechend zu der Kapitalerhöhung mittragen und für den Rest der Summe Partner ins Boot holen.
Die Arcandor-Aktie geriet am Montagnachmittag verstärkt unter Druck: Das Minus belief sich auf mehr als 43 Prozent.
Wie ernst die Lage ist, macht auch eine Mitteilung der Arcandor-Tochter Thomas Cook vom Montagnachmittag deutlich: "Thomas Cook ist ein eigenständiges und profitables Unternehmen, das an der Londoner Börse notiert ist", hieß es in einer Erklärung des Reiseunternehmens. Die Sparte ("Neckermann Reisen", "Bucher Last Minute") sei "sowohl operativ als auch finanziell unabhängig von Arcandor". Bei Thomas Cook gehe das Tagesgeschäft daher "ganz normal weiter". Die Situation bei Arcandor habe keine Auswirkungen auf die Thomas-Cook-Kunden.
Arcandor hält 52,8 Prozent der Thomas-Cook-Anteile. Der Reiseveranstalter gilt als einziger Gewinnbringer des Arcandor-Konzerns.
Quelle : www.spiegel.de
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Staatshilfe gibt es vorerst nicht - doch Arcandor kämpft. Der Karstadt-Mutterkonzern will einen neuen Antrag auf Rettungsbeihilfe stellen. Die Regierung gewährt dem Unternehmen offenbar eine letzte Chance.
Essen - Der unmittelbar von der Insolvenz bedrohte Arcandor-Konzern hat einen neuen Anlauf für den dringend benötigten Notkredit des Bundes angekündigt. Der Vorstand werde noch am Montagabend und im Laufe des Dienstagvormittags erneut die Gespräche mit den Beteiligten suchen.
Die beantragte Rettungsbeihilfe über 437 Millionen Euro werde nur gewährt, wenn es über die bereits vorhandenen Zusagen weitere Beiträge gebe, teilte Arcandor in Essen mit. Banken, Vermieter und Eigentümer müssten deshalb für weitere Zugeständnisse gewonnen werden.
Tatsächlich will die Bundesregierung dem Unternehmen offenbar eine letzte Chance gewähren. Arcandor erhält eine letzte kurze Frist, "um einen neuen, substantiell verbesserten Antrag" auf Rettungsbeihilfen zu stellen. Das verlautete aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums in Berlin.
Der neue Antrag solle noch am Dienstagvormittag in Berlin vorgelegt werden, sagte Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski. Auf die Frage, wie lange Arcandor noch einen Insolvenzantrag hinauszögern könne, sagte Koslowski: "Wir brauchen eine Entscheidung bis Mittwoch."
Zuvor hatte die Bundesregierung klargestellt, dass sie Arcandor angesichts der vorliegenden Konzepte nicht mit einem Kredit helfen werde. Der Beitrag der Banken, Eigentümer und Vermieter sei zu gering, hieß es in Regierungskreisen.
Arcandor hatte staatliche Rettungsbeihilfen in Form eines Kredits von 437 Millionen Euro beantragt, um eine noch diese Woche drohende Insolvenz abzuwenden. An diesem Freitag läuft eine Kreditlinie über 650 Millionen Euro aus. Spätestens bis dahin muss ein Rettungskonzept stehen.
Am Montagmittag hatte bereits der Deutschlandfonds Hilfen für Arcandor verweigert. Dabei ging es um staatliche Bürgschaften.
Dass die Bundesregierung nun auch Rettungsbeihilfen abgelehnt hat, ist für Arcandor ein schwerer Schlag. Damit wird eine Insolvenz immer wahrscheinlicher. Das Unternehmen muss seine fälligen Kredite bis Freitag verlängern. Im Vorfeld hatte das Management bereits angekündigt, dass dies nur mit Staatshilfe gehen werde. Sollte es keine staatliche Unterstützung geben, müsse man unverzüglich Insolvenz anmelden.
Der Betriebsrat der Arcandor-Tochter Karstadt reagierte schockiert. "Ich bin total erschlagen, damit habe ich nicht gerechnet", sagte die Essener Gesamtbetriebsrätin Gabriele Schuster. Karstadt aus einer drohenden Insolvenz heraus zu sanieren, koste deutlich mehr Arbeitsplätze als eine Rettung, sagte sie. "Dafür habe ich kein Verständnis - so viele Existenzen, wie da dranhängen."
Offenbar hilft es auch nicht, dass die Gläubigerbanken bereits Zugeständnisse angekündigt haben - die Regierung verlangt offenbar mehr. Die Institute hätten grundsätzlich die Forderung des Bundes akzeptiert, sechs Monate auf Zinszahlungen zu verzichten, wenn der Bund den von Arcandor beantragten Notkredit bewillige, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Auch die Banken, die ein kleineres Engagement bei Arcandor hätten, seien zu diesem Schritt bereit gewesen. Als Bedingung drängten sie aber auf eine klare Ausstiegsmöglichkeit nach einem halben Jahr. Größte Kreditgeber von Arcandor sind die BayernLB, die Commerzbank und die Royal Bank of Scotland.
Die Eigentümer sind offenbar ebenfalls zu Zugeständnissen bereit. So haben das Bankhaus Sal. Oppenheim und die Erbin Madeleine Schickedanz eine Kapitalerhöhung von 150 Millionen Euro für Arcandor in Aussicht gestellt. "Wir alle haben das Ziel, zu einer Lösung zu finden, bevor es zu einer Insolvenz kommt", sagte Friedrich Carl Janssen, der persönlich haftender Gesellschafter von Sal. Oppenheim und zugleich Aufsichtsratschef von Arcandor ist.
"Die Gesellschafter von Sal. Oppenheim unterstreichen noch einmal ihre Bereitschaft, als Miteigentümer von Arcandor an einer Kapitalerhöhung von bis zu 150 Millionen Euro teilzunehmen. Ich kann hier auch für Frau Schickedanz sprechen, die ebenfalls entsprechend ihrer Beteiligung an der Arcandor AG die Kapitalerhöhung mit trägt."
Arcandor will nicht aufgeben
Sal. Oppenheim war im September 2008 bei Arcandor eingestiegen. Die Bank hält direkt und indirekt 28,6 Prozent der Anteile und liegt damit knapp vor dem Aktionärspool um die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, dem 26,7 Prozent zugerechnet werden. Beide wollen ihrem Anteil entsprechend zu der Kapitalerhöhung mittragen und für den Rest der Summe Partner ins Boot holen.
Arcandor selbst will trotz des negativen Bescheids der Bundesregierung nicht aufgeben. In einer Mitteilung vom Montagabend heißt es: "Der Vorstand wird heute Abend und im Laufe des morgigen Vormittags erneut die Gespräche mit den Beteiligten suchen, um alle Möglichkeiten für eine weitere Aufstockung der Zusagen auszuloten und das Verfahren offen zu halten." Das Unternehmen räumte allerdings ein, dass dies nur gelingen kann, wenn es über die bereits vorhandenen Zusagen hinaus "weitere Beiträge von Eigentümern, Banken und Vermietern gibt".
Die Arcandor-Aktie stürzte am Montagabend ab: Das Minus belief sich auf mehr als 43 Prozent.
Wie ernst die Lage ist, macht auch eine Mitteilung der Arcandor-Tochter Thomas Cook vom Montagnachmittag deutlich: "Thomas Cook ist ein eigenständiges und profitables Unternehmen, das an der Londoner Börse notiert ist", hieß es in einer Erklärung des Reiseunternehmens. Die Sparte ("Neckermann Reisen", "Bucher Last Minute") sei "sowohl operativ als auch finanziell unabhängig von Arcandor". Bei Thomas Cook gehe das Tagesgeschäft daher "ganz normal weiter". Die Situation bei Arcandor habe keine Auswirkungen auf die Thomas-Cook-Kunden.
Arcandor hält 52,8 Prozent der Thomas-Cook-Anteile. Der Reiseveranstalter gilt als einziger Gewinnbringer des Arcandor-Konzerns.
Ungeachtet der drohenden Arcandor-Insolvenz will der Konkurrent Metro weiter über das Konzept einer "Deutschen Warenhaus AG" sprechen. "Die Gespräche auf Arbeitsebene werden morgen fortgeführt", sagte ein Metro-Sprecher am Montag.
Quelle : www.spiegel.de
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Arcandor gibt auf: Der Karstadt-Mutterkonzern verzichtet nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen darauf, den Antrag auf einen staatlichen Notkredit nachzubessern - und will nun Insolvenz beantragen. Fast zeitgleich startet die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Konzernchef Eick.
Berlin - Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick selbst machte die Entscheidung dem Kanzleramt bekannt - das erfuhr SPIEGEL ONLINE aus Regierungskreisen. Der Konzern will demnach die Frist für eine Nachbesserung des Konzeptes verstreichen lassen. Damit steht der Insolvenzantrag unmittelbar bevor.
Ungeachtet der bevorstehenden Insolvenz gehen Regierungskreisen davon aus, dass nun die Verhandlungen zwischen dem Metro-Konzern und Arcandor über einen Übernahme des Karstadt-Warenhausgeschäftes weitergeführt werden.
Der Vorstand von Arcandor hatte seit dem frühen Morgen über Rettungspläne beraten. Die Bundesregierung hatte zuvor den ersten Antrag des Handelskonzerns auf eine Rettungsbürgschaft über 437 Millionen Euro abgelehnt und ein stärkeres Engagement der Großaktionäre Schickedanz und Sal. Oppenheim sowie die Banken gefordert. Auch Staatsbürgschaften über 650 Millionen Euro aus dem Deutschlandfonds sieht der Bund aus diesem Grunde keine Grundlage. Seit Montagabend waren vor allem mit der Bank Sal. Oppenheim und der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz intensive Gespräche geführt worden - offensichtlich ohne Erfolg.
Die Arcandor-Aktie geriet in Folge der Nachricht stark unter Druck. Der Kurs rutschte um 21,7 Prozent auf 0,83 Euro. Zuvor war die Aktie bereits bis auf 0,76 Euro gefallen.
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte am Morgen seine Forderung nach einer Nachbesserung des Antrags bekräftigt. Eine nur zum Teil von den Hauptaktionären in Aussicht gestellte Kapitalerhöhung von 150 Millionen Euro zum Ende des Jahres erfülle in keiner Weise die von der Regierung immer wieder geforderte verstärkte Beteiligung der Eigentümer an dem Rettungskonzept, sagte der CSU-Politiker im "ARD-Morgenmagazin". Dieser Betrag müsse "als tatsächliches Eigenkapital kommen und eben nicht über den Umweg einer Kapitalerhöhung". Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen genügte der Bundesregierung aber auch das Angebot der Gläubigerbanken nicht, auslaufende Kreditlinien um sechs Monate zu verlängern.
Wie SPIEGEL ONLINE ebenfalls aus Unternehmenskreisen erfuhr, stellte die Regierung bei den Verhandlungen am Montag keine konkreten Forderungen. Eine Summe, um wie viel die Eigentümer ihr Angebot aufstocken sollten, sei nicht genannt worden.
Zu Guttenberg wies weiter darauf hin, dass eine Rettungsbeihilfe auch mit "signifikanten Folgen" verbunden ist. So stelle die Europäische Union "harte Anforderungen", etwa was Kapazitätseinsparungen anbelange. Dies bewege sich oft im Bereich von 30 bis 50 Prozent mit entsprechenden Auswirkungen auf die Arbeitsplätze.
Von einer Insolvenz betroffen wären der Konzern und alle hundertprozentigen Tochtergesellschaften. In Deutschland beschäftigt Arcandor rund 56.000 Menschen. Nicht davon in Mitleidenschaft gezogen wird die Touristiktochter Thomas Cook, an der Arcandor nur mit 52,8 Prozent beteiligt ist. Thomas Cook ist eigenen Angaben zufolge "operativ und finanziell" unabhängig von der Mutter und an der Londoner Börse gelistet. Am Montag hatte Arcandor bestätigt, dass das Thomas-Cook-Aktienpaket den Banken als Sicherheit für Kredite diene.
Für Arcandor-Chef Eick könnte das lange Hickhack um die Rettung des Handelskonzern noch folgen haben. Wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Essen am Dienstag mitteilte, ist bereits in der vergangenen Woche die Anzeige eines Privatmannes eingegangen, der dem Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Insolvenzverschleppung vorwirft. Zur Begründung der Anzeige seien der Behörde Presseberichte zugesandt worden, hieß es. Die Staatsanwaltschaft habe aufgrund der Anzeige die Ermittlungen aufgenommen.
Am Montag war bereits bekannt geworden, dass die Behörde Ermittlungen gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wegen des Verdachts der Untreue prüft. Middelhoff soll Anteile an Immobilienfonds halten, die von den ungewöhnlich hohen Mieten profitieren, die Karstadt für seine Filialen zahlt. Middelhoff weist die Vorwürfe zurück.
Quelle : www.spiegel.de
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Tränen, Wut, Bestürzung: Nach dem Insolvenzantrag von Arcandor bangen 43.000 Mitarbeiter des Handelsriesen um ihre Zukunft. Bundespolitiker, die bis zuletzt mit Arcandor verhandelt haben, bekunden nun ihr Mitleid - und suchen nach einem Sündenbock.
Essen - Am Montagmittag kämpfte Karl-Gerhard Eick noch mit der Kraft der Verzweiflung. Der Arcandor-Chef stand auf einer roten Leiter vor der Konzernzentrale in Essen, hemdsärmelig, mit rotem Gesicht, auf Anzug und Krawatte verzichtete er. "Wir kämpfen bis zur letzten Minute", rief er in ein Megafon.
Das tat er dann auch. Als die Regierung am Montagabend einen Notkredit für die marode Kaufhauskette abschmetterte, versuchte Eick, den Haupteignern, der Milliardärin Madeleine Schickedanz und der Privatbank Sal. Oppenheim, neue Zugeständnisse abzutrotzen. Er überzeugte seine Gläubiger, 650 Millionen Euro schwere Kredite, die am Freitag auslaufen, bis zu sechs weitere Monate vorzustrecken.
Am Ende aber hat alles Kämpfen nichts genützt.
Arcandor ist pleite, hat für die Kaufhaustochter Karstadt, die Versandhandelstochter Primondo und den Katalogversender Quelle Gläubigerschutz beantragt. Konzernsprecher bemühen sich, die erhitzten Gemüter zu beruhigen. Unternehmenstöchter wie Hessnatur oder das Modeversandhaus Madeleine, die nicht von der Insolvenz betroffen sind, beeilen sich, dies zu betonen. Wissenschaftler streiten derweil, ob das Konzept Kaufhaus nach Arcandor überhaupt noch eine Zukunft hat.
Vor allem aber bangen 43.000 Beschäftigte um ihre Jobs.
In Essen, in der Arcandor-Konzernzentrale, lassen übernächtigte Menschen ihren Gefühlen freien Lauf. Tränen fließen. Manche starren apathisch ins Leere. Andere diktieren Journalisten wütende Statements in den Block.
"Ich bin 57 Jahre alt. Wie soll es jetzt weitergehen?", fragt eine Mitarbeiterin. "Opel und Arcandor, ich weiß nicht, wo da der Unterschied sein soll", entrüstet sich ihr Kollege. Betriebsrätin Gabriele Schuster vergleicht die Pleite mit einer "Explosion". Sie sagt: "Die Stimmung ist grausam."
Im größten Karstadtwarenhaus Hessens wurden die Mitarbeiter vom Insolvenzantrag nahezu überrumpelt. "Das kam für uns total unerwartet", sagt der Frankfurter Betriebsratsvorsitzende Norbert Sachs. Für die Beschäftigten sei die Nachricht "ein Schlag in die Magengrube". Alles Demonstrieren sei letztlich vergebens gewesen.
Die Versandhaustochter Quelle befindet sich nach Angaben von Betriebsräten im "Schockzustand". In der Fürther Zentrale spricht Arbeitnehmerchef Ernst Sindel von einem "GAU" und Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) von einem "schwarzen Tag" für die Arbeitnehmer und ihre Familien, von einem "schweren Schlag für die betroffenen bayerischen Städte".
Bundespolitiker, die bis zuletzt mit Arcandor verhandelt haben, bekunden nun Mitleid - und deuten die Konzernpleite positiv. Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete den Insolvenzantrag als Chance für die Mitarbeiter. Das Unternehmen könne nun den Beschäftigten etwa im Zusammengehen mit Metro neue Möglichkeiten eröffnen, sagte die CDU-Chefin. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sprach von der Möglichkeit, "vieles zu retten", von "tragfähigen Anschlusslösungen". CSU-Chef Horst Seehofer sagte, er bedaure das Scheitern der Gespräche.
Suche nach einem Sündenbock
Andere suchen nach einem Sündenbock. Der Düsseldorfer FDP-Fraktionschef Gerhard Papke schimpfte auf das "unfähige Konzernmanagement, das seiner Verantwortung nicht gerecht geworden ist".
Steffen Kampeter, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, warf den Eigentümern Sal. Oppenheim und Madeleine Schickedanz "unterlassene ökonomische Hilfeleistung" für das Unternehmen vor. Während sie einerseits die Risiken eines eigenen stärkeren Engagements offenbar als zu hoch erachtet hätten, setzten sie andererseits darauf, dass der Staat einspringen. "Das ist ein Irrglaube", sagte Kampeter. Dass die Bundesregierung in dieser Lage Hilfen versagt habe, sei "vollständig richtig" gewesen. Die Landesvorsitzende der NRW-Grünen, Daniela Schneckenburger, gab ebenfalls den Eigentümern die Schuld.
Gespräche zwischen Metro und Arcandor werden fortgeführt
Ein Sal.-Oppenheim-Sprecher wies die Vorwürfe zurück. "Wir waren im Rahmen unseres Arcandor-Engagements bereit, bis an die Grenzen des Machbaren zu gehen", sagte Matthias Graf von Krockow, Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der Konzernholding. Ein höherer Beitrag seitens der Sal.-Oppenheim-Gesellschafter sei angesichts des schon in der Vergangenheit geleisteten Engagements nicht mehr verantwortbar gewesen.
Der Belegschaft bringt die Suche nach Schuldigen wenig. Bis August werden den Mitarbeitern nach Konzernangaben noch die Gehälter ausgezahlt. Viele hoffen nun auf eine schnelle Zerschlagung des Konzerns. Bei Karstadt hofft man auf eine baldige Einigung mit der Metro.
Denn ungeachtet der Insolvenz gehen die Verhandlungen um eine Übernahme des Karstadt-Warenhausgeschäfts weiter. Metro teilte am frühen Nachmittag mit, man habe "großes Interesse, schnell mit Karstadt zu einer Lösung zu kommen". Man wolle etwa 60 der 90 Karstadt-Standorte erhalten.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Eick
Für Arcandor-Chef Eick könnte das lange Hickhack über die Rettung des Handelskonzerns noch Folgen haben. Wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Essen am Dienstag mitteilte, ist bereits in der vergangenen Woche die Anzeige eines Privatmannes eingegangen, der dem Manager Insolvenzverschleppung vorwirft. Zur Begründung der Anzeige seien der Behörde Presseberichte zugesandt worden, hieß es. Die Staatsanwaltschaft habe aufgrund der Anzeige die Ermittlungen aufgenommen.
Am Montag war bereits bekannt geworden, dass die Behörde Ermittlungen gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wegen des Verdachts der Untreue prüft. Middelhoff soll Anteile an Immobilienfonds halten, die von den ungewöhnlich hohen Mieten profitieren, die Karstadt für seine Filialen zahlt. Middelhoff weist die Vorwürfe zurück.
Quelle : www.spiegel.de
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Gerade erst hat Arcandor Insolvenz angemeldet - da plant die Konkurrenz schon die Zerschlagung. Otto will große Teile der Versandhandelssparte, Rewe interessiert sich für die Reisetochter Thomas Cook, Metro hofft auf die Karstadt-Warenhäuser. SPIEGEL ONLINE analysiert die Pläne der Wettbewerber.
Hamburg - Für die Mitarbeiter ist es ein schwerer Schlag, für die Konkurrenz ein gefundenes Fressen: Der marode Handelskonzern Arcandorn meldet Insolvenz an. Bis zuletzt hatte das Management auf Staatshilfe gehofft - vergebens. Die Macht im Unternehmen übernimmt jetzt ein Insolvenzverwalter.
Für die Konkurrenten eröffnen sich damit völlig neue Chancen. Ihr Ziel: Arcandor zerschlagen. Otto, Rewe, Metro - sie alle wollen von der Insolvenz profitieren. Wie Pleitegeier teilen sie Arcandor unter sich auf, eine Schamfrist warten sie nicht ab. Jeder pickt sich die Rosinen heraus. Nach dem Motto: Nimmst du dies, nehme ich mir das.
56.000 Menschen arbeiten bei Arcandor. Doch wie lange wird es ihr Unternehmen noch geben?
Fest steht: Der Konzern weckt große Begehrlichkeiten. Allerdings nicht als Ganzes, sondern nur in Einzelteilen. Das bedeutet: Die drei Sparten - Warenhäuser, Versandhandel und Reise - könnten bald getrennte Wege gehen.
Als erster wagte sich Metro-Chef Eckhard Cordes hervor. Schon vor Wochen erhob er Anspruch auf die Karstadt-Filialen. Sein Plan: eine Fusion mit der eigenen Marke Kaufhof und die Gründung einer "Deutschen Warenhaus AG". Wer in dem neuen Komplex das Sagen haben soll, steht für Cordes fest: natürlich Metro.
Aus Sicht von Metro macht das Vorhaben Sinn. Für Kaufhof fiele die leidige Konkurrenz weg, unrentable Häuser könnte man zusammenlegen, und die teure Karstadt-Zentrale ließe sich ebenfalls einsparen. Die Commerzbank hat das Szenario bereits durchgerechnet - und ein Einsparpotential von rund 300 Millionen Euro ermittelt. Diese Erwartung spiegelt sich auch an der Börse wider: Die Metro-Aktie kletterte am Dienstag zunächst deutlich nach oben.
Für Arcandor hingegen wäre der Verlust der Warenhäuser ein herber Schlag. Karstadt ist die bekannteste Marke des Konzerns, mit dem Unternehmen hat die Firmengeschichte 1881 begonnen.
Doch damit nicht genug. Auch die Edelkaufhäuser von Arcandor könnten den Eigentümer wechseln. Das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg, das Oberpollinger in München: Sie alle sind hochrentabel, haben einen guten Ruf - und locken Interessenten an. Vielleicht hat Metro-Chef Cordes Verwendung für die Konsumtempel, vielleicht findet sich aber auch ein anderer Käufer. Klar ist nur eins: Arcandor dürfte die Gewinnbringer kaum behalten.
Das Gleiche gilt für die profitable Reisesparte Thomas Cook. Arcandor ist an dem Unternehmen mit 52 Prozent beteiligt. Synergien gibt es kaum, beide Unternehmen arbeiten getrennt voneinander. Ein Verkauf wäre also leicht möglich - und ist auch wahrscheinlich.
Bereits am Montag konnte man deutliche Absetzbewegungen der Tochter Thomas Cook von der Mutter Arcandor beobachten. Der Reisekonzern teilte in einer Erklärung mit: "Thomas Cook ist ein eigenständiges und profitables Unternehmen, das an der Londoner Börse notiert ist." Die Sparte ("Neckermann Reisen", "Bucher Last Minute") sei "sowohl operativ als auch finanziell unabhängig von Arcandor".
Ein möglicher Käufer hat sich schon gemeldet: der Handelsgigant Rewe. Thomas Cook sei "eine interessante Marke", deren Entwicklung man sorgfältig beobachte, sagte ein Rewe-Sprecher am Montag. Laut "Handelsblatt" wurde Rewe bereits bei Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick vorstellig. Zu Rewe gehören aktuell die Marken Atlas-Reisen und Tjaereborg. Damit ist das Unternehmen die Nummer drei auf dem deutschen Touristikmarkt, zusammen mit Thomas Cook könnte man zu Marktführer TUI aufschließen.
An der Börse hat Thomas Cook einen Wert von rund einer Milliarde Euro, ohne Wirtschaftskrise wären es vermutlich einige hundert Millionen Euro mehr. Zwar ist die Verhandlungsposition von Arcandor angesichts der eigenen Notlage schlecht. Trotzdem hat ein künftiger Insolvenzverwalter wohl kaum eine andere Wahl: Er muss Thomas Cook verkaufen - nur so kann er die nötigen Mittel für eine Sanierung des Restkonzerns aufbringen.
Und die Schnäppchenjagd geht weiter. Besonders hart trifft es vermutlich die Sparte Versandhandel - sie könnte völlig zerfleddert werden. Der Unternehmensbereich trägt den Namen Primondo, den Ex-Konzernchef Thomas Middelhoff ebenso künstlich erschaffen hat wie den von Arcandor selbst. Zu Primondo gehören der Universalversand Quelle, die Spezialversender Baby Waltz, Hess Natur und Madeleine sowie der TV-Verkaufskanal HSE24.
Großes Interesse an Teilen der Sparte hat die Otto Gruppe. Der familiengeführte Handelsriese hat nach Informationen von manager-magazin.de bereits Kontakt mit dem Arcandor-Management aufgenommen. Ein Otto-Sprecher sagte: "Wir schauen uns die Entwicklung an, insbesondere die Spezialversender wären für uns unter Umständen von Interesse."
Nur den Quelle-Versand will Otto nicht haben - die Sparte gilt als altmodisch. Experten monieren, dass sich Quelle kaum auf das Internetgeschäft eingestellt hat. In Zukunft könnte der Bereich daher Probleme bekommen - trotz erfolgreicher Expansion in Osteuropa.
Interesse hat Otto dafür an einem anderen Filetstück: der Kaufhaussparte Karstadt Sport. Die 29 Standorte passen dem Familienunternehmen gut ins Konzept: Otto könnte die Häuser mit den eigenen Sport-Scheck-Filialen verschmelzen, es gäbe enorme Synergieeffekte.
Für Arcandor wäre dies vermutlich der Todesstoß. Sollten alle Kauf- und Verkaufspläne realisiert werden, bliebe vom Gesamtkonzern kaum etwas übrig. Die Warenhäuser - bei der Konkurrenz. Das Reisegeschäft - bei einem neuen Eigentümer. Der Versandhandel - in seine Einzelteile aufgelöst.
Am Ende könnte Arcandor nur noch aus Quelle bestehen, samt einigen wenigen Randbereichen. Keine guten Aussichten für die Mitarbeiter, ein schlagkräftiger Konzern sieht anders aus.
Ob es tatsächlich so weit kommt, hängt nun vom Insolvenzverwalter ab. Er muss die Interessen der Gläubiger vertreten, mit harter Hand sanieren - und retten, was zu retten ist.
Quelle : www.spiegel.de
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Karstadt ist noch keinen Tag insolvent, da treibt Rivale Metro schon die mögliche Fusion mit der eigenen Tochter Kaufhof voran. Konzernchef Cordes verspricht einen "fairen Preis", laut "Handelsblatt" ist auch ein Investor aus Italien beteiligt - an den die Warenhäuser am Ende ganz gehen könnten.
Düsseldorf - Ein Unternehmer aus Italien zeigt Interesse am neuen Unternehmen, das aus einer Fusion zwischen Karstadt und Kaufhof entstehen könnte. Investor Maurizio Borletti ist laut einem Bericht des "Handelsblatts" an einer Beteiligung an einem möglichen neuen deutschen Warenhauskonzern interessiert.
Nach der Insolvenz des Handelskonzerns Arcandor plant der Chef des Rivalen Metro, Eckhard Cordes, die Übernahme der Karstadt-Häuser, um sie mit der eigenen Tochter Kaufhof zusammenzulegen. Dabei prüft der Manager laut "Handelsblatt" bereits den Weiterverkauf des dabei entstehenden neuen Warenhauskonzerns an einen ausländischen Käufer.
In Kreisen zweier beteiligter Investmentbanken werde Borletti als Interessent genannt. Dieser solle dabei von einem nicht genannten Finanzinvestor unterstützt werden. Borletti sagte dem "Handelsblatt": "Es laufen derzeit Diskussionen, an denen wir uns beteiligt haben. Aber angesichts der delikaten Lage ziehe ich es vor, nicht zu kommentieren."
Finanzkreisen zufolge hat Goldman-Sachs-Deutschland-Chef Alexander Dibelius den Kontakt zwischen Cordes und dem Warenhaus-Unternehmer Borletti vermittelt. Eine Goldman-Sprecherin sagte, ihr sei davon nichts bekannt. Auch bei Metro äußerte sich zu einer möglichen Übernahme der geplanten Deutschen Warenhaus AG durch den Italiener bedeckt. "Uns liegt dazu nichts vor", sagte ein Sprecher. Er bestätigte aber, dass Metro die Warenhäuser zunächst einer ein- bis zweijährigen Umstrukturierung unterziehen wolle, um sie dann mehrheitlich abzugeben. Dabei sei auch der Börsengang eine Option.
"Jedes Haus verdient eine Chance"
"Wir wollen einen starken Kaufhauskonzern bauen", sagte Metro-Chef Cordes am Dienstagabend dem ZDF. "Wir haben ein kurz- und mittelfristiges Ziel, dieses neue Ganze zu schaffen, und ich glaube sogar, und da bin ich jetzt ganz tollkühn, dass es die Möglichkeit geben könnte, ein solches neues Unternehmen an die Börse zu bringen", betonte der Metro-Chef im "heute-journal". Metro sei aber nicht auf Schnäppchenjagd, sondern wolle einen "fairen Kaufpreis" zahlen.
Nach der geplanten Zusammenlegung von Karstadt und Kaufhof sollten von den dann insgesamt gut 200 Warenhäusern etwa 160 erhalten bleiben. Zugleich zeigte Cordes sich zuversichtlich, dass es keine kartellrechtlichen Bedenken geben sollte. Es habe dazu bereits Vorgespräche gegeben.
Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) appellierte an die künftigen Betreiber der Warenhäuser, die Insolvenz als Chance zu nutzen. "Jedes Haus verdient eine Chance, jede Stadt braucht Unterstützung", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". "Jetzt gilt es, alles zu unternehmen, um allen Standorten eine Perspektive zu geben. Das sind wir den dort arbeitenden Frauen und Männern und den betroffenen Städten schuldig." Er wolle dazu nach besten Kräften mit flankierender städtebaulicher Förderung einen Beitrag leisten.
"Die Insolvenz bedeutet nicht das Aus"
Auch der Deutsche Städtetag drängt auf den Erhalt der Karstadt-Häuser. Sie hoffe, dass trotz des Insolvenzantrags "möglichst viele der Kaufhäuser erhalten bleiben und Arbeitsplätze in einem sehr großen Umfang gerettet werden können", sagte Städtetagspräsidentin Petra Roth der "Passauer Neuen Presse". "Die betroffenen mehr als 70 Städte haben ein starkes Interesse an Lösungen für die Beschäftigten und daran, dass die Warenhäuser auch unter veränderten Vorzeichen weiter zu attraktiven Innenstädten beitragen können", so die CDU-Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main. Im Falle von Schließungen sollten betroffene Städte unbürokratisch zusätzliche Städtebauförderungsmittel im Rahmen des Bund-Länder-Programms "Aktive Stadt- und Ortsteilzentren" erhalten.
Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) sieht in der Insolvenz große Chancen für einen Neuanfang des Unternehmens. "Die Insolvenz bedeutet nicht das Aus", sagte er der "Berliner Zeitung". Der Insolvenzverwalter müsse nun größtmögliche Potentiale für alle Unternehmensteile analysieren und dann realisieren. Das gelte auch für das im bayerischen Fürth beheimatete Versandhaus Quelle.
Kurz vor dem Auslaufen lebenswichtiger Darlehen hatte Arcandor am Dienstag die Reißleine gezogen und für sich und die Töchter Karstadt, Primondo und Quelle Insolvenzanträge gestellt. Kunden sollen dennoch wie gewohnt bei Karstadt einkaufen können. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die Entscheidung, Arcandor keine staatliche Hilfe zu gewähren.
Der Konzern um die traditionsreiche Kaufhaus-Kette Karstadt könnte nun - 128 Jahre nach der Gründung des ersten Hauses - zerschlagen werden. Rund 43.000 Beschäftigte der Karstadt-Mutter Arcandor bangen um ihre Arbeitsplätze. Die Geschäfte laufen aber weiter. Das erfahrene Duo aus Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg und dem eigens ernannten Arcandor-Bevollmächtigten Horst Piepenburg soll unter dem Schutz des Insolvenzverfahrens Arcandor sanieren und möglichst viele Stellen erhalten.
Quelle : www.spiegel.de
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Düstere Konjunkturaussichten: Die EZB rechnet erst in rund zwölf Monaten wieder mit Wachstum im Euroraum. Eine lange Stagnation könnte verheerende Folgen haben - sogar eine neue Bankenkrise ist nicht ausgeschlossen.
Frankfurt am Main - Immer mehr Konjunkturdaten deuten darauf hin, dass die Talsohle des Abschwungs erreicht ist - doch der Aufschwung lässt offenbar noch auf sich warten: Laut einer Prognose der Europäischen Zentralbank (EZB) ist die Rezession im Euroraum lang und tief.
Nach einer Phase der Stabilisierung im weiteren Jahresverlauf seien positive Wachstumsraten im Quartalsvergleich erst zur Mitte des kommenden Jahres zu erwarten, heißt es im Monatsbericht der EZB für Juni, der an diesem Donnerstag in Frankfurt veröffentlicht wurde. Diese Prognose schließe auch nachlaufende Effekte mit ein, speziell die erwartete Eintrübung des Arbeitsmarkts. Damit bekräftigte die EZB jüngste Aussagen ihres Präsidenten Jean-Claude Trichet.
Die Folgen einer solchen Dauer-Rezession könnten verheerend sein: EZB-Finanzstabilitätsexperte Dejan Krusec befürchtet schlimmstenfalls eine weitere Bankenkrise im kommenden Jahr. Sollte es eine schnelle "V-förmige" Erholung geben, seien die Banken stark genug, um den Abschwung zu überstehen, zitierte der "Daily Telegraph" Krusec. "Sollte sie jedoch 'U-förmig' ausfallen, werden die Banken Probleme bekommen", sagte der Spezialist laut Bericht auf einer Fitch-Ratings-Konferenz zu Osteuropa.
"Das Problem ist nicht 2009. Die Banken in der Euro-Zone sind ausreichend kapitalisiert, um Verluste abzudecken. Das Problem ist 2010. Wir sind besorgt, was die Länge (der Rezession) angeht", sagte Krusec dem Bericht zufolge weiter. Die EZB überwache 25 Banken, die von strategischer Bedeutung seien.
Das derzeitige Leitzinsniveau von 1,0 Prozent bezeichnet die EZB dennoch nach wie vor als "angemessen". Diese Einschätzung beziehe neben der Zinspolitik auch zusätzliche Maßnahmen wie den geplanten Ankauf von Pfandbriefen (Covered Bonds) mit ein. Die Inflation im Euroraum dürfte in der mittleren Frist vor allem durch die schwache wirtschaftliche Aktivität gedämpft werden. Die Inflationserwartungen seien "fest verankert". Dies stehe im Einklang mit dem mittelfristigen Inflationsziel der Notenbank von knapp zwei Prozent.
Gezielte Maßnahmen zur Dämpfung des Abschwungs am Arbeitsmarkt wie Kurzarbeit sind nach Einschätzung der EZB nur übergangsweise zu empfehlen. Sofern der Konjunkturabschwung von kurzer Dauer sei, sei Kurzarbeit ein wirksames Instrument zum Schutz von Arbeitsplätzen, heißt es im Monatsbericht der EZB vom Donnerstag. Kämen solche staatlich geförderten Maßnahmen jedoch in größerem Umfang und über einen längeren Zeitraum hinweg zum Einsatz, seien sie negativ zu bewerten.
So belasteten derartige Maßnahmen die Staatshaushalte, ohne Investitionsanreize zur Konjunkturbelebung zu schaffen, begründet die Notenbank ihre Einschätzung. Darüber hinaus verringerten sie die Anreize für Unternehmen und Arbeitnehmer, Produktionsfaktoren an anderen Stellen wirtschaftlicher einzusetzen. "Die Wanderung von Arbeitskräften zwischen Unternehmen und Sektoren ist wichtig, damit gewinnbringende Investitionschancen, die sich im Zuge der wirtschaftlichen Erholung bieten, leichter genutzt werden können." Dies leiste einen wichtigen Beitrag zur Konjunkturerholung.
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Wie schlimm wird die globale Wirtschaftskrise wirklich? Die Weltbank legt jetzt eine besonders düstere Prognose vor: Die Organisation erwartet ein Minus von drei Prozent - und korrigiert damit die eigene Vorhersage radikal nach unten. Für die Exportnation Deutschland wäre dies ein herber Schlag.
Washington - Extrem düstere Prognose für die Weltwirtschaft: Obwohl viele Ökonomen erste Anzeichen für eine Konjunkturerholung sehen, schraubt die Weltbank ihre Konjunkturerwartung radikal nach unten. Bisher ging die Organisation davon aus, dass die globale Wirtschaft in diesem Jahr um 1,75 Prozent schrumpft - jetzt rechnet sie mit minus drei Prozent.
Sollte sich die Vorhersage bewahrheiten, wäre dies ein herber Schlag für die meisten Staaten der Erde: Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Weltwirtschaft als Ganze noch nie negativ entwickelt, bisher gab es jedes Jahr wenigstens ein geringes Wachstum. Vor allem Deutschland leidet unter der schwachen Weltkonjunktur: Als Exportnation ist die Bundesrepublik extrem abhängig von der globalen Nachfrage.
Die Weltbank registriert in ihrer Prognose zwar, dass sich die Finanzmärkte in vielen Industrieländern stabilisiert hätten. Gleichzeitig steige jedoch die Arbeitslosigkeit, und es gebe immer mehr ungenutzte Produktionskapazitäten, teilte die Weltbank am Donnerstag in Washington mit.
Immerhin: Im Laufe des kommenden Jahres könnte sich wieder Wachstum einstellen, sagte Weltbankpräsident Robert Zoellick. "Doch das Tempo der Erholung ist ungewiss, und die Entwicklungsländer werden die Nachbeben (der Krise) zu spüren bekommen." Die Armen der Welt würden "von Schockwellen wirtschaftlichen Leids getroffen", sagte Zoellick.
Nach Einschätzung der Weltbank wird die Wirtschaft in den meisten Entwicklungsländern 2009 schrumpfen. Die Aussichten für ärmere Staaten seien düster, solange sich die Lage bei den Exporten, bei Überweisungen von Familienmitgliedern aus dem Ausland und bei ausländischen Direktinvestitionen nicht bessere.
Mit ihrer nach unten korrigierten Prognose ist die Weltbank deutlich pessimistischer als ihre Schwesterorganisation, der Internationale Währungsfonds (IWF). Dieser hatte Ende April einen Rückgang der Weltwirtschaft in diesem Jahr um lediglich 1,3 Prozent vorhergesagt. Allerdings wäre auch schon dies die mit Abstand schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg.
Schlechte Daten aus China, gute aus den USA
Auch an diesem Donnerstag zeigte sich der IWF zuversichtlicher als die Weltbank - vor allem für das kommende Jahr. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters erhöhte die Organisation ihre Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft 2010 auf 2,4 Prozent. Bisher hatten die Experten ein Plus von 1,9 Prozent erwartet. Grund für den Optimismus seien die staatlichen Konjunkturpakete der vergangenen Monate, hieß es.
Allerdings warnt auch der IWF, dass sich die Erholung nur schrittweise vollziehen werde. Die Konjunktur sei noch immer großen Gefahren ausgesetzt. Für das laufende Jahr bleibt der IWF bei seiner Minus-1,3-Prozent-Prognose.
Negative Daten legte am Donnerstag auch China vor. Der Export aus der Volksrepublik sackte im Mai um 26 Prozent ab. Besser sieht die Lage in den USA aus: Hier entwickelten sich die Einzelhandelsumsätze verhältnismäßig gut, außerdem meldeten sich weniger Personen arbeitslos als in den Wochen zuvor. Die steigende Nachfrage nach Öl und der damit verbundene Preisanstieg werden ebenfalls als Zeichen für eine Erholung gewertet. Düster sind indes die Aussichten im Euro-Raum: Die Europäische Zentralbank erwartet eine Dauer-Rezession bis Mitte 2010.
Weltbankpräsident Zoellick erinnerte an die Versprechen der wichtigsten Wirtschaftsnationen bei ihrem jüngsten Gipfeltreffen in London, ihre jeweiligen Kreditmärkte und den internationalen Kapitalfluss wieder in Gang zu bringen. Diese Zusagen müssten bei den anstehenden G-8-Beratungen weiterverfolgt werden, forderte er.
Die internationale Gemeinschaft müsse in den kommenden Jahren mehr als bisher unternehmen, um Ressourcen zu mobilisieren, "damit die Armen nicht für eine Krise zahlen, die sie nicht verursacht haben". Die Nachfrage der ärmsten Länder nach Weltbankkrediten habe im endenden Fiskaljahr mit 13 Milliarden Dollar einen Rekord erreicht.
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Die Arcandor-Pleite hat juristische Folgen für den früheren Vorstandschef Thomas Middelhoff: Die Staatsanwaltschaft hat nun offiziell ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingeleitet. Der Manager könnte privat davon profitiert haben, dass Karstadt-Kaufhäuser teils unüblich hohe Mieten zahlen.
Düsseldorf - "Wir haben uns nach einer erneuten Prüfung von Unterlagen entschieden, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten", sagte die Essener Oberstaatsanwältin Angelika Matthiesen am Freitag. Bislang hatte sich die Anklagebehörde nur mit Vorermittlungen gegen Middelhoff befasst.
Hintergrund sind mögliche Verflechtungen mit Immobiliengeschäften des Karstadt-Mutterkonzerns. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte sich besorgt über einen SPIEGEL-Bericht geäußert, in dem es um die Beteiligung von Middelhoff und seiner Ehefrau an Karstadt-Immobilien geht.
Bevor Middelhoff 2004 zur damaligen KarstadtQuelle AG kam, hatten er und seine Frau sich an dem Oppenheim-Esch-Fonds beteiligt, der Karstadt-Immobilien im Portfolio hat. Der Fonds, den der Troisdorfer Immobilienunternehmer Josef Esch konzipiert hatte, kaufte im Jahr 2003 dem damals bereits klammen Karstadt-Konzern fünf Immobilien in Potsdam, Leipzig, München, Karlsruhe und Wiesbaden ab und vermietete sie anschließend für offenkundig horrende Mietzahlungen zurück.
Im Gegenzug gestand Esch zu, später einen Ausgleich an Arcandor zu zahlen. Dieser Verpflichtung kam er aber später nicht nach. Kritiker lasten Middelhoff an, in seiner Zeit als Arcandor-Chef den Ausgleich nicht eingeklagt zu haben.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte ihre nordrhein-westfälische Amtskollegin Roswitha Müller-Piepenkötter gebeten, den Vorgang genauer zu prüfen. Das Ministerium hatte das Schreiben von Zypries an die Staatsanwaltschaft Essen weitergeleitet.
In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritik an Middelhoff wegen seines Engagements bei dem Fonds gegeben. Die Beteiligung an dem Fonds der Privatbank Sal. Oppenheim und des Projektentwicklers Josef Esch war auch Thema bei Hauptversammlungen gewesen. Middelhoff hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets bestritten. Im Zweifelsfall hätten die Interessen von Arcandor stets Vorrang gehabt.
Der Karstadt-Mutterkonzern Arcandor hatte Anfang der Woche Antrag auf Insolvenz gestellt. Nachdem die Bundesregierung eine Staatsbürgschaft für das Handelshaus abgelehnt hatte.
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Der insolvente Warenhauskonzern Arcandor hat doch noch Chancen auf Staatsgeld. Die Bundesregierung ist nach SPIEGEL-Informationen bereit, einen Antrag auf einen sogenannten Massekredit wohlwollend zu prüfen.
Hamburg - Ein Kreditantrag liegt noch nicht vor - im Bedarfsfall aber werde die Bundesregierung den Wunsch nach einem sogenannten Massekredit schnell prüfen und ihn, wenn möglich, auch gewähren, hieß es im Bundeswirtschaftsministerium. Ein Massekredit ist kurzfristig zur Verfügung gestelltes Geld für insolvente oder kurz vor der Insolvenz stehende Unternehmen. Er wird vorrangig vor allen anderen Forderungen aus der Insolvenzmasse bedient.
Arcandor hatte am Dienstag Insolvenz angemeldet. Der Handelskonzern Metro erneuerte am Samstag das Übernahmeangebot für Arcandors Karstadt-Kaufhäuser. "Wir haben weiterhin Interesse, 60 der 90 Karstadt-Filialen zu übernehmen", sagte ein Metro-Sprecher in Düsseldorf. Er bestritt jedoch, dass Metro im Fall einer Übernahme einen KfW-Kredit von 200 Millionen Euro in Anspruch nehmen wolle, wie es die "Börsenzeitung" berichtet hatte. "Bei unserer Planung haben Staatshilfen bisher keine Rolle gespielt und werden weiterhin keine Rolle spielen", sagte er.
Metro will seine Kaufhof-Filialen mit den Karstadt-Häusern zusammenlegen. Kaufhof-Chef Lovro Mandac sagte der "Bild am Sonntag": "Alle Beteiligten sind sich einig, dass die Rettung der Karstadt-Warenhäuser eilbedürftig ist." Gleichzeitig warnte er vor einem "Verkauf von einzelnen Häusern oder kleinen Paketen von Standorten". Kaufhof habe ein profitables Warenhaussystem, in das die 60 Karstadt-Häuser ohne Verzug integriert werden könnten.
Bei der Rettung von Arcandor stützen sich Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg und der Generalbevollmächtigte Horst Piepenburg nach einem Bericht von "Euro am Sonntag" auf das bereits Mitte April von Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick vorgestellte Sanierungsprogramm. Eick habe das Konzept gemeinsam mit Piepenburg erarbeitet.
Der Plan sah vor, dass sich der Konzern auf die profitablen Kernbereiche von Primondo und Karstadt konzentriert und den Wachstumskurs der Reisetochter Thomas Cook als Teil des Gesamtkonzerns fortsetzt. Im Warenhausbereich wollte man sich auf das mittlere Preissegment konzentrieren und sich von Edeladressen wie KaDeWe (Berlin), Alsterhaus (Hamburg) und Oberpollinger (München) trennen.
Außerdem sollten Standorte geschlossen und in der Versandhandelssparte Primondo (Quelle) Stellen abgebaut werden. Ein gemeinsamer Einkauf von Versandhandel und Warenhäusern sollte zu Einsparungen von mehreren Hundert Millionen Euro pro Jahr führen.
Parallel zu dem bestehenden Plan führe Görg Gespräche mit an Konzernteilen interessierten Unternehmen, schreibt "Euro am Sonntag". Neben den Gesprächen mit Metro fänden auch Gespräche mit Otto sowie Rewe statt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt auf ein zügiges Insolvenzverfahren, damit die 43.000 betroffenen Beschäftigten bald Klarheit für ihre Zukunft haben. "Die zuständigen Ministerien innerhalb der Bundesregierung werden ihre Hilfe - soweit das möglich ist - anbieten", sagte Merkel am Samstag in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. Dabei gehe es auch um Stadterneuerungsprogramme und Hilfestellungen der Bundesagentur für Arbeit.
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Arcandor ist pleite. Ein Grund für den Absturz dürften auch hohe Mieten bei der Warenhaustochter Karstadt gewesen sein, die der Konzern an den Projektentwickler Josef Esch zahlen musste. An dessen Fonds waren nach SPIEGEL-Informationen mehrere prominente Superreiche beteiligt.
Hamburg - Von den Fonds, die der Troisdorfer Projektentwickler Josef Esch mit der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim für die Vermietung von Immobilien an Karstadt aufgelegt hat, profitierte nach SPIEGEL-Informationen eine handverlesene Gruppe von Angehörigen des deutschen Geldadels. Mit dabei waren beim Start der Fonds - außer Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, seiner Frau Cornelie und anderen - die Kunstsammlerin Claudia Oetker, der Bofrost-Gründer Josef Boquoi und Maxdata-Gründer Holger Lampatz, der 2006 und 2007 im Aufsichtsrat von KarstadtQuelle saß.
Auch Münchner Oppenheim-Konkurrenten, die Privatbankiers Wilhelm von Finck Junior und Senior, zeichneten Anteile; ebenso die Ehefrau eines Ministerialbeamten aus dem Bundesjustizministerium, der dort für Gesellschaftsrecht zuständig ist.
Sie alle gewannen auf Kosten des KarstadtQuelle-Konzerns, der heute Arcandor heißt und insolvent ist. In München betrug die Garantiemiete 23,2 Prozent vom Umsatz, in Leipzig 19,6 Prozent, in Potsdam 16,4 Prozent und in Karlsruhe 14,5. Schon bei einem Verhältnis Umsatz zu Miete von zehn Prozent, so Einzelhandelsexperten, beginne die sogenannte Todeszone, in der ein Warenhaus die Miete gemeinhin nicht mehr erwirtschaften könne.
Für Thomas Middelhoff hat die Beteiligung an den Fonds ein juristisches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft hat am Freitag offiziell ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingeleitet. Der Manager könnte privat davon profitiert haben, dass Karstadt-Kaufhäuser teils unüblich hohe Mieten zahlen, hieß es zur Begründung.
Arcandor hat trotz Insolvenz allerdings noch Chancen auf Staatsgeld. Die Bundesregierung ist nach SPIEGEL-Informationen bereit, einen Antrag auf einen sogenannten Massekredit wohlwollend zu prüfen.
Ein Kreditantrag liegt noch nicht vor - im Bedarfsfall aber werde die Bundesregierung den Wunsch nach einem sogenannten Massekredit schnell prüfen und ihn, wenn möglich, auch gewähren, hieß es im Bundeswirtschaftsministerium. Ein Massekredit ist kurzfristig zur Verfügung gestelltes Geld für insolvente oder kurz vor der Insolvenz stehende Unternehmen. Er wird vorrangig vor allen anderen Forderungen aus der Insolvenzmasse bedient.
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Peer Steinbrück bricht alle Rekorde: Der Etatentwurf des Finanzministers für 2010 sieht die höchsten Ausgaben des Bundes in der Geschichte der Republik vor. Auch die Finanzierungslücke ist so groß wie nie - der Bund braucht bis 2013 mehr als 300 Milliarden Euro Kredit.
Berlin - Es ist eine Summe, die es so noch nicht gegeben hat: Bis 2013 wird der Bund 310 Milliarden Euro neue Schulden machen. Das geht aus der aktualisierten mittelfristigen Finanzplanung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hervor, die das Kabinett in der nächsten Woche zusammen mit dem Haushaltsentwurf für 2010 beschließen wird.
Für das kommende Jahr ist danach eine Neuverschuldung des Bundes von 86 Milliarden Euro vorgesehen. So viel zusätzliche Kredite hat bislang noch kein Finanzminister in einem seiner Haushaltsentwürfe einplanen oder später auch aufnehmen müssen. Dieses Jahr hofft Steinbrück, mit 48 Milliarden Euro auskommen zu können.
In den Folgejahren verharrt die Neuverschuldung nach den Planungen auf hohem Niveau. So muss der Bund 2011 rund 72 Milliarden Euro neue Schulden machen, 2012 sinkt der Bedarf auf 59 Milliarden Euro. 2013, am Endpunkt der neuen mittelfristigen Finanzplanung, ist immer noch eine Nettokreditaufnahme von 45 Milliarden Euro eingeplant.
Insgesamt plant Steinbrück im kommenden Jahr Ausgaben von rund 340 Milliarden Euro, ebenfalls eine Rekordsumme. Damit liegt das Volumen des Bundeshaushalts deutlich über den Ansätzen des alten Finanzplans. Ursache dafür sind zusätzliche Ausgaben, die durch die Wirtschaftskrise erzwungen werden.
So sieht der Entwurf ein Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 20 Milliarden Euro und höhere Ausgaben für das Arbeitslosengeld II in Höhe von zehn Milliarden Euro vor. Beide Posten treiben den Haushalt von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) in die Höhe. Mit einem Volumen von 153 Milliarden Euro ist er auch im nächsten Jahr wieder größter Einzeletat.
Das Kabinett wird Etatentwurf und Finanzplanung am Mittwoch zwar beschließen, in Kraft treten werden beide aber nicht, weil im September ein neuer Bundestag gewählt wird. Die nächste Regierung stellt deshalb im Herbst einen eigenen Haushaltsentwurf auf, den der neue Bundestag Ende des Jahres verabschieden wird. Bis dahin kann sich das Zahlenwerk noch entscheidend verändern.
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Beim Essener Handels- und Tourismusunternehmen Arcandor geraten immer mehr Tochterfirmen in den Sog des Insolvenzverfahrens. Am Freitag werde sich die Zahl der betroffenen Gesellschaften voraussichtlich auf 28 weiter erhöhen, sagte ein Unternehmenssprecher in Essen. Neben der Muttergesellschaft Arcandor hatten seit dem 9. Juni unter anderem die Töchter Quelle, Karstadt und Primondo Insolvenzantrag beim Essener Amtsgericht gestellt.
Der auf Elektroartikel spezialisierte Internetshop Myby hatte seinen Antrag beim Amtsgericht Düsseldorf vorgelegt. Während Quelle, das sich zuletzt verstärkt auf das Wachstumssegment E-Commerce konzentriert hatte, noch im Internet präsent ist, hat der Myby-Webshop seit Tagen geschlossen. Weiter auf Sendung ist der Shopping-Sender HSE 24, dessen Präsentationsvideos auch über den gleichnamigen Onlineshop hse24.de abgerufen werden können.
Insgesamt hat Arcandor mehr als 500 Tochtergesellschaften. Die Anträge der von der Insolvenz betroffenen wichtigen Gesellschaften lägen bereits vor, hieß es. Nicht betroffen von der Insolvenz ist das Tourismusunternehmen Thomas Cook. Der Arcandor-Anteil an dem Unternehmen ist jedoch zu großen Teilen an die Banken verpfändet. Der vorläufige Arcandor-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg will sich nach Angaben eines Sprechers am Freitag mit den Banken zu einem ersten Sondierungsgespräch treffen. Mit konkreten Ergebnissen der Unterredung werde jedoch nicht gerechnet, hieß es.
Quelle : www.heise.de (http://www.heise.de)
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Wer nicht aus der Geschichte lernt, wird die Depression ernten!
Der Eindruck, dass diejenigen, die in den großen Industrienationen das Sagen haben, eher in den Kindergarten als an die Macht gehören, wurde gerade aufs Neue bestätigt. Nach Washington will jetzt auch Peking sein Konjunkturpaket nutzen, um heimischen Unternehmen Vorteile zu verschaffen. So hat China eine Buy-Chinese-Klausel in sein milliardenschweres Konjunkturprogramm integriert. Ein Umstand den man im allgemeinen Protektionismus nennt.
Es war jedoch genau dieses Vorgehen, warum die Wirtschaftskrise der 30er Jahre zur Grossen Depression ausartete. Im Jahr 1930 endete die Globalisierung schlagartig, als US-Präsident Herbert Hoover die Zölle auf 900 Prozent erhöhte. Im Sommer 1932, auf der Konferenz von Ottawa, verließ Großbritannien den Goldstandard, wertete das britische Pfund ab und errichtete mit den Commonwealth-Staaten einen nach außen durch Zölle und Importquoten abgeriegelten Handelsblock. Damit war ein Handelskrieg eröffnet, der den Welthandel kollabieren ließ.
Erst der neue US-Präsident Franklin D. Roosevelt kehrte ab 1933 zum Freihandel zurück und erzwang später auch eine Öffnung des britischen Marktes. Die Erfahrung der großen Not, die aus diesem Handelskrieg entstand, führte nach dem Zweiten Weltkrieg zum Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags, des Gatt (General Agreement of Tariffs and Trade), der 1948 in Kraft trat. Zölle wurden erlaubt, aber nur in gewissen Grenzen und nach bestimmten Regeln der Gleichbehandlung. Die meisten anderen Handelsbeschränkungen wurden verboten. 1994 entstand die Welthandelsorganisation (WTO) mit Sitz in Genf und 153 Mitgliedern, deren Aufgabe es eigentlich ist, gefährliche protektionistische Sandkastenspiele zu verhindern.
Wie du mir, so ich dir
Als die USA vor einigen Monaten in ihrem Konjunkturpaket eine umstrittene Buy-American-Klausel aufnahm, attackierte China dies scharf. Jetzt gab die Regierung die Order aus, für staatsfinanzierte Projekte in China hergestellte Produkte zu verwenden. Für den Einsatz importierter Ware ist nun eine offizielle Erlaubnis notwendig.
Wie schon in der letzten großen Weltwirtschaftskrise sind damit Konflikte unter den Handelspartnern vorprogrammiert. China stützt aktuell seine Wirtschaft mit einem riesigen Konjunkturprogramm von etwa 600 Milliarden USD, das jedoch wirkungslos verpuffen wird, wenn der Welthandel nicht wieder stärker in Gang kommt. Der freie Handel ist für die chinesische Wirtschaft von fundamentaler Bedeutung und protektionistische Gegenmaßnahmen von den USA oder Europa dürften auch der chinesischen Wirtschaft schwer zusetzen.
Die "Wie du mir, so ich dir"-Strategie dürfte sich somit für China sehr schnell als Boomerang herausstellen. Wer am meisten unter einem protektionistischen Kurs zu leider haben wird, sind jedoch die Exportnationen Deutschland und Japan. Noch haben wir zwar keinen Handelskrieg wie in den 30er Jahren, doch durch die steuernden Eingriffe der Regierungen, vor allem durch Bailouts und riesigen Konjunkturprogramme, steuern wir direkt darauf zu.
Protektionismus verhindert Innovationen
Anders als es die G20-Staaten versprochen hatten, greift mittlerweile ein neuer Protektionismus um sich, wie folgende Beispiele zeigen: Russland schützt die heimische Autoproduktion, Indien seine Stahlindustrie, Indonesien wickelt Importe nur noch über fünf Häfen ab, die EU subventioniert wieder den Export von Milchprodukten, die USA antworten mit Strafzöllen auf französischen Käse und italienisches Mineralwasser.
Die großen Industrienationen scheinen immer mehr Angst zu bekommen, dass ihre Konjunkturprogramme mehr dem Ausland als dem Inland nützen. Deshalb setzten sie vermehrt auf eine Politik der Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der heimischen Produktion. Gerechtfertigt wird dies mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen, die Vermeidung von Anpassungshärten strukturellen Wandels oder dem Schutz vor unfairem Wettbewerb. In Wahrheit ist Protektionismus jedoch nichts anderes als Innovationsverhinderung, weil Schutzzölle, Import-Quoten, Import-Lizenzen oder Kontingentierung den notwendigen Strukturwandel nur unnötig hinauszögern.
Strukturwandel ist aber notwendig, wenn es neue Wachstumsimpulse in der Wirtschaft geben soll. Wer das Alte bewahren will, wird letztendlich nicht gestärkt sondern geschwächt aus der Krise hervorgehen. Protektionismus hat jedoch noch einen zweiten, sehr gefährlichen Nebeneffekt, der nicht ignoriert werden sollte. Er wird deflationäre Tendenzen verstärken, d.h. weitere Marktbereinigungen an den Finanzmärkten dürften deshalb sehr heftig ausfallen.
Quelle : http://www.heise.de/tp/ (http://www.heise.de/tp/)
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Die Magna-Lösung für Opel wackelt. General Motors teilt plötzlich mit, der Ausgang des Bieterverfahrens sei offen. Andere potentielle Investoren könnten damit doch noch zum Zuge kommen - der chinesische Autokonzern BAIC prüft jetzt intensiv die Bücher des Unternehmens.
Frankfurt am Main - Es sah nach einer Lösung aus - doch in Wahrheit ist noch nichts geklärt. Die Übernahme von Opel durch den österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna ist wieder offen. Laut einem Pressebericht läuft der Bieterkampf um das deutsche Traditionsunternehmen keineswegs geradlinig auf Magna zu.
"Wir sprechen mit verschiedenen Bietern", sagte ein Sprecher der ehemaligen Opel-Mutter General Motors (GM) dem "Handelsblatt". "Der Ausgang ist offen." Fakt ist: Zwischen GM und Magna existiert bisher nur eine Absichtserklärung. "Dieses Memorandum of Understanding besitzt keine rechtliche Bindung", sagte auch der Vorsitzende des Opel-Treuhänderbeirats, Fred Irwin, der Zeitung. "Allen Interessenten stehen die gleichen Informationsrechte zu", betonte er.
Mit anderen Worten: Auch andere Bieter sind noch im Rennen. Der Opel-Treuhandrat möchte sich offenbar alle Angebote genau anschauen - nicht nur das von Magna.
Ein möglicher Kandidat ist der chinesische Autokonzern BAIC. Das Unternehmen lässt sich dem Bericht zufolge in dieser Woche von Opel-Managern die Situation des Rüsselsheimer Unternehmens erläutern. Außerdem haben die Chinesen demnach - ebenso wie der Finanzinvestor Ripplewood - die Erlaubnis bekommen, die Opel-Bücher einzusehen.
Treuhandchef Irwin sagte explizit, weitere Bieter seien willkommen. Am Ende werde nicht nach politischen Gesichtspunkten entschieden. "Wir sind rein kaufmännischen Kriterien verpflichtet."
Opel befindet sich derzeit zu 65 Prozent im Besitz der Treuhand-Gesellschaft. Dadurch kann das Unternehmen aus der Insolvenzmasse des GM-Konzerns herausgehalten werden. GM bleibt mit 35 Prozent an Opel beteiligt.
Magna möchte zusammen mit der russischen Sberbank 55 Prozent von der Treuhand übernehmen, zehn Prozent sollen an Händler und Mitarbeiter gehen. In einer Vorentscheidung waren die Opel-Interessenten Fiat und Ripplewood zunächst ausgeschieden, alles schien auf Magna und die Sberbank hinzudeuten.
Doch nun wird klar: GM strebt mindestens zwei ernsthafte Angebote an. Dies sei in Verhandlungskreisen zu hören, schreibt das "Handelsblatt". Alle hätten die gleichen Rechte, Magna besitze lediglich einen zeitlichen Vorsprung.
Wirtschaftlich lief es bei Opel zuletzt besser als befürchtet, vor allem dank der deutschen Abwrackprämie. Laut "Handelsblatt" konnte Opel ein Liquiditätspolster in niedriger einstelliger Millionenhöhe ansammeln.
Quelle : www.spiegel.de (http://www.spiegel.de)
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310 Milliarden Euro neue Kredite bis 2013 - so tief hat sich die Bundesrepublik nie zuvor in Schulden gestürzt: Die Regierung hat den Haushaltsplan für die kommenden Jahre verabschiedet. Finanzminister Steinbrück fordert eine Strategie, um die Belastung schnellstmöglich wieder zu reduzieren.
Berlin - Das Bundeskabinett hat den Entwurf für den größten Schuldenhaushalt in der bundesdeutschen Geschichte beschlossen. Die Regierung verabschiedete am Mittwoch nach Angaben aus Regierungskreisen den Entwurf von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) für den Bundeshaushalt 2010, der mit 86,1 Milliarden Euro an neuen Krediten den bisherigen Schuldenrekord aus dem Jahr 1996 von rund 40 Milliarden Euro um mehr als das Doppelte übertrifft.
Die endgültige Summe ist aber offen: So könnte die Kreditaufnahme am Ende auch bei mehr als hundert Milliarden Euro liegen, wenn Kosten aus dem Konjunkturpaket und dem Bankenrettungsfonds Soffin zu Buche schlagen.
Grund für die Rekordschulden ist die tiefste Rezession in Deutschland seit mehr als 60 Jahren. Diese schlägt sich mit Einbrüchen bei den Steuereinnahmen und steigenden Ausgaben für die zunehmende Arbeitslosigkeit nieder. Auch in den Jahren bis 2013 rechnet Steinbrück mit einer nur langsam rückläufigen Neuverschuldung. Insgesamt sollen in dem Zeitraum neue Schulden von 310 Milliarden Euro auflaufen.
Steinbrücks Haushaltspläne haben allerdings nur begrenzte Bedeutung. Nach der Bundestagswahl im September wird eine neue Bundesregierung sie vermutlich umfassend überarbeiten.
Die gesamte Staatsverschuldung steigt wegen der Rezession ebenfalls auf einen Rekordwert - und nähert sich der Marke von 1600 Milliarden Euro. Allein der Bund hatte Ende März Verbindlichkeiten von knapp 964 Milliarden Euro.
Verteilt man die gesamten 1,6 Billionen Euro auf alle Bundesbürger, ergibt sich nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler eine Pro-Kopf-Verschuldung von 19.277 Euro. Weil der Bund im kommenden Jahr nochmals frische Kredite von 86,1 Milliarden Euro aufnimmt, wird allein dadurch jeder Bürger mit über tausend Euro neuen Schulden belastet.
Steinbrück verteidigte das beispiellose Ausmaß der Schuldenaufnahme als alternativlos. Dieses Niveau sei einmalig und werde es hoffentlich auch bleiben, sagte er im Deutschlandfunk. Die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten zwinge die Bundesregierung dazu, "einfach antizyklisch dagegen anzufinanzieren über Maßnahmen, die hoffentlich den Arbeitmarkt stabilisieren und das Wachstum wieder ankurbeln", sagte er. Das könne man derzeit nur über neue Kredite machen. Alles andere, etwa Ausgabenkürzungen oder höhere Steuern, würde die Krise nur noch verschärfen.
"Finanzpolitische Mammutaufgabe"
Noch vor der entscheidenden Kabinettsrunde hatte Steinbrück vor harten Zeiten gewarnt. Angesichts der gigantischen Neuverschuldung stehe die kommende Bundesregierung vor einer "finanzpolitischen Mammutaufgabe". Die neue Regierung werde sich ganz darauf konzentrieren müssen, die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen und wieder zu einem stabilen Haushalt zurückzukehren, sagte Steinbrück dem "Tagesspiegel".
In den folgenden Jahren bleiben die Schulden aber vorerst hoch. Laut mittelfristiger Finanzplanung wird der Bund 71,1 Milliarden Euro im Jahr 2011 aufnehmen, 2012 werden es rund 58,7 Milliarden sein und 2013 dann 45,9 Milliarden Euro. Steinbrück zufolge wäre es durchaus ein Erfolg, "wenn wir die Schuldenaufnahme bis 2013 auf rund 40 Milliarden Euro zurückführen".
An Ausgaben sind 2010 laut dem Entwurf 327,7 Milliarden Euro vorgesehen. Das sind knapp 24 Milliarden Euro oder gut acht Prozent mehr als im aktuellen Haushalt. Hauptgrund für dieses kräftige Plus ist ein zinsloses Bundesdarlehen an die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 20 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2013 sollen die Ausgaben des Bundes dann wieder schrittweise auf 313,5 Milliarden Euro sinken.
Damit ist klar: In den kommenden Jahren kommt auf die Bürger ein hartes Sparprogramm zu. So sehen die Pläne von 2011 bis 2013 pauschale, noch nicht näher erläuterte Kürzungen von bis zu 37 Milliarden Euro vor, um die Schuldenbremse einzuhalten. Diese verpflichtet den Bund von 2011 an, die Neuverschuldung schrittweise zurückzuführen. Von 2016 an darf er sich in "Normalzeiten" nur mit 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschulden - das wären aktuell etwa 8,5 Milliarden Euro.
Verstoß gegen Maastricht-Kriterien
Um die Vorgabe zu erfüllen, müssen 2011 fast fünf Milliarden, 2012 rund elf Milliarden und 2013 mehr als 18 Milliarden Euro "erwirtschaftet" werden. Diese "Globale Minderausgabe" (GMA) müssen alle Ressorts über Einnahmen oder Ausgaben erbringen - wie genau, muss das nächste Regierungsbündnis ab Herbst entscheiden.
Steinbrück rechnet damit, dass die EU spätestens Anfang 2010 ein Defizitverfahren gegen Deutschland auf den Weg bringen wird. "Dann werden wir erklären müssen, wie wir auf drei Prozent zurückkommen werden", sagte der Minister der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Auf Basis der aktuellen Konjunkturprognosen sei damit erst 2013 oder 2014 zu rechnen.
Der Euro-Stabilitätspakt erlaubt eine Neuverschuldung von maximal drei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Angesichts der höheren Kreditaufnahme dürfte Deutschland diese Grenze übertreten. Die EU-Finanzminister vereinbarten aber bereits im vergangenen Jahr, wegen der Krise den Stabilitätspakt flexibler zu handhaben.
Mit Blick auf die prekäre Finanzlage streitet die Politik über Steuersenkungen. FDP und CSU fordern diese - die SPD sieht dafür hingegen keinen Spielraum. Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, Klaus Zimmermann, kritisierte angesichts der wachsenden Staatsverschuldung die Ankündigung von Steuersenkungen in den Wahlprogrammen der Parteien. "Ich frage mich, warum die Politik nicht mehr Ehrlichkeit an den Tag legt", sagte Zimmermann dem "Münchner Merkur".
Mehrheit der Deutschen ist für Steuersenkungen
Die Deutschen selbst sehen das anders. 59 Prozent der Bürger würden es begrüßen, wenn nach der Bundestagswahl die Lohn- und Einkommensteuer gesenkt würde. 32 Prozent sind dagegen. Dies geht aus einer Umfrage des Forsa-Instituts für den "Stern" und RTL hervor.
Am stärksten treten die Anhänger der FDP für niedrigere Steuern ein (72 Prozent). Bei den Wählern der SPD wünschen dies 65 Prozent, in der Linkspartei sind es 59 Prozent. Unter den Unionsanhängern ist nur rund jeder Zweite dafür (51 Prozent). Bei den Grünen lehnt die Mehrheit (49 Prozent zu 43 Prozent) sogar derzeit eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer ab.
Insgesamt sehen die Menschen in Deutschland die Konjunkturaussichten wieder optimistischer. Erstmals seit Juli 2007 erwarten mehr Bürger eine positive Entwicklung der Wirtschaft als eine schlechte, ergab die Umfrage. Demnach sind jetzt 39 Prozent der Deutschen der Ansicht, es werde wirtschaftlich bergauf gehen. 37 Prozent befürchten eine Verschlechterung. Eine Woche zuvor waren die Deutschen noch mehrheitlich pessimistisch eingestellt (38 Prozent optimistisch, 40 Prozent pessimistisch). Noch krasser war das Verhältnis Anfang des Jahres: Damals sah fast jeder zweite Bürger (48 Prozent) schwarz für die Zukunft, nur rund ein Viertel (27 Prozent) rechnete mit einer Verbesserung der Lage.
Quelle : www.spiegel.de (http://www.spiegel.de)
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Insolvenzverwalter und Kreditexperten schlagen Alarm: Nach dem Kreditversicherer Euler Hermes warnen auch die Experten von Creditreform vor einer Kreditklemme. In der Folge der zwangsläufigen Pleitewelle könnten mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze verloren gehen.
Düsseldorf - Hunderttausende Beschäftigte müssen in diesem Jahr um ihren Arbeitsplatz bangen. Angesichts der zunehmenden Firmenpleiten seien allein in diesem Jahr 540.000 Jobs gefährdet, schätzt Creditreform. Bislang war die Wirtschaftsauskunftei noch von 510.000 bedrohten Stellen ausgegangen.
"Die schwere Wirtschaftskrise zieht immer mehr deutschen Unternehmen den Boden unter den Füßen weg", sagte Creditrefom-Vorstand Helmut Rödl am Donnerstag in Düsseldorf. "Falls die Konjunktur bis zum Herbst nicht anspringt, ist eine Entlassungswelle zu befürchten."
Die ersten Ausläufer seien bereits im ersten Halbjahr 2009 sichtbar geworden: 16.650 Firmen mussten bis heute einen Insolvenzantrag stellen - und damit gut 14 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Noch stärker nahm die Zahl der gefährdeten Arbeitsplätze zu: Mit 254.000 Stellen standen fast 55 Prozent mehr Stellen auf der Kippe als im ersten Halbjahr 2008. Dabei treffe es nicht nur Konzerne wie Arcandor und Qimonda, sondern auch viele Mittelständler.
Am Mittwoch hatte bereits die Kreditversicherung Euler Hermes vor einer dramatisch steigenden Zahl von Firmenpleiten gewarnt: Laut einer von dem Versicherer erhobenen Umfrage erwarten zwei von drei Insolvenzverwaltern, dass 2009 mehr Firmen in die Pleite rutschen als im bisherigen Rekordjahr 2003. Damals meldeten 39.320 Unternehmen Insolvenz an. Creditreform erwartet für das Gesamtjahr unverändert bis zu 35.000 Pleiten.
Für 2010 gebe es keine Entwarnung, sagte Rödl. Die Pleiten dürften dann um zehn Prozent zunehmen - was knapp unter 40.000 Insolvenzen entspreche.
Die Gründe für die Zunahme der Pleiten sind laut Creditreform vielfältig: Die Ertragslage der Firmen verschlechtere sich durch die Wirtschaftskrise, die Forderungsausfälle stiegen und die Eigenkapitaldecke vieler Firmen werde dünner, beklagte Rödl. Vor allem der Mittelstand sei betroffen. So leide bereits jeder dritte Mittelständler unter einer zu geringen Eigenkapitalquote. Und je weniger Eigenkapital eine Firma in den Büchern habe, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer Pleite.
Kritik übten die Wirtschaftsexperten zudem an den Banken: Für Firmen werde es immer schwerer, sich Kredite zu beschaffen. Trotz der deutlichen Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) hätten sich die Finanzierungsbedingungen nicht verbessert, sagte Rödl. Inzwischen beklage ein Sechstel der Unternehmen eine Kreditklemme - und damit doppelt so viele wie im Vorjahr.
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Neben erheblichen Kürzungen bei den Mieterstattungen für Hartz-IV-Empfänger wird auch über eine Fast-Verdreifachung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel nachgedacht
Nach Informationen der Bild-Zeitung planen führende Unionspolitiker eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes, der für Lebensmittel und Druckerzeugnisse gilt, von sieben auf 19 Prozent. Durch die zwangsweise höhere Konsumquote würde dies vor allem untere Einkommensgruppen treffen. Empfänger von Transferleistungen, welche die höheren Preise nicht über höhere Lohnforderungen ausgleichen können, wären in besonderer Weise von solch einer Verteuerung von Nahrung und Bildung betroffen.
Auf sie kommen bei einer Regierungsbeteiligung der Union aber möglicherweise noch wesentlich existenzbedrohendere Lasten zu: Dem Bericht zufolge soll der durch die Bankenkrise und diverse Unternehmenssubventionen stark belastete Haushalt nämlich unter anderem dadurch saniert werden, dass man Hartz-IV-Empfängern nicht mehr die tatsächlichen Unterkunftskosten, sondern nur mehr eine Pauschale zahlt. Bereits jetzt werden Langzeitarbeitslose zu Umzügen gezwungen, wenn sie in größeren oder teureren Wohnungen leben. Die Umstellung auf eine Pauschale hatte sehr wahrscheinlich zur Folge, dass vor allem in Großstädten die Obdachlosigkeit erheblich ansteigen würde.
Quelle : http://www.heise.de/tp/ (http://www.heise.de/tp/)
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Nach Informationen des "Handelsblatt" ist der finanzielle Spielraum von Opel größer als bislang gedacht: Das Unternehmen will den staatlichen 1,5 Milliarden-Kredit nicht komplett ausschöpfen. Die restliche Summe soll als Sicherheitspolster dienen.
Frankfurt/Main - Das Ringen um das Überleben des angeschlagenen Autobauers Opel ist noch nicht beendet, noch verhandelt das Konsortium um Magna mit General Motors und nach Aussage der beteiligten russischen Sberbank kann das Geschäft noch platzen.
Dennoch scheint die Finanzlage des Unternehmens weniger dramatisch zu sein, als es zunächst den Anschein erweckte. Wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf Unternehmenskreise berichtet, plant das Rüsselsheimer Unternehmen, den zugesagten staatlichen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro nicht vollständig auszuschöpfen. Etwa 300 Millionen Euro sollen als Sicherheitspolster dienen, falls sich die wirtschaftliche Situation in den kommenden Monaten noch verschlechtern sollte.
Dies habe Opel-Finanzchef Marco Molinari dem Opel-Aufsichtsrat auf einer regulären Sitzung als interne Finanzplanung am Freitag dargelegt, schreibt die Zeitung unter Verweis auf mehrere mit der Situation vertraute Personen. Demnach sehen die Pläne derzeit vor, nur rund 1,2 Milliarden Euro der staatlichen Finanzhilfe in Anspruch zu nehmen. Sprecher von Opel und GM wollten die Informationen nicht kommentieren.
Der Zeitdruck für eine Einigung auf einen neuen Investor ist dank der staatlichen Finanzspritze geringer als gedacht, heißt es in dem Bericht weiter. Ein Unternehmenssprecher wies Medienberichte zurück, wonach der Autobauer täglich bis zu sechs Millionen Euro verbrennen würde. Aber Aussagen von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), wonach Opel derzeit täglich rund drei Millionen US-Dollar verliere, sei intern nicht widersprochen worden.
Quelle : www.spiegel.de (http://www.spiegel.de)
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Bundesweiter Bildungsstreik der Schüler und Studenten, KiTa-Streiks der Erzieher und Eltern, Mitarbeiterstreiks bei EDS und demnächst bei der LTU. Das könnte in Zeiten der sozialen Unzufriedenheit vieler Bürgerinnen und Bürger weiter ausarten. Das zumindest befürchtet die Koalition und versucht sich schon im Vorfeld auf soziale Brandherde einzustellen.
Vor allem links orientierte Parteien und die unterschiedlichen Gewerkschaften rufen seit einigen Wochen zum gewaltlosen Protest auf. Die seit längerer Zeit anhaltende Finanzkrise ohne jegliche Symptome, dass jemand in den Reihen von Wirtschaft oder Politik etwas daraus gelernt hat, verschärft noch die Wut der Menschen auf der Straße. Dazu kommt der steigende Benzinpreis, die ungünstige Preisentwicklung vieler Waren und Dienstleistungen, die wachsende Arbeitslosigkeit und der anschwellende Fremdenhass in Deutschland.
Die Bundesregierung zumindest scheint die wachsende Bedrohung ernst zu nehmen. Der Geheimdienst- und Terrorismusexperte Udo Ulfkotte behauptet, in Berlin hätte man bereits erste Pläne in petto, wie man mit derartigen sozialen Brandherden umgehen kann, sofern die Lage ähnlich wie in Frankreich eskalieren sollte. Die Vordenker der Koalition halten gewalttätige Auseinandersetzungen in den nächsten Monaten für durchaus möglich. Dabei werden auch exakt die Stadtteile benannt, wo es zuerst zu Ausbrüchen kommen könnte.
Nomen est omen: Der "Atlas der Wut" beinhaltet eine Liste mit 165 Stadtteilen und Bezirken, wo in den nächsten Monaten mit Aufständen gerechnet wird. So seien Straßenkämpfe im Ruhrgebiet, zahlreichen problematischen Stadtteilen in Hamburg, Bremen, Berlin, Frankfurt, München und Hannover möglich. Von der Prognose sind aber auch die neuen Bundesländer nicht ausgenommen. Die betroffenen Stadtteile seiner eigenen Heimatstadt herauszufinden dürfte nicht schwer sein. Es sind die Landstriche, wo auffallend viele sozial Schwache und viele unterschiedliche ethnische Bevölkerungsgruppen gemeinsam auf engstem Raum leben. Der Staatsschutz und Verfassungsschutz würde diese Bereiche bereits intensiv in Hinblick auf jegliche Vorzeichen in Richtung gewalttätiger Ausschreitungen beobachten. Offensichtlich möchte man sich nicht von den Ereignissen überraschen oder gar überrollen lassen.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch, ob die Soldaten der Bundeswehr in Notsituationen tatsächlich unterstützend eingreifen werden. Letzten Herbst hatte die Bundesregierung das Grundgesetz diesbezüglich derartig aufgeweicht, dass der Einsatz des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr bei "besonders schweren Unglücksfällen" erlaubt ist. Sollte es zu revolteähnlichen Ausuferungen der Gewalt kommen, so dürfte dies zu einem solchen Unglücksfall gezählt werden.
Trotzdem. Das alles sollte kein Grund für Panik sein. Es zeigt dennoch, dass sich die Mitglieder der Regierung bereits auf alle Eventualitäten vorbereitet haben. Und ganz ohne die Unzufriedenheit vieler Bundesbürger gäbe es überhaupt keinen Grund für derartige Überlegungen.
Manch einer hat sich gefragt, was man Sinnvolles mit dem Geld hätte anstellen können, was in den letzten Monaten in die maroden Banken investiert wurde. Die Bekämpfung der Symptome anstatt der Ursachen ist scheinbar erneut in den Vordergrund getreten. In dem Zusammenhang erscheint auch die Grundgesetzänderung in einem ganz anderen Licht. Ging es, wie Schäuble sagte, wirklich vorrangig darum, die bisherigen Unklarheiten des Grundgesetzes zu beseitigen und die Gesetzgebung zu konkretisieren?
Warten wir also gespannt ab, ob ausgerechnet Soldaten für die Deeskalation sozialer Unruhen die geeigneten Kandidaten sind.
Quelle : www.gulli.com (http://www.gulli.com)
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Das ist dann wohl die nächste Stufe der Eskalation im Klassenkampf von oben.
In letzter Zeit wurden ernstgemeinte Diskussionen zu Themen wie G€ntrifikati0n schon systematisch in die Terrorismus-Ecke gedrängt, Verwender dieses Begriffes von den Staats"schützern" intensiv überwacht und teils aktiv verfolgt.
Nun scheint es, man wolle denen, die sich nicht klaglos den antisozialen Fehlentwicklungen beugen, gleich den Krieg erklären.
Ist unsere Verfassung noch das Papier wert, auf dem sie gedruckt ist?
Ist der Gipfel der Brutalisierung des Kapitalismus noch zu verhindern?
Oder dürfen wir uns demnächst in eine Reihe mit Russland, Rotchina, Iran und Nordkorea stellen?
Mit Panzern und Maschinengewehren gegen Demonstranten?
Die wahren Verfassungsfeinde sitzen in hohen Ämtern.
Wie schon am Ende der Weimarer Republik.
Und wieder wird später niemand etwas gewusst haben wollen...
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Die deutsche Wirtschaft hat aufgehört zu schrumpfen. Zu diesem Schluss kommen laut dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" die Konjunkturexperten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi). In einer internen Schnellschätzung für das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2009 errechneten sie eine schwarze Null. Damit gelte die Rezession als beendet. Sie war die bislang schwerste in der Geschichte der Bundesrepublik; seit dem zweiten Quartal 2008 schrumpfte die deutsche Wirtschaft. Den Berechnungen liegen die Zahlen der Monate April und Mai dieses Jahres zugrunde, für den Juni behilft sich das Ministerium mit Plausibilitätsannahmen. Die offiziellen Wachstumszahlen des zweiten Quartals wird das Statistische Bundesamt im August veröffentlichen.
Wichtige Kennziffern legten unerwartet zu. So nahm der Auftragseingang im Mai gegenüber dem Vormonat um 4,4 Prozent zu, die Industrieproduktion sogar um 5,1 Prozent. Einen derart deutlichen Anstieg hatten die Mitarbeiter von Ressortchef Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in ihrer letzten Prognose nicht angenommen.
Die Entwicklung könnte dazu führen, dass die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose für 2009 von minus sechs Prozent nach oben korrigiert. Dennoch rechnet das BMWi nicht mit einer kräftigen Erholung. Vielmehr werde das Wachstum nun langsam Tritt fassen und sich erst im Laufe der Zeit beschleunigen. Zugleich drohe die Gefahr neuer Rückschläge. So könnte der absehbare Anstieg der Arbeitslosigkeit gegen Ende des Jahres zum Einbruch des Konsums führen und so neue Verunsicherung schaffen.
Quelle : www.heise.de (http://www.heise.de)
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Die Krise belastet die öffentlichen Kassen offenbar weitaus stärker als bislang bekannt. Allein für Arbeitsmarkt-Ausgaben fehlen dem Bund einem Bericht zufolge fast 100 Milliarden Euro bis 2013. Das Finanzministerium meldet außerdem einen beispiellosen Einbruch der Steuereinnahmen.
Berlin - Die Krise macht sich bemerkbar: Die Ausgaben für die steigende Arbeitslosigkeit im Bundeshaushalt fallen 2009 bis 2013 um fast 100 Milliarden Euro höher aus als ursprünglich geplant. Das berichtet das "Handelsblatt" unter Berufung auf ein Zahlentableau, das der neuen mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung zugrunde liege. Bereits 2010 werde das Bundesfinanzministerium danach insgesamt 30 Milliarden Euro zusätzlich für die Kosten der Arbeitslosigkeit aufbringen müssen.
Der Grund für die wachsenden Belastungen ist die in Folge der Weltwirtschaftskrise steigende Arbeitslosigkeit. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) benötige den Daten zufolge bis 2013 insgesamt 52,4 Milliarden Euro mehr Geld aus dem Bundeshaushalt als noch vor dem Einbruch der Konjunktur kalkuliert. Zugleich stiegen auch die Ausgaben des Bundes für das Hartz-IV-System nach neuer Planung um insgesamt 46,4 Milliarden Euro bis 2013 an.
Steuereinnahmen brechen ein
Allerdings treffen die Mehrausgaben nicht nur den Bund: Zusätzliche Milliarden-Lasten kämen auch auf die Kommunen zu, die den Großteil der Wohnkosten der Hartz-IV-Bezieher bezahlen. Nach Hochrechnungen auf Basis der Planzahlen für den Bund ergäben sich für die Kommunen bis 2013 Mehrausgaben zwischen 12 und 18 Milliarden Euro, berichtet das Blatt.
Doch damit nicht genug: Gleichzeitig sind auch die Steuereinnahmen deutlich eingebrochen. Im Juni nahmen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und seine Länderkollegen 8,8 Prozent weniger Steuern ein als im Vorjahresmonat, wie das "Handelsblatt" aus dem Bundesfinanzministerium erfahren hat. Dies sei ein "beispielloser" Einbruch. Demnach sank das Aufkommen aus der Körperschaftsteuer um mehr als die Hälfte auf rund 2,5 Milliarden Euro. Die Kurzarbeit habe bei der Lohnsteuer zu einem Minus von 5,2 Prozent geführt. Einzig nennenswerte Stütze der Staatseinnahmen sei die Umsatzsteuer mit einem Zuwachs um 1,6 Prozent gewesen.
Tatsächlich dürfte der Einbruch bei den Steuereinnahmen dem Blatt zufolge noch größer ausfallen. Die von den Kommunen erhobene Gewerbesteuer werde gesondert erfasst und erst mit mehren Monaten Verzögerung veröffentlicht. Möglicherweise könnte die Steuerschätzung "noch zu optimistisch" gewesen sein, hieß es demnach in Steuerschätzerkreisen - im Mai hatte der Arbeitskreis Steuerschätzung einen Rückgang der Einnahmen um gut sechs Prozent in diesem und weitere gut drei Prozent im nächsten Jahr vorhergesagt. Dieser führt dazu, dass das Staatsdefizit 2010 auf rund sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen wird; EU-weit zulässig sind höchstens drei Prozent.
Der Juni ist laut dem "Handelsblatt" einer der vier Monate im Jahr, in denen die Wirtschaft ihre Steuervorauszahlungen leistet. Im letzten Monat eines Quartals seien die Einnahmen daher normalerweise etwa 1,5- bis zweimal so hoch wie in den übrigen Monaten. Diesmal würden die gewinnabhängigen Steuern allerdings auf breiter Front einbrechen. "Das Körperschaftsteueraufkommen sank um mehr als die Hälfte. Statt wie im Vorjahr gut fünf Milliarden Euro überwiesen die Kapitalgesellschaft im Juni nur noch rund 2,5 Milliarden. Euro an den Fiskus", schreibt die Zeitung.
Quelle : www.spiegel.de (http://www.spiegel.de)
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Das Geld für die staatliche Abwrackprämie reicht voraussichtlich doch länger als zuletzt angenommen. Bis der Fördertopf von 5 Milliarden Euro aufgebraucht ist, können nach den heute aktualisierten Zahlen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn noch 411.700 Prämien (Stand: 16. Juli 2009) ausgezahlt werden.
Noch am Vortag war das BAFA in seiner arbeitstäglich aktualisierten Fördermittelübersicht von lediglich knapp 230.000 möglichen Anträgen ausgegangen. Viele Autokäufer hätten sich die Prämie aber doppelt reserviert, sagte ein BAFA-Sprecher gegenüber dpa und bestätigte damit einen Bericht der Bild-Zeitung.
Diese Doppelanträge seien nun durch einen Datenabgleich herausgefiltert worden. Noch immer gingen pro Tag etwa 8000 bis 9000 Anträge ein, sagte der Sprecher. Eine seriöse Prognose, wie lange die Prämie noch reiche, sei aber nicht möglich.
Die Bundesregierung hat insgesamt einen Betrag von 5 Milliarden Euro bereitgestellt, um der unter Absatzeinbrüchen leidenden Autobranche unter die Arme zu greifen. Dieses Volumen würde für maximal 2 Millionen Prämien zu je 2500 Euro reichen, doch sollten aus dem Fördertopf nach ursprünglicher Absicht der Bundesregierung auch die Verwaltungskosten der Behörde gedeckt werden.
Das BAFA beschäftigt zur Bearbeitung der Abwrack-Anträge zusätzliches Personal, hatte kurzfristig einen weiteren IT-Dienstleister zur Abwicklung des Ende März eingeführten Online-Reservierungsverfahrens beauftragt und hat jüngst einen Informationsfilm für verschrottungswillige Bürger produziert.
Politische Beobachter halten es aber für wahrscheinlich, dass doch der komplette Fördertopf für die Auszahlung von Abwrackprämien verwendet wird. Müssten daraus auch die Verwaltungskosten gedeckt werden, entstünde nämlich erstens das Problem, dass die Behörde noch vor Ende der Fördermaßnahme diese Kosten genau beziffern müsste. Dies erscheint zum Beispiel deshalb schwierig, weil mit der Abwrackprämie auch Beamte oder Festangestellte befasst sind, deren Gehälter genauso gezahlt werden müssten, als hätte es die Aktion "Umweltprämie" nie gegeben.
Zweitens fürchtet man in Teilen der öffentlichen Verwaltung und der Politik offenbar einen Präzedenzfall, in dem eine Behörde gezwungen wäre, die Kosten für eine bestimmte Verwaltungsaufgabe präzise beziffern zu müssen. Dies könnte wiederum Forderungen nach sich ziehen, auch die Effizienz anderer Behörden in Euro und Cent zu bemessen. Beim BAFA geht man offensichtlich davon aus, den kompletten Fördertopf unters Volk bringen zu können: In der Übersicht ergibt die Summe "eingereichter" und "noch möglicher Anträge" exakt 2 Millionen.
Quelle : www.heise.de (http://www.heise.de)
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Nach einer Aufstellung der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit haben im Februar 2009 117.566 Selbstständige ergänzende Leistungen nach Hartz IV erhalten. Im Dezember waren es noch 112.256. Im Verlauf von zwei Jahren hat sich damit die Zahl der „aufstockenden Selbstständigen“ verdoppelt, und der Trend setzt sich weiter fort.
Insgesamt gesehen sind rund 1,3 Millionen Erwerbstätige ihres geringen Einkommens wegen auf Aufstockung durch Leistungen nach Hartz IV angewiesen. 8,5 Prozent davon sind Selbstständige. Gut die Hälfte verdient mit dieser Tätigkeit weniger als 400 Euro pro Monat, knapp ein Viertel mehr als 800 Euro.
Dies zeige, dass immer mehr Selbstständige mit ihrem Einkommen nicht das Existenzminimum absichern könnten, betont die Bundesagentur. Gleichwohl hat sie im Dezember 2008 noch 12.800 Existenzgründer mit "Einstiegsgeldern" gefördert, allerdings 4.500 oder fast 26 Prozent weniger als im Dezember des Vorjahres. Im April 2009 erhielten nur noch 9.500 Personen ein Einstiegsgeld.
Quelle : www.heise.de (http://www.heise.de)
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Nach Informationen der Financial Times droht nach der Wahl eine Entlassungswelle.
Während die Regierung Hoffnung verbreitet, dass das Tal der Wirtschaftskrise wahrscheinlich bereits durchschritten sei, könnte für viele nach den Wahlen eine böse Überraschung anstehen. Nach Informationen der Financial Times soll es zwischen Regierung und Industrie ein Stillhalteabkommen geben, erst nach der Wahl Stellen abzubauen.
Bislang fördert die Regierung mit Milliarden Euro die Kurzarbeit, die, so heißt es, bislang vermieden habe, dass viele Menschen in die Arbeitslosigkeit rutschen. Versprochen wurde auch, dass damit den Unternehmen geholfen werde, ohne Entlassungen über die Krise zu kommen. Wenn es das Stillhalteabkommen wirklich geben sollte, dient es ebenso den Regierungsparteien, die Wahlen zu überleben, wie den Unternehmen, die auf eine Regierung unter der Führung der Union setzen.
Von mehreren Spitzenmanagern will die FTD erfahren haben, dass der Pakt, Massenentlassungen hinauszuschieben, bis zum Wahltag gelte. "Deutschland ist momentan vor Veränderungen sicher. Aber nach der Wahl wird sich die Botschaft ändern. Das ist ganz normal", sagte Hakan Samuelsson, Vorstandschef des Münchner Dax-Konzerns MAN der FTD. Besonders im Maschinenbau und in der Automobilindustrie bestünden Überkapazitäten. Die Wirtschaftszeitung will aber nicht der Überbringer schlechter Nachrichten sein, auch wenn der Titel des Artikels "Kahlschlag kommt nach der Wahl" anderes verheißt. "Top-Ökonomen" würden einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 5 Millionen bis 2011 ausschließen, der Aufschwung in der zweiten Hälfte des Jahres werde stärker als bislang erwartet ausfallen. Freilich wissen wir aus der jüngsten Vergangenheit, dass auch ein Aufschwung nicht bei jedem ankommen muss.
Futter dürfte die Nachricht, falls sie denn stimmen sollte, für die Oppositionsparteien sein. Es wäre ein Armutszeugnis, wenn die schwarzrote Regierung glaubt, sich mit solchen Tricks, die den Staatshaushalt noch weiter belasten, über den Wahltag retten zu müssen.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Sollte das stimmen, handelt es sich nur um eine neue Variante üblicher Vor-Wahl-Strategien.
Bisher war es üblich, kurz vor solchen Wahlen die Methoden der Statistik zu manipulieren, indem bestimmte Gruppen von Arbeitslosen vorübergehend oder gar nicht mehr mitgezählt wurden, wie z.B. Arbeitslose direkt nach Verlassen der Schule, Kranke, Teilnehmer an Kurzmassnahmen (drei Tage Internet-Führerschein o.ä.), Ein-Euro-Jobber, Nicht-Vorstände von Bedarfsgemeinschaften, Arbeitslose ohne Leistungsbezug usw.
Kurzarbeit Null gehört schon lange dazu. Formell wegen fehlender Verfügbarkeit für die Vermittlung...
Prinzipell gilt jedenfalls schon lange der Grundsatz, ein Tag im Monat raus, für den ganzen Monat nicht mitgezählt.
Bestimmt geht's dahingehend bald nach Quartalen...
Nun sind die Anforderungen für die Aufnahme in die Arbeitslosenstatistik inzwischen so hoch geworden, dass vermutlich über die Hälfte der tatsächlich arbeitslosen Bevölkerung nicht mehr mitgezählt wird.
Also braucht man neue Methoden zum vorübergehenden Beschönigen der Zahlen.
Das Stillhalten einiger grosser Arbeitgeber wird man allerdings kaum kostenlos bekommen. Wahrscheinlich werden die betroffenen Arbeitsplätze schon jetzt irgendwie subventioniert, auch wenn die Mittel u.U. erst nach der Wahl tatsächlich gebucht werden.
So ist es beispielsweise vor kurzer Zeit geschehen, dass ein mir bekannter Arbeitgeber für Neueinstellungen erhebliche Mittel der Arge als Eingliederungsbeihilfe erhalten hat, wovon die betroffenen Arbeitnehmer erst nach Ende der Förderung erfahren haben. Wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs...
BTW, es würde mich sehr wundern, wenn das Ergebnis der Opel-Verhandlungen noch vor der Wahl publik wird.
Welche Subventionen sind da eigentlich schon geflossen, ergebnisoffen sozusagen?
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Das globale Banken- und Börsenbeben hat die Weltwirtschaft tief erschüttert. Experten der Commerzbank haben jetzt die Kosten der Krise taxiert: Je Erdenbewohner beliefen sich die Belastungen demnach auf etwas mehr als 1500 Dollar.
Hamburg - Was kostet die Finanzkrise? Experten der Commerzbank haben jetzt versucht, auf diese Frage eine Antwort zu finden. Wie die "Welt" berichtet, kommen Ökonomen bei ihren Berechnungen auf eine Summe von 10.500 Milliarden Dollar (7300 Milliarden Euro). "Wir haben uns in der Finanzkrise zwar an hohe Summen gewöhnt, aber dieser Betrag ist einfach unglaublich", sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt des Geldkonzerns. Je Erdenbewohner beliefen sich die Kosten damit auf etwas mehr als 1500 Dollar.
Rund 1600 Milliarden Dollar Verlust entstanden danach bei Banken durch Abschreibungen und Pleiten. Die Wertverluste an Wohnimmobilien in den USA und Großbritannien, die besonders von der Immobilienkrise heimgesucht wurden, wurden mit insgesamt 4650 Milliarden veranschlagt. Der aus der Finanzkrise folgende Einbruch der Weltwirtschaft kostete in den beiden vergangenen Jahren zudem rund 4200 Milliarden Dollar. Die Volkswirte unterstellten dabei, dass die Weltwirtschaft ohne die Krise so stark gewachsen wäre wie im Durchschnitt der vorherigen Jahre.
Der deutschen Volkswirtschaft gingen nach den Berechnungen durch die Krise 237 Milliarden Dollar verloren: Auf 104 Milliarden beliefen sich allein die Abschreibungen deutscher Banken. Das niedrigere Wirtschaftswachstum 2008 und 2009 wird mit 133 Milliarden Dollar an Bruttoinlandsprodukt veranschlagt.
Obwohl die Kosten der Finanzkrise noch weiter steigen dürften, sehen die Commerzbanker Grund für Hoffnung. Denn inzwischen habe die Weltwirtschaft ihren Sturzflug beendet, sagte Krämer. Die Häuserpreise in den USA fielen nicht mehr, und die Banken hätten bereits frisches Kapital in Höhe von 1300 Milliarden Dollar aufgenommen. Die Krise sei nicht ausgestanden, jetzt ginge es aber um normale oder sogar abklingende Schmerzen.
Andere Experten errechnen indes noch höhere Verlustsummen. Wenn es um die Vernichtung von Vermögenswerten durch die Finanzkrise geht, kommt die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) in einer früheren Schätzung sogar auf die unglaubliche Summe von 50 Billionen Dollar (39,4 Billionen Euro).
Quelle : www.spiegel.de
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Scholz: Anstieg ja, aber Arbeitslose werden unter der Marke von 4 Millionen bleiben
Die Angst, dass die Arbeitslosenzahlen in den Wochen nach der Bundestagswahl deutlich in die Höhe schnellen werden, ist derzeit in vielen Gesprächen zu hören. Und unter dem Stichwort "Stillhalteabkommen" auch in sogenannten seriösen Wirtschaftspublikationen, die sich auf Spitzenmanager berufen, nachzulesen. Bundesarbeitsministers Scholz, der sich in einem Interview mit dem Spiegel, das heute von deutschen und französischen Medien zitiert wird, zu Aussichten auf den Arbeitsmarkt äußert, prophezeit zwar einen Anstieg - allerdings soll er "unter der Marke von vier Millionen bleiben".
Laut Handelsblatt bezeichnet Scholz Befürchtungen als "Unsinn", die unterstellen, dass sich die Arbeitgeber mit "Rücksicht auf die Wahl" mit Entlassungen zurückhalten würden - die dann aber später unweigerlich insbesondere Kurzarbeiter in einer "Kündigungswelle" treffen würden. Scholz gründet seine Einschätzung auf Eindrücke, die er bei Gesprächen "mit Personalchefs und Betriebsräten der wichtigsten Unternehmen" gewonnen habe. Zuversichtlich, was die Arbeitslosenzahlen betrifft, stimmte den Minister, der sich im Wahlkampf befindet, dass die Firmen einem drohenden Facharbeitermangel entgegensteuern müssten.
Ende Juli hatte die Bundesagentur für Arbeit 3,462 Millionen Arbeitslose gemeldet. Am Dienstag werden die Zahlen für August veröffentlicht.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Die Bundesagentur für Arbeit sieht nur vergleichsweise moderate Auswirkungen der Rezession auf die Zahl der Arbeitslosen, arbeitet dabei aber mit kleinen Berechnungstricks und praktiziert "positiv thinking" gegenüber größeren Risiken
Die Wirtschaftskrise hat sich auch im vergangenen Monat August auf den Arbeitsmarkt niedergeschlagen, meldet die Bundesagentur für Arbeit. Allerdings seien die Auswirkungen durch den Abschwung "vergleichsweise moderat".
3.472.000 Arbeitslose registriert die BA im August. Die Steigerung gegenüber dem Vormonat beträgt nach ihrer Statistik 9.000, das entspricht 0,1 Prozentpunkte. Die Arbeitslosenquote liegt damit bei 8,3 Prozent - im August 2008 lag sie bei 7,6 Prozent. In absoluten Zahlen sind das nach einem Jahr 276.000 Arbeitslose mehr. Eine Zahl, die nicht so milde daherkommt, wie die anderen aktuellen Signale des BA, wie zum Beispiel das, in der BA-Mitteilung weiter oben aufgeführte, Saisonbereinigungsverfahren, das für den August "praktisch keine Veränderung" (-1.000) errechnet. Bei diesem Fazit, das gleichbleibende Verhältnisse suggeriert, hat ein sogenannter "Sondereffekt" eine Rolle gespielt, wie die BA mitteilt (siehe im Artikel weiter unten).
Die moderaten Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf dem Arbeitsmarkt, welche jetzt von der BA ausgewiesen werden, mag man im Zusammenhang mit anderen positiven Chiffren, die zuletzt zur wirtschaftlichen Entwicklung veröffentlicht wurden, durchaus als Zuversicht einflößendes Zeichen einer Wende verstehen, die aus der Krise führt. Der Blick auf den Arbeitsmarkt ist ja bekanntlich ein banger und die Ängste groß, dass der Herbst nach der Wahl noch einmal ein düsteres Bild von den tatsächlichen Bedingungen auf den Arbeitsmarkt malen könnte. Diese nicht so zuversichtlich stimmende Möglichkeit deutet auch der Vorstandsvorsitzende der BA, Frank-J. Weise, an, allerdings positiv formuliert: "Vor allem Kurzarbeit stabilisiert den Arbeitsmarkt."
Die nicht ausgesprochene Konsequenz daraus ist, dass bei einer größeren Kündigungswelle von Kurzarbeitern dieser wichtige Stabilitätsfaktor wegfällt und die Arbeitslosenstatistik steil nach unten. Über genaue Daten zur "tatsächlichen Inanspruchnahme der Kurzarbeit" zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfügt die Bundesanstalt nicht. Die Zahlen etwa für das letzte Quartal, können nur geschätzt werden. Ende Juni waren es demnach "gut 1,4 Millionen Kurzarbeiter aus konjunkturellen Gründen". Im Juli gingen neue Anzeigen für 160.000 Kurzarbeiter aus konjunkturellen Gründen ein. Für August berichtet man von Schätzungen, die neue Anzeigen für konjunkturelle Kurzarbeit für weitere 110.000 bis 120.000 Personen "signalisieren". Die Abnahme gegenüber Juli kann damit erklärt werden, so die BA, dass Betriebe eine derartige Anzeige nur einmal machen, "mithin also interessierte Betriebe die Anzeige längst realisiert haben".
Anhand dieser Zahlen läßt sich das größere Ausmaß des Einbruchs vor Augen halten, mit dem der Arbeitsmarkt konfrontiert wäre, sollten die Firmen bei weiter schlechter Auftragslage wahrmachen, was manche Spitzenmanager aus der Industrie für die Zeit nach der Wahl unken: ein "Kahlschlag" bei den Arbeitsplätzen. Dann könnten auch diverse statistische Tricks nicht viel retuschieren, um aus einer negativen Statistik eine moderate zu machen.
Bei der aktuellen Statistik weist das BA darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit im August schon eine deutlichere Veränderung nach unten aufweisen würde: nämlich die (saisonbereinigte) Steigerung der Arbeitslosigkeit schätzungsweise um 25.000 - wenn ein "Sondereffekt" nicht berücksichtigt würde, der im Zusammenhang mit der "gesamten Entlastung durch Arbeitsmarktpolitik" als "dominant" bezeichnet wird. Dieser Sondereffekt wird nicht näher erläutert. Erwähnt wird lediglich, dass er bei der "Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente" eine Rolle gespielt habe. Vieles spricht dafür, dass es sich, wie heute eine Nachricht des Senders Bayern 5 nahelegt, um eine Änderung der Berechnungsmethode handelt, welche die Arbeitslosen, die von privaten Agenturen betreut werden, wegrechnet. (Update: Der Spiegel erklärt demgegenüber den Sondereffekt mit Personen, die "Trainingsmaßnahmen der BA absolvieren" und damit außerhalb der Statistik bleiben.)
In einer anderen Meldung von B5, die auch im Internet nachzulesen ist, wird BA-Chef Weise übrigens dahingehend zitiert, dass er "Spekulationen, wonach die Industrie mit der Bundesregierung bis zur Bundestagswahl ein Stillhalteabkommen geschlossen habe", für abwegig hält.
Ergänzung
Weises Prognose nach wird die Arbeitslosigkeit zwar steigen, aber nicht drastisch, sie werde bis zum Jahresende "ein ganzes Stück" unter der befürchteten Marke von vier Millionen liegen, gab der Vorstandsvorsitzende der BA heute bekannt. Auch für das kommende Jahr bleibt er zuversichtlich. Zwar erwartet er eine Steigerung, die nach den Szenarien der Arbeitsanstalt über vier Millionen liegen könnte, aber unter 5 Millionen bleibe. Als "gefährlichsten Monat" nannte er den Januar 2011.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Für die Nachzügler bleibt nur noch die Warteliste: Die Mittel für die staatliche Abwrackprämie sind aufgebraucht. Das für die Verteilung der Prämie zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gab am Vormittag auf seiner Internet-Seite das Ende der Aktion bekannt.
Eschborn - Es stehen "keine Mittel für die Umweltprämie mehr zur Verfügung", lautete die kurze Mitteilung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Die Förderbeträge seien aufgebraucht. Am Morgen hatte noch Geld für 4382 Anträge zur Verfügung gestanden.
Seit dem Wochenende hatte es noch einmal einen großen Ansturm auf die Prämie gegeben. Am Montagnachmittag hatte das Geld laut Bafa noch für 37.000 Anträge gereicht. Gestern Nachmittag waren noch knapp 16.000 Anträge möglich, wie das Bundesamt mitteilte. Üblich waren in den vergangenen Wochen laut Bafa 8000 bis 9000 Anträge pro Tag. Die Summe von 2500 Euro erhält, wer ein mindestens neun Jahre altes Auto verschrottet und dafür ein neues mit mindestens der Abgasnorm Euro 4 kauft.
Die im Zuge des Konjunkturpakets 2 beschlossene sogenannte Umweltprämie hat ein Volumen von fünf Milliarden Euro. Mit dieser Summe konnten knapp zwei Millionen Anträge finanziert werden. Die Bundesregierung hatte mehrfach deutlich gemacht, dass es weder eine Verlängerung der Prämie noch einen Ersatz geben solle. "Weitere Prämien können dann nicht mehr gewährt werden", schreibt das Bundesamt auf seiner Internetseite.
Kurz vor ihrem Auslaufen hatte die Abwrackprämie den deutschen Autoabsatz nochmals kräftig angeheizt. Mit rund 275.000 Neuzulassungen liege der Gesamtmarkt im August um 28 Prozent über dem Vorjahresmonat, teilte der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) am Mittwoch in Bad Homburg mit. VDIK-Präsident Volker Lange sagte, die Umweltprämie habe deutlich zur Belebung der privaten Nachfrage beigetragen: "Die Mehrzahl der Käufer, die die Umweltprämie beantragt haben, hätten sich ohne die Förderung nicht für einen Neuwagen entschieden." Er erwartet, dass der Schwung auch in nächster Zukunft anhält. "In den kommenden Wochen werden die Zuwächse im Pkw-Markt noch von den vorliegenden Auftragsbeständen positiv beeinflusst sein. " Mit der Ausschöpfung des Fördertopfs werde die Neuwagen-Nachfrage aber deutlich sinken.
Noch haben 15.000 weitere Autokäufer eine Chance, die Prämie zu erhalten. Das Bafa richtet eine Warteliste für Käufer ein, die zunächst leer ausgegangen sind und nachträglich noch Geld erhalten könnten. Die freiwerdenden Mittel werden in der Reihenfolge der gestellten Anträge ausgezahlt. Die Autokäufer kommen dann zum Zug, wenn das Amt Anträge anderer Autofahrer wegen formaler Mängel ablehnt.
Experten befürchten, dass durch das Vorziehen von Autokäufen wegen der Abwrackprämie im kommenden Jahr ein Absturz der Absatzzahlen drohen könnte. Von bis zu einer Million weniger verkauften Autos ist die Rede. In diesem Jahr dürfte der Absatz dank der staatlichen Hilfe auf 3,7 Millionen Fahrzeuge steigen.
Im Unterschied zu Deutschland will Frankreich bis ins Jahr 2011 hinein eine Abwrackprämie zahlen. Geplant sei ein schrittweises Abschmelzen der Prämie, bestätigte am Dienstag das Wirtschaftsministerium in Paris. Endgültig Schluss mit Zahlungen solle voraussichtlich erst im Jahr 2011 sein. Frankreich zahlt derzeit eine Verschrottungsprämie von 1000 Euro für Altautos. Der Minister für Wiederaufschwung, Patrick Devedjian, hatte kürzlich vorgeschlagen, sie zunächst auf 700 bis 800 Euro, später dann auf 400 Euro zu senken. Mit dem sanften Abschmelzen der Prämie soll ein Einbruch des Automarktes verhindert werden.
Allerdings ist die Abwrackprämie in Frankreich viel schmaler angelegt. Während in Deutschland insgesamt fünf Milliarden Euro für die Abwrackprämien von jeweils 2500 Euro zur Verfügung standen, plante Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde zuletzt mit Kosten in Höhe von 390 Millionen Euro für das französische Programm.
Quelle : www.spiegel.de
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Man nehme: Statistische Tricks, eine fantasievolle Bilanzführung, schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme und Billionen zur Generierung einer erneuten Spekulationsblase – und schon ist die Weltwirtschaftskrise scheinbar überwunden
Rechtzeitig vor der Bundestagswahl schreiben Deutschlands Meinungsmacher den "Exportweltmeister" aus der Rezession. Spiegel-Online sieht Deutschland bereits aus der Rezession wanken, das Handelsblatt bejubelt ein Wirtschaftswachstum von 0,3 % im zweiten Quartal 2009 und die Financial Times Deutschland diskutiert bereits darüber, wie "wir" die Krise besiegten. Auch in den Vereinigten Staaten sieht die amerikanische Notenbank Fed ein Ende der Rezession, da dort die Industrieproduktion im Juli um 0,5 % gegenüber dem Vormonat anstieg. Für das dritte Quartal dieses Jahres wird sogar ein Wachstum von drei bis vier Prozent erwartet.
Die FTD sieht die amerikanische Industrie sogar vor einem spektakulären Comeback, nachdem diese aggressiv Arbeitsplätze abgebaut und nun ihre Produktivität im Schnitt um über fünf % gegenüber dem ersten Quartal 2007 erhöht habe. Auf die Idee, dass es gerade die rasant steigende Produktivität der Industrie war (Explosionsartige Ausweitung der Finanzmärkte in der Clinton-Ära), die letztendlich zur Ausbildung des finanzmarktgetriebenen - und Spekulationsblasen generierenden - Kapitalismus in den letzte Jahrzehnten beitrug, kommen Finanzjournalisten selbstverständlich nicht. Selbst amerikanische Wirtschaftsmedien warnen derzeit vor den Auswirkungen eines "jobless growth", eines Wirtschaftswachstums ohne Arbeitsplatzwachstum, das nur kurzfristig aufrecht erhalten werden kann:
However, other recent reports are warning of a jobless recovery, which could result in lackluster growth in the coming quarters, especially with some 70 percent of the U.S. economy dependent on consumer spending.
Wenn überhaupt, so findet man erst auf den hinteren Zeitungsspalten Hinweise darauf, dass der Arbeitsplatzabbau noch weiter voranschreiten werde, oder dass Konjunkturrisiken noch fortbestehen. Keine einzige meinungsbildende deutsche Zeitung titelte beispielsweise, dass im selben Zeitraum, in dem eine Konjunkturerholung von 0,3 % gegenüber dem Vorquartal bejubelt wurde, Deutschlands BIP ebenfalls um 7,1 % fiel – zum Vorjahreszeitraum wohlgemerkt. Kein einziger deutscher Meinungsmacher hielt es für angebracht, seinen Lesern mitzuteilen, dass dies der stärkste Konjunktureinbruch in der deutschen Wirtschaftsgeschichte ist, der jemals im Jahresvergleich statistisch erfasst wurde. Inzwischen bleibt es engagierten Internetblocks wie beispielsweise dem wirtschaftquerschuss vorbehalten, darauf hinzuweisen, dass bei dieser "mehr als nur unkritischen Sichtweise" der Massenmedien ein "sehr schwaches Quartal bewusst in ein Rezessionsende umgedeutet" werde.
Das muntere Raten geht weiter
"Schönreden, schönfärben", kreative Buchführung und versagende Ratingagenturen hätten maßgeblich zur Verschärfung der Krise beigetragen, konstatiert der wirtschaftquerschuss. Haben wenigstens die letztgenannten ihre Lektion aus der Krise gelernt?
Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 28. Juli meldete, nimmt sich die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) "mehr Zeit" für die erneute Überprüfung ihres Bewertungsverfahrens, nachdem sie massiver Kritik aus der Finanzbranche ausgesetzt war. Die neuen Regeln waren den Emittenten der Wertpapiere einfach zu streng! Es drohten "Massen-Abstufungen" von Wertpapieren, die auch Schwergewichten wie der Europäischen Zentralbank "nicht willkommen" seien, wenn diese ihre Bestwertung von AAA verlieren sollen, berichtete die FAZ. Nochmal im Klartext: Die Ratingagenturen werden nun kritisiert, weil ihre neuen Bewertungskriterien zu streng sind!
Wie die auf Druck der Finanzbranche erneut überarbeiteten Bewertungsregeln aussehen werden, wird vielleicht anhand einer Episode aus dem vergangenen Juli ersichtlich. Nachdem S&P etliche Kreditverbriefungen für Gewerbeimmobilien (CMBS) auf die Note BBB- herabstufte, musste die Ratingagentur am 24. Juli nach massiver Kritik zurückrudern und diesen wiederum die Bestnote AAA vergeben. Anleger, die die von S&P herabgestuften CMBS zuvor gekauft hätten, seien "auf unfaire Art bestraft" worden, zitierte die FAZ einen Citigroup-Banker. Der CMBS-Markt hätte sich jüngst etwas erholt, weil Papiere mit hoher Bonität von Investoren im Rahmen eines staatlichen Kreditprogramms gekauft worden seien, so die FAZ weiter. Dieser Aufschwung sei nun in Gefahr.
Inzwischen ist auch klar, dass auch das grundsätzliche Geschäftsmodell der Agenturen unangetastet bleibt. Die Emittenten der Wertpapiere werden die Agenturen weiterhin für die Bewertung bezahlen. Gerade dieser Interessenkonflikt, in denen die Ratingagenturen geraten, wurde für die massenweise Überbewertung von Schrottpapieren während der Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt verantwortlich gemacht! Um den - vom Steuerzahler subventionierten - Handel mit all den toxischen "Wertpapieren" nicht zu gefährden, dürfen diese natürlich nicht entsprechend ihres Werts als Finanzmüll bewerten werden. Das Auftauchen der "eingefrorenen" Finanzmärkte kann nur vermittels systematischen Selbstbetrugs gelingen.
mehr ... (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31137/1.html)
Quelle : www.heise.de
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Wurde nach der seit den 1970er Jahren erfolgten gigantischen Aufschuldung nun ein Wendepunkt erreicht ab dem die globalen Schulden zurückgehen und die Weltwirtschaft nur noch stagniert?
Zweifellos ist die ökonomischen Zukunft der Welt ebenso ungeklärt wie beängstigend: Während einige den baldigen Untergang des globalen Finanzsystems voraussagen (Die Peta-Finanzbombe), sehen die Finanzmärkte die Krise offenbar bereits für überwunden an und sind zur normalen Tagesordnung übergegangen. Lässt man die aktuelle Hysterie jedoch einmal beiseite und wirft einen Blick auf die langfristigen Entwicklungen, dann drängt sich dem Autor dieser Zeilen eine Frage auf, die erstaunlicherweise sonst kaum gestellt wird: Gibt es so etwas wie einen "Peak-Debt", einen Punkt, an dem die weltweite Gesamtverschuldung ihr Maximum erreicht und daraufhin wieder absinkt? Wurde dieser historische Wendepunkt vielleicht sogar bereits erreicht oder nur noch durch eine massive Ausweitung der öffentlichen Schulden hinausgeschoben, und was wären die Konsequenzen?
Der Begriff "Peak-Debt", der einfach mit "Schuldenmaximum" übersetzt werden könnte, würde dann eine Zäsur von historischen Dimensionen darstellen und den Beginn einer neuen weltwirtschaftlichen Phase mit unbekannten Qualitäten einläuten. Er lehnt sich an den heftig umstrittenen Begriff des "Peak-Oil" an, der den Zeitpunkt angibt, an dem die weltweite Ölproduktion ihr absolutes Maximum erreichen soll. In Bezug auf Finanzschulden wird dieser Begriff gelegentlich bei der Analyse individueller Kredithistorien verwendet und benennt den Zeitpunkt mit dem maximalen Schuldenstand eines Unternehmens oder einer Privatperson.
Für Nationalstaaten entspricht "Peak-Debt" analog dazu einem oberen Wendepunkt in der Summe aus öffentlichen und privaten Schulden, die der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu entnehmen ist. Summiert man die Schuldenbilanzen der einzelnen Länder, erhält man folglich eine einzige Ziffer für die Gesamtverschuldung der Welt, deren oberer Wendepunkt eben mit Peak-Debt bezeichnet werden könnte.
Sollte dieser Punkt mit dem Ausbruch oder in Folge der Weltfinanzkrise erreicht werden, hätte der darauffolgende, weltweite Schuldenabbau wohl eine düstere Stagnationsphase zur Folge, die mit einschneidenden Veränderungen im Alltag der Menschen verbunden wäre.
Die Situation ist eigentlich ähnlich klar wie bei Peak-Oil: Da es für niemanden möglich ist, immer neue Schulden anzuhäufen und sie ungestört nicht zurückzuzahlen, müsste auch für die gesamte Welt gelegentlich ein Tag der Abrechnung kommen, ab dem nicht mehr weiter Aufgeschuldet werden kann, sondern getilgt werden muss. Ebenso beim Öl: Da es im Boden nur eine begrenzte Menge an Öl gibt, kann die Produktion nicht unendlich lange gesteigert werden sondern muss irgendwann ihr Maximum erreichen, was für die US-amerikanische Ölproduktion übrigens Anfang der 1970er Jahre der Fall war.
Doch beim Öl beispielsweise ist ungewiss, wie viel tatsächlich noch im Boden liegt und welche Methoden künftig angewandt werden können, um bislang unzugängliche Reserven zu nutzen. Noch dazu werden die Öl-Reserven üblicherweise in Abhängigkeit vom Ölpreis angegeben und nur jene gezählt, die zum aktuellen Ölpreis profitabel gefördert werden können. Folglich wachsen mit einem steigendem Ölpreis auch die ausgewiesenen Reserven, und umgekehrt, so dass die Streitereien auch unter den Experten längst kein Ende kennen.
Noch schwieriger dürften die Dinge bei einem Peak-Debt liegen, das in noch weit komplexere Zusammenhänge eingebettet ist. So ist beispielsweise nicht klar, welche Schuldenniveaus langfristig tatsächlich tragfähig sind oder wie sehr zusätzliche Schulden vielleicht zu zusätzlichem Wachstum führen und so vielleicht bezahlbar werden Immerhin wird die aggregierte Verschuldung eines Landes üblicherweise in Relation zum BIP berechnet, so dass die Schuldenquote abgebaut werden kann, wenn das Wirtschaftswachstum den Schuldenzuwachs übersteigt.
Darüber hinaus zeigt die Geschichte der Menschheit die Tendenz, dass übermäßige Verschuldung oft zu Aufständen und Revolutionen führt, denen meistens zuerst die Gläubiger zum Opfer fallen. Zudem bleibt die Methode der Inflationierung mit darauffolgender Währungsreform, bei der zumeist zumindest die öffentlichen Schulden auf Kosten der Gläubiger zuerst entwertet und dann wegreformiert werden. Auf globaler Ebene hat man es überdies mit einer Reihe von gleichzeitig ablaufenden und teilweise gegenläufigen Schuldendynamiken zu tun, was die Sinnhaftigkeit einer Gesamtsumme ein wenig einschränkt.
Letztlich sollte man auch nicht vergessen, dass alle diese Schulden irgendwo als Vermögen verbucht sind, so dass man den Peak-Debt auch unter dem Aspekt der Ungleichheit der Vermögensverteilung betrachten könnte.
Allerdings ist es für einzelne Staaten durchaus nicht ungewöhnlich, nach einer starken Schuldenexpansion gezwungen zu sein, die Schulden in einem langwierigen und einige Opfer fordernden Prozess abzubauen.
Peak-Debt bei einzelnen Ländern
Was geschieht wenn ein großes Industrieland einen Peak-Debt erreicht, zeigt etwa das Beispiel Japans, dessen Gesamtverschuldung im Jahr 1998 mit 345 Prozent des BIP einen Höhepunkt erreicht hatte. In der Folge hatte die Regierung ihren Schuldenanteil zwar von damals rund 80 Prozent auf mehr als 170 Prozent verdoppelt, insgesamt wurden die Schulden seither jedoch auf 283 Prozent des BIP reduziert. Dafür hatten Unternehmen und Konsumenten massive Sparmaßnahmen ergreifen und ihre Schulden auf 113 Prozent des BIP mehr als halbieren müssen, so dass die private Verschuldung inzwischen hinter die Staatsschulden zurückgefallen ist.
(http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31145/31145_1.jpg)
Wenn nun ein einzelnes Land von einer derartigen Schuldenkrise betroffen ist, wird es üblicherweise gezwungen, sich über innere Sparmaßnahmen und den Außenhandel zu sanieren. Denn da die heimische Währung in diesen Fällen gemeinhin entwertet wird, können ausländische Güter kaum noch bezahlt werden und die einheimische Produktion gewinnt am Weltmarkt an Konkurrenzfähigkeit. So kann der den Sparmaßnahmen zum Opfer gefallene privaten Konsum teilweise durch Export ersetzen werden, was etwa Schweden und Argentinien nach ihren Schuldenkrisen relativ rasch aus der Krise geholfen hat. Zwar hat auch Japan die Auswirkungen seiner schweren Finanzkrise durch Exporte lindern können, doch wurde hier der Weg gewählt, den privaten Konsum stark durch zunehmend unproduktive öffentliche Investitionen zu substituieren. Das hat offenbar dazu beigetragen, dass Japans strukturelle Probleme nur noch weiter verschärft wurden und der Staat seiner Verschuldungsgrenze inzwischen gefährlich nahe gekommen sein dürfte.
Folgen des letzten globalen Peak-Debt
Betrachtet man nun die globalen Entwicklungen, dann dürfte die Welt den letzten Peak-Debt am Ende des 2. Weltkriegs erlebt haben. Damals hatte die Welt eine mehr als zehnjährige Weltwirtschaftskrise und einen Weltkrieg hinter sich, der etwa die öffentlichen Schulden der USA auf rund 120 Prozent des BIP getrieben hatte. Nirgendwo in der Welt sah es viel besser aus. Allerdings hatten viele Menschen härteste Zeiten durchgemacht und wollten nun nichts anderes, als sich in Frieden mit Arbeit einen bescheidenen Wohlstand zu erarbeiten, zumindest lauten so die Mythen über die Aufbaugeneration. Jedenfalls bot die weitgehende Zerstörung der Welt enorm viel Raum für Aufbauarbeit, die auch durch eine Währungsreform ermöglicht wurde, bei der das britische Pfund seine Position als Weltleitwährung verlor und durch den US-Dollar ersetzt wurde.
Mit der Vereinbarung von Bretton Woods wurde der Dollar als Leitwährung etabliert, an den alle anderen Währungen durch fixe Wechselkurse gebunden waren. Gleichzeitig verpflichtete sich die US Notenbank Fed ihre Dollars stets zu einem festgelegten Wechselkurs in Gold zu tauschen, allerdings galt diese Umtauschverpflichtung nur gegenüber anderen Notenbanken. Diese Verpflichtung konnte die Fed überdies nur deshalb eingehen, weil die USA schon in den 1930er Jahren den Besitz von Gold verboten und die Vorräte eingezogen hatte. Außerdem waren den USA mit dem Sieg im 2. Weltkrieg auch die Goldvorräte Japans in die Hände gefallen, die dieses zuvor in einem beispiellosen Raubzug quer durch Asien angehäuft hatte.
(http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31145/31145_2.jpg)
Gesamtschulden der USA in Relation zum BIP. Grafik: Fed
Weltweit waren die Notenbanken nun zudem verpflichtet, abhängig von ihrem Geldumlauf Reserven in Gold oder ausländischen Währungen zu halten, was die Zentralbanken zur Beschränkung der umlaufenden Kredite zwang.
So lange die USA Exportüberschüsse erzielten und die heimische Inflation unter Kontrolle halten konnten, funktionierte das System auf globaler Ebene dann auch sehr gut. Die Schulden gingen weltweit stetig zurück und dennoch stieg der Lebensstandard wenigstens in den Industrieländern deutlich an und Länder wie Deutschland und Japan erlebten sogar ein "Wirtschaftswunder".
Anzeichen für einen historischen Wendepunkt
Um 1970 dürften die globale Verschuldung zwar ihren Tiefpunkt erreicht haben, nachdem Japan und Deutschland in den 1960er Jahren aber zu führenden Exportnationen aufgestiegen waren und die USA den Vietnamkrieg über eine weltweite Inflation finanzieren wollten, erwies sich das System als viel zu starr und unflexibel. Als die Spannungen 1971/72 zunehmend unerträglich wurden, hat man das System von Bretton Woods sang- und klanglos zu Grabe getragen.
Seither bestimmen die Finanzmärkte die Wechselkurse der westlichen Währungen und die systemimmanenten Kreditbeschränkungen entfielen. In der Folge setzte eine weltweite Kreditexpansion ein, die in mehreren Wellen bis heute andauert und die Gesamtverschuldungsniveaus vieler Länder inzwischen weit über den Peak-Debt von 1945 hinausgetragen hat.
Nun mehren sich freilich die Anzeichen für einen historischen Wendepunkt, an dem die Welt nach dem jahrzehntelangen Schuldenaufbau nun in eine Phase des globalen Schuldenabbaus übergehen könnte. Immerhin hat der Finanzcrash gezeigt, dass es jedenfalls den Finanzmärkten nicht möglich ist, das "Leverage" unbegrenzt zu steigern. Und so besteht selbst an der Wall Street nun kein Zweifel, dass die Verschuldung im Finanzsektor nun einige Zeit lang werde zurückgehen müssen . Tatsächlich erscheint das globale "Deleveraging" an den Finanzmärkten inzwischen zwar gebremst, aber nach wie vor in Gang zu sein, wobei selbst Wall-Street-Analysten dies noch für einige weitere Jahre prognostizieren.
Für die Realwirtschaft, also für die Unternehmen und die Konsumenten, dürfte der Finanzcrash zwei gegenläufige Schuldendynamiken initiiert haben. Zum einen kommt durch die Krise generell Sand ins wirtschaftliche Gefüge. Durch rückgängige Einkommen/Umsätze entstehen zwangsläufig viele Liquiditätslücken, die durch neue Kredite gedeckt werden müssen, um die bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen.
Umgekehrt verschärfen die Banken die Kreditstandards und sicherlich sinkt auch die Neigung der Unternehmen zu investieren bzw. jene der Konsumenten, auf Kredit zu konsumieren, was die private Kreditnachfrage drastisch reduziert haben dürfte. Insgesamt sollten die kontraktiven Elemente also bei weitem überwiegen, insbesondere da in der Industrie große Überkapazitäten bestehen und die Konsumenten im führenden Industrieland USA offenbar bereits an ihre Verschuldungsobergrenze gestoßen sind. Ob die bislang noch kaum verschuldeten Konsumenten in den Emerging Markets ihr verbliebenes Verschuldungspotential nun so weit ausnutzen, um die absehbare Stagnation in den reichen Ländern aufzufangen, darf angesichts der generell sehr geringen Einkommen in diesen Ländern und vor allem der vermutlich mangelnden Finanzierungsbereitschaft der dortigen Banken bezweifelt werden.
Jedenfalls ist klar, dass seit 2007/2008 einzig die öffentliche Verschuldung dafür verantwortlich ist, wenn die weltweite Gesamtverschuldung auch zuletzt noch angestiegen ist. Die Rekorddefizite, die in den führenden Industrieländern in diesem Jahr erreicht werden, gelten aber überall als vorübergehend und einmalig und können wohl kaum noch Jahre lang aufrechterhalten werden, da die Finanzierungsbereitschaft der Finanzmärkte bei weiter ansteigenden Defiziten wohl rasch an ihre Grenzen stoßen dürfte.
Spätestens dann wäre nach mehr als 60 Jahren ein neuer Peak-Debt mit unabsehbaren Folgen erreicht. Denn sicherlich würde es dann kaum einem Land möglich sein, die Schuldenkrise über den Außenhandel zu bewältigen. Ebenso erscheint unmöglich, sich durch starkes Wirtschaftswachstum von den Schulden zu befreien. In dieser Situation wären nicht nur flächendeckende Einkommensverluste zu erwarten, weil dann künftig ja der stärkste Wachstumsantrieb der letzten drei Jahrzehnte entfiele, nämlich die stetig und immer schneller anwachsende Verschuldung. Dementsprechend könnte ein globaler Schuldenabbau selbstverstärkend in eine lange andauernde und extrem zerstörerische Abwärtsspirale münden. Vielleicht bleibt es aber auch bei einem nur kurzen Rückgang, dem rasch wieder die nächste Kreditexpansion folgen könnte.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Die OECD warnt vor dem G20-Gipfel in Pittsburgh vor einem Anstieg der Arbeitslosen. Die Regierungen müssten dringend handeln, um die Zahlen aufgrund der Wirtschaftskrise nicht explodieren zu lassen.
Besonders gefährdet seien die jungen Menschen, die am stärksten von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Man müsse versuchen, keine "verlorene Generation" entstehen zu lassen. Ebenso wichtig sei, die Arbeitslosen nicht in die Armut fallen zu lassen. Schon jetzt seien in den OECD-Ländern 37 Prozent der Menschen, die in einem Haushalt leben, in dem alle arbeitslos sind, arm. Das sei fünfmal höher als bei den Haushalten, wo zumindest eine Person arbeitet.
2010 könnte es, so die OECD, in allen Ländern 57 Millionen Arbeitslose geben, 10 Millionen mehr als zuvor. Deutschland lobt die OECD, weil dank der Förderung der Kurzarbeit die Zahl der Arbeitslosen (offiziell) nur bei 7,7 Prozent liegt, in den OECD-Ländern jedoch bei 8,5 Prozent, bei den europäischen Ländern sogar bei 9,3 Prozent. Die Förderung der Kurzarbeit soll die Arbeitslosenquote um 1 Prozent gesenkt haben. Allerdings gebe es vergleichbare Länder wie Österreich, die Niederlande, Norwegen, Südkorea oder die Schweiz, die Arbeitslosenquoten von unter fünf Prozent haben. Bei der Erwerbsquote ist Deutschland mit 70 Prozent der Arbeitsfähigen nicht sonderlich gut, die Schweiz, Dänemark, Norwegen oder die USA haben eine Quote von 75 Prozent oder mehr haben. Bei der Langzeitarbeitslosigkeit liegt Deutschland hinten. Wer einmal drin ist, hat wenig Chancen, wieder herauszukommen.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Gewerkschaften und Politiker, die eben noch zum Lohnverzicht für die Rettung unter Magna aufgerufen haben, empören sich darüber, dass GM weiter im Geschäft bleiben will
Der US-Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in den USA fand ein für sie unerquickliches Ende. Gerade noch als Kanzlerin, die vor Kongress und Senat gesprochen hat, gefeiert, gerät sie jetzt in der Causa Opel in Erklärungsnot. Denn kurz nach ihrem Rückflug gab das GM-Management seine Entscheidung bekannt, die Opel-Töchter in Europa, also auch in Deutschland zu behalten. Damit durchkreuzte GM die Pläne der Bundesregierung, den Autokonzern mit der Hilfe von Magna zu übernehmen und GM auszubooten. Zudem muss sich die Bundeskanzlerin fragen lassen, ob der medial inszenierte Rettungsplan für Opel Ende Mai nicht vor allem auf den Wahlkampf zielte. Die Bundesregierung konnte sich so als Retter von Tausenden Arbeitsplätzen feiern lassen.
Kritische Töne, die es schon unmittelbar nach der vermeintlichen Opel-Rettung gab, wurden im Wahlkampfgetöse gar nicht zur Kenntnis genommen. Vor allem auf taube Ohren stießen alle Analytiker, die daran erinnerten, dass die angebliche Einigung eine Schimäre war.
Kein vertraglich bindendes Konzept
Der linke Verkehrsexperte Winfried Wolf schrieb über die Sollbruchstellen der sogenannten Opel-Lösung: "Womit ich die erste von sechs Sollbruchstellen des angeblich gefundenen Konzeptes für eine Lösung der Opel-Krise angesprochen habe. Sie lautet: Es gibt weiterhin kein vertraglich bindendes Opel- Konzept. Der Clou: Kaum einer hat's gemerkt!" Wolf präzisierte diese Einschätzung:
Am Pfingstwochenende, dem 30. und 31. Mai 2009, gab es gar kein neues Opel-Konzept, wie dies seitens der Bundesregierung und dem Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Klaus Franz impertinent behauptet wird. Vielmehr gibt es ein drei Seiten dünnes 'Memorandum of Understanding', eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung, an der die Bundesregierung, der zu diesem Zeitpunkt klinisch bereits tote GM-Konzern und der kanadische Autozulieferer Magna beteiligt sind.
Winfried Wolf
Die Folgen für die Bundespolitik hat der kritische Verkehrsexperte auch klar benannt:
Die Opel-Beschäftigten werden ein weiteres halbes Jahr hingehalten, sprich: verschaukelt; dasselbe gilt für die Öffentlichkeit. Damit dürfte das Thema Opel bei der Bundestagswahl kaum mehr für CDU/CSU negativ zu Buch schlagen, zumal eine Lösung gefunden wurde, bei der die SPD voll mit im Boot sitzt.
Winfried Wolf
Verzicht für den Standort
Erstaunlicherweise sollte Wolf fast bis in die zeitliche Prognose recht behalten. Im Wahlkampf hat kaum ein Politiker der Opposition hier kritische Fragen gestellt. Dafür haben sich große Teile der für die Opel-Belegschaft zuständigen IG-Metall sehr früh zum Lautsprecher einer Vereinbarung mit Magna gemacht, sich also im Jargon von Wolf am Verschaukeln beteiligt. Führende IG-Metallfunktionäre, wie der Opel-Betriebsratsvorsitzender Klaus Franz, feierten sich selber als gewiefte Co-Manager, die den Magna-Deal mit eingefädelt haben. Selbst eine Kommentatorin der Süddeutschen Zeitung hat Franz vorgeworfen als Lautsprecher des Managements seine eigentliche Betriebsratsfunktion zu vernachlässigen.
Franz hat nämlich immer wieder erklärt, dass er einen Arbeitsplatzabbau für die Magna-Lösung akzeptiert. Nach dessen Konzept sollten allein in Deutschland ca. 4.500 Stellen wegfallen. Erst vor wenigen Tagen haben führende Opel-Betriebsräte noch einmal bekräftigt, dass sie für das Konzept im Sinne von Magna zu als Opfer verklärten Lohnkürzungen bereit wären. Damit haben sie Teile der Opel-Belegschaft in Bochum im Regen stehen lassen, die sich schon länger gegen eine solche Verzichtspolitik für den Standort wehrte.
Kaum war bekannt geworden, dass GM da nicht mitspielen will, schlug die Stunde der Populisten. Der CDU-Ministerpräsident von NRW gerierte sich mal wieder als Arbeiterführer und geißelte den Turbokapitalismus, den er natürlich nur in den USA verortete. Vor den Mikrophonen des Deutschlandfunks erklärten Opel-Mitarbeiter, dass die USA die größten Lügner in der Geschichte seien und schon die Indianer betrogen hätten. Bei einer solchen Gemengelage aus mit antiamerikanischen Ressentiments vermischten falschen Kapitalismuskritik und der Angst um die eigene Existenz, ist es nicht schwer, die Belegschaft auf die Straße zu bringen. Die ersten Wahnstreiks sind schon angekündigt.
Dabei stellt sich doch die Frage, warum es für Opel-Beschäftigte ein Unterschied sein soll, ob sie von Magna oder GM entlassen werden. Auch eine Analyse, was an ihren Arbeits- und Lebensbedingungen sich bei einem Verbleib von Opel bei GM verändert, unterbleibt. Natürlich stellt sich deshalb auch niemand die Frage, warum Verzicht für den Standort unter dem Dach von Magna den Arbeitern nützen soll, während gegenüber GM Widerstand angesagt wird.
Britische Gewerkschaften feiern
Während sich also die Mehrheit der deutschen IG-Metall nun als Geprellte und Betrogene sieht, feiern in Großbritannien Gewerkschaften und ein Teil der Belegschaft die Nachricht aus der GM-Zentrale. Sie hatten in der Magna-Lösung eine Bevorzugung des deutschen Standortes gesehen. Mit den deutschen Arbeitnehmern hält sich die Solidarität dort in Grenzen, weil die IG-Metall in den letzten Monaten auch nicht besonders um die Arbeitsplätze in anderen europäischen Standorten gekümmert hat. Von einer europaweiten Solidarität der Opel-Beschäftigten kann keine Rede sein, solange jede Gewerkschaft nur ihren Standort verteidigt.
Dass es auch anders geht, zeigt eine oppositionelle Strömung innerhalb der IG-Metall, die vor allem bei Opel Bochum einigen Einfluss hat. Die hat sich schon lange gegen die Standortverteidigung und die totale Identifikation der Belegschaft mit Opel ausgesprochen. In der Parole Wir müssen bleiben – nicht Opel versuchten sie eine andere Orientierung der Belegschaft deutlich zu machen. Dieser Strömung ist es auch immer um einen gemeinsamen, länderübergreifenden Kampf aller Opel-Beschäftigten gegangen. Der ist bisher auch an der Politik der Gewerkschaften gescheitert.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Der geplatzte Magna-Deal verschärft die Krise bei Opel und blamiert die Politik - aber niemand will vorher etwas gewusst haben: US-Präsident Obama ebenso wenig wie die Bundesregierung. "Es gab keine Signale", beteuert man in Berlin. Erstaunlich. Denn das Desaster war abzusehen.
Berlin - Mit einem Tag Abstand hat sich Angela Merkel noch einmal persönlich beim amerikanischen Präsidenten rückversichert. Nein, hat Barack Obama der Kanzlerin gegenüber an diesem Donnerstag am Telefon beteuert, er sei in die Entscheidung "nicht eingebunden" gewesen. Nichts will Obama davon gewusst haben, dass der Verwaltungsrat von General Motors (GM) den Opel-Verkauf in letzter Minute platzen lassen würde.
Angela Merkel muss Obama glauben. Sonst müsste sie dem Präsidenten einen Affront unterstellen. Schließlich hat sie am Dienstag mit ihm zusammengesessen, er hat sie gelobt als "außerordentliche Führungspersönlichkeit". Die Sitzung des GM-Boards hatte zu dieser Zeit noch nicht begonnen, das Nein zu Magna stand da nach Konzernangaben allerdings schon fest. Später hielt Merkel ihre große Rede vor dem Kongress, eine besondere Ehre, sie wurde gefeiert, war bester Laune - bis kurz vor dem Abflug die Bombe aus Detroit einschlug: Der Magna-Deal ist geplatzt.
Merkel war düpiert - und stinksauer.
Der Kampf um die rund 25.000 Arbeitsplätze in den deutschen Opel-Werken beginnt nun von Neuem. Merkel kündigte im Gespräch mit Obama an, den Druck auf GM erhöhen zu wollen. "Schnellstmöglich" solle der Autobauer nun ein neues Konzept zu Opel vorlegen, zudem den fälligen Brückenkredit bis Ende November zurückzahlen, ließ die Kanzlerin verbreiten.
Schon am Donnerstagabend tagt in Berlin der Opel-Gipfel. In der hessischen Landesvertretung wollen sich die Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), Jürgen Rüttgers (CDU), Kurt Beck (SPD) und Christine Lieberknecht (CDU) mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) zusammensetzen.
"Überraschender Schwenk"
Eigentlich hatten ja alle Beteiligten geglaubt, der Verkauf des deutschen Autobauers an das österreichisch-kanadische Konsortium Magna sei perfekt. Nun werden sie von der Kehrtwende kalt erwischt. "Auch für die unmittelbar Beteiligten kam dieser Schwenk überraschend", sagt Wirtschaftsstaatssekretär Jochen Homann SPIEGEL ONLINE am Donnerstag. "Es gab keine Signale, die auf eine andere Entscheidung hingedeutet hätten." Der Opel-Chefunterhändler der Bundesregierung wehrt sich damit gegen Vorwürfe, der Verbleib von Opel im US-Mutterkonzern sei absehbar gewesen.
Aber war es das wirklich nicht? Gab es in den vergangenen Wochen und Monaten nicht genügend Signale, bei denen in Berlin die Alarmglocken hätten schrillen müssen?
Gewiss, vieles bewegte sich im Reich der Spekulation. Doch der Kern des Gerüchts, das nun zur Tatsache geworden ist, hielt sich hartnäckig: GM will Opel behalten. Unterhändler John Smith wird mit den Worten zitiert: "Es war immer eine enge Sache." Smith vergleicht die Entscheidung gar mit einem Münzwurf, das sei bis zuletzt so gewesen. Das hätte auch Merkel und ihren Beratern klar sein müssen. Warum sie nicht massiv intervenierten, bleibt ihr Geheimnis.
Rückblick: Anfang des Jahres herrschte in der GM-Zentrale die nackte Not, der Konzern hätte alles getan, nur um seine Liquidität zu sichern. Die US-Regierung lehnte das mehrfach nachgebesserte Sanierungskonzept ab, drängte den damaligen GM-Chef Rick Wagoner zur Aufgabe. Dann aber wurde die Insolvenz im Rekordtempo abgeschlossen, GM war 40 Milliarden Dollar Schulden los. Der Verkauf von Opel war plötzlich kein Muss mehr, er war nur noch eine Option.
Das sahen auf jeden Fall die Amerikaner so, die Bundesregierung dagegen beharrte darauf, dass die europäische Tochter nur als "New Opel", losgelöst von GM, mit Hilfe eines Investors überlebensfähig sei. Dieser Investor sollte Magna sein, darauf hatten sich die schwarz-rote Koalition und die Ministerpräsidenten der Länder mit Opel-Standorten rasch geeinigt. Und sie glaubten, GM überzeugt zu haben.
Zweifel wurden größer
Man ließ sich nicht beirren, nicht einmal als klar war, dass die Zweifel in Detroit größer wurden. Im August etwa, als Zeitungen immer wieder über einen Sinneswandel im GM-Verwaltungsrat berichteten. Als Smith in jenen Tagen zu Verhandlungen im Kanzleramt war, fragte Staatssekretär Homann ihn, ob an den Meldungen etwas dran sei. Smith, der selbst den Magna-Konkurrenten RHJI als Investor bevorzugte, wich aus und verwies darauf, dass acht neue Leute im Verwaltungsrat säßen. Die stellten natürlich Fragen. GM spielte auf Zeit.
Tatsächlich hatte die US-Regierung im Verwaltungsrat im Sommer kräftig durchgewechselt. Mit 50 Milliarden Dollar hatte Washington GM ausgeholfen, übernahm mehr als 60 Prozent des Konzerns - kein Wunder, dass man im Kontrollgremium die Oberhand haben wollte. An die Spitze setzte die Obama-Administration Edward Whitacre, einst Chef des US-Telefongiganten AT&T, genannt "Big Ed". Er war es, der das von GM-Chef Fritz Henderson eigentlich schon abgesegnete Magna-Geschäft wieder stoppte.
Da Staatshilfen im US-Kapitalismus äußerst unpopulär sind, hatte Obama stets betont, sich trotz des Mehrheitsanteils nicht in unternehmensstrategische Entscheidungen einmischen zu wollen. Doch ist kaum vorstellbar, dass sich die Regierung hinter den Kulissen nicht für das Treiben bei GM interessierte. Schließlich hatte man eigens die Auto-Task-Force gegründet, die GM, Chrysler und Ford vor dem Untergang bewahren sollte. Wenn nicht an der Spitze der Regierung, dann doch zumindest auf Arbeitsebene dürfte die US-Regierung also durchaus im Bilde gewesen sein, wohin die GM-Reise geht.
Ärger bei GM-Europa
Berlin aber verließ sich auf jenes Bekenntnis, das der Konzern am 10. September für Magna abgegeben hatte und das Merkel fröhlich als persönlichen Erfolg verkündete. Noch am Tag zuvor hatte es wieder Gerüchte gegeben, Magna sei gar kein Kandidat mehr. In Detroit wurde gewarnt: vor dem Technologietransfer nach Russland wegen der beabsichtigten Beteiligung der russischen Sberbank, vor der Aufgabe des europäischen Marktzugangs, vor dem Verlust des Technologiezentrums in Rüsselsheim. Die Mahner bei GM setzten sich nicht durch - so schien es.
Doch selbst bei Magna war man zu dieser Zeit noch skeptisch. "Wir sind noch nicht durch", sagte ein Insider aus dem Umfeld des Autozulieferers zu diesem Zeitpunkt SPIEGEL ONLINE. Wann der Opel-Verkauf tatsächlich besiegelt sei, könne niemand abschätzen. "Man darf sich nicht in die Irre führen lassen." So aber kam es. Mitte Oktober äußerte plötzlich die EU-Kommission Bedenken. Ihr Verdacht: Die Bundesregierung verstoße mit ihrer öffentlich geäußerten Präferenz für Magna gegen den freien Wettbewerb. Ende Oktober dann erfuhr der SPIEGEL aus dem GM-Verwaltungsrat, dass dem Deal das Aus drohe. Im Opel-Betriebsrat machte sich Unruhe breit.
Sie wurde noch größer, als plötzlich auch Dirk Pfeil, Vertreter der Bundesländer in der Opel-Treuhand, berichtete, die neue schwarz-gelbe Regierung wolle den Fall des Autobauers wegen der EU-Bedenken neu prüfen. Abwegig sei das, empörte sich Opel-Betriebsratschef Klaus Franz, es gebe ein klares Bekenntnis von GM zu Opel. Wer Anderes behaupte, lanciere bewusst Falschmeldungen.
Die vermeintliche Ente ist nun Wahrheit geworden. Die Opelaner sind entsetzt, machten ihrem Unmut am Donnerstag mit lautstarken Protesten Luft. Franz sprach von "Enttäuschung, Wut und Frustration", forderte die Mitarbeiter aber auf, Opel nicht zu verlassen. "Bleibt an Bord. Wir werden weiter existieren."
Nur wie? Das weiß man am Donnerstag selbst in der Unternehmensspitze nicht. "So ein plötzlicher Schwenk ist kaum nachzuvollziehen", kritisiert GM-Europachef Carl-Peter Forster in der "Bild am Sonntag" die Entscheidung seines Mutterkonzerns. Wie es nun weitergeht?
"Ich weiß es nicht. Das müssen wir in den nächsten Tagen erarbeiten. Ich glaube, die wichtigen Herren, die das entschieden haben, wissen es selbst nicht."
Quelle : www.spiegel.de
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Nachdem nun auch das G20-Treffen vom Wochenende nicht einmal Ansätze für eine Lösung der globalen Probleme gebracht hat, ist es wohl nicht mehr die Frage ob, sondern nur noch wann es in diesem Krisenzyklus zur nächsten Finanzmarktkatastrophe kommen wird
Da auf jeden Boom irgendwann ein Einbruch folgt, ist die Voraussage künftiger Crashs immer ein risikofreier Tipp, zumindest sofern auf genaue Zeitangaben verzichtet wird. Allerdings haben die Finanzmärkte normalerweise die Tendenz, nach einem schweren Crash für einige Jahre etwas vorsichtiger zu sein und auf die in Boomzeiten üblichen Exzesse zu verzichten. Aber während der jüngste Crash ja eigentlich schwer genug gewesen sein sollte, um die Märkten vor übermäßiger Euphorie zu bewahren, ist das Gegenteil der Fall.
Mit ihren Versuchen, die Krise zu überwinden, verursachen die Regierungen und Notenbanken der G20-Staaten bereits wieder genau die Euphorie, die vor kaum einem Jahr in den fast völligen Zusammenbruch des globalen Finanzsystems geführt hat.
Das legen zumindest die Global Economic Prospects and Principles for Policy Exit des IWF nahe, die beim G20-Finanzreffen am letzten Wochenende präsentiert wurden. Aber während führende Ex-Ökonomen des IWF vor dem Treffen noch erwartet hatten, es werde zwar zu makroökonomischen Lippenbekenntnissen kommen, nur würde diese dann ignoriert werden, war von den globalen Ungleichgewichten in den offiziellen Gipfeldokumenten nicht einmal die Rede. Hingegen werden die G20-Staaten vom IWF eindringlich aufgefordert, die außergewöhnlichen Konjunkturmaßnahmen selbst dann weiterzuführen, wenn es zu einer deutlichen globalen Konjunkturerholung kommen sollte.
Dazu ließen die G20-Staaten sich gerne überreden, erhielten sie so doch eine quasi offizielle Legitimation zum Schuldenmachen und Gelddrucken, was die gewohnheitsmäßig kurzfristig denkenden Politiker nun wohl der letzten Hemmungen berauben dürfte. Der einzige breite Konsens, den die G20 finden konnten, bestand offenbar darin, dass die Förderung des Wirtschaftswachstums in allen Ländern Priorität haben sollte, wie auch US-Finanzminister Timothy Geithner tags darauf feststellte.
Mit keinem Wort erwähnt wurden indes die globalen Ungleichgewichte, die vielleicht den wichtigsten einzelnen Beitrag zum entstehen der Krise geleistet haben, namentlich die "Bretton Woods II" genannte symbiotische Beziehung zwischen China und den USA. Bekanntlich kauft China seit Jahren US-Anleihen, um die fixe Bindung der eigenen Landeswährung an den Dollar sicherzustellen, und finanziert damit gleichzeitig die China-Importe der USA. Die Folge ist die von den USA offiziell stets heftig kritisierte Dollar-Bindung des Yuan. Sie wird zwar auch beim bevorstehenden Chinabesuch Barak Obamas auf der Tagesordnung stehen, aber die gegenseitigen Abhängigkeiten und die letztlich übereinstimmenden Interessenlagen werden ein vorzeitiges Ende von Bretton Woods II wohl verhindern.
Dies ist vor allem deswegen zu erwarten, weil die Lasten dieses Arrangements nicht von China und den USA, sondern vor allem von den Staaten getragen werden, deren internationale Wettbewerbsfähigkeit unter der steten Unterbewertung des Dollar/Yuan-Währungsverbunds leidet, derzeit also vor allem von Euro-Europa und den anderen Hartwährungsländern. Angesichts der weltweit vorliegenden Nullzinsen bleibt diesen Ländern nur die Möglichkeit, gleichfalls Dollars zu kaufen, um die eigene Währung zu drücken – wie es viele ostasiatische Länder handhaben –, oder sie müssen zusehen, wie ihre Exporteure immer mehr ins Hintertreffen geraten und ihr Inlandsmarkt von billigen ausländischen Gütern überschwemmt wird.
Mutter aller Carry-trades
Gleichzeitig ermöglicht erst die chinesische Finanzierung den USA die anhaltende Niedrigzinspolitik der US-Notenbank, die andernfalls wohl mehr Rücksicht auf die Langfristzinsen nehmen müsste. So hingegen kann sie die monetären Schleusen offen lassen, was inzwischen die Mutter aller Carry-trades zur Folge hat, wie der US-Ökonom und bewährte Krisenprophet Nouriel Roubini letzte Woche gewarnt hat. Während Rubini einen baldigen Crash für unvermeidlich hält, blickt auch der IWF mit Besorgnis auf die enormen globalen Preisanstiege bei allen als riskant geltenden Finanzanlagen und vermutet gleichfalls, dass die niedrigen Dollarzinsen dazu einen gewichtigen Beitrag geleistet haben.
Man erinnere sich an den so genannten Yen-Carry-trade. Als der Boom weltweit noch voll am Laufen war, hatte Japan noch immer unter den Folgen seiner Finanzexzesse der 1980er Jahre zu leiden und als weltweit erste Notenbank Jahrelang Geld zinsenfrei verliehen. Das machte den japanischen Yen zur globalen Niedrigzins-Finanzierungswährung, die für Finanzanlagen in Hochzinsländern genutzt wurde. Das war nur aufgrund einer ökonomischen Anomalie rentabel, denn eigentlich sollte "im Gleichgeicht" die höher verzinste Währung tendenziell im Ausmaß ihres Zinsvorsprunges abwerten, was dem Zinsdifferenzial der Forward-Wechselgeschäfte entspricht, nicht aber der ökonomischen Realität.
So strichen die Trader neben der Zinsdifferenz oft auch noch Wechselkursgewinne ein, was den Finanzakrobaten zwar gewaltige Gewinne brachte, mit dem Ausbruch der Krise aber gravierende Folgen zeigte. Denn als die Risiken der Zielländer plötzlich wesentlich höher eingeschätzt wurden, mussten viele stark fremdfinanzierten Trader ihre Positionen zwangsweise auflösen, was zu eine Kaskade an weiteren Verkäufen und Preiseinbrüchen führte und stark dazu beitrug, dass die Krise fast augenblicklich auf weltweit alle als riskant geltenden Finanzanlagen übergreifen konnte.
Das ruinierte etliche Trader, die freilich immer mit Verlusten gerechnet hatten. Immerhin ist diese Strategie grundsätzlich drei erheblichen Gefahren ausgesetzt: Es könnte die Zielwährung plötzlich drastisch an Wert verlieren, es könnte der Preis des Anlagegutes einbrechen und es könnte die Finanzierungswährung plötzlich teurer werden, was allesamt zu erheblichen Verlusten führen kann.
Derzeit sind diese Gefahren hingegen weitgehend gebannt. Denn wie die Fed letzte Woche verlautbarte, ist mit dem Dollar als Finanzierungswährung zumindest das Zinsänderungsrisiko vernachlässigbar; und auch das Wechselkursrisiko wurde seit März ausschließlich zugunsten der Trader schlagend, ebenso die Preissteigerungen bei den riskanten Anlagegütern.
Trader leihen sich Gelder zu 20 Prozent negativen (!) Zinsen, um mit großem Hebel in eine Masse an riskanten, globalen Anlagegütern zu investieren, deren Preise aufgrund der exzessiven Liquidität und des Carry-trades steigen. Weil die Gewinne in der Gegend von 50 bis 70 Prozent liegen sieht jeder Investor, der dieses riskante Spiel spielt, wie ein Genie aus – selbst wenn er nur auf einer gewaltigen Blase reitet, die von stark negativen Kreditkosten finanziert wird.
Nouriel Roubini
Aber auch die Zielwährungen werden durch die einströmenden Dollars immer teurer, so dass das betroffene Land Gefahr läuft, an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Wehrt es sich durch monetäre Operationen, die die eigene Währung schwächen sollen, gefährden die erforderlichen Sterilisierungsmaßnahmen die inländische Preisstabilität und führen zwangsläufig ebenso zu spekulativen Blasen, wie die Carry-trades selbst.
Und so wird die quer über alle riskanten Anlageklassen perfekt korrelierte Blase jeden Tag nur immer größer.
Nouriel Roubini
Da diese ins Ausland geflossenen Gelder zu Hause natürlich fehlen, springen die Fed und die anderen großen Notenbanken ein und kaufen direkt alle Arten von einheimischen Schuldtiteln. Das macht es den weniger risikofreudigen Tradern zudem viel leichter, etwa mit den Nullzins-Dollars auch Dollaranlagen zu kaufen, etwa die zurzeit in Massen emittierten Staatsanleihen oder die höherrentierlichen mit Hypothekar-, Unternehmens- oder Kreditkartenschulden unterlegten "Asset Backed Securities". Damit verzichten die Investoren laut Roubini zwar auf annualisiert rund 20 Prozent Rendite, entgehen aber auch dem Währungsrisiko und sind dank Fed vor starken Einbrüchen des Anlagegutes geschützt.
Notenbanken finanzieren Gewinne der Investmentbanken und Hedge Fonds
Während die Zentralbankgelder also nicht in Kredite an die Realwirtschaft, sondern in Finanzmarktgeschäfte fließen, profitieren davon am meisten diejenigen, die für die Krise verantwortlich sind und schon zuvor davon profitiert haben: die Investmentbanken und Hedge Fonds, die in diesem Jahr – wenn kein Crash dazwischen kommt – anscheinend so hohe Gewinne einfahren werden, wie niemals zuvor. So werden laut Bloomberg die drei führenden US-Investmentbanken Goldman Sachs, Morgan Stanley und JPMorgan Chase 29,7 Mrd. Dollar an Boni ausbezahlen, das sind 60 Prozent mehr als im Vorjahr und fast zehn Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2007 Die Hedge Fonds hingegen könnten angesichts der für heuer erwartenden Gewinne mit hohen Zuflüssen rechnen und schon im Jahr 2010 das bisherige Rekord-Anlagevolumen von zwei Billionen Dollar überschreiten, heißt es optimistisch aus der Deutschen Bank.
Voraussetzung dafür ist die weiterhin unbeschränkte Finanzierungsbereitschaft der Notenbanken sowie eiserne Nerven der Investoren. Denn so wie bereits vor der Krise ist das System extrem anfällig für Schwankungen sowohl bei den Währungsrelationen wie bei den Preisen der Anlagegüter. So könnte ein Moment plötzlicher Dollarstärke schlagartig zum massenhaften Auflösen der Carry-trades, zu Kurseinbrüchen in den Emerging Markets und zu einer weiter steigender Dollar-Nachfrage aufgrund einer neuerlichen globalen Flucht in die Qualität führen. Dann würden gleichzeitig aber auch an der Wall Street und überall sonst die Aktienkurse einbrechen, und schon wären wir neuerlich mit Chaos, Panik und den diversen Rettungsaktionen konfrontiert. Wie Rubini anmerkt "scheinen die Fed und andere Entscheidungsträger die Monster-Blase nicht zu bemerken, die sie kreieren. Je länger sie aber blind bleiben, umso härter werden die Märkte fallen".
Schon jetzt bleibt indes ein Rätsel, wie die Notenbanken ihre Geldpolitik zurückfahren wollen, ohne das filigrane Finanzmarktgefüge zu stören. Zwar hat die EZB als einzige der großen Notenbanken bereits offen die Frage gestellt, wie lange bestimmte Notkredit-Fazilitäten noch erforderlich sein werden, etwa jene mit einjähriger Laufzeit. Allzu drastisch wird aber auch die EZB nicht vorgehen können, müsste sie dann doch wohl einzelne Euro-Staaten über die Klinge springen lassen, was wohl die gesamte Währungsunion existenziell bedrohen würde.
Immerhin haben alle EU-Staaten zuletzt massiv Staatsanleihen begeben, welche großteils von Banken übernommen wurden, die diese risikofreien Aktiva durchwegs mit EZB-Geldern finanziert haben. So lange der Geldbedarf der Staaten nicht abnimmt, werden die Notenbanken auch die Finanzierung der Banken nicht zurücknehmen können bzw. dürfen. Denn wie der in seiner Amtszeit stets seine absolute Unabhängigkeit betonende langjährige Fed-Chef Alan Greenspan nach seiner Pensionierung eingestanden hatte, sei es manchmal "politisch nicht opportun" gewesen, die Zinsen zu erhöhen, selbst wenn er es gewollt hätte. Das sagte Greenspan übrigens zu den Niedrigzinsen in den Jahren 2003/2004, die er auf Druck der Bush-Administration nicht habe anheben dürfen und die heute als wichtigste Voraussetzung für die Finanzmarktexzesse gelten, die dem Crash vorangegangen waren.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Die Arbeitslosigkeit steigt ungebremst weiter und hat in der Eurozone die 10 % Marke erreicht, auch in den USA nimmt sie weiter zu.
Die Arbeitslosigkeit in der Euro-Zone hat den höchsten Stand seit elf Jahren erreicht, teilte die Europäische Statistikbehörde Eurostat in Brüssel am Freitag mit. In den 16 Euroländern stieg die saisonbereinigte Arbeitslosenquote im November von 9,9 % auf 10 %. Damit waren so viele Menschen in der Eurozone ohne Job wie seit August 1998 nicht mehr. Im Vergleich zum Vorjahr verloren 2009 mehr als drei Millionen Menschen in der Euro-Zone ihren Job.
Verglichen mit dem Vormonat sei die Zahl der Arbeitslosen um 102.000 auf mehr als 15 Millionen gestiegen. Abgeschlagener Spitzenreiter ist Spanien. Nach Angaben von Eurostat lag die Arbeitslosenquote in dem Land bei 19,4 %, das gerade wenig rühmlich die EU-Präsidentschaft übernommen hat. Wie die spanischen Statistiker kürzlich mitgeteilt haben, ist die offizielle Arbeitslosigkeit in dem Land auch im Dezember weiter gestiegen. Allein in diesem südeuropäischen Land, mit nur 40 Millionen Einwohnern, sind offiziell vier Millionen Männer und Frauen der aktiven Bevölkerung arbeitslos. Das ist mehr als ein Viertel aller Arbeitslosen in der Eurozone.
Griechenland dagegen, das als Pleitekandidat gehandelt wird, liegt sogar unter dem EU-Durchschnitt. Eurostat registrierte für Griechenland mit 9,7 % nur die Hälfte der Quote, die für Spanien ermittelt wurde. In Euroland verzeichneten die Niederlande (3,9%) und Österreich (5,5%) die niedrigsten Arbeitslosenquoten. Deutschland lag mit 7,6 % deutlich unter dem Durchschnitt, im Vorjahr lag die Quote noch bei 7,1 %. Vergleicht man Spanien dazu, lag das Land damals zwar auf dem letzten Platz der 27 EU-Mitgliedsländer, doch die Quote hatte Eurostat (nur) mit 13,4 % angegeben und das zeigt die dramatische Entwicklung in Spanien an. In der Eurozone lag der Durchschnitt im November 2008 bei 7,8 %.
In allen 27 Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft waren im November 2009 fast 23 Millionen Männer und Frauen arbeitslos. Die Quote hat sich damit erneut leicht von 9,4 auf 9,5 % erhöht. Den Spitzenrang unter allen Mitgliedern hat Lettland inzwischen den Spaniern abgelaufen. Die Balten verzeichnen schon eine Quote von 22,3 %. Der Anteil der Menschen ohne Beschäftigtigung erhöhte sich in der gesamten EU demnach im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2 % auf 9,5 Prozent.
Anders als viele Experten offenbar erwartet hatten, nahm die Arbeitslosigkeit im Dezember auch in den USA wieder zu. Nach der merkwürdigen Berechnung im Vormonat, soll nun die Quote aber bei 10 % stabil geblieben sein, obwohl weitere 85.000 Menschen ganz offiziell keinen Job mehr haben. Ohnehin gibt eine andere Statistik, der Household-Survey, noch deutlich nüchternere Zahlen an. Demnach hätten im November tatsächlich weitere 661,000 Menschen ihre Stelle verloren. Das wären genauso viele wie in den drei Monaten zuvor. Die Diskrepanzen ergeben sich, weil viele Arbeitslose sich nicht mehr registrieren lassen.
So darf man sich nicht wundern, dass es auch weiter keine Entspannung beim Bankensterben gibt. Vor Weihnachten musste die US-Einlagensicherungsbehörde (FDIC) weitere sieben Regionalbanken schließen, die ihrerseits wieder von den Banken vor dem Absturz gerettet werden musste. Unter den sieben befand sich mit der First Federal Bank of California die siebtgrößte Bank, die im Laufe des vergangenen Jahres abgeschmiert ist. Das in Santa Monica ansässige Institut verwaltete 10,6 Milliarden Dollar und gehörte, wie die CIT, zu den größeren Kalibern. Insgesamt mussten 2009 in den USA 140 Banken geschlossen werden, so viele wie seit der Sparkassenkrise 1992 nicht mehr.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Der IWF-Chef will, dass die staatlichen Finanzspritzen aufrecht erhalten bleiben
Verschuldung, Verschuldung über alles? Billionen wurden weltweit in die Rettung von Banken und in Konjunkturspritzen gesteckt. Die Staatsschulden explodieren und die ausufernden Staatsdefizite werden dazu benutzt, um von Ländern zu fordern, die Sozialsysteme zu schleifen und höhere Steuern zu erheben. Wer spurt, wie Irland, wird trotz eines extremen Defizits (zunächst) in Ruhe gelassen. Ländern, wie Griechenland, wo sich deutlicher Widerstand abzeichnet, wird der langsame Tod vorhergesagt, womit ihre Lage wissentlich und gewollt verschlimmert wird. Andere Länder nennt man in einem Atemzug zu den Hellenen, um den Druck auf sie zu erhöhen.
Doch nun fordert der IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, Finanzspritzen müssten weiter fließen, weil sonst der schwächliche Aufschwung bald vorüber sein könnte. Es drohe einigen Staaten eine zweite Rezession, wenn das Ende der Konjunkturhilfen zu früh eingeleitet werde. "In den Industriestaaten verläuft die Erholung zögerlich", sagte Strauss-Kahn heute in Tokio. Wenn die Hilfen einmal abgesetzt seien, werde es schwierig, bei einem zweiten Abtauchen der Wirtschaft neue Instrumente zu finden, meinte der IWF-Chef.
So zeigt die Entwicklung in Deutschland, dass sogar die noch laufenden Konjunkturhilfen im vierten Quartal nur für ein Nullwachstum gesorgt haben. In den USA ist ebenfalls keine Erholung in Sicht. Die Kauflaune der Bevölkerung – der Konjunkturmotor in den USA – trübte sich sogar im Weihnachtskaufrausch ein. Angesichts anhaltender oder steigender Arbeitslosigkeit werden höhere Steuern und sinkende Sozialausgaben, wie sie nun allseits gefordert werden, aber dazu führen, dass die Nachfrage weiter einbricht. So sind die Empfehlungen der Ratingagenturen nur das Rezept für ein Desaster.
Deshalb stellt Strauss-Kahn als Prämisse auf, dass es eine Exit-Strategie erst geben dürfe, wenn es zu einer spürbaren Rückkehr der privaten Nachfrage und zu einer Besserungen auf dem Arbeitsmarkt komme. Doch das ist das Rezept, um alle Volkswirtschaften in eine Verschuldung a la Griechenland zu stürzen. Der IWF-Chef sieht aber auch, dass mit dem Geld, mit dem die Geldmärkte geflutet werden, neue Spekulationsblasen aufbläht werden, deren Platzen dann wieder erhebliche Verwerfungen nach sich ziehen. Ganz offensichtlich wird nun in der Krise ein ganz grundsätzliches Dilemma offensichtlich.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Die finanzielle Lage Griechenlands ist verheerend. Alle Welt spekuliert auf einen Staatsbankrott und daher müssen die Hellenen für neue Schulden immer tiefer in die Tasche greifen, um die Risikoaufschläge der Investoren zu bezahlen. Dass Griechenland seine Misere aus eigener Kraft löst, glaubt derweil niemand ernsthaft, auch wenn sowohl der griechische Ministerpräsident Papandreou als auch die deutschen Minister Westerwelle und Brüderle einhellig die Selbstheilungskräfte durch harte Sparmaßnahmen beschwören. Wie kann die Schuldenkrise gelöst werden? Wird Griechenland in den Staatsbankrott gehen? Zerbricht daran die europäische Währungsunion? Was sind die Folgen für die Griechen und was die für Deutschland?
Die Gründe für die griechische Finanzmisere sind vielfältig. Einerseits sind sie hausgemacht. Griechenland lebte jahrelang über seine Verhältnisse, das politische System ist korrupt und heillos verkrustet, und wenn man die Verträge von Maastricht wörtlich nimmt, dürfte Griechenland überhaupt kein Mitglied der Eurozone sein – die Griechen fälschten dreist die Statistiken für den Konvergenzzeitraum und Brüssel schaute mit aller Anstrengung in die andere Richtung.
Andererseits ist Griechenland auch ein Opfer der Eurozone und der neoliberalen deutschen Wirtschaftspolitik. Die deutsche Wirtschaft erkaufte sich ihren Wettbewerbsvorteil auch über den Schlendrian südeuropäischer Haushaltspolitiker. Ohne Euro hätte nicht nur die Drachme mehrfach selbsttätig abwerten, sondern die D-Mark auch mehrfach aufwerten müssen. Elf Jahre nach Einführung des Euros als Buchgeld ist die Eurozone ungleicher denn je – auf der einen Seite das hochproduktive Deutschland mit seinen verhältnismäßig niedrigen Löhnen, auf der anderen Seite die weitaus weniger produktiven Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien, in denen die Löhne fast deutsches Niveau haben. Ohne eine gesunde Anpassung der Nationalwährungen, die diese Disparitäten automatisch auflösen würde, haben die ärmeren Euroländer kaum eine Chance, alleine ihre Schulden zurückzahlen zu können.
Die Finanzkrise hat auch hier eine verheerende Beschleunigerwirkung. Während sogar das reiche Deutschland größte finanzielle Anstrengungen unternehmen muss, um die Krisenauswirkungen zu schultern, müssen die ärmeren Euroländer vor dieser Herkulesaufgabe kapitulieren. Die Staatseinnahmen gehen rapide zurück, während die Ausgaben rapide steigen. Schätzungen der EU-Kommission ergaben, dass Griechenland im nächsten Jahr Schulden im Gegenwert von 12,8% der nationalen Wirtschaftskraft aufnehmen muss. Portugal (8,2%) und Spanien (9,3%) stehen kaum besser da und auch Irland (14,7%) muss sich massiv verschulden. Noch ist die Lage auf der grünen Insel allerdings nicht ganz so prekär, da Irland seine Staatschulden vor der Krise auf ein Mindestniveau heruntergefahren hat. Ein möglicher Staatsbankrott Griechenlands würde jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach ein derartiges Beben auslösen, welches Portugal und Spanien kaum überleben würden.
Szenario 1: Griechenland tritt auf die Vollbremse
In den nächsten Tagen will die griechische Regierung ihr Programm zur Sanierung der Staatsfinanzen vorstellen. Beobachter gehen davon aus, dass die Regierung Papandreou die finanzielle Notlage dazu nutzen wird, im Schnellgang ein neoliberales Reformpaket durchzudrücken. Bestandteile des "Schock-Notsparplans" werden wohl eine Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre und die Kürzung der Beamtenpensionen um vier bis sechs Prozent sein. Auch wenn sich die Pensionskürzungen sofort bezahlt machen, so haben alle weiteren neoliberalen Reformen eine lange Übergangszeit, so dass es mehr als zweifelhaft ist, ob Papandreou durch derlei Maßnahmen die diesjährige Neuverschuldung wirklich um ganze vier Prozentpunkte drücken kann.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Rekordverschuldung des letzten Jahres in Wirklichkeit wohl sogar noch viel höher ausgefallen ist. Die EU-Kommission prüft momentan die Unterlagen staatlicher Betriebe, in deren Bilanzen wahrscheinlich – ganz nach Churchills Devise: Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast! – abseits der offiziellen Statistik zusätzliche Schulden versteckt wurden. Dass derlei Sparpläne das Schuldenproblem lösen, glauben allenfalls die deutschen Minister Westerwelle und Brüderle. Aber die beiden Herren glauben ja auch, dass man die Staatsfinanzen durch Steuersenkungen sanieren könne – seltsam, dass sie dies noch nicht ihren griechischen Kollegen vorgeschlagen haben.
Ausgabenkürzungen haben stets eine zeitversetzte Auswirkung auf die Staatseinnahmen. Wenn Rentner, Beamte oder Arbeitslose weniger Geld bekommen, geben sie auch weniger aus. Dadurch sinken die Mehrwertsteuereinnahmen ebenso wie die Einnahmen der Unternehmen, die ebenfalls versteuert werden müssen. Mittel- bis langfristig verschärft sich dadurch die finanzielle Situation. Politische Unruhen und eine verstärkte Abwanderung in andere EU-Staaten wären eine weitere Folge dieser "Schock-Strategie". Die indirekten Folgen des wirtschaftlichen Kollapses eines Mitgliedstaates würden zudem auch die Kassen der EU nachhaltig belasten. Ein radikales Sparprogramm löst die Probleme auch nicht, es schiebt sie bestenfalls auf, schlimmstenfalls löst es allerdings sogar eine Abwärtsspirale aus.
Szenario 2: Griechenland geht in den Staatsbankrott
Noch in diesem Jahr will Griechenland Staatsanleihen im Wert von 53 Milliarden Euro platzieren. Es ist zwar davon auszugehen, dass die Hellenen Käufer für diese Papiere finden werden. Fraglich ist jedoch, welchen Risikoaufschlag die Käufer verlangen. Bereits für die letzte Tranche im Wert von acht Milliarden Euro, die mit fünf Jahren eine relativ kurze Laufzeit hat, mussten die Griechen eine Verzinsung von 6,1% zeichnen – dies ist mehr als doppelt soviel wie deutsche Staatsanleihen kosten. Doch das Finanzministerium ist auf diese Emissionen angewiesen. Ohne sie könnte man entweder die Staatsaugaben nicht bezahlen oder die auslaufenden Anleihen nicht bedienen. Alleine im März und im April muss Griechenland Anleihen im Werte von jeweils acht Milliarden Euro bedienen. Bedient ein Staat auch nur eine einzige Anleihe nicht, spricht man von einem faktischen Staatsbankrott.
Ein Staat ist kein Unternehmen und ein Staatsbankrott bedeutet nicht das Ende dieses Staates. Die letzten großen Staaten, die in den Bankrott gingen, waren Russland im Jahre 1998 und Argentinien im Jahre 2002. Die Folgen waren dramatisch und beide Staaten müssen heute noch mit den Spätfolgen kämpfen.
Ein "normaler" Staatsbankrott geht einher mit einer Hyperinflation und einer dadurch bedingten schweren Wirtschaftskrise, während die Gläubiger einen Großteil ihrer Schulden abschreiben müssen. Ein Staatsbankrott Griechenlands wäre allerdings nicht so verheerend, da hinter dem Euro die gesamte Eurozone steht und die Griechen den Ausweg der Hyperinflation gar nicht gehen können, da sie keine souveräne Währungspolitik betreiben dürfen. Wenn Griechenland eine anfallende Anleihe nicht bedienen kann und seinen Gläubigern eine Umschuldung anbietet, könnte das Land zwar seine Verschuldung herunterfahren, dies hätte aber katastrophale Auswirkungen auf das griechische Bankensystem, das einen großen Teil der Staatsschulden hält oder im Kundenauftrag verwaltet. Selbst wenn eine der griechischen Großbanken diese Abschreibungen theoretisch schultern könnte, so wäre sie mit den Folgen dieses Systemversagens konfrontiert und müsste ebenfalls die Tore schließen.
Griechenland ist systemrelevant
Welcher Fonds und welche Versicherung haben griechische Anleihen in ihrem Portfolio, welche Bank hat griechischen Banken Geld geliehen? Ein Zusammenbruch des griechischen Bankensektors würde in ganz Europa Schockwellen auslösen, die denen von Lehman Brothers nicht nachstehen dürften.
Direkte Auswirkungen hätte ein griechischer Staatsbankrott vor allem für Spanien und Portugal. Sobald die Anleger wissen, dass die EU einen Staat tatsächlich in den Bankrott gehen lässt, werden sich keine Käufer für neue Tranchen anderer Staaten am Rande des Zusammenbruchs finden lassen. Die Eurozone gleicht in ihrer Stabilität einem Dominospiel – fällt Griechenland als erster Stein, bleibt dies nicht ohne Folgewirkung.
Auch wenn die Verträge von Maastricht ganz ausdrücklich einen Staatsbankrott eines Eurolandes vorsehen, wird es die Gemeinschaft ganz sicher nicht so weit kommen lassen. Bevor Griechenland in den Bankrott geht, werden Deutschland oder Frankreich die fälligen Tranchen begleichen – die Folgen einer Verweigerung wären für alle EU-Staaten katastrophal.
Szenario 3: IWF, China oder die Europäer greifen ein
Wenn es hart auf hart kommt, kann Griechenland immer noch auf Helfer in der Not hoffen. Auch wenn der EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark im Einklang mit deutschen und französischen Politikern eine Intervention zugunsten Griechenlands kategorisch ausschließt, so ist diese Aussage keinesfalls glaubwürdig. Die EZB und die Verträge von Maastricht schließen einen Bailout eines Mitgliedslandes zwar formell aus, gegen bilaterale Hilfen abseits der offiziellen EU-Strukturen kann (und will) Brüssel aber nichts machen. Ein Staatsbankrott scheidet aus und wer sollte Griechenland denn auch helfen, wenn nicht die Europäer? Kann es denn überhaupt im Sinne der Europäer sein, wenn Griechenland sich an einen anderen Machtblock "verkauft"?
Der IWF wäre für jeden normalen Staat der erste Ansprechpartner im Falle eines drohenden Bankrotts. In der momentanen Krise musste der IWF schon vielen Ländern, darunter Island, Ungarn und der Ukraine, unter die Arme greifen. Doch der IWF, in dem die USA den Ton angeben, ist keinesfalls selbstlos. Der Preis für Hilfe in der Not ist groß – ohne einen meist radikalen Umbau der nationalen Politik hin zu neoliberalen Reformen und einer Kapitulation vor den "freien Märkten" erhält kein Staat Geld aus Washington.
Das Hauptproblem von IWF-Krediten für Griechenland ist jedoch die mangelnde Souveränität des Landes in Finanz- und Währungsfragen. Reformen, wie sie der IWF meist fordert, kann Griechenland schon allein wegen der Verträge von Maastricht gar nicht umsetzen. Käme der IWF zum Zuge, müsste Griechenland daher wohl aus der Eurozone austreten. Für Europa wäre dies ein Offenbarungseid. Was soll man vom größten Wirtschaftsraum der Welt halten, wenn dieser noch nicht einmal für seine kleineren Mitglieder die Verantwortung übernehmen kann – oder besser will – und stattdessen den von den USA dominierten IWF die Kontrolle übergibt?
Ein weiterer Retter in der Not wäre China. Berichten der Financial Times zufolge hat das griechische Finanzministerium bereits beim gigantischen chinesischen Staatsfonds SAFE angefragt, der Devisenreserven in Höhe von 2.400 Milliarden Dollar verwaltet. Die Griechen wünschen sich den Medienangaben zufolge eine Sonderanleihe in Höhe von 25 Milliarden Euro, was kurz nach der Veröffentlichung jedoch von den Griechen dementiert wurde. Doch derlei Dementis sind unglaubwürdig, schließlich hat Griechenland die Chinesen bereits im November um Hilfe gebeten. Da die Chinesen jedoch als Ausgleich für die Anleihen eine strategische Beteiligung an der mit Abstand größten Bank des Landes, der National Bank of Greece, haben wollten, lehnte man in Athen damals noch ab. Wenn der Regierung Papandreou das Wasser bis zum Halse steht, wird sie sich dies nicht mehr leisten können. China hätte dann einen strategisch wichtigen Fuß in der EU, was man in Brüssel allerdings verhindern wird. Doch auch das chinesische Interesse geht weit über rein strategische Fragen hinaus. Der SAFE ist massiv in griechische Staatsanleihen investiert, ein Staatsbankrott wäre auch für die Chinesen eine mittlere Katastrophe.
Szenario 4: Geordnete Abwicklung, Ausschluss aus der Eurozone
Griechenlands Problem heißt Euro. Eine Gemeinschaftswährung ist nur dann sinnvoll, wenn die Mitglieder halbwegs vergleichbare makroökonomische Merkmale haben und eine gemeinsame Strukturpolitik betreiben. Was wäre beispielsweise aus der ehemaligen DDR geworden, wenn sie zwar die westdeutsche Währung und die westdeutschen Löhne bekommen hätte, aber keine Transferleistungen? Ostdeutschland wäre nicht nur ein Armenhaus, sondern auch bis über beide Ohren verschuldet.
Wenn Europa also nicht bereit ist, mit deutschen oder französischen Steuergeldern am "Aufbau Griechenland" mitzuarbeiten, muss Griechenland die Eurozone verlassen. Anderenfalls wird es ohne Währungsabwertung und souveräne Fiskalpolitik nie zum Niveau der reicheren Euroländer aufschließen können. Die gerechteste Lösung wäre daher ein europäischer Sonderfonds analog zum IWF. Für eine Übergangszeit könnte er – gespeist durch die reichen europäischen Länder – Griechenlands Altschulden bedienen, während das Land selbst die Eurozone verlässt und mit seiner eigenen Währung neue Schulden zu einem realistischen Kurs aufnehmen kann. Die Altschulden könnten dann über eine Sonderregelung über den laufenden Haushalt abgeführt werden.
Den Preis für diesen Neubeginn würde allerdings die griechische Bevölkerung zahlen, da die neue nationale Währung massiv abgewertet werden müsste, was Importe verteuern, Exporte allerdings konkurrenzfähiger machen würde. Griechenland stünde dann ökonomisch ungefähr auf einem Niveau mit Polen oder Ungarn – eine Position, die dem Land auch ohne künstliche Verzerrung durch den Euro wahrscheinlich zustehen würde. Die Griechen befinden sich allerdings in jedem möglichen Szenario zwischen Skylla und Charybdis – ohne schmerzhafte Einschnitte kommen sie aus ihrer prekären Lage in keinesfalls heraus.
Szenario 5: Letzter Ausweg Inflation
Wenn die Eurozone partout zusammengehalten werden soll und der Staatsbankrott keine Lösung ist, ist dies lediglich der Auftakt zu einer weiteren Schuldenspirale. Nicht nur Griechenland, sondern auch Portugal, Spanien, und wohl auch Irland und Italien müssten mittel- bis langfristig von den Euro-Profiteuren Deutschland, Frankreich und Benelux quersubventioniert werden. Dies ist keineswegs so unlogisch, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, schließlich gehen auch die meisten deutschen Exporte ins Euroland. Deutschland profitiert also massiv von der "unrealistischen" Kaufkraft dieser Länder und tut durch seine Niedriglohnpolitik alles, damit sich dies auch künftig nicht ändert. Dann soll doch der deutsche Steuerzahler gleich die Exporterlöse deutscher Unternehmen quersubventionieren – im nationalen Rahmen macht er dies ja schon seit längerem. Doch auch dies kann nicht endlos so weiter gehen, da auch das reiche Deutschland irgendwann einmal unter den Schulden zusammenbricht.
Der einzige Weg, die Staatsschulden auf "kaltem Weg" loszuwerden, wäre eine Inflation. Wenn sich die nominalen Einnahmen des Staates Jahr für Jahr kräftig erhöhen, fallen die Schulden kaum mehr ins Gewicht. Eine kontrollierte Preissteigerung von rund 10% pro Jahr wäre ohne Probleme zu handhaben, nach zehn Jahren wären die Altschulden dadurch auf rund 35% des heutigen Wertes "weginflationiert". Was bislang von Top-Ökonomen totgeschwiegen wurde, spricht nun der Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts erstmals auch offen aus. Laut Thomas Straubhaar kann es nur einen Ausweg aus der Schuldenkrise in Euroland geben – eine gewollte Inflation. Wohl dem, der keine Ersparnisse hat.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Ich weiss wofür hier noch ein D-Mark Starterkid im Schrank liegt. Extrem unschöne Sache für den T€uro, besonders für uns die den Mist wieder mal bezahlen sollen.
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Die Deutschen haben 2009 im Schnitt weniger verdient als im Vorjahr - zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik. Laut Statistischem Bundesamt sank der durchschnittliche Bruttolohn um 0,4 Prozent. Einzelbranchen traf es noch härter.
Wiesbaden - Die Wirtschaftskrise ist in den Geldbeuteln der Deutschen angekommen: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik haben Arbeitnehmer weniger Geld verdient als im Vorjahr. Der durchschnittliche Bruttoverdienst sank 2009 um 0,4 Prozent auf 27.648 Euro, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte.
Verantwortlich für die sinkenden Löhne ist laut den Statistikern hauptsächlich der Ausbau der Kurzarbeit und der Abbau von Überstunden. Bei der Berechnung des Durchschnittsverdienstes werden nach Angaben der Statistikbehörde alle Arbeitnehmer einbezogen - geringfügig Beschäftigte wie Vorstandsmitglieder, Angestellte wie Beamte. Auch Weihnachts- und Urlaubsgeld, Zulagen und Prämien fließen in die Berechnung ein.
Im Gegensatz zu den Jahresverdiensten sind die Stundenlöhne um drei Prozent gestiegen - insbesondere durch den Abbau von Guthaben auf Arbeitszeitkonten: Die Arbeitnehmer erhielten 2009 das Entgelt für die Arbeit, die sie in den Vorjahren bereits erbracht haben, wie das Bundesamt mitteilte.
Besonders stark hat die Wirtschaftskrise das verarbeitende Gewerbe getroffen, wie es in der Mitteilung der Statistiker heißt. Hier sanken die Pro-Kopf-Verdienste um 3,6 Prozent, während auf Stundenbasis ein Zuwachs um 4,4 Prozent zu beobachten war. Auch die Lohnstückkosten, die die Relation von Arbeitskosten und Wertschöpfung darstellen, stiegen in diesem Wirtschaftsbereich mit plus 15,3 Prozent besonders stark.
(http://img197.imageshack.us/img197/4796/spiegell.jpg)
Quelle : www.spiegel.de
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Setzen die Griechen oder Spanier die Sparpläne tatsächlich so um wie geplant, ist eine ökonomische Katastrophe unausweichlich
Die südlichen Euroländer haben sich allesamt recht hehre Ziele gesetzt, wie sie ihre makroökonomischen Verhältnisse ins Maastricht-konforme Lot bringen wollen. Die Griechen wollen beispielsweise ihr Budgetdefizit bis 2012 von derzeit 12,7 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken, während sich Spanien dafür immerhin bis 2013 Zeit gibt.
Ein kleiner Ausflug in die Makroökonomie legt in beiden Fällen allerdings nahe, dass es schlichtweg unmöglich sein dürfte, diese Ergebnisse auch nur annähernd zu erreichen. So setzt die Volkswirtschaftslehre, wenn es um Aggregate aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wie dem Budgetdefizit, den privaten Ersparnissen oder der Leistungsbilanz eines Staates geht, so genannte "Identitäten" voraus. Dabei handelt es sich übrigens nicht um irgendwelche ökonomischen Theorien, die stimmen können oder auch nicht, sondern um eine Art von buchhalterischem Rechnungswesen, das den Zusammenhang dieser Wirtschaftsdaten ausdrückt.
Demnach müssen in jeder Volkswirtschaft definitionsgemäß in jeder Periode beispielsweise die Gesamteinnahmen den Gesamtausgaben entsprechen, da jede Ausgabe jemandes Einkommen darstellt. Gleichzeitig müssen die gesamten Ersparnisse den gesamten Investitionen in produktives Kapital entsprechen, wobei jeweils über den Auslandssektor ein Ausgleich erfolgt. Teilt man eine Ökonomie also in mehrere Sektoren, etwa in den Privatsektor (Haushalte und Unternehmen), die Regierung und das Ausland, dann lässt sich für jeden Sektor eine Bilanz ziehen. Beim Auslands-Sektor ist dies beispielsweise die Leistungsbilanz, die passiv ist, wenn ein Staat mehr Güter und Dienstleistungen aus dem Ausland bezieht, als er liefert. Regierungen haben in der Regel ein Budgetdefizit und beim Privatsektor spricht man von der üblicherweise positiven Sparquote.
Jeder Sektor für sich kann nun positiv oder negativ bilanzieren, in Summe müssen alle drei definitionsgemäß aber genau ausgeglichen sein. Folglich kann ein Sektor nur dann Überschüsse generieren, wenn ein anderer Sektor Schulden macht. Dementsprechend kann nur ein Land mit einem Leistungsbilanzüberschuss gleichzeitig eine positive Sparquote und einen Budgetüberschuss erzielen.
So lässt sich anhand der letzten verfügbaren Daten der Spanischen Zentralbank für Spanien aus dem Budgetdefizit von zuletzt 12,7 Prozent und einer privaten Sparquote von 18,7 Prozent ganz einfach auf ein Leistungsbilanzdefizit von sechs Prozent schließen, wobei diesem Defizit aufgrund einer weiteren Buchhaltungsidentität definitionsgemäß (wenn man die Marktpreisänderungen der bestehenden Schulden und Vermögenspositionen ignoriert) ein gleich hoher Anstieg der Auslandsverschuldung resultiert.
Abgesehen von Italien, dessen Budgetabgang laut offiziellen Angaben bei "nur" 5,3 Prozent liegt und dessen Leistungsbilanzdefizit sich im 3. Quartal 2009 auf bescheidene 2,8 Prozent belief, haben die anderen südlichen Euroländer allesamt zweistellige Budgetabgänge und Leistungsbilanzdefizite von jeweils mehr als fünf Prozent, so dass sich makroökonomisch überall recht ähnliche Probleme wie in Spanien ergeben.
Das spanische Dilemma
Will Spanien nun das Budgetdefizit auf drei Prozent reduzieren, müssten das Leistungsbilanzdefizit und die Ersparnisse zusammen also um insgesamt 9,7 Prozent des BIP, zurückgehen. Das könnte bei der Sparquote vielleicht sogar teilweise gelingen, denn immerhin ist die spanische Sparquote von rund 12 Prozent Anfang der neunziger Jahre bis 2007 auf schlappe 3,3 Prozent des verfügbaren Einkommens zurückgegangen, so dass die Haushalte inzwischen mit 130 Prozent des verfügbaren Einkommens nun recht hoch verschuldet sind. In der Krise ist die Sparquote dann aber förmlich explodiert, so dass im 3. Quartal 2009 der genannte Rekordstand erreicht wurde – und das ist kein Niveau, von dem anzunehmen ist, dass es lange Zeit gehalten werden wird.
Jedoch nimmt in Spanien auch niemand ernsthaft an, dass die Sparquote wieder auf die Niveaus der Boomzeiten zurückgehen werde. Das allein schon deshalb, weil die Sparquote netto aus der Differenz von neuen Ersparnissen und neuen Schulden berechnet wird, und die neuen Kredite, die von den Ersparnissen abgezogen werden müssen, derzeit einfach viel schwerer zu bekommen sind. So resultiert die hohe Quote offenbar allein daraus, dass die reicheren Bevölkerungsschichten noch weniger von ihrem Einkommen ausgeben und angesichts der tristen Wirtschaftslage auf den demonstrativen Konsum verzichten. Die unteren Einkommensschichten und die fast 20 Prozent Arbeitslosen dürften hingegen derzeit großteils gezwungen sein, sich zu verschulden, allein um ihr Leben zu fristen, erhalten dafür aber kaum Finanzierungen.
So wie in fast allen Industriestaaten hat sich in der Krise aber auch in Spanien das außenwirtschaftliche Defizit deutlich reduziert. Denn durch den abrupten Konsumrückgang gingen die Importe viel stärker zurück als die Exporte, so dass das Leistungsbilanzdefizit von zuvor horrenden zehn Prozent auf die besagten sechs Prozent zurückging. Könnte das Leistungsbilanzdefizit um weitere drei Prozent gesenkt werden, dann würde es also reichen, wenn die Sparquote auf die früher üblichen zwölf Prozent zurückginge. Das scheint aber kaum möglich, insbesondere da mit einem Rückgang der Sparquote der Konsum zunehmen würde und dadurch auch die Importe.
Bliebe als Ausgleich der Verkauf von spanischen Vermögenswerten an Ausländer, was auch nicht ganz ausgeschlossen ist. Denn immerhin waren spanische Immobilien bei Nordeuropäern ausgesprochen begehrt, als die Preise noch nicht durch die Decke gegangen waren. Allerdings fallen die bislang so kaufwütigen Briten makroökonomisch vorerst wohl aus, da Großbritannien derzeit wohl noch größere außenwirtschaftliche Probleme hat als der gesammte Club-Med und daher kaum an einer Währungsabwertung vorbeikommen wird.
Nun da sich die spanischen Immobilienpreise im freien Fall befinden, könnte – ein Ausbleiben weiterer weltweiter Finanzkrisen vorausgesetzt – aber durchaus wieder eine Kaufwelle einsetzen, wofür aber wohl nur deutsche Käufer in Frage kommen, sollten nicht die Erdölexporteure und die asiatischen Überschussländer ihre Liebe zu spanischen Immobilien entdecken. Sollte das jedoch geschehen, hätte das immerhin den zusätzlichen Vorteil, dass dadurch auch die Dienstleistungsumsätze im Tourismus wieder ansteigen könnten. Denn bei einem Anteil von gerade einmal 30 Prozent von Landwirtschaft und Industrie am BIP bleiben die Möglichkeiten für Warenexporte von vornherein eher beschränkt.
Sollten sich Ausländer hingegen nicht in ausreichendem Masse für spanische Immobilien interessieren und die Leistungsbilanz vielleicht sogar wieder weit ins Minus rutschen, dann müsste der Privatsektor das Sparen indes weitgehend aufgeben, was angesichts der tristen Aussichten am Arbeitsmarkt und den bereits jetzt zu hohen Schulden wohl nur mit Zwang oder sehr verwegenen Stimulierungsmaßnahmen erreichbar wäre. Darüber hinaus dürfte die sinkende Sparquote vor allem durch steigende Schulden bei den bereits jetzt hoch verschuldeten Haushalten und Unternehmen resultieren, und weniger daraus, dass die Reichen ihr Geld plötzlich mit vollen Händen zum Fenster hinaus werfen. Die folglich weiter steigenden privaten Schulden würden dann aber sicherlich zu beträchtlicher wirtschaftlicher Instabilität und vermutlich auch zu weiteren schweren Finanzkrisen führen.
Um diese üblen Folgen zu vermeiden müsste die Regierung jedenfalls alles unternehmen, um die Leistungsbilanzdefizite abzubauen. Das würde bedeuten, inländische Produktionsfaktoren - also vor allem Arbeit - zu verbilligen, um die internationale Konkurrenzfähigkeit zu steigern. Denn einfach die Importe durch höhere Zölle oder eine Währungsabwertung zu verteuern, ist aufgrund des gemeinsamen EU-Marktes schlichtweg unmöglich. Bliebe also die Entlastung der Arbeitseinkommen, die dann aber mit einer drastischen Erhöhung der Verbrauchssteuern und der Vermögenssteuern kompensiert werden müsste.
Wie die Konkurrenzfähigkeit der Industrie aber in nur drei Jahren in der erforderlichen Weise gesteigert werden soll, dürfte wohl weder von der EU-Kommission noch von der spanischen Regierung erklärt werden können, insbesondere da Spanien seine Währung ja nicht gegenüber dem Eurozonen-Ausland abwerten kann, mit dem es den Großteil seines Defizits einfährt. Darüber hinaus trifft diese Problematik ja nicht nur Spanien, sondern alle südlichen EU-Länder, die sowohl im Tourismus wie bei den Agrarexporten um die Gelder der nördlichen Euroländer konkurrieren.
Abwertung des Euro
Bliebe als "Königsweg" eine dauerhafte und kräftige Abwertung des Euro, was den Südeuropäern innerhalb Europas zwar keine speziellen Vorteile bringt, aber die Wettbewerbsposition der gesamten Eurozone verbessern würde. Immerhin meint Robert Mundell, der für seine Forschungen zu Währungsräumen den Nobelpreis erhalten hat und als ideeller Vater der Eurozone gilt, dass ein Austauschverhältnis zum US-Dollar von über 1,40 für die Eurozone unerträglich sei und um jeden Preis vermieden werden sollte. Zwar ging das Leistungsbilanzdefizit der Eurozone 2009 von zuvor 140,6 Milliarden Euro im Vorjahr auf 59 Milliarden Euro zurück. Ins Plus drehte sie sich jedoch erst im Dezember, als sich der Euro gegenüber dem Dollar auf Talfahrt begeben hatte und ein Überschuss von 1,9 Milliarden Euro erzielt wurde.
Mundell hält indes einen Wechselkurs von 1,10 bis 1,20 Dollar je Euro für angemessen, doch erscheint dieses Niveau ohne massive Interventionen der EZB allen Angriffen internationaler Spekulanten zum Trotz allenfalls kurzzeitig erreichbar. Denn zum einen sind die Staatsfinanzen der USA wohl ebenso zerrüttet wie jene der Eurozone, während das britische Pfund jederzeit in den freien Fall eintreten könnte. Darüber hinaus könnte China, das inzwischen bereits mehr Waren nach Europa als in die USA liefert, die aktuelle Dollarstärke nicht nur dazu nutzen, um seine üppigen Devisenreserven von Dollar in Euro umzuschichten. China könnte auch auf die Idee kommen, dann anstatt des Dollars den Euro zu stärken, wozu dann wohl auch Japan übergehen würde.
Sollte die EZB also tatsächlich am Devisenmarkt intervenieren, dürfte sie sich auf ein hartes Match mit den starken asiatischen Notenbanken einlassen müssen und würde riskieren, in dieselbe Lage zu geraten wie die chinesische und die japanische Zentralbank. Denn diese sitzen inzwischen auf einem riesigen Berg von US-amerikanischen Schuldtiteln und müssten im Falle einer Dollarabwertung enorme Buchverluste verkraften. Anders als in China würde sich in Europa dann die Frage stellen, wer denn für diese Verluste geradestehen müsste, was im aktuellen EZB-Regelwerk offenbar nicht hinlänglich präzise geregelt wird.
Folgen der Sparmaßnahmen werden noch nicht diskutiert
Klar ist jedenfalls, dass ein radikales Sparprogramm der Club-Med-Regierungen jedenfalls begleitende Maßnahmen verlangen würde, um das absehbare Unheil zu vermeiden. Denn wenn der geplante massive Rückgang der staatlichen Nachfrage nicht durch hohe Unternehmensinvestitionen und höheren Konsum sowie eine Verbesserung der Außenbilanz kompensiert würde, hätten die Club-Med-Staaten zwangsläufig mit ebenso massiv einbrechenden Wachstumsraten zu rechen.
Dann würde sich das Investitionsklima weiter verschlechtern und auch das Angstsparen sicherlich zunehmen. Die Folgen wären dann wohl eine schwere Pleitewelle bei privaten Schuldnern sowie eine weiterhin stark steigende Arbeitslosigkeit, was auf höheren Sozialausgaben und sinkende Steuereinnahmen hinauslaufen und wohl dafür sorgen würde, dass die hochgesteckten Budgetziele keinesfalls erreicht werden könnten.
Jedenfalls drängt die Zeit und insofern ist es durchaus besorgniserregend, auf welchem sachlichen Niveau die Lage derzeit innerhalb der EU diskutiert wird. Denn obwohl jedem Ökonomen klar sein müsste, welch gravierende Folgen der von den nördlichen Staaten unisono verlangte budgetäre Kahlschlag im Süden haben würde, wird noch nicht einmal andiskutiert, wie die daraus resultierenden makroökonomischen Verwerfungen abgefedert werden könnten. Denn absehbar ist jedenfalls auch, dass sich in Europa wohl niemand einer prolongierten Krise in den Club Med-Staaten entziehen könnte.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Während um Hilfe für das vor dem Bankrott stehende Griechenland gerungen wird, beherrschen Zerrbilder die Stimmungslage
In der Bevölkerung Europas herrscht Sorge um den Euro und um das soziale und wirtschaftliche Überleben. In ganz Europa? Nein, ein Teil der Europäer beschäftigt sich mit anderen Dingen. Spekulanten sichern sich auch in Krisenzeiten den Profit, Politiker bemühen sich um ihr öffentliches Ansehen und die Medien suchen nach interessanten Schlagzeilen. Wenn Spekulanten, Politiker und Medien zusammen arbeiten, dann wird das Volk von seinen wahren Sorgen kurzfristig abgelenkt und streitet sich munter mit anderen Völkern.
Deutsch-griechische Missverständnisse
Derzeit herrscht viel Aufruhr im Verhältnis zwischen Deutschen und Griechen. Der aktuelle Grund für die zwischenstaatlichen Streitereien ist auf den ersten Blick die desolate griechische Haushaltslage und dessen Folgen für die gemeinsame europäische Währung, den Euro. Leider ist die griechische Finanzkrise nur die Spitze eines europäischen Finanzeisbergs.
mehr ... (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32262/1.html)
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Die Kritik an Deutschland wird lauter – Lohndumping und Leistungsbilanzüberschüsse der Deutschen stehen einer gesunden Eurozone im Weg
"It takes two to tango" – mit [extern] diesen Worten brach gestern die französische Finanzministerin Christine Lagarde ein Tabu. Die deutsche Exportfixierung, mit der Lohndumping, eine geringe Binnennachfrage und neoliberale Reformen einhergehen, stellt für die Stabilität Europas ein unüberwindbares Hindernis dar.
Ungewöhnlich offen kritisierte Lagarde die nun zehnjährige Periode der deutschen Niedriglohnpolitik, die der deutschen Exportbranche Vorteile auf Kosten der Nachbarländer beschert hat. Daher fordert die französische Finanzministerin Deutschland auf, endlich auf eine nachhaltige Politik zu setzen, die Wettbewerbsvorteile abzubauen und damit die Eurozone vor einem Auseinanderbrechen zu bewahren.
Tabubruch
Lagardes Vorstoß ist weder neu noch überraschend. Bereits vor einem Jahr rügten die europäischen Finanz- und Wirtschaftsminister die deutsche Niedriglohnpolitik bei einem gemeinsamen Treffen im slowenischen Bdro scharf. In den deutschen Medien wurde darüber freilich nicht berichtet. Wenn eine französische Finanzministerin im Vorfeld des EU-Finanzministertreffens, auf dem Wege aus der Griechenlandkrise auf der Agenda stehen, dem Nachbarn derart die Leviten liest, bleibt dies hierzulande natürlich nicht unbemerkt.
Prompt beschweren sich der SPIEGEL und die Süddeutsche Zeitung über ein vermeintliches "Deutschland-Bashing" der Franzosen und die Welt unkt phanatisevoll, unsere Nachbarn seien ja nur "neidisch" und wollten "uns ausbremsen". Gesamtwirtschaftliches Verständnis hört in deutschen Massenmedien an der Redaktionspforte auf und jegliche Kritik am deutschen Weg wird als Blasphemie abgetan. Wenn man sich die Fakten anschaut, kommt man jedoch kaum daran vorbei, Frau Lagarde in allen Punkten Recht zu geben.
Fakten, Fakten, Fakten
Laut Eurostat sind die deutschen Löhne zwischen 1995 und 2006 um gerade einmal 9,5% gestiegen – dies ist weniger als die Inflation und entspricht einer Reallohnkürzung. Im Vergleichszeitraum stiegen die Löhne in Frankreich um 49%, in Spanien um 103% und in Großbritannien gar um 128%. Natürlich hat diese Niedriglohnpolitik auch die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähiger gemacht. Seit Einführung des Euro sind die Lohnstückkosten in Deutschland um 14% gesunken, während sie in Griechenland stabil blieben, in Portugal um 5% , in Spanien um 28% und in Italien gar um 46% gestiegen sind.
Mit den Löhnen steigt natürlich auch die Nachfrage nach Gütern – so konsumierten die Franzosen im Jahre 2006 29% mehr Güter und Dienstleistungen als zehn Jahre zuvor. Die Briten leisteten sich 43%, die Spanier sogar 61% mehr als vor einem Jahrzehnt. Während halb Europa sich mehr leisten kann, muss Deutschland knausern – die Niedriglohnpolitik hat dazu geführt, dass Deutschland in der letzten Dekade gerade einmal 9% mehr Waren und Dienstleistungen konsumierte. Deutschland produziert demnach von Jahr zu Jahr billiger, exportiert von Jahr zu Jahr mehr und konsumiert von Jahr zu Jahr weniger als seine Nachbarn. Funktionieren kann dieses eigenwillige "Erfolgsmodell" jedoch nur, weil die Europäer nicht allesamt "Deutsche" sind.
Zwei Drittel aller deutschen Exporte gehen nämlich in die EU, fast jeder zweite Euro, den Deutschland mit dem Export verdient, stammt aus den Ländern der Eurozone. Der "Sündenbock" Griechenland importiert pro Jahr Waren im Wert von rund 8,3 Milliarden Euro aus Deutschland, exportiert aber lediglich Waren im Wert von rund 1,9 Milliarden Euro nach Deutschland. Der deutsche Handelsbilanzüberschuss mit den sechs Eurozonenländern Belgien, Griechenland, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien betrug allein im letzen Jahr 367 Milliarden Euro. Hätten diese Staaten die deutsche Niedriglohnpolitik kopiert, würde der deutsche Export nicht derart florieren. Die Menschen in den betreffenden Ländern wären ärmer und würden allgemein weniger Güter nachfragen und aufgrund ihrer geringeren Löhne auch günstiger produzieren. Der deutsche Export boomt, weil andere Staaten eine nachfrageorientierte Politik betreiben.
Soll Europa deutscher werden?
Ginge es nach der deutschen Politik, so hieße der Ausweg aus der Eurokrise, dass ganz Europa "deutsch" werden muss. Den Gürtel enger schnallen, Ausgaben und Löhne kürzen und so zum Exportweltmeister werden. Diese Vorstellung ist allerdings gesamtwirtschaftlicher Nonsense. Der Überschuss des Einen ist immer das Defizit des Anderen. Deutschland kann nur dann Handelsbilanzüberschüsse erzielen, wenn andere Länder Handelsbilanzdefizite aufweisen. Deutschland ist deshalb Deutschland, weil andere Staaten es nicht sind. Während exorbitante Ungleichgewichte im Außenhandel normalerweise über eine Auf- und Abwertung der Währungen ausgeglichen werden, ist dieses Korrektiv in einem gemeinsamen Währungsraum nicht möglich.
Die Geburt des Eurosystems krankt an den strukturellen Ungleichgewichten der ungleichen Partner. Es ist jedoch falsch, den Schwarzen Peter an die Defizitsünder weiterzugeben. Der relative Nachteil des einen Staates ist in einer Währungsunion immer auch der relative Vorteil eines anderen Staates.
Will man innerhalb einer Währungsunion ausgeglichene Bilanzen oder gar die Annährung der Lebensverhältnisse, so muss der defizitäre Teil der Union schneller wachsen als der produktivere. Nur wenn die PIIGS-Staaten auf lange Zeit höhere Produktivitätszuwächse als Deutschland haben und sich so die Lücke schließt, kann man von einer gesunden Zukunft des Eurosystems sprechen. Deutschland kann nicht ewig ein gigantisches schwarzes Loch im Eurosystem sein, das Kapital seiner Nachbarn aufsaugt und es ihnen dann zum Ausgleich der Bilanzdefizite wieder leiht. Langfristig führt eine solche Entwicklung nur dazu, dass sich die defizitären Staaten immer höher bei den produktiveren Staaten verschulden.
Irgendwann ist jedoch einmal der Punkt erreicht, an dem Staaten wie Griechenland ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können. Natürlich könnte man den Reset-Knopf drücken, Griechenland und anderen Defizitsündern ihre Schulden erlassen und weitermachen, als sei nichts geschehen. Wenn man allerdings die Profiteure des Exports – und dies ist natürlich ausschließlich die Kapitalseite – nicht über erhöhte Steuern an der Finanzierung dieses Finanzausgleichs beteiligen will, ist eine solche Maßnahme freilich nicht bezahlbar. Es erscheint auch fraglich, ob der deutsche Wähler es akzeptieren wird, wenn die Griechen sich zugunsten der deutschen Exportwirtschaft mit seinem Steuergeld Güter leisten sollen, auf die er selbst aufgrund der Niedriglohnpolitik verzichten muss.
Es ist klar, das etwas passieren muss, um die Ungleichgewichte im Eurosystem abzubauen. Eine Variante wäre es, Europa "deutscher" zu machen. Wenn ganz Europa den Gürtel enger schnallt, weniger verdient und so die Lohnstückkosten senkt, fände es auf niedrigem Niveau auch wieder zum Gleichgewicht. Diese Variante hat jedoch gleich zwei Haken: Zum einen sind die Wähler in unseren Nachbarländern nicht so dumm wie hierzulande und würden einen solchen Kurs nicht mitgehen. Zum anderen würde die deutsche Wirtschaft damit auch ihren relativen Vorteil verlieren und ein Land ohne nennenswerte binnenwirtschaftliche Impulse reagiert auf derlei Entwicklungen äußerst angreifbar. Was hieße es denn für Deutschland, wenn Europa "deutscher" wird?
Produzenten aus unseren Nachbarländern wären plötzlich konkurrenzfähiger, während gleichzeitig aufgrund der geringeren Nachfrage die Exporte in diese Länder zurückgehen würden. Wie würde die deutsche Politik mit einem Einbruch der Exporte und der damit verbundenen Krise am Arbeitsmarkt und bei den Staatsfinanzen reagieren? Den Gürtel noch enger schnallen? Dann müssten unsere Nachbarn ja nachziehen – willkommen in der Abwärtsspirale.
Oder soll Deutschland europäischer werden?
Aus dem strukturellen Ungleichgewicht gibt es eigentlich nur einen Weg – den Weg, den nun auch Christine Lagarde vorgeschlagen hat. Deutschland muss seine Wettbewerbsvorteile zugunsten der Nachbarschaft abbauen.
Der Ökonom Heiner Flassbeck schätzt, dass bis 2025 bei einer jährlichen Inflation von 2% Lohnsteigerungen im Rahmen von 5% nötig wären, um die Lücke zu schließen. Gewinner einer solchen Aufgabe der Niedriglohnpolitik wären natürlich vor allem die Deutschen selbst. Von nackten Zahlen, wie der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts oder der Steigerung der Exporte hat der Mann auf der Straße nämlich erst einmal gar nichts. Erst wenn diese wirtschaftlichen Kennzahlen sich auch auf sein Realeinkommen auswirken, kann man davon sprechen, dass "Deutschland" von der wirtschaftlichen Entwicklung profitiert.
In den letzten zwei Jahrzehnten wuchs die deutsche Wirtschaft exorbitant, der Mann auf der Straße hat davon abseits der Nachrichten jedoch nicht sonderlich viel mitbekommen. Wenn Wirtschaftswachstum wieder mehr als ein Selbstzweck, basierend auf realitätsfernen Zahlen, wäre, so wäre dies schon einmal ein Fortschritt.
Natürlich ist dies nicht so einfach wie es klingt, schließlich hat Deutschland keinen Staatskapitalismus à la China. Da die "freie Wirtschaft" nicht einfach zu höheren Lohnabschlüssen genötigt werden kann, führt an einer Steuerstrukturreform kein Weg vorbei. Rentner, Arbeitslose und Arbeitnehmer müssten deutlich entlastet, ohne dass dabei die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Will man dies ohne eine Erhöhung der Staatsverschuldung umsetzen, die inflationär wirken würde, müsste man auf der Gegenseite die Unternehmen und das Kapital stärker besteuern. All dies läuft natürlich dem deutschen Meinungsmainstream zuwider.
Daher kann die aufgeregte Kritik an Christine Lagardes Äußerungen auch nicht überraschen. Deutschland muss sich jedoch bewegen, will es eine europäische Krise verhindern. Ansonsten könnte es nämlich auch passieren, dass Deutschland aus der Eurozone ausgeschlossen wird. Mit einer stark aufgewerteten D-Mark wären die europäischen Probleme nämlich ebenfalls passé.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Wie die Deutsche Bundesbank heute mitteilte, ist der Schuldenstand des Staates am Ende des Jahres 2009 auf ein – erwartetes – Rekordhoch gestiegen. Der Maastricht-Schuldenstand ist auf 1,762 Billionen Euro angestiegen, was 73,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspreche. Im EU-Vertrag wurde eine Grenze von 60 Prozent beschlossen.
2008 lag der Schuldenstand noch bei 1,642 Billionen Euro. Gegenüber 2008 wuchsen die Staatsschulden 116 Milliarden Euro und die Schuldenquote um 7 Prozentpunkte: "Zum starken Schuldenanstieg trugen Stützungsmaßnahmen zugunsten von Finanzinstitutionen im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise in Höhe von 45 Mrd € bei", so die Bundesbank. "In kumulierter Betrachtung schlugen diese in den Jahren 2008 und 2009 mit insgesamt 98 Mrd € im Schuldenstand zu Buche."
Die Bundesbank sagt in ihrem gleichfalls heute veröffentlichten Jahresbericht, dass in letzter Zeit die wachsenden Staatsschulden durch den Rückgang der Zinsen "überdeckt" wurden. Damit werde man aber nicht mehr lange rechnen können. Die Bundesbank warnt die Steuersenkungsfraktion in der Bundesregierung: "Bei vorerst weiter stark steigenden Schulden wäre ein Anstieg des derzeit sehr niedrigen Zinsniveaus sogar relativ schnell mit Haushaltsbelastungen in Milliardenhöhe verbunden, die den ohnehin erheblichen Konsolidierungsbedarf noch vergrößern würden." Bei einer Zinserhöhung von nur einem Prozent seien so mit Mehrausgaben von 17 Milliarden Euro zu rechnen.
Die Bundesregierung habe zwar die nationalen und europäischen Konsolidierungsvorgaben zugesagt, so ein weiterer Rüffel, aber bislang stehe "die Fundierung durch konkrete Maßnahmen" noch aus. Auf keinen Fall sollte die Bundesregierung "Anpassungslasten" bei der Konsolidierung auf die Zukunft verschieben. Kaum verhalten auch hier die Kritik an der Bundesregierung, die sich mit dem Haushalten schwer tut:
"Im Stabilitätsprogramm von Anfang 2010 wird von der Bundesregierung eine Zunahme bis auf 82% im Jahr 2013 erwartet. Dabei sind neben einem recht kräftigen Wirtschaftswachstum auch Konsolidierungsschritte eingerechnet, ohne dass dafür erforderliche Maßnahmen benannt sind. Zudem sind Folgen er im Koalitionsvertrag angekündigten weiteren Steuersenkung und neuer Entschuldungseinrichtungen für Banken nicht eingerechnet. Mithin bestehen hier noch beträchtliche Risiken."
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Die gute Nachricht ist: die Wirtschaftskrise ist überstanden. Die schlechte jedoch folgt auf dem Fuß: eine rasche Erholung auf dem Arbeitsmarkt wird es wohl nicht geben
Die soziale Marktwirtschaft hat sich auch in der Krise bewährt. Mit diesem immer wiederkehrenden Mantra eröffnete Gunter Thielen, der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung, die Konferenz über die Wirtschaftskrise und die Herausforderungen, die auf den deutschen Arbeitsmarkt noch zukommen werden. Ausdrücklich lobte Thielen die viel kritisierten Krisenpakete der Bundesregierung. Besonders lobte er dabei "die mit Begeisterung aufgenommene Abwrackprämie", die Regelung zur Kurzarbeit sowie die Kanzlergarantie, dass die Spareinlagen der Deutschen sicher seien. Mit diesen und weiteren Maßnahmen habe die Bundesrepublik, obwohl als Exportnation schwer von der Krise getroffen, die Krise relativ gut überstanden.
Angel Gurria, der Generalsekretär der OECD, fand auf der Konferenz der Bertelsmann-Stiftung deutliche Worte zur Zukunft der Arbeit in Zeiten der Krise. Nachdem die Arbeitslosenquote in den OECD-Staaten 2007, also vor der Wirtschaftskrise, bei 5,8 Prozent auf einem 28-Jahres-Tief angekommen war, stieg die Arbeitslosigkeit bis zum letzten Quartal 2009 auf 8,8 Prozent an. Das bedeutet, dass mehr als 18 Millionen Menschen in den insgesamt 31 OECD-Ländern ihre Arbeit verloren haben. Auch die Zahl derer, die nur noch eine Teilzeitstelle finden würden, obwohl sie gern mehr arbeiten wollen, sei gestiegen, so Gurria.
Für 2010 sieht er aber erste Zeichen einer Besserung. Die Daten legten nahe, dass die Arbeitslosenrate ihren Höchststand erreicht habe. Damit sind die guten Nachrichten jedoch auch schon vorbei. Das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in den OECD-Staaten, in diesem Jahr werden 1,9 Prozent und in 2011 noch einmal 2,5 Prozent erwartet, reicht bei weitem nicht aus, um eine rasche Abnahme der Arbeitslosigkeit herbeizuführen.
Zudem stünden die Staaten vor der Herausforderung, gleichzeitig ihre angeschlagenen Haushalte zu sanieren und eine aktive Arbeitsmarkpolitik zu betreiben – ein Spagat, der kaum zu schaffen sein dürfte. Zumal der OECD-Generalsekretär davon ausgeht, dass selbst in Ländern mit einer sehr beschäftigungsfreundlichen Politik fünf Jahre vergehen würden, bis die Arbeitslosenquote wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat. In anderen Ländern könne das sogar noch deutlich länger dauern.
Für Länder wie Deutschland, die Arbeitsplatzabbau durch verkürzte Arbeitszeiten verhindert haben, sieht er das Risiko des "jobless recovery", eines Aufschwungs, in dem keine neuen Arbeitsplätze entstehen. Schließlich würde zunächst einmal die Arbeitsmenge pro Mitarbeiter wieder auf das Maß vor der Krise erhöht, bevor es zu Neueinstellungen käme.
Ein Aufschwung, in dem neue Arbeitsplätze entstehen, sollte aus seiner Sicht jedoch oberste Priorität für die Regierungen haben. Dazu sei es auch notwendig, dass die Regierungen Geld in die Hand nehmen, um beispielsweise "grünes Wachstum" zu fördern oder energetische Gebäudesanierung zu finanzieren.
Die Jahre mit Leben füllen
Doch selbst wenn neue Jobs entstehen würden, so würde sich dies zunächst auf die Zeitarbeitsbranche konzentrieren. Dies zeige die Erfahrung aus vergangenen Aufschwungsphasen, hieß es von der Bertelsmann-Stiftung. Da diese Erwerbsform, wie auch andere so genannte atypische Erwerbsformen, jedoch häufig mit großen Unsicherheiten und Niedriglöhnen verbunden sind, war diese ein wichtiges Thema auf dem Kongress.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen nutzte ihren Vortrag, um die Zeitarbeit zu verteidigen. Sie sei eine "Brücke in die Arbeit". Neun Prozent der Zeitarbeiter seien vorher niemals beschäftigt gewesen, so die Ministerin. Zwar gebe es Drehtüreffekte, jedoch sei es "besser, zeitweilig beschäftigt zu sein, als gar nicht beschäftigt zu sein", so von der Leyen. Für sie sei es am wichtigsten, "die Menschen auf die sichtbar ihnen abzuverlangende Flexibilität vorzubereiten", erklärte sie. Gleichzeitig warb sie für eine Neubesetzung des Begriffs der Rente mit 67. Dieses Wort müsse geändert werden in "Wie geht Arbeit bis 67", da die Erhöhung des Renteneintrittsalters für die Menschen eine Chance darstelle. Noch nie in der Menschheitsgeschichte seien die Alten so fit wie heute gewesen. Deshalb müsse man sich nun mit der Frage auseinandersetzen, was man tun könne, "um diese gewonnenen Jahre mit Leben zu füllen", so von der Leyen.
Eine gerade von der Bertelsmann Stiftung vorgelegte Studie kommt allerdings zum Ergebnis, dass die Zeitarbeit normalerweise keine "Brücke in die Arbeit" ist: "Auf dem Feld der Zeitarbeit zeigt sich eine deutliche Tendenz zur Spaltung zwischen Rand- und Kernbelegschaften ohne belastbare Hinweise auf eine Brückenfunktion. Ohne die originäre Funktion der Zeitarbeit als Puffer für Auftragsspitzen in Frage zu stellen, bietet sich eine Annäherung der Arbeitsbedingungen in der Zeitarbeit an die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen der Kernbelegschaften sowie ein Zuwachs an Bestandssicherheit mit wachsender Verweildauer an."
Mindestlohn weiter umstritten
Brigitte Pothmer, die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, erklärte, dass eine Verpflichtung aller zum Normalarbeitsverhältnis zwar keine Lösung sein könne, forderte allerdings eine bessere Balance zwischen Flexibilität und Sicherheit. Für Zeitarbeiter könnte sie sich eine Flexibilitätsprämie vorstellen. Ein ähnliches Modell existiert bereits in Frankreich. Dort erhalten Zeitarbeiter nicht nur den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft eines Unternehmens, sondern zusätzlich noch eine Prämie in Höhe von 10 Prozent. Würde eine solche Regelung auch in Deutschland eingeführt, würde dies die Verdrängung von regulären Beschäftigten durch Zeitarbeiter stoppen, da Zeitarbeiter dann deutlich teurer als regulär Beschäftigte wären.
Dieser Vorschlag stieß jedoch auf wenig Gegenliebe: Johannes Vogel (FDP) warf Pothmer vor, die Tarifautonomie in der Zeitarbeit beschränken zu wollen. Die Diskussion um den Missbrauch der Zeitarbeit, beispielsweise bei Schlecker hält er für "medial aufgeheizt", gestand jedoch ein, dass man sich Gedanken über schwarze Schafe machen müsse. Um die Qualifikation der Arbeitnehmer zu verbessern, schlug er vor, dass der Staat die Weiterbildung von Beschäftigten künftig mitfinanzieren sollte. Diese Idee, so Vogel, sei jedoch noch nicht mit seiner Partei abgestimmt.
Derart viel Fürsorge für die Unternehmer ging denn auch selbst dem Hauptgeschäftsführer des Arbeitsgeberverbandes BDA zu weit. Zwar müsse jeder, der in Arbeit ist, auch weitergebildet werden. Dies sei jedoch Sache der Arbeitgeber, die die Kosten zu tragen hätten, und der Arbeitnehmer, die die Zeit dafür aufbringen müssten. Zugleich lobte er die Zeitarbeitsfirmen, die eine große soziale Verantwortung übernehmen würden, indem sie Geringqualifizierte fit für die Arbeit machen. Das Problem der Niedriglöhne sehe er hingegen nicht. Vollzeitbeschäftigte Aufstocker verdienten im Schnitt über 10 Euro in der Stunde, ein Mindestlohn wäre da fehl am Platz. Doch ein Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt: die Löhne liegen weit darunter. Ein Aufstocker in Westdeutschland verdient demnach im Schnitt nur 7 Euro brutto pro Stunde, im Osten sogar nur 6,02 Euro.
Selbst die Bertelsmann-Stiftung hat dieses Problem mittlerweile erkannt, und sich dazu durchgerungen, ebenfalls einen gesetzlichen Mindestlohn zu fordern. Dieser müsse allerdings für alle Branchen gelten.
Zweifel jedoch sind angebracht, wenn es um das angekündigte Ende der Wirtschaftskrise geht. Die drohende Staatspleite Griechenlands und die Abwertung der Kreditwürdigkeit Portugals und Spaniens werden Europa und damit auch Deutschland, das von Exporten in die EU wirtschaftlich stark abhängig ist, weiter belasten. Und nicht zuletzt haben auch deutsche Banken griechische Staatsanleihen in ihren Depots – allen voran die bereits verstaatlichte Hypo Real Estate mit einem Gesamtvolumen von fast 8 Milliarden Euro. Hier droht bereits eine neue Blase zu platzen.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Bereiten sich Euroländer mit ihren Sparplänen insgeheim nach dem Tabubruch der Zentralbank auf eine steigende Inflation vor?
Man fragt sich, warum zum Beispiel die spanische Regierung für einen zweifelhaften Sparplan die stabile politische Lage im Land opfert, einen Generalstreik riskiert und damit sogar ihren möglichen Sturz. Liegt das vielleicht auch daran, dass mit dem Rettungsnetz, das zur Stützung des Euro am vergangenen Wochenende mit bis zu 860 Milliarden aufgespannt wurde, nun auch die EU-Kommission eine steigende Inflation befürchtet?. Denn die flankierenden Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB), die nun sogar Staatsanleihen ankauft, stellen einen Tabubruch dar, weil damit quasi die Notenpresse angeworfen wird (Historischer Wendepunkt in der Geldpolitik der EU). Damit wird der Inflation Vorschub geleistet und einige könnten darin eine Möglichkeit sehen, sich eines Teils der riesigen Schulden zu entledigen, die viele Staaten inzwischen angehäuft haben.
Mit der Entscheidung vom Montag, nun auch Staatsanleihen ankaufen zu wollen, hat sich die EZB nun definitiv auf den Weg gemacht, den die US-Notenbank (FED) und die Bank of England (BoE) in Großbritannien schon gebahnt hatten. Die Financial Times Deutschland titelte: "EZB kopiert Hemmungslosigkeit der FED". Damit hat die EZB die bisherige Politik der "quantitativen Lockerung" (quantitativ easing) noch deutlich ausweitet und ein weiteres Dogma bisheriger Geldpolitik umgestürzt. Spätestens mit dieser Entscheidung hat die EZB ihre Unabhängigkeit gegenüber politischen Forderungen geopfert.
Daran ändert auch nichts, wenn Bundespräsident Horst Köhler am Freitag bei einem Festakt in Karlsruhe das Gegenteil behauptet hat. Es gibt eher zu denken, dass Köhler bei der Einführung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts sich überhaupt dazu genötigt sah, die Zentralbank angesichts steigender Inflationsängste in Schutz zu nehmen. Er sprach seinen "Respekt vor der Entscheidung" der EZB aus, "in dieser extremen Ausnahmesituation Schuldentitel von Euro-Ländern anzukaufen". Das sei unorthodox und berge Risiken. Er zeigte sich aber überzeugt davon, dass die EZB unter Jean-Claude Trichet "auch weiter in voller Unabhängigkeit ihrem Stabilitätsauftrag folgen wird".
Köhler versucht, die unguten Gefühle zu zerstreuen, die wegen dieser lockeren Geldpolitik immer stärker aufkommen. Dass der EZB in Frankfurt die Sicherung der Preisstabilität ohnehin nicht so wichtig ist, hat sie schon bewiesen. Denn sie geht mit Inflationstendenzen deutlich laxer um, als zum Beispiel die Bundesbank zu Zeiten der D-Mark. Man sollte nicht vergessen, dass die EZB einer steigenden Inflation nahezu tatenlos zugeschaut hat. Trotz der Zielmarke von 2% ließ sie vor zwei Jahren zu, dass die Preissteigerungsrate in der Gemeinschaft auf 4,25% stieg.
Inflationsängste werden auch dadurch genährt, dass die Notenbanker zwar viele Interviews geben, doch dabei kommen ihnen kaum Details über den Ankauf der Anleihen über die Lippen. Nicht einmal das Volumen ist bekannt, mit dem die Staatsanleihen aufgekauft werden sollen. Der am Donnerstag veröffentlichte EZB-Monatsbericht macht dazu ebenfalls keine Angaben. Schwammig wird darin nur erklärt: "Ziel dieses Programms ist es, die Störungen an den Wertpapiermärkten zu beheben und einen angemessenen geldpolitischen Transmissionsmechanismus wiederherzustellen. Der Umfang der Interventionen wird vom EZB-Rat festgelegt."
Deutlicher wurde Trichet auch im Interview am Freitag nicht. Dass nun Milliarden von Euro auf den Kapitalmarkt fließen, die die letztendlich zu Preissteigerungen führen könnten, will man mit Gegenmaßnahmen ausgleichen. Wie die Ankäufe "sterilisiert" werden können, dazu wurde Trichet etwas konkreter. "Die zusätzliche Liquidität, die wir durch den Ankauf der Staatsanleihen ins System geben, holen wir wieder zurück. Dazu sind etwa verzinsliche Termineinlagen gut geeignet."
Doch trotz der Öffentlichkeitsinitiative der Zentralbanker nehmen viele am Markt ihnen ihre Botschaften nicht ab. Viele Investoren kaufen Gold, um sich gegen eine mögliche drohende Inflation abzusichern. Der Goldpreis ist deshalb am Freitag auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Die Feinunze (31,1 Gramm) kostet inzwischen fast 1.259 Dollar, damit erneut gut 1% mehr als am Vortag. Umgerechnet in Euro wurde damit die magische Marke von 1.000 Euro geknackt. Die Feinunze wurde zwischenzeitlich sogar mit bis zu 1.004 Euro bewertet. Darin drückt sich Inflationsangst klar aus.
Ein Dammbruch nach dem anderen
Schaut man in die USA, sind nach den deflationären Tendenzen im letzten Jahr längst inflationäre Tendenzen feststellbar. Inzwischen liegt die Teuerung schon bei 2,3%. Noch deutlicher ist der Trend in Großbritannien, wo das US-Vorbild kopiert wurde und die Teuerung schon auf 3,4% angestiegen ist. Hier ist die Entwicklung für verschiedene Währungsräume grafisch dargestellt.
Doch selbst wenn man Trichet und seinen Mannen abnimmt, dass sie tatsächlich nicht vorhaben, die aufgehäuften Schuldenberge über Inflation zu beseitigen, stellen sich ein paar Fragen. Gilt das auch für alle unsere Politiker? Und was geschieht, wenn die Gegenmaßnahmen scheitern oder man wegen der sich ausweitenden Probleme in der Eurozone den Geldmarkt immer weiter und weiter fluten muss? Denn die Umkehr eines einmal eingeschlagenen Wegs wird mit jedem neuen Schritt schwieriger.
Zudem erleben wir seit Monaten einen Dammbruch nach dem nächsten, weil sich Hoffnungen und Erwartungen von Politikern und Notenbankern einfach nicht erfüllen wollen. Einst undenkbar wurden inzwischen allüberall Banken verstaatlicht, sogar in Deutschland. Es wurde sogar ein Notpaket in einer Höhe von 110 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, um ein Euroland wie Griechenland vor der Pleite zu retten. Das war noch nicht richtig beschlossen, musste gleich richtig nachgelegt werden, weil ein Kollaps des Euro nicht ausgeschlossen scheint. Doch trotz des neuen Rettungsschirms von 750 Milliarden Euro setzt der Euro seine Talfahrt beständig fort und ist nun bei 1,25 im Verhältnis zum Dollar angelangt. Warum sollte sich zu der kreativen Geldpolitik also auch als "ultima ratio" nicht auch noch die Inflation gesellen? Die ständige Ausweitung der Schulden macht es ohnehin immer schwieriger, diese auch wieder loszuwerden, zumal sie in den meisten Ländern sogar in Boomphasen weiter gewachsen sind.
Es mehren sich ohnehin die Stimmen, die den Kollaps der Euro-Zone befürchten. "Die Euro-Zone steht vor dem Problem der Auflösung", sagte der Ex-Chef der US-Notenbank Paul Volcker.. Und er steht mit der Ansicht nicht allein. Seit längerem warnt der renommierte New Yorker Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone. Und Volcker ist ein Kritiker der Entwicklungen an den Finanzmärkten. Es warnte frühzeitig davor, dass mit dieser Geldpolitik alle bewährten Notenbank-Prinzipien und -Praktiken über Bord geworfen werden.
Auffällig wird immer öfter vom Einfrieren von Löhnen und Renten gesprochen
Der Begriff einfrieren taucht nun ständig neben Kürzungen in der Diskussion und als Maßnahme in Sparpaketen auf. Nun will auch Portugal, dessen Sparweg bisher anders aussah, die Löhne im öffentlichen Dienst einfrieren und noch stärker sparen. Die Debatte um das Einfrieren der Löhne der Staatsbediensteten kommt gerade in Italien so richtig in Gang. Durch Kürzungen und Einfrieren von Löhnen und Renten sticht auch das neue Sparpaket hervor, das dem Spanier José Luis Rodríguez Zapatero in Brüssel mit der Verabschiedung des Rettungsschirms aufgedrückt wurde.
Angeblich geht es darum, die Sparanstrengungen zu verstärken, um das Haushaltsdefizit von derzeit 11,2% bis 2013 auf 3% zu senken. Das Einfrieren der Löhne und Renten macht aber erst bei einer steigenden Inflation in Spanien in den nächsten Jahren wirklich einen Sinn. Denn so werden Gesetze und geltende Tarifverträge ausgehebelt, die eine jährliche Anpassung der Renten und Löhne an die Inflationsrate vorsehen. Erst bei einer deutlich steigenden Inflation würden diese Regelungen wirklich hohe Zusatzkosten verursachen.
Angesichts einer Kosten-Nutzen-Rechnung ist im spanischen Fall anders kaum zu erklären, warum Zapatero zum Einfrieren der Löhne und Renten bereit ist und dafür einen hohen politischen Preis zu bezahlen hat. Angesichts einer Gesamtverschuldung Spaniens 2009 von knapp 55% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hätte das Land, anders als die Schuldenspitzenreiter Italien (115,8%) und Griechenland (115,1%), noch deutlich mehr Spielraum für eine andere Politik. Spanien liegt sogar noch deutlich unter dem Durchschnitt von fast 80% in der Eurozone.
Doch nun hat der Sozialist die Scheidung mit den Gewerkschaften eingeleitet. Zapatero scheiterte am Donnerstag damit, sie von seinen Plänen zu überzeugen. "Die Erklärungen", die Zapatero den Gewerkschaftschefs gegeben hat, "konnten uns nicht überzeugen, sondern haben uns noch in unserer Position bestärkt", erklärten sie nach dem Treffen. Die Gewerkschaften hatten Zapatero erneut auf die extreme Schieflage seiner Sparpläne hingewiesen. Denn von einer Anhebung des Spitzensteuersatzes ist auch im zweiten Sparpaket nicht die Rede. Das gilt auch für die Besteuerung auf Kapitalerträge oder Gewinne aus Aktiengeschäften. Enorme Kapitalerträge werden in Spanien pauschal weiter nur mit 18 % besteuert. Die Sozialisten (PSOE) hatten sogar die Vermögenssteuer abgeschafft, heben nun aber zum 1. Juli die Mehrwertsteuer um 2% auf 18% an, womit die Bezieher von Renten, niedrigen Einkommen und Sozialleistungen besonders belastet werden.
Und man kann den großen Gewerkschaften wirklich nicht vorwerfen, kein offenes Ohr für die Nöte ihres Regierungschefs gehabt zu haben. Erst kürzlich hatten sie im öffentlichen Dienst mit der Regierung Lohnverzicht vereinbart. Die Löhne sollten 2010 nur um 0,3% über die Inflationsrate angehoben werden und bis 2012 sogar nur um die Inflationsrate. Doch schon vor solchen Regelungen ängstigen sich Zapatero und Brüssel angesichts einer möglichen hohen Inflation in der Zukunft offenbar.
Nun hat Zapatero erneut sein Wort gebrochen und will neben Sozialleistungen also sogar einen gerade geschlossenen Tarifvertrag brechen. Damit hat er auch sein Sozialpaktmodell beerdigt und den Gewerkschaften bleiben nur noch Kampfmaßnahmen übrig. Schon am 1. Mai hatten sie ihn davor gewarnt und dem Ministerpräsidenten vorgeworfen, "Überzeugungskraft verloren zu haben und von den Finanzmärkten eingeschüchtert zu sein". Dabei hatten sie auch "weit reichende Arbeitskämpfe" angekündigt, würden Sozialleistungen gekürzt. Für den 2. Juni rufen sie daher nun zu einem Streik im öffentlichen Dienst auf. Die Gewerkschaften diskutieren auch ernsthaft über einen Generalstreik, den die Vereinte Linke (IU) seit Monaten fordert.
Auch in Spanien drohen massive Streiks
Der Riss, den Zapatero mit dem ersten Sparplan provozierte, hat sich in einen Abgrund verwandelt. Das Vertrauen ist weg, nachdem Zapatero schon eine Rentenreform diskussionslos durchdrücken wollte. Statt über die Pläne wie üblich im "Pakt von Toledo" zu beschließen, versuchte er die Krise zu nutzen, um sie als Krisensparplan zu verkaufen. Das Renteneintrittsalter in den nächsten 15 Jahren auf 67 anzuheben und die Berechnungsgrundlage zu verändern, trägt aber nichts dazu bei, das Defizit bis 2013 unter die EU-Stabilitätsgrenze von 3% zu drücken. Erst ab 2013 soll das Eintrittsalter jährlich um jeweils zwei Monate angehoben werden.
Hatten die Gewerkschaften auf die Rentenpläne nur mit Demonstrationen geantwortet wird nun auch massiv gestreikt werden. Es ist zu erwarten, dass die großen Gewerkschaften spätestens dann zum Generalstreik aufrufen, wenn Zapatero auch eine Reform des Arbeitsmarkts durchdrückt, wie sie die Unternehmer fordern. Eingelenkt hat die Regierung schon. Sie ist bereit, mit der Verbilligung der Abfindungen den einzigen Kündigungsschutz weiter auszuhöhlen, den es in Spanien noch gibt. Den Unternehmern soll mit Steuermitteln bis zu 40% der Abfindungszahlungen abgenommen werden, wenn sie mit unbefristeten aber sofort kündbaren neuen Verträgen Arbeitslose einstellen. Dafür soll auch der Unternehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen geringer ausfallen. Allein diese Maßnahmen werden den Staat in den nächsten Jahren 5 Milliarden Euro kosten. Das ist genau die Summe, die 2010 zusätzlich im Staatshaushalt eingespart werden soll.
Man kann den nun eingeschlagenen Madrider Sparkurs getrost als Rezept für ein Desaster bezeichnen, welche die zaghafte Erholung der Wirtschaft weiter belasten wird. Erstmals nach zwei Jahren ist die Wirtschaft im ersten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 0,1% gewachsen. Doch angesichts des Sparplans dürfte die Wirtschaftleistung nun bald wieder deutlich schrumpfen. Denn mit dem Kniefall vor Spekulanten und Ratingagenturen, die nun selbst immer stärker unter Druck kommen, wird der Konsum weiter abgewürgt.
Das hatte zuvor die Rekordarbeitslosigkeit geschafft, die schon auf über 20% geklettert ist. Die wird, weil auch Infrastrukturmaßnahmen gestrichen werden, wohl weiter steigen und neue große Löcher in den Haushalt reißen. Zudem verteuert die steigende Mehrwertsteuer Spanien als Urlaubsland und zudem stehen dem Land nun bewegte und streikreiche Zeiten bevor, die einer wirtschaftlichen Erholung kaum dienlich sein dürften.
Möglich ist, dass die negativen Effekte alle Sparbemühungen genauso zunichte machen, wie es Spekulanten mit dem Hochtreiben der Zinsen für Staatsanleihen in Griechenland geschafft haben. Zeigen muss sich in Spanien noch, ob die sozialistische Minderheitsregierung ihren Sparplan überhaupt durchsetzen kann. Letztlich könnte sie auch darüber stürzen, die ultrakonservative Opposition läuft sich schon warm. Doch die Angst vor einer neuen Regierung der Volkspartei (PP) hat bisher die Gewerkschaften davon abgehalten, zum Generalstreik zu mobilisieren.
Skeptisch sind angesichts der Entwicklung auch die Börsianer. Nach dem Kursfeuerwerk an der Madrider Börse vom Montag, als die Kurse um fast 14,5 % in die Höhe schossen, trat in der Woche schnell wieder Ernüchterung ein. Durch die Ankündigung des Sparplans konnte der Leitindex am Mittwoch sogar noch einmal leicht um 0,8 % zulegen. Doch ansonsten ging es bergab. Am Freitag erlebte der Ibex erneut einen historischen Einbruch. Er stürzte erneut um 6,64% ab, der heftigste Einbruch seit Oktober 2008, als die Börse nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers weltweit Achterbahn fuhr.
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Leiten die Sparprogramme der EU-Staaten eine Abwärtsspirale ein?
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Land der EU neue Sparpläne präsentiert. Vor eineinhalb Jahren sah dies noch anders aus – damals übertrumpften sich die Europäer gegenseitig im Schnüren immer neuer Konjunkturpakete, um die Realwirtschaft vor den Folgen der Finanzkrise zu retten. Ähnlich wie heutzutage, dachte auch damals niemand an abgestimmte Programme und jede Nation agierte nach ihrem eigenen Gusto: Deutschland subventionierte die Automobilindustrie mit der "Abwrackprämie", während Frankreich die Binnennachfrage mit einer Senkung der Mehrwertsteuer und einer Erhöhung der Sozialleistungen ankurbelte.
Die strukturellen Ungleichgewichte im europäischen Haus haben sich dadurch freilich nicht verringert, sondern sind sogar noch weiter gestiegen. Die Gelder sind verpufft, heute hat die Eurozone rund sieben Billionen Euro Verbindlichkeiten und täglich werden es mehr. Das Staatsdefizit der Eurozonenländer hat sich seit 2007 versiebenfacht, alleine im Zeitraum von 2009 bis 2010 werden die Staatsschulden um rund 1,3 Billionen Euro steigen – mehr als die Hälfte des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Zuerst warf man das Geld ohne Abstimmung aus dem Fenster, nun will man die Schulden ohne Abstimmung durch Einsparungen abbauen. Europas Zukunft ist düster.
Haushaltsdesaster
Die Neuverschuldungsgrenze der Maastricht-Verträge wird in diesem Jahr für nahezu alle europäischen Staaten Makulatur sein. Dabei sind es weniger die Hilfsgelder für den Finanzsektor, die mehrheitlich in Schattenhaushalten geparkt sind und daher nicht einmal in den offiziellen Zahlen auftauchen. Die Krise der Realwirtschaft, die der Finanzkrise folgte, hat jedoch weltweit die Staatshaushalte ruiniert.
Mit dem Rückgang der wirtschaftlichen Leistung sinken die steuerpflichtigen Gewinne der Unternehmen, mit der steigenden Arbeitslosigkeit sinken die Einnahmen aus der Einkommenssteuer und mit dem rückläufigen Volkseinkommen sinken natürlich auch die indirekten Steuereinnahmen, beispielsweise aus der Mehrwertsteuer.
Während die Einnahmen sinken, steigen die Ausgaben und die Zuschüsse für die Sozialsysteme. Ohne einen baldigen Wirtschaftsaufschwung werden die meisten europäischen Staaten noch lange die Maastricht-Kriterien von 3% Neuverschuldung – gemessen am BIP – verletzen.
Rosskur für die PIIGS-Staaten
Besonders dramatisch sieht die finanzielle Situation in den sogenannten PIIGS-Staaten aus. Griechenland (13,2%) und Irland (14,3%) sind mit Abstand die Spitzenreiter in Sachen Neuverschuldung.
Während Griechenland ohnehin schon auf einem Berg von Schulden sitzt, ist die Situation in Irland momentan noch nicht brandgefährlich. Noch steht das Land in puncto Staatsverschuldung mit einer Staatsschuldenquote von 64% relativ gut da, die Schuldenprognosen der Iren sind jedoch so düster wie nirgends sonst. Wann Irland wieder die Maastricht-Kriterien einhalten kann, ist mehr als ungewiss.
Spanien (11,2%) und Portugal (9,4%) liegen ebenfalls deutlich über der Maastricht-Grenze, nur Italiens Neuverschuldung liegt mit 5,2% unter dem Durchschnitt der EU, dafür ist Italien allerdings bereits mit einer Staatsschuldenquote von 115,8% massiv überschuldet.
Südeuropa im Würgegriff
So unterschiedlich die Situationen und die Ursachen für die Schuldenprobleme der PIIGS-Staaten sind, so unterschiedlich sind auch die Versuche, die Staatsfinanzen zu sanieren.
Griechenland musste bereits harte Sparmaßnahmen in verschiedenen Bereichen ratifizieren, um Gelder des IWF und der EU zu bekommen. Neben dem radikalen Stellenabbau im öffentlichen Sektor und einer Kürzung der Beamtenbezüge, treffen die Sparmaßnahmen vor allem die normale Bevölkerung. Die Mehrwertsteuer wurde um stolze vier Prozentpunkte erhöht, die Steuern und Abgaben auf Tabak, Alkohol, Benzin, Glücksspiel, Immobilien und Luxusgüter wurden erhöht. Gleichzeitig fährt der Staat seine Investitionen zurück, was vor allem kleinere und mittelständische Betriebe in strukturschwachen Regionen treffen dürfte.
Der große Gewinner der neugriechischen Tragödie sind derweil diejenigen, die für die akuten Finanzierungsprobleme verantwortlich sind: Präsident Papandreou hat bereits angekündigt, massiv öffentliche Güter zu privatisieren. Die Investmentfonds können sich so das Tafelsilber unter den Nagel reißen und der Steuerzahler wird langfristig für die Renditen des Finanzsektors bezahlen müssen. Selbstverständlich hat dies auf die Dauer auch negative Auswirkungen auf die Einnahmen des griechischen Staates.
Griechenland plant nun, das Haushaltsdefizit bis 2014 auf 2,1% des BIP zu drücken. Derlei Kalkulationen sind jedoch streng genommen das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Bereits im nächsten Jahr soll das Wirtschaftswachstum der Hellenen nur noch um 0,5% schrumpfen und 2012 soll die Wirtschaft des Krisenstaates bereits wieder wachsen. Dass diese Prognosen anlässlich der Sparprogramme lediglich Wunschträume der europäischen Politik, die durch nichts zu rechtfertigen sind, ist offensichtlich.
Wer wird Spareuropameister?
Von den Deutschen lernen, heißt Siegen lernen – dieses Motto scheint zum Mantra Europas zu werden. Italien fährt die staatlichen Investitionen um 6 Mrd. Euro zurück, streicht die Transferleistungen für die Regionen und schröpft die Bürger durch höhere Abgaben. Portugal spart bei den Sozialleistungen, erhöht die Mehrwert- und die Einkommenssteuer und privatisiert Staatseigentum im Wert von sechs Milliarden Euro.
Aber auch vergleichsweise solide Staaten wie Frankreich oder Deutschland kündigen bereits massive Sparvorhaben an, um die Defizite zurückzufahren. Europa ist damit auf dem besten Wege in eine selbstgewählte Abwärtsspirale aus Rezession, Arbeitslosigkeit, Deflation und noch höheren Schulden.
Ein Staat kann sich zu Lasten anderer Staaten durch Sparen sanieren, indem er sich auf Kosten der Bevölkerung Wettbewerbsvorteile verschafft. Wenn aber alle Staaten sparen, führt dies unweigerlich in die Krise. Wer soll zusätzliche deutsche Produkte kaufen, wenn in ganz Europa weniger nachgefragt wird? Immerhin exportiert Deutschland zwei Drittel seiner Produkte und Dienstleistungen ins europäische Ausland.
Der Plan, strukturschwache EU-Länder durch Lohnsenkungen wettbewerbsfähiger zu machen, scheitert natürlich ebenfalls, wenn auch die Konkurrenz die Löhne senkt. Wenn alle europäischen Länder diese Deflationsspirale betreten, ändert sich im relativen Verhältnis zwischen den Ländern überhaupt nichts. Allenfalls der Abstand zum Rest der Welt wird dadurch kleiner. Aber mit wem konkurriert eigentlich die spanische Volkswirtschaft? Mit Deutschland, Frankreich und Italien? Oder etwa mit China, Bangladesch und Mexiko?
Mit Vollgas in den Abgrund
Mit Seriosität hat diese rigide Haushaltspolitik nichts zu tun – im Gegenteil, ein Europa voller "schwäbischer Hausfrauen" steuert mit voller Kraft in die Katastrophe. Unser Wirtschaftssystem ist nun einmal auf Gedeih und Verderb mit dem Dogma des immerwährenden Wachstums verbunden. Ein kollektiver Sparwahn führt allerdings zu einem nominellen Schrumpfen der Wirtschaft. Dies wäre halb so schlimm, wären nicht sowohl die Haushalte als auch die Unternehmen und der Staat derart hoch verschuldet.
Alle Sektoren sitzen dabei im gleichen Boot. Verdient der Arbeitnehmer nominell weniger Geld, steigt der Anteil seines Lohns, den er für Altkredite, wie beispielsweise Immobilienhypotheken, abzahlen muss. Der Unternehmer wird Probleme damit bekommen, mit geringeren Einnahmen seine Kreditlinien aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig zahlen alle Sektoren weniger Steuern, während die immensen Altschulden des Staates in voller Höhe erhalten bleiben und sich der relative Anteil des Schuldendienstes immer weiter erhöht. Somit ändert sich am Defizit der Staatshaushalte langfristig noch nicht einmal etwas. Europa schnallt den Gürtel enger und läuft damit Gefahr, sich letztendlich selbst die Luft abzuschnüren.
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Die Zinsen für Staatsanleihen und die Kosten für Ausfallversicherungen steigen nun auch für Italien und Frankreich
Nach der Abwertung der Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Fitch wird Spanien verstärkt auf den griechischen Weg geschickt. Der Zinsunterschied (Spread) gegenüber Staatsanleihen aus Deutschland erklimmt neue Rekorde. Doch auch Anleihen Frankreichs, Italiens und Portugals kommen weiter unter Druck und der Euro sackte trotz der Stützungsmaßnahmen auf ein Vier-Jahres-Tief ab. Das undurchsichtige Verhalten der Ratingagenturen drängt nun Brüssel dazu, die Aufsicht über sie zu verstärken. Auch die Kritik will nicht daran verstummen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen kauft und dafür die Notenpresse anwirft und mit der Inflation spielt.
Die Verärgerung über die Ratingagenturen wird stärker. Dass nun auch Fitch das Mittelmeerland Spanien herabstufte, sorgt in Brüssel für Aufregung. Dort ist man darüber verärgert, dass die Entscheidung am Wochenende ausgerechnet fiel, nachdem die spanische Regierung mit knappster Mehrheit einen neuen Sparplan durch das Parlament gebracht hat. Der sieht tiefe Einschnitte in den Haushalt vor, kürzt Löhne und Ausgaben, Steuern werden erhöht und die Renten eingefroren. Auf diesen Kurs hatte die EU das Land im Rahmen des Rettungsschirms gezwungen.
In Brüssel fragt man sich immer offener, welche Böcke da als Gärtner fungieren. Der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier wird heute seine Pläne für eine Reform der Finanzmärkte vorlegen. Der Franzose will damit auch an die Ratingagenturen herangehen. Schon vorab hatte das Handelsblatt gemeldet, Barnier wolle die Agenturen besser überwachen. Bei Verdacht auf Regelverstöße solle die geplante europäische Börsenaufsicht (European Securities and Markets Authority/ESMA) künftig gegen sie ermitteln und auch harte Geldstrafen verhängen können, zitierte die Zeitung aus seien Entwurf.
Barnier will die Vormachtstellung der drei US-amerikanischen Ratingunternehmen aufbrechen und spricht sich für eine europäische Agentur aus, weil es zu wenig Wettbewerb gebe. Die Transparenz müsse erhöht, Regeln zur Bewertung aufgestellt und das absurde Treiben beendet werden, wonach die Ratingagenturen die Firmen beraten, deren Produkte sie schließlich bewerten.
Spanien wird für Sparpläne bestraft
Die selbsternannten Bonitätsprüfer hatten mit der Abstufung Spaniens für Aufregung gesorgt. Bisher hatten sie stets den schnellen Abbau der explodierenden Haushaltsdefizite und den Abbau der Staatsschulden gefordert und die Herabstufung von Griechenland oder Portugal damit begründet. Das wurde auch als Begründung für die bisherigen Herabstufungen Spaniens durch Standard & Poor's (S&P) angeführt. Doch Fitch argumentiert nun genau umgekehrt. Erklärt wird, die Sparpläne belasteten die Erholung der Wirtschaft weiter. Das ist sogar richtig. Spanien wird also nun von Fitch dafür abgestraft, von seiner ursprünglichen Linie abgerückt zu sein, wofür die Regierung sogar einen Generalstreik riskiert. Offensichtlich kann man es den US-Agenturen nicht recht machen.
Wie es sich zeigt, wird diese erneute Abstufung das Land teuer zu stehen kommen. Denn die Zinsen für Staatsanleihen schießen in die Höhe. So erreichte der Zinsunterschied (Spread) zu deutschen Anleihen schon am Montag einen neuen Rekord. Der Spread für zehnjährige spanische Staatsanleihen war auf 1,58% gestiegen. Am Dienstag ging es weiter bergauf und der "Risikoaufschlag", wie er allseits genannt wird, stieg auf fast 173 Basispunkte. Während Berlin sein Geld für etwa 2,6% erhielt, musste Spanien schon 4,33% bieten.
Damit könnte Fitch seine Entscheidung bald für die nächste Abstufung anführen. Denn wie zuvor in Portugal oder Griechenland erhöhen sich die Refinanzierungskosten für Spanien weiter. Das macht die Einsparungen weitgehend zunichte, womit die Erholungschancen weiter verschlechtert werden. Damit hat sich die Tendenz verstärkt, die in den letzten Monaten zu beobachten ist, seit auch Spanien als angeblicher Pleitekandidat gehandelt wird. Dabei gehört das Land zu den wenigen Ländern im Euroraum, dessen Staatsdefizit 2009 mit gut 53% im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch unter der Stabilitätsmarke von 60% und sogar deutlich unter dem Durchschnitt der Euroländer (78,7%) lag.
Diese Kostenentwicklung kann auch beim das Spekulationsvehikel Credit Default Swaps (CDS) beobachtet werden. Auch diese sogenannten Kreditausfallversicherungen waren schon vor dem Sparprogramm deutlich teurer geworden. Anfang Mai waren sie von 163 auf 245 Basispunkte explodiert. Bis zum 28. Mai kam es nach dem Sparprogramm zu einem kurzfristigen Rückgang auf 220, doch nach der Neueinstufung von Fitch sind sie nun am Dienstag auf 265 Basispunkte hochgeschnellt. Das bedeutet, dass es jährlich nun schon fast 265.000 Euro kostet, um spanische Anleihen im Umfang von 10 Millionen Euro zu versichern.
Es zeichnet sich hier genau der Kurs ab, mit dem Griechenland in die Situation getrieben wurde, der die Auslösung des Rettungsplans nötig gemacht hat. Als die Sozialdemokraten unter Georgios Papandreou bei vorgezogenen Neuwahlen im Oktober 2009 die Konservativen ablösten, die die EU so gnadenlos über das Defizit belogen hatten, musste das Land noch einen Zinsaufschlag von etwa 1,5% im Vergleich zu Deutschland bezahlen. Dann war es Fitch, die von Griechenland als Pleitekandidat sprach, womit der Spread schon auf 2,3% anwuchs.
Danach nahm das Karussell aus Abstufungen und Heraufprügeln von Zinsen und CDS-Kosten erst richtig an Fahrt auf, obwohl auch Griechenland massive Kürzungen von Ausgaben und Steuererhöhungen beschlossen hat, wie es die Ratingagenturen gefordert hatten. Vor der Verabschiedung des EU-Rettungspakets musste das Land für zehnjährige Anleihen schon 10% bieten. Das war mehr als Pakistan zahlen muss, woran aber die Politik der Bundeskanzlerin auch einen erheblichen Anteil hatte.
Spekulation könnte nun auch Italien und Frankreich in die Abwärtsspirale treiben
Doch nicht nur das kleine Griechenland oder Spanien sind betroffen, auch Portugal wird angegriffen, obwohl es hier kaum wirkliche Begründungen gibt. Die wirtschaftlichen Grunddaten sind nicht so schlecht, weder beim Defizit, bei der Verschuldung oder bei der Arbeitslosigkeit liegt das Land in der Spitzengruppe. Doch plötzlich nannte die Ratingagentur Moody's das Land in einem Atemzug mit Griechenland und sagte einen "langsamen Tod" voraus . Zwar legte das Land einen glaubwürdigen und ausgewogenen Sparplan vor, doch die Ratingagenturen stuften es ab, die der US-Investmentbank Lehman noch kurz vor der Pleite die Bestnote gaben. Angesichts steigender Finanzierungskosten und CDS-Kosten versuchte sogar der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Portugal in Schutz zu nehmen.
Genutzt hat es nichts. Weder ein zweites Rettungspaket, das unausgewogener war und die übliche Mehrwertsteueranhebung, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und das Einfrieren der Renten beinhaltete, noch der 750 Milliarden Euro schwere Rettungsschirm haben verhindert, dass die Spekulation mit CDS-Papieren oder die Zinsen für Staatsanleihen eingegrenzt wurden. Auf 350 Basispunkte sind die sogenannten Ausfallversicherungen für Portugal am Dienstag angeschwollen.
Doch inzwischen hat das Spekulationsfieber längst auch ökonomische Schwergewichte wie Italien und Frankreich erreicht. Die CDS-Kosten für italienische Staatsanleihen kletterten am Dienstag auf ein Rekordhoch. Für eine fünfjährige Absicherung von Papieren im Wert von zehn Millionen Euro mussten nach Angaben des Datenanbieters Markit 250.000 Euro gezahlt werden, so viel wie nie zuvor. Noch am Montag lagen die Papiere bei 200 Basispunkten. Auch Italien versucht nun, mit Sparplänen die geforderte Haushaltssanierung zustande zu bringen.
Selbst Frankreich rückt immer stärker ins Blickfeld. CDS für französische Staatsanleihen haben sich seit Jahresbeginn schon verdoppelt. Nun hatte am Wochenende ausgerechnet die Regierung die Gerüchteküche so richtig angeheizt. Der französische Haushaltsminister François Baroin hatte erklärt, dass die Bestnote der Ratingagenturen in Gefahr sei. Es sei "eine schwierige Zielstellung" und "eine Herausforderung", damit Frankreich das "AAA" behalte.
Damit wollte er eigentlich für stärkere Sparanstrengungen werben, denn bisher hält sich Paris noch weitgehend zurück. Doch die Gerüchte, dass auch Spanien abgestuft werden könnte, sorgten am Dienstag an den Börsen für große Unruhe und ließen den Euro erneut einbrechen. Die Gemeinschaftswährung stürzte um fast zwei US-Cent auf ein Vier-Jahres-Tief von 1,2112 Dollar. Zwar konnte sich der Euro seither wieder um die Marke 1,22 stabilisieren, doch es wird mit einer weiteren Abwertung zum Dollar gerechnet, auf den schließlich mit viel Geld gewettet wird.
Ein französisches Komplott?
Diese Entwicklung zeigt, wie wirkungslos die Maßnahmen verpuffen, mit denen die Lage stabilisiert werden soll. Weder das Rettungsnetz für Griechenland, noch der Euro-Rettungsschirm oder der Tabubruch der EZB, nun auch Staatsanleihen anzukaufen, konnten die Lage stabilisieren. Doch die Kritik am Anwerfen der Notenpresse wird lauter, mit der die EZB den Rettungsschirm flankiert. Fast einen Monat nach dem Beschluss ist weiter unklar, für welchen Zeitraum und mit welchem Gesamtvolumen die Ankäufe getätigt werden sollen.
Etwas deutlicher hatte der Präsident der Deutschen Bundesbank diese umstrittene Strategie kritisiert. Wie andere Analysten sieht auch Axel Weber eine steigende Inflationsgefahr aufziehen. "Die Geldpolitik hat in der Krisenbewältigung neue Wege eingeschlagen, die ich angesichts der damit verbundenen stabilitätspolitischen Risiken nach wie vor kritisch sehe", erneuerte Weber seine Kritik am Montag auf einer Rede in Mainz. Um sich den Weg nicht zu verbauen, zum Nachfolger von EZB-Präsident JeanClaude Trichet zu werden, kritisiert auch Weber den Tabubruch nicht grundsätzlich. Er macht auf Schadensbegrenzung. Der Aufkauf dürfe nur "zielgenau und eng begrenzt" umgesetzt werden, weil die zentrale Aufgabe der Zentralbank auch weiterhin sein, für Preisstabilität zu sorgen. Es gelte deshalb, "eine klare Trennungslinie der Zuständigkeiten zwischen Geldpolitik und Finanzpolitik zu ziehen".
Dabei ist diese Trennungslinie mit der Entscheidung zum Ankauf von Staatsanleihen längst überschritten. Zudem hat der Spiegel in seiner neuen Druckausgabe gemeldet, dass es im Rahmen des Ankaufs von Staatsanleihen ein "französisches Komplott" gebe, an dem der französische EZB-Chef beteiligt sei. Eigentlich nicht geplant, kaufe die EZB derzeit vor allem griechische Staatsanleihen, wovon vor allem französische Banken profitierten. Von den 40 Milliarden Euro, welche die Zentralbank schon für Staatsanleihen ausgegeben habe, seien 25 Milliarden für griechische Anleihen ausgegeben worden. "Täglich kommen weitere zwei Milliarden hinzu", berichtete das Nachrichtenmagazin. In der Bundesbank frage man sich, warum, vor allem in diesem Umfang, diese Bonds gekauft würden. Ohnehin stünde das Rettungspaket mit 110 Milliarden Euro allein für Griechenland bereit.
Die Preise würden für diese Papiere künstlich hoch gehalten und vor allem französische Banken entsorgten Griechenland-Papiere bei der EZB. Deutsche Banken und Versicherungen hatten sich im Rahmen des Rettungspakets aber verpflichtet, sie bis 2013 zu halten. Der Spiegel sieht die lange Hand von Nicolas Sarkozy hinter dem Vorgang. Der konservative französische Präsident habe durch massiven Druck seinen Landsmann Trichet zu dem Tabubruch gedrängt. Das kann stimmen, schließlich spielt man in Paris mehr oder weniger offen mit der Idee, einen Teil der Staatsschulden über eine steigende Inflation zu beseitigen. Als Nebeneffekt hätte schon bisher die Bundesbank sich mit 7 Milliarden Euro an der Sanierung französischer Banken beteiligt.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Obwohl das Land nach dem Notkredit unter Aufsicht des IWF stand hat es falsche Daten an die EU geliefert
Das Drehbuch ist aus Griechenland bekannt. Nach einer Neuwahl kommen plötzlich die Daten auf den Tisch, an denen die Vorgänger herummanipuliert haben. In Ungarn waren es jetzt die Konservativen, die nach den Wahlen im April mitgeteilt haben, dass das Haushaltsdefizit viel höher ausgefallen wird, als von der früheren sozialistischen Regierung noch veranschlagt worden war. In Griechenland war es genau anders herum, da hatten die Konservativen nicht einmal die Hälfte des realen Haushaltsdefizits an die EU nach Brüssel gemeldet (siehe Pleitekandidat Griechenland).
Auch in Ungarn dürfte das Defizit im laufenden Jahr mit mindestens 7,5 % wohl doppelt so hoch ausfallen als bisher angenommen. Es könnte auch noch mehr sein, auch dafür stand Griechenland Pate, denn auch die Nachmeldung der Sozialisten fiel noch zu niedrig aus. Letztlich waren es 13,6% im vergangenen Jahr, also 0,9% mehr als von den Sozialisten nachgemeldet wurde. Und auch diese Angaben hat die europäische Statistikbehörde noch mit einem Vorbehalt versehen. In Ungarn bahnt sich ein ähnlicher Vorgang an. "Wir finden ständig neue Leichen im Keller", sagte der Regierungssprecher. Lajos Kosa, hochrangiger Vertreter des seit 29. Mai regierenden "Bundes Junger Demokraten" (Fidesz), sieht nur eine "geringe Chance, eine Situation wie in Griechenland zu vermeiden". Die größte Aufgabe sei es "den unmittelbaren Staatsbankrott abzuwenden".
Fälschungen der Angaben
Dabei ist die Lage in Ungarn tatsächlich anders als in Griechenland. Denn Griechenland musste erst kürzlich vor der Pleite gerettet werden, doch in Ungarn steht nun "Pleite 2.0" an. Oder hat man schon vergessen, dass Ungarn zu den Ländern gehörte, denen schon im Oktober 2008 mit 20 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen wurde, um die Staatspleite zu verhindern? Vor allem kam das Geld damals vom Internationalen Währungsfonds (IWF), aber auch die EU war schon mit 6,5 Milliarden Euro dabei (siehe Warum stützt die EU Lettland, Rumänien und Ungarn?). Die Fälschungen der Angaben fanden also unter den Augen des überwachenden IWF statt. Wohlweislich wurde der Notfallfonds des IWF inzwischen schon von 50 auf 550 Milliarden Dollar ausgeweitet, weil Ungarn nicht der letzte Fall sein wird, wie man in Washington nur zu gut weiß. Denn immer deutlicher entpuppt sich die Weltwirtschaftkrise als Schuldenkrise.
Interessant ist auch, dass die Konservativen mit Versprechen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament erringen konnten, weil der Bevölkerung die Maßnahmen zur Stabilisierung, mit denen die Sozialisten das Land "fit" für den Euro machen wollten, nicht gefielen. Fidesz hatte im Wahlkampf versprochen, dass Belastungen kräftig gesenkt und unpopuläre Entscheidungen der Sozialisten zurückgenommen werden sollen. Entgegen dieser Versprechungen stehen den Ungarn nun die typischen Belastungen bevor, wie sie Griechenland, Spanien, Irland oder Portugal aufgedrückt wurden: Erhöhung der Mehrwertsteuer, Senkung der Löhne im öffentlichen Dienst, Einfrieren der Renten und Einschnitte ins soziale Netz. Budapest will das Defizit schnell senken und in Kürze ein umfassendes Krisenpaket vorlegen. Dabei gehe es um "tiefe strukturelle Veränderungen", sagte Regierungschef Viktor Orban am Freitag.
Aktionsplan der EU
Besonders an Ungarn ist auch, dass das Land den Euro noch nicht hat. Es könnte also das umsetzen, was Griechenland immer mit einem Rauswurf aus der Währungsunion angeraten wurde. Es kann den Forint abwerten. Die Landeswährung befindet sich ohnehin im Sinkflug und fiel am Freitag zum Euro auf den tiefsten Stand seit einem Jahr. Das ist nur bedingt aussagekräftig, denn auch der Euro stürzt immer weiter ab. Der Euro fiel auf 1,1992 Dollar und damit zum ersten Mal seit März 2006 unter die Marke von 1,2000 Dollar.
Doch eine Abwertung des Forint bedeutet der Bankrott vieler Familien. Denn im früheren Aufschwung hatten Hunderttausende Bürger Kredite aufgenommen. Das ist erstmals nichts besonderes, aber die Kredite wurden oft in Euro oder anderen Devisen vergeben. Sinkt der Forint müssen die Menschen deutlich mehr zurückbezahlen, wozu viele nicht in der Lage sind. Entgegen den Äußerungen, mit denen nun die ungarischen Politiker die Hiobsbotschaften relativieren, die sie gerade ausgesprochen haben, dürfte die Lage tatsächlich sehr ernst sein. Eine "Faktenkommission" soll nun Licht in die tatsächliche Finanzlage bringen und am Wochenende eine Zwischenbericht liefern, danach soll der EU binnen 72 Stunden ein "wirtschaftlicher Aktionsplan" vorgelegt werden.
Die Börsen
Wo man besonders über den neuen Problemfall besorgt ist, zeigte sich an den Börsen der jeweiligen Problemländer. Verlor die Börse in Ungarn am Freitag 3,14%, waren es in Madrid bei einem neuen Absturz sogar 3,8%. Nur knapp dahinter lag das Problemland Italien), denn in Mailand ging der Leitindex um 3,7% in den Keller. Auch auf Paris strahlte die Ungarn-Krise wieder deutlich aus, in Frankreich büßte die Börse 2,8% ein, während der Dax in Frankfurt nur 1,8% verlor.
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Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman hält die Sparprogramme in Europa für eine "sehr große Dummheit".
Der renommierte Ökonom Paul Krugman nimmt kein Blatt mehr vor den Mund und geißelt den europäischen Sparkurs. Doch man muss kein Wirtschaftsnobelpreisträger sein, um die Sparpolitik, die derzeit in Europa zum Dogma erhoben wird, als Rezept für ein Desaster zu bezeichnen. Europa spart sich zu Tode und könnte sich in die nächste Rezession sparen. Dass das Spardogma nun auch von den G-20-Staaten übernommen wurde, hat Krugman dazu gebracht, die Herrschenden als "Verrückte an der Macht" zu bezeichnen.
So jedenfalls titelt er in seinem Blog. Er hält es für "sehr große Dummheit", gerade jetzt die Staatsausgaben herunterzufahren. Die wirtschaftliche Lage sei noch zu labil, weshalb das Bremsen der Gesamtnachfrage mit den Sparplänen die Erholung belaste.
"Es ist unglaublich, dass das passiert, obwohl die Arbeitslosigkeit in den Euroländern weiter zunimmt und sich auch in den USA kaum zurückbildet."
Tatsächlich hatte gerade die Europäische Statistikbehörde (Eurostat) gemeldet, dass die Arbeitslosigkeit in der Eurozone im April weiter auf 10,1% angestiegen ist. Auch neueste Daten vom Arbeitsmarkt in den USA hatten zuletzt neue Sorgen um die Konjunkturentwicklung geschürt.
Falscher Zeitpunkt für Sparprogramme
Doch auch Krugman geht davon aus, dass die Staatsschulden vieler Staaten zu hoch sind. Aber er meint, jetzt sei der falsche Zeitpunkt für Sparprogramme. Jetzt zu sparen sei "vollkommen wirkungslos, um die künftigen Schulden zu reduzieren". Krugman meint, dass die Sparanstrengungen dazu führten, dass auch die Einnahmen der Staaten weiter zurückgehen werden. Wegen steigender Arbeitslosigkeit würden auch Transferleistungen steigen, weshalb die Sparanstrengungen wirkungslos verpufften und letztlich die Staaten "sehr teuer" zu stehen kämen. Er verweist auf Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF). Demnach rühre gut die Hälfte der Neuverschuldung der Staaten aus geringeren Einnahmen. 18% gehen auf Stützungsmassnahmen zurück und nur 11 Prozent seien höheren Finanzierungskosten zuzuordnen.
Spanien: Gefahr für den Euro
Vor allem dürfte Krugman Länder wie Spanien im Blick haben. Dort ist die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich hoch und die Staatsverschuldung unterdurchschnittlich niedrig. Deshalb hätte das Land noch Spielraum für einen anderen Kurs. Doch am Scheideweg haben sich die Sozialdemokraten dem Sparzwang der EU gebeugt, der dem Land mit dem Rettungspaket aufgezwungen wurde. Doch, so warnt Krugman schon seit längerem, geht von Spanien eine große Gefahr für den Euro aus. Sogar die Ratingagentur Fitch sieht im Sparkurs eine Belastung für die Konjunktur und stufte deshalb Spaniens Kreditwürdigkeit herab, was die Finanzierungskosten steigen lässt.
Der harte und unausgewogene Kurs sorgt dort nun auch für Streiks und der Generalstreik ist offenbar nicht mehr abzuwenden, nachdem am frühen Morgen nach zehn Stunden die Sozialpaktgespräche über die auch von Brüssel geforderte Arbeitsmarktreform gescheitert sind. Doch diese Konflikte werden die wirtschaftliche Erholung weiter erschweren.
Auswirkungen auf Deutschland
Tatsächlich gibt es schon Anzeichen, dass der allgemeine Sparkurs sich auch schon auf Deutschland auswirkt. Noch im März waren die deutschen Exporte auf ein Rekordniveau gestiegen. Damit ist der Aufwärtstrend gebrochen. Im April lieferten deutsche Firmen schon wieder 5,9% weniger Güter und Dienstleistungen ins Ausland. Die Importe gingen sogar um 7,3% zurück, meldete das Statistische Bundesamt am Dienstag. In einer vernetzten Welt, so Krugman, würde sich der Sparkurs auch bald negativ auf die Entwicklung in den USA auswirken, wo derzeit, anders als in der EU, ein hohes Wachstum verzeichnet wird.
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Es wird Zeit, dass die Allgemeinheit erkennt, dass die amerikanischen Ratingagenturen Katalysatoren für die Enteignung der Bürger sind
Einer der Hauptgründe für die Finanzkrise waren die großen Rating-Agenturen, die mit ihren völligen Fehleinschätzungen das Spielkasino mit toxischen Derivaten erst so richtig in Gang brachten. Grund hierfür ist, dass die Ratingagenturen eines der korruptesten Geschäftsmodelle haben, dass man sich vorstellen kann. Man ratet alle diejenigen, von denen man bezahlt wird. Dass hier keine effektive Kontrolle von kriminellem Geschäftsgebaren erfolgen kann liegt auf der Hand.
Rating-Oligopol
Die großen drei Agenturen Moody's, Fitch und S&P haben zu allem Übel auch noch ein spezielles Mandat der US-Regierung. Nur sie allein können als Oligopol die Kreditwürdigkeit von Schuld-Finanzinstrumenten beurteilen, ein Umstand der mittlerweile nicht nur Unternehmen, sondern mittlerweile auch ganze Staaten betrifft und wegen der einzigartigen Stellung sogar eine neue Form des Wirtschaftskrieges erlaubt, das allgemeine Länderabwerten.
Da es dieses Oligopol ist, welche ausgegebenen Schulden eine Attraktivität als Investment einer bestimmten Güte zubilligen kann, dominieren diese den gesamten Schuldenmarkt.
Hochkriminelles Geschäftsgebaren
Wenn Schulden toxisch sind, so ist es einzig und allein die Schuld der Rating-Agenturen, wenn diese falsch bewertet werden. Damit haben diese in verantwortungsloser Weise zu einem riesigen Schuldenbubble im amerikanischen Häusermarkt beigetragen. Die Forderung kann deshalb nur lauten, die bestehenden Rating-Agenturen zu unabhängigen Instituten umzubauen, die nicht mehr von den zu bewertenden Unternehmen bezahlt werden, sondern von Privatunternehmen durch eine Art Steuer oder vom Staat, der letztendlich verhindern sollte, dass riesige Finanzblasen entstehen.
Um immer mehr Profite zu machen, wurde von den Rating-Agenturen alles, was ihnen über die Quere, lief mit "Triple A" bewertet. Auch der größte toxische Giftmüll wurde als kerngesund für die Allgemeinheit eingestuft. Wenn Mitarbeiter der Agenturen aufmuckten und ein faires Rating einforderten, wurde diese aufgefordert den Mund zu halten oder sich einen anderen Job zu suchen. Als Alchemisten der besonderen Art wirkten die Rating-Agenturen über Jahre hinweg und wandelten Schrott aller Art in virtuelles Gold um.
Damit haben die Rating-Agenturen ihre ureigenste Aufgabe, die Bewertung von Risiko, nicht nur aufgegeben, sondern diese in ihr Gegenteil verkehrt. Die Devise lautete: Eliminiere das Risiko aus allen Papieren, dann erzielt die Rating-Agentur die höchsten Renditen.
Wirtschaftskrieg mittels Rating-Agenturen
Doch damit machten sie die Kreditkrise nur noch schlimmer, da ein Downgrade in ihrem Geschäftsmodell nicht mehr vorgesehen war. Ab einem bestimmten Punkt wären Downgrades riskant geworden, hätten diese doch eine Rezession eingeläutet, so dass es besser war, nichts zu tun, als Wasser ins Feuer zu gießen. Erst als das Feuer immer weiter um sich griff und Löschen gar nicht mehr möglich war, wurden plötzlich Downgrades durchgeführt, die dann zu einer Implosion der Finanzmärkte führten.
Das völlig abgebrannte Gebäude der Bewertungen stürzte wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Wenn selbst Warren Buffet, der bei Moody's (MCO:NYSE) Aktionär ist, diese in Schutz nimmt, dann darf man sich getrost an den Kopf fassen und sich fragen, ob auch dieser Mann mittlerweile nicht mehr alle Tassen im Schrank hat. Doch vielleicht sieht Buffet auch die Notwendigkeit der Rating-Agenturen im Wirtschaftskrieg gegen Europa und nimmt diese deshalb in Schutz. Schließlich lässt sich der Euro wie der ganze Euroraum momentan trefflich durch die Rating-Agenturen manipulieren.
Katalysatoren der Bürgerenteignung
Es muss es in Bälde auch europäische Ratingagenturen geben, aber auch in Asien sollten neue Rating-Agenturen entstehen. Diese müssen mit den reformierten US-Ratingagenturen in einen Wettbewerb um die fairsten Bewertungen treten, um nicht gezielt einzelne Firmen in den Ruin oder ganze Länder in den Staatsbankrott zu treiben. So wie die Situation sich heute darstellt stellen die Ratingagenturen einen idealen Spielball für geostrategische Machtspiele der USA dar.
Dieser Umstand muss schnellstmöglich beseitigt werden, damit Krisen frühzeitig erkannt und rechtzeitig vorgebeugt werden kann. Wäre bekannt gewesen, dass viele Staaten viel schlechtere Ratings hatten, als diese ausgewiesen wurden, hätte es wohl nie einen Bankenbailout gegeben, der letztendlich die Verschuldungssituation der Staaten noch weiter verschlechtert und einige davon ruiniert hat. Es wird Zeit, dass die Allgemeinheit erkennt, dass die amerikanischen Ratingagenturen Katalysatoren für die Enteignung der Bürger sind und deshalb dringend reformiert gehören.
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Der EU-Kommissionspräsident warnt vor weitreichenden Folgen sozialer Proteste in Griechenland, Spanien und Portugal
Die Führung der Europäischen Union schließt vor dem Hintergrund der Eurokrise offenbar ein Ende der parlamentarischen Demokratien in mehreren südeuropäischen Staaten nicht aus. Von der deutschen Presse unbeachtet berichteten englisch- und spanischsprachige Medien unlängst über ein Treffen des Präsidenten der EU-Kommission, José Manuel Barroso, mit Gewerkschaftsführern. Bei der Zusammenkunft am 11. Juni habe der ehemalige portugiesische Ministerpräsident die Gewerkschaftsvertreter davor gewarnt, "dass diese Länder in ihrer demokratischen Gestaltung, wie wir sie derzeit kennen, verschwinden könnten".
Die Gewerkschaftsvertreter seien von den drastischen Formulierungen des Präsidenten der EU-Kommission schockiert gewesen, schrieb der britische Journalist Jason Groves wenige Tage später in der Tageszeitung Daily Mail. Laut Groves seien von Barroso mehrere Möglichkeiten genannt worden, darunter Militärputsche und Umstürze.
Das Treffen fand vor dem Hintergrund der schweren Wirtschaftskrise in Südeuropa statt. Nicht nur Griechenland, sondern auch Spanien und Portugal sind von dem Zusammenbruch der Nationalökonomie bedroht. Die sozialdemokratische Führung in Madrid bittet daher um EU-Hilfsgelder aus dem "Rettungsfonds" der Union in Höhe von 750 Milliarden Euro. Milliardenhilfen waren vor Wochen bereits Griechenland gewährt worden. Gewerkschaften und soziale Bewegungen in den betroffenen Staaten mobilisieren dennoch, um gegen die schwerwiegenden sozialen Auswirkungen der verschärften Kürzungspolitik zu protestieren. In Griechenland haben diese Konflikte bereits mehrere Tote und Verletzte gefordert.
Die Warnung Barrosos sorgte in diesen Staaten auch für Aufsehen, weil das bürgerlich-demokratische System sowohl in Spanien, als auch in Griechenland und Portugal eine relativ junge Tradition hat. Spanien war von 1936 bis 1975 eine faschistische Diktatur, in Griechenland herrschte von 1967 bis 1975 eine Militärdiktatur und Portugal war die Diktatur von 1932 bis 1974 an der Macht.
Der Brite John Monks, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, zeigte sich auch deswegen erschüttert von der Einschätzung Barrosos. In einem Interview mit dem Brüssler EU Observer verglich er die aktuelle Lage in den von der Krise am stärksten betroffenen Staaten mit der Situation in den 1930er Jahren. Auch die Große Depression damals habe in Militärdiktaturen geführt, so Monks: "Ich sage nicht, dass wir schon wieder soweit sind, aber potentiell gibt es eine sehr große Gefahr – nicht nur wirtschaftlich, sondern eben auch politisch."
Linksgerichtete Analytiker und Vertreter sozialer Bewegungen interpretierten die Aussagen Barrosos indes als Drohung, um eine Zuspitzung sozialer Gegenwehr gegen die Auswirkungen der neoliberalen Politik innerhalb der EU zu vermeiden. Angesichts der Aussagen des Portugiesen ergebe auch die plötzliche strikte Sparpolitik von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero Sinn, heißt es auf einer spanischen Regionalseite des globalisierungskritischen Netzwerks Attac: Ihm sei offenbar klar, dass "die Märkte" ihre Interessen – wenn nötig – auf der Spitze der Bajonette verteidigen.
Auch der deutsch-mexikanische Soziologe und Verfechter eines "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", Heinz Dieterich, versteht die Stellungnahme als Warnung des EU-Vordermanns. "Mit anderen Worten: Die europäische Bourgeoisie stellt der Arbeiter- und Basisbewegung ein Ultimatum: Zahlt unterwürfig die Kosten der vom Kapital verursachten Krise, oder wir zwingen Euch mit militärischen Mitteln dazu." Dass dies auch in der bürgerlichen Demokratie möglich ist, hält Dieterich angesichts der Krise 1968 in Frankreich für möglich. Auf dem Höhepunkt der revolutionären Protestbewegung hatte die politische Führung unter dem Präsidenten und General Charles de Gaulle – was wenig bekannt ist – Panzer gen Paris mobilisiert.
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Die Versuche der japanischen Notenbank, den Wechselkursanstieg des Yen aufzuhalten, verpuffen wirkungslos
Wieder einmal hat die japanische Notenbank eine Intervention versucht. Diesmal geht es ihr darum, den Wechselkursanstieg der japanischen Währung abzuwürgen. Der Yen war zum Dollar Ende der vergangenen Woche auf den höchsten Stand seit 15 Jahren und im Vergleich zum Euro auf den höchsten Stand seit 9 Jahren gestiegen. Die Bank of Japan (BoJ) hatte deshalb auf einer Dringlichkeitssitzung am Montag beschlossen, das Kreditprogramm auszuweiten. Insgesamt flutet die BoJ nun den Geldmarkt mit 30 Billionen Yen, das sind 10 Billionen (etwa 92 Milliarden Euro) mehr als bisher. Der Leitzins bleibt weiter bei 0,1%, weil er praktisch nicht mehr gesenkt werden kann.
Die Regierung kündigte weiterhin an, 920 Milliarden Yen (etwa 8,5 Milliarden Euro) aus den Haushaltsreserven umzuschichten, um damit ein neues Konjunkturprogramm zu starten oder bisher bestehende nicht auslaufen zu lassen. Damit will man die abflauende Wirtschaft stützen. So soll der Kauf umweltfreundlicher Produkte weiter angekurbelt, Studenten will man bei der Jobsuche helfen und die Regierung will auch kleinen Firmen unter die Arme greifen. Das neue Konjunkturprogramm werde noch in der kommenden Woche im Parlament verabschiedet, damit es noch in diesem Monat in Kraft treten kann.
Nach anfänglich steilen Wachstumsraten ist der kurzzeitig herbeigedopte Aufschwung längst wieder in sich zusammengebrochen. Vor allem ist dafür auch verantwortlich, dass der Exportboom einbricht und der private Konsum wegen der gefährlichen Deflation, in der die Verbraucher auf weiter fallende Preise hoffen und Käufe aufschieben, weiter schwach ist. So ist das starke Wachstum im 1. Quartal im 2. Quartal schon wieder auf geschätzte 0,1% eingeschnurrt. Das hat sogar dazu geführt, dass China nun Japan den Rang als zweitgrößte Volkswirtschaft abgelaufen hat.
Dass der kurze Exportboom eingebrochen ist, hat auch mit der Euroschwäche zu tun, wovon besonders Deutschland im 2. Quartal besonders profitiert hat. Japan leidet aber auch darunter, dass die Geschäfte mit den USA nicht wie im Vorquartal floriert haben, wo die Erholung des Patienten ebenfalls einen Rückfall zu erleiden droht.
Japan könnte wieder in die Rezession geraten, womit ein Double-Dip in der ersten großen Volkswirtschaft auf der Tagesordnung stünde, in Japan wäre das zudem eine Stagdeflation. Dieses Abgleiten in die Rezession soll durch das Konjunkturprogramm und durch den Versuch verhindert werden, den Yen abzuwerten. Insgesamt waren die Kapitalmärkte von den angekündigten Maßnahmen aber enttäuscht. Zwar hat der Yen am Montag zwar kurzzeitig an Wert gegenüber dem Dollar verloren, doch sein Wert ist im Tagesverlauf schon wieder gestiegen. Es wird nicht mehr ausgeschlossen, dass der Yen den bisherigen Höchststand gegenüber dem Dollar von 79,75 Yen (1995) übertreffen könnte.
Allseits wird erwartet, dass auch die japanische Regierung die Schleusentore weiter öffnen wird. Japans Ministerpräsident Naoto Kan ließ durch ein seltenes persönliches Treffen mit dem Notenbank-Chef Masaaki Shirakawa wissen, dass die Politik dem Anstieg des Yen nicht tatenlos zuzuschauen gedenkt. Doch wie die Maßnahmen aussehen sollen, bleibt angesichts der Rekordverschuldung Japans zweifelhaft.
Nachdem in Japan in den 1990er Jahren eine Immobilienblase geplatzt ist, kommt das Land nicht mehr richtig auf die Beine. Die Verschuldung ist explodiert. Konservativ geschätzt liegt sie schon jetzt bei gut 200 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Es wird davon ausgegangen, dass Japans Staatsverschuldung schon im kommenden Jahr mindestens 225 Prozent des BIP erreichen dürfte. Wie diese Verschuldung abgebaut werden soll, kann kein Volkswirt beantworten, schließlich geht schon die Hälfte der Steuereinnahmen für Zinsen drauf. Dass Japan den Geldmarkt weiter flutet und ein Konjunkturprogramm nach dem anderen auflegt, wie es der Internationale Währungsfonds (IWF) stets fordert, hat das Land zwar nicht auf die Beine gebracht, aber die Staatsverschuldung in extrem ungesunde Höhen getrieben.
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Warum soll die Staatsverschuldung steigen, wenn der Staat mehr Geld in den Umlauf bringt?
Er muss es sich ja nicht leihen, er kann es drucken. Die Japaner haben immerhin noch ihre Währungshoheit, im Gegensatz zu unsereinem...
Die Inflationsrate ist dort m.w. derzeit ebenso niedrig wie die Zinsen.
Brächte man nun frisches Geld in Umlauf, bevorzugt zuerst an bedürftige Bürger und Projekte, dann erhöht der grösste Teil davon sogleich die Binnennachfrage.
So gibt es im Anschluss einen gewissen Preisanstieg und irgendwann auch eine steigende Nachfrage nach Importware, anschliessend verliert der Yen auch international etwas an Wert.
Auch einen Teil der Staatsverschuldung könnte man so vorsichtig per Druckerpresse tilgen.
Im richtigen Mass getan, sollten sich die Probleme langsam lösen lassen, ohne dass sich der Staat weiter verschulden müsste.
Das Ganze setzt allerdings voraus, dass die Entscheidungsträger vernünftig und angemessen handeln, sich nicht nur von Lobbyisten aus Finanzwelt und Spekulantentum leiten lassen.
Jürgen
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Die Verlierer der Finanz- und Wirtschaftskrise sind die jungen Menschen
Junge Menschen haben immer weniger Chancen, einen sicheren Job zu finden oder überhaupt in die Arbeitswelt wirklich einzusteigen. Nach einer Studie im Auftrag der Böckler Stiftung ist für die jungen Menschen unter 25 Jahren eine "Zunahme erlebter Unsicherheit und Ungleichheit" zu verzeichnen.
Nach dem Studium geht es oft in das Praktikum - und dann kommt, wenn nicht das nächste Praktikum anschließt, die Leiharbeit. Die Arbeitslosigkeit der 15-25-Jährigen ist seit Beginn der Finanzkrise dreimal so stark gestiegen wie in den anderen Altersgruppen. Zudem verlieren die Jungen sehr viel eher einen Job als Ältere. Die Zeiten der Arbeitslosigkeit sind zwar kleiner, aber die Wissenschaftler der Hochschule Niederrhein warnen vor den Erfahrungen einer verlorenen Generation: "Die Erfahrung, nicht gebraucht zu werden, kann zu vermindertem Selbstvertrauen, zum Verlust sozialer Kontakte, zur psychischen Destabilisierung und zu sogar zu Depression führen."
2007 hätten 600.000 Berufsanfänger mindestens ein Praktikum absolviert. Das heißt, sie haben kein oder wenig Geld und auch Anerkennung für ihre Arbeit bekommen. Das führt zu demografischen Konsequenzen, die Rassen- und Schichtspopulisten wie Sarrazin außer Acht lassen, denn wer unsicher oder prekär lebt, wird, falls verantwortlich denkend, auch keine Familien gründen und Kinder kriegen. Die Unsicherheit betrifft nicht nur die Akademiker, sondern auch die anderen jungen Menschen. 2007 wurde nur ein Viertel der Lehrlinge übernommen. Das dürfte sich zwar jetzt bald ändern, ist aber doch für die Betroffenen ein schwer wiegende Erfahrung.
Und wenn die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse bei den jungen Menschen stark angestiegen ist, die Aussicht auf eine feste Stelle aber gering ist, während die Leiharbeit boomt, dann dürften langfristig auch politische und gesellschaftliche Folgen zu erwarten sein: "Mehr als die Hälfte der Leiharbeiter ist jünger als 36 Jahre. Fast 40 Prozent der Unter-30-Jährigen mit einer Vollzeit-Tätigkeit hatten 2007 keinen festen Arbeitsplatz, sondern bekamen ihr Geld von einer Zeitarbeitfirma."
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Das trifft nicht nur die Jüngeren.
Auch ältere Arbeitnehmer gelangen immer seltener in normale Festverträge.
Allerdings ist neben Praktika und Arbeitnehmerüberlassung immer häufiger die mehrfache Befristung festzustellen, oft mit schliesslich doch nicht erfolgter anschliessender Festanstellung.
So kann man in ein - zwei Jahren ein Maximum an Einsatz und Leistung herauspressen, zu meistens deutlich schlechteren Konditionen.
Hinzu kommt, dass es mittlerweile sogar möglich ist, unter gewissen Umständen am Arbeitnehmer vorbei für ihn anfangs Zuschüsse in erheblicher Höhe zu erhalten.
Den arg strapazierten bis verschlissenen Mitarbeiter lässt man anschliessend mit dem zynischen Ausdruck des Bedauerns von dannen ziehen, in einen Arbeitsmarkt, der für den nun noch älteren Menschen noch weniger Aussichten bietet.
Jürgen
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Die unzureichende Finanzmarktregulierung hinkt den Erfordernissen hinterher
Am Sonntag haben sich 27 Länder in Basel auf eine Verschärfung von globalen Kapitalstandards für Banken geeinigt. Genau zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers soll die bisherige niedrige Kernkapitalquote nach Basel II steigen, damit die Banken angeblich krisenfester werden. Dazu soll sich jede Bank einen zusätzlichen Puffer schaffen. Das klingt zunächst nicht so schlecht, doch darf bezweifelt werden, dass damit künftige Finanzkrisen verhindert werden. Vor allem Deutschland stemmte sich gegen die Forderungen einer deutlich höheren Kapitaldecke und setzte auch lange Übergangsfristen durch. Das gesamte Kapital der Hedgefonds bleibt genauso ohnehin außen vor, wie die Billionen, für welche die großen US-Immobilienfinanzierer einstehen, ausgeklammert wurden.
Schon ein Blick durch den Blätterwald der internationalen Wirtschaftspresse reicht aus, um eines zu konstatieren: Man ist sich einig weitgehend einig darüber, dass Basel III die Risiken vor Finanzkrisen bestenfalls etwas mildern wird. Das ist alles. Wie auf internationalem Parkett üblich, ist trotz der Gefahren in der Finanzwelt, die den Steuerzahlern lange Zeit billionenschwer auf der Tasche liegen, nur eine zaghafte und verspätete Antwort gefunden worden. Für Unbedarfte scheint es ein Erfolg zu sein, dass die bisherige Eigenkapitalquote (Tier-1) der Banken, also risikogewichtete Aktiva, von 4% auf 6% steigen soll. Die Mindest-Kapitalausstattung der Banken mit hartem Kernkapital (Core Tier-1), zu dem neben dem Geld der Aktionäre auch die Gewinnrücklagen zählen, soll sogar von 2% auf 4,5% steigen
Doch das erste Problem ist schon, dass die Quoten erst langsam angehoben werden sollen. Erst ab 2013 soll die die Kernkapitalquote von 4% auf 4,5% steigen. 3,5% müssen ab 2013 dann als hartes Kernkapital vorgehalten werden. Bis 2015 sollen dann die Quoten auf 6% (Tier-1) und 4,5% (Core Tier-1) angehoben werden. Banken, die angeblich wie die Hypo Real Estate (HRE) als systemrelevant angesehen werden, sollen höhere Anforderungen erfüllen als andere mit geringeren systemischen Gefahren. Konkrete Bestimmungen dazu gibt es aber nicht. Sogar erst ab 2016 müssen die Banken bis 2018 einen weiteren Kapitalpuffer aus zusätzlichen 2,5% mit hartem Kernkapital aufbauen. Dieser Puffer soll in zukünftigen Krisen verhindern, dass die Institute ihr Kapital zu schnell aufzehren. Doch der Puffer darf in Krisenzeiten unterschritten werden, wird als Ausnahme zugelassen, dann sollen die Banken allerdings die Dividende beschränken. Das alles gilt ohnehin nur, wenn das Paket beim nächsten G-20-Gipfel angenommen wird und es die einzelnen Länder in Gesetze gießen.
Letztlich hat man sich bei der Kernkapitalquote auf die 6% geeinigt, die schon beim EU-Bankenstresstest zur Anwendung kamen. Wegen der Problembanken wie der Hypo Real Estate (HRE) stießen einige am Abkommen beteiligte Länder auf erbitterten Widerstand aus Deutschland. Bei dem Test wurde für die HRE eine Kernkapitalquote von 4,7% ermittelt. Sie würde damit wohl noch die Forderungen erfüllen, die ab 2013 gelten sollen. Also ist die Pleitebank nach den neuen Regeln gar keine Pleitebank? Wieso musste der Münchner Immobilienfinanzierer trotz allem zum Wochenende vom Bund fordern, die Staatsbürgschaften um 40 Milliarden Euro auf 142 Milliarden aufstocken? Wieder einmal war ein Finanzminister vom Kapitalbedarf des Instituts überrascht. Eine solche Situation zeigt auf, wie wenig wirksam sogar die neuen Regeln sein werden.
Damit wird vielleicht verständlich, warum sogar die USA und Großbritannien auf deutlich höhere Eigenkapitalregeln gepocht hatten und überdies auf kürzere Übergangsfristen drängten. Dass in Deutschland nicht nur die HRE riesige Probleme hat, machte nicht zuletzt Jürgen Stark deutlich. Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) hält die Kapitaldecke der deutschen Banken für zu gering und führt dabei vor allem die Landesbanken an. Er will aber tatsächlich auch auf die Privatisierung der Sparkassen hinaus. Ausgerechnet dafür wurden Grundlagen mit dem Abkommen gelegt und damit ein Sektor angetastet, der diese Krise ohne größere Probleme gemeistert hat.
Deutschland hat hier durchgesetzt, dass stille Einlagen, die zum Beispiel Banken als Staatshilfe gegeben worden waren, sogar bis 2019 angerechnet werden dürfen. Deutschland hatte sogar noch höher gepokert und noch längere Übergangsfristen für den Erhalt von Staatshilfen bei Banken gefordert. Stille Einlagen, die als Staatshilfe zum Beispiel auch an die teilverstaatlichte Commerzbank geflossen geflossen sind, gelten also bis 2018 weiter. Daraus lässt sich für deutsche Steuerzahler nichts Gutes vermuten. Und deshalb kritisiert zum Beispiel die britische Financial Times, dass bei Basel III die Kapitalquoten "geringer sind, als sie hätten sein können" und sogar bis 2019 nicht umgesetzt werden. Deshalb merkt das Blatt an, dass es sicher kein gutes Regelwerk ist, wenn man "fast ein Jahrzehnt warten" will, um die Probleme der Unterkapitalisierung von Banken zu lösen.
Geplant ist, die Sparkassen zu privatisieren
Die Übergangsfristen sinnvoll kürzer zu legen, um im Gegenzug das weitgehend krisenfeste System der deutschen Sparkassen ganz auszuklammern, kam den deutschen Delegierten aber nicht in den Sinn. Schließlich gibt es stille Einlagen nicht nur zur Bankenrettung, sondern sie gibt es auch bei Landesbanken und Sparkassen. Die sind gar nicht von dem Regelwerk begeistert. Besonders regen sich aber die schwer angeschlagenen Landesbanken auf. Als "regulatorischen Blindflug" bezeichnet der Bundesverband der öffentlichen Banken (VÖB) die Einigung. "Der deutschen Delegation ist es offensichtlich nicht gelungen, die Besonderheiten des deutschen Bankensystems, insbesondere bei den Stillen Einlagen, erfolgreich zu vertreten", erklärte der Hauptgeschäftsführer Karl-Heinz Boos.
Ähnlich äußerte sich auch der Präsident vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). "Die neuen Regelungen berücksichtigen die Unterschiede in der Kreditwirtschaft nur unzureichend", erklärte Heinrich Haasis. Er fordert eine stärkere Regulierung der Märkte oder der Finanzinstitutionen außerhalb der Banken sowie einen zielgerichteteren Fokus auf tatsächliche Risikopositionen einer Bank. Stattdessen seien nur pauschale Regelungen über die gesamte Kreditwirtschaft hinweg geplant. Er spricht damit auch gleich noch mit an, dass zum Beispiel die Hedgefonds aus dem Regelwerk ausgeklammert werden, während sich die Lage für die kleinen Sparkassen und Volksbanken verschlechtert. Doch ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Zu durchsichtig ist das Anliegen, über den zukünftigen Kapitalbedarf die Sparkassen zu privatisieren, wie es Spanien schon offen durchzieht und der EZB-Chefvolkswirt auch ausdrücklich begrüßt.
Sparkassen und Volksbanken werden zukünftig ihre Gewinne viel stärker einbehalten müssen, um die Regeln zu erfüllen, was die Kreditvergabe einschränken wird. Der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, befürchtet, dass dies "unmittelbar" auf den Mittelstand durchschlagen wird. Schlarmann betont, dass diese Institute in der Krise ein "Stabilisierungsfaktor" waren, sie erlitten jetzt aber Nachteile, weil sie mit großen Banken "über einen Kamm geschoren werden", welche die Krise ausgelöst hätten. Besonders kritisch sieht der angesehene Wirtschaftswissenschaftler Max Otte, dass "andere Finanzmarktakteure wie Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften" ausgeklammert wurden. Der Professor der Fachhochschule Worms bewertet das Abkommen als "sehr nachteilig für die deutsche Wirtschaft", vor allem weil darüber die Sparkassen und Genossenschaftsbanken abgeschafft werden sollen.
Kein wirklicher Schutz vor künftigen Finanzkrisen
Und nicht nur Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften, in die nun zusätzlich Risiken ausgelagert werden dürften, sind ein Stolperstein von Basel III. So geht zum Beispiel auch das Wall Street Journal davon aus, dass diese Regeln die Welt nicht von zukünftigen Finanzkrisen befreien werden. Das Blatt kritisiert, dass auch Institute wie die großen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac ausgeklammert worden sind. Es ist tatsächlich einigermaßen absurd, ausgerechnet den Bereich auszuklammern, an dem die derzeitige Krise ihren Ausgangspunkt nahm. Mussten die beiden Institute etwa nicht vor zwei Jahren verstaatlicht werden, um den Supergau am Finanzmarkt zu vermeiden. 143 Milliarden Dollar haben die US-Steuerzahler zu ihrer vorläufigen Rettung bisher in Fannie und Freddie versenkt. Etwa 400 Milliarden dürften es in den nächsten zehn Jahren werden, kalkulieren Experten im US-Kongress. Allein die Dimension, dass die beiden Finanzierer für die Hälfte aller US-Hypotheken im Gesamtwert von zwölf Billionen Dollar halten, macht die Dimension des Problems klar, dass einfach ausgeklammert wurde.
Man könnte die Liste an den Kritiken noch lange fortsetzen. Da wäre zum Beispiel, dass die Verschuldungsgrenze (leveragee ratio) ebenfalls lascher als erwartet ausgefallen ist. Man setzt dabei das Kernkapital ins Verhältnis zur Bilanzsumme und es soll demnächst 1 zu 33 betragen. Dann wären da auch noch die kurz- und langfristige Liquiditätsvorsorge (net liquidity ratio und net stable fund ratio). Zwei in einer Krise sehr bedeutsame Werte, sollen erst ab 2011 "beobachtet" und erst in einigen Jahren umgesetzt werden. Als hätte es sich in der Krise bei Banken wie Bear Stearns, Northern Rock oder gerade bei der Anglo Irish Bank nicht längst erwiesen, dass ein Institut neben Eigenkapital auch Bargeld braucht, um seine Kunden auszuzahlen zu können. Man könnte hier dem Basel-Komitee den Satz unter die Nase reiben, der sich in einem seiner internen Papiere findet: "Während der Krise haben viele Banken es schwer gehabt, angemessene Liquiditätsniveaus zu halten." Der Erkenntnis, dass die "Finanzkrise gezeigt hat, wie schnell sich ein solches Risiko kristallisieren kann", wurde aber im Abkommen keine Rechnung getragen.
Hoffnungen darauf, dass Banken mit Basel III sich zukünftig nicht mehr in die rettenden Arme der Steuerzahler werfen müssen, sollte man sich also angesichts dieses Regelwerks nicht machen. Auch die Problematik, dass ein Institut "too big to fail" ist, wird nicht gelöst. Es wird eher sogar verschärft. Das hat nicht nur mit der Problematik der Sparkassen und Volksbanken zu tun, sondern allgemein wird erwartet, dass die Konzentration durch Zusammenschlüsse weiter zunimmt.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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„Bankencrash 2.0“ nennt sich das Ziel, auf das drei jungen Franzosen seit einigen Tagen hin arbeiten. Mit ihrer Gruppe „Stopbanque“ wollen die Aktivisten am 7. Dezember durch die Hilfe Tausender EU-Bürger dafür zu sorgen, dass die großen Bankkonzerne in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Im Internet ruft man alle Europäer dazu auf, am besagten Datum ihr gesamtes Vermögen von der Bank abzuheben.
Ginge es nach den drei jungen Franzosen Yann Sarfati, Arnaud Varnier und Geraldine Feuillien, würde es in 30 Tagen erneut zu einer Bankenkrise kommen. Denn die drei Aktivisten planen mit ihrer Gruppe „Stopbanque“ und der Hilfe Tausender EU-Bürger dafür zu sorgen, dass die großen Bankkonzerne wie schon 2007 mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Der Plan ist simpel. Alle Personen, die beim „crashen“ helfen möchten sollen am 7. Dezember ihr komplettes Vermögen von ihren Konten abheben und es sich bar auszahlen lassen. Doch was für einen Sinn soll das haben?
Dieser Frage kommt man mit einem Blick auf die zahlreichen Facebook-Seiten von Stopbanque auf die Spur. Mittlerweile wurden diese bereits in rund 16 verschiedene Sprachen übersetzt, sodass der Aufruf zur Erzeugung vom „Bankencrash 2.0“ an möglichst viele Menschen gelangt. Auf den Seiten heißt es, dass man in einem „ungerechten System“ lebe und die Politik von Banken kontrolliert werde. Und da Demonstration gegen diese Missstände „offensichtlich nichts mehr nützen, die Elite uns nicht zuhört und die reale Macht sowieso in den Händen Internationaler Banken und Konzerne liegt“ greife man zu anderen Mitteln. Mit dem Entzug des Kapitals der Banken will man den Weltmarkt ins Wanken bringen und zeigen, dass die Bürger sich gegen die „abgehobenen Eliten“ zur Wehr setzten können. „Kleine Bäche machen große Flüsse!“ heißt es zuversichtlich.
Personen, die nicht in der Lage sind, der Bank Gelder zu entziehen, sollen am vereinbarten Tag einen vorgefertigten Brief an eine Bank ihrer Wahl senden. „[…] Ich kann an dieser spontanen und friedlichen Bürgeraktion leider nicht teilnehmen, um Ihnen meine Geldmittel zu entziehen. Trotzdem haben heute einige Bürger beschlossen durch den Rückzug der Barmittel, dem schließen ihre Giro- und Sparkonten in ihrem „Kreditinstitut“, ihr Schicksal nun in die eigene Hand zu nehmen. Denn wir wissen, Sie sind die Handlanger der staatenlosen und egoistischen Elite. […]“ heißt es dort.
Auch wenn man sich in den Texten der Organisation zuversichtlich gibt, was den Erfolg des Unternehmens betrifft, wird das Vorhaben von vielen Seiten infrage gestellt. Die Financial Times Deutschland beispielsweise schreibt, dass man vermutlich an der geringen Zahl der Teilnehmer scheitern wird. Man verweist auf die Kommentare unterhalb der reißerischen Aufrufe: „Welches Geld?“, „Hab eh net viel drauf ;-)“, „sollte ich an besagtem Tag Geld auf meinem Konto haben...“. Auch die 7.300 Zusagen französischer Bürger würden neben satten 25.000 Absagen klein aussehen.
Quelle : www.gulli.com
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Irland wehrt sich gegen eine Nothilfe über den Rettungsschirm, die von der EU und dem IWF trotzdem vorbereitet wird
Obwohl die Bankenrettung Irland in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von 32% bescheren wird, macht die Regierung weiter auf Normalität und sorgt für schwere Turbulenzen an den Finanzmärkten. Sogar US-Finanzminister Timothy Geithner drängte die Euro-Länder deshalb, "sehr schnell" zu handeln. Die Lehre aus Griechenland müsse sein, "entschieden zu handeln und nicht zu warten". Geithner erklärte in Washington, die EU habe "sehr solide Finanzinstrumente, um Ländern in Schwierigkeiten zu helfen".
Klar ist, dass im Hintergrund an einem Notfallplan gearbeitet wird. Das gab der EU-Währungskommissar Olli Rehn nach dem Treffen der Euro-Finanzminister am Dienstag nun auch öffentlich zu. An den Gesprächen ist die EU-Kommission, Irland, der Internationale Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) beteiligt.
Das hatte zuvor schon das Wall Street Journal berichtet. Demnach werde über zwei Szenarien debattiert. Auf der einen Seite stehe ein Rettungspaket von 80 bis 100 Milliarden Euro für Irland, an dem sich neben dem IWF auch Großbritannien beteiligen würde, dessen Banken am stärksten in Irland engagiert sind. Diskutiert werde aber auch ein über ein reduziertes und gesondertes Rettungspaket für irische Banken, das einen Umfang von 45 bis 50 Milliarden Euro haben soll. Das ist ungefähr die Summe, die für die Rettung und Abwicklung der von der Immobilienblase gebeutelten Banken notwendig sein soll. Das Hilfsprogramm könne aktiviert werden, wenn es nötig sei, sagte Rehn. Details über die Pläne wollte er aber nicht nennen, er sagte aber, man werde die Bemühungen um ein Notpaket nun beschleunigen und intensivieren.
Die Weigerung der konservativen irischen Regierung sich unter den Rettungsschirm zu begeben, ist sogar unverständlich, denn das Land ist ja nicht wegen zu hoher Ausgaben in diese Lage gekommen, sondern schon das hohe Defizit 2009 entstand vor allem aus der Bankenrettung. Trotzdem müsste das Land bei einem Antrag einen guten Teil der staatlichen Souveränität abgeben und Dublin müsste sich sogar aus Washington vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in die Regierungsarbeit pfuschen lassen. Der IWF würde dem Land noch einen rigideren Sparkurs aufzwingen, als er ohnehin schon von den Konservativen wird.
Was das bedeutet, davon können Griechenland und Rumänien schon ein Liedchen singen. Beide Länder wurden schon in die Rezession zurückgespart, wobei in beiden Fällen das Haushaltsdefizit bisher nicht wie erwartet abgebaut werden konnte. Ungarn dagegen, das mit dem IWF gebrochen hat, der sogar eine Hilfszahlung verweigerte, konnte sein Wachstum im dritten Quartal auf 0,8% steigern, nach 0,4% im Vorquartal.
Letztlich ist die Tatsache, dass sich Irland weigert, trotz des finanziellen Desasters einen Hilfsantrag zu stellen, auch ein neues Ergebnis des schwarz-gelben Schlingerkurses während der Griechenland-Rettung im Frühjahr. Schließlich musste die Bundeskanzlerin Angela Merkel unbedingt den IWF in einen EU-Rettungsschirm einbinden. So wies Irland beim Treffen der Finanzminister gestern in Brüssel den Druck von sich. Den hatte vor dem Treffen der Finanzminister der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy noch einmal deutlich erhöht. Es warnte sogar vor einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union: "Wir sind in einer Überlebenskrise. Wenn wir mit der Euro-Zone nicht überleben, werden wir auch mit der Europäischen Union nicht überleben."
Spiel auf Zeit
Der irische Ministerpräsident Brian Cowen ließ sich aber nicht beirren. Er erklärte, dass man in Brüssel lediglich mit den anderen Mitgliedstaaten über die Situation in der Euro-Zone diskutiere. Cowen betonte, dass das Land bis Mitte 2011 kein frisches Geld benötige, weshalb Irland die Zinsentwicklung an den Sekundärmärkten zunächst egal ist, auf dem die Renditen für Staatsanleihen explodieren. Dass die Irland-Krise auch die Zinsen für andere Länder in die Höhe schießen lässt und sich deshalb die Krise zum Flächenbrand auf Portugal und Spanien auszuweiten droht, ist für Irland zweitrangig. Schließlich schauen derzeit alle EU-Länder, vor allem die großen Deutschland und Frankreich, auf ihr Wohl. Deutschland profitiert von der Euro-Krise erneut, will davon aber nichts abgeben: Denn wieder fällt der Wert des Euros, womit sich deutsche Exporte verbilligen. Zudem steigt die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen, womit die Zinslast für Deutschland fällt. Hinter dem Berliner Kurs könnte es sich sogar um die deutsche Variante im Währungskrieg mit den USA, Japan und China handeln, der dann aber auf dem Rücken der schwachen Euroländer geführt würde.
Nach dem Treffen der Finanzminister bekräftigten die Euro-Länder noch einmal die Bereitschaft, Irland oder anderen Krisenländern helfen zu wollen. Man wolle "entschlossen und koordiniert zu handeln, um die Stabilität der Eurozone zu sichern", sagte der Vorsitzende der Eurogruppe, der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker. Aber es liege an Irland, einen Antrag auf Hilfen zu stellen. Man darf abwarten, ob heute, wenn die Beratungen von den 16 Ländern der Eurogruppe auf alle Mitglieder der EU erweitert werden, der Druck auf Irland erhöht oder dem Land eine weichere Landung ermöglicht wird, mit dem es die Souveränität nicht aufgeben muss, nur weil es zur Bankenrettung angetreten ist.
Schließlich profitieren davon auch viele europäische Banken. Deutsche Banken haben noch immer 140 Milliarden Euro in Irland stecken, Großbritannien mit 150 Milliarden nur wenig mehr. Allerdings, so erklärte auch Klaus Schweinsberg, Ex-Chefredakteur von "Capital", wurden in den letzten beiden Krisenjahren aus Deutschland schon 100 Milliarden Euro aus Irland herausgezogen. Insofern hätten auch die deutschen Banken "ein klares Interesse, noch weiterhin auf Zeit zu spielen, wie sehr viele Interesse haben, auf Zeit zu spielen." Insofern könne man sich vorstellen, welche massive Lobbying-Politik seitens der Banken gerade gemacht werde. "Gerade die deutschen Banken sind ja noch nicht so aufgestellt, dass sie wahnsinnig viel Fleisch auf den Rippen hätten, um so eine Abschreibung zu schultern", fügte Schweinsberg an.
Die weiteren Beratungen, die sich zunehmend auch nach Dublin verlagern werden, werden auch unter den massiven Verwerfungen an den Finanzmärkten stehen. Angesichts der Krise gingen gestern alle Börsen auf Talfahrt. Sogar der Leitindex an der Wall Street brach ein und der Dow Jones fiel um fast 1,6%. An den europäischen Handelsplätzen ging es noch deutlicher bergab. In Paris ging der CAC sogar um gut 2,6% in die Knie, der Ibex in Madrid um fast 2,5%, der FTSE in London um fast 2,4% und der Dax in Frankfurt um fast 1,9%. An der Abstufung kann man auch ablesen, wie die Börsianer die Verflechtungen mit Irland und Portugal interpretieren.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Microsoft, Apple, Google und die deutschen und französischen Banken haben gewonnen: Irland darf – trotz EU-Hilfen – weiterhin Steuerdumping zum Schaden seiner Nachbarn betreiben
Was haben die IT-Giganten Microsoft, Apple, Google, Ebay, Facebook, Hewlett-Packard und Intel mit den Großbanken Bank of America und Merrill Lynch gemeinsam? Die genannten US-Konzerne betreiben ihr Europageschäft aus dem Steuerparadies Irland. Für die Konzerne und die grüne Insel ist dies eine Win-Win-Situation.
So fanden beispielsweise rund 2.000 Iren in der Google-EU-Zentrale in Dublin einen Job, während Google durch die niedrigen Steuern und zahlreiche irische Steuerschlupflöcher seine Steuerquote auf sensationelle 2,4% senken konnte, was andere Staaten um rund 60 Milliarden US-Dollar Steuereinnahmen bringt – vollkommen legal, versteht sich. Über 100.000 Iren arbeiten in Unternehmen, die Niederlassungen von US-Konzernen sind. Zusammengenommen stehen diese Direktinvestitionen für 70% der irischen Exporte. Keine Frage, der sagenhafte Aufstieg des keltischen Tigers wäre ohne Steuerdumping nie möglich gewesen.
Beggar-my-Neighbour
So erfreulich dieser Aufschwung für die Iren war, so unerfreulich war er für den Rest Europas. Warum gibt es beispielsweise in Deutschland oder auch in Großbritannien so wenige große Niederlassungen amerikanischer IT-Konzerne? Weder die vielzitierten Lohnnebenkosten noch das Ausbildungsniveau geben eine hinreichende Antwort auf diese Frage.
Schaut man jedoch auf die anfallenden Unternehmenssteuern, so beantwortet sich diese Frage schnell: In den USA fallen 35%, in Deutschland rund 30% und in Großbritannien 28% Steuern auf Unternehmensgewinne an – in Irland sind es lediglich 12,5% und zusätzlich bietet das irische Steuersystem auch noch zahlreiche Schlupflöcher. Der Erfolg Irlands ging auf Kosten seiner Nachbarn, in der Volkswirtschaft spricht man in solchen Fällen von einer Beggar-my-Neighbour-Politik. Was neoliberale Think-Tanks dem Publikum gerne als freie Marktwirtschaft und gesunde Standortkonkurrenz verkaufen, ist letztlich nichts anderes als Egoismus zu Lasten der Gemeinschaft.
Es war jedoch nicht nur das ungewöhnlich unternehmerfreundliche Steuersystem, das Irland zu dem gemacht hat, was es heute ist. Zum neoliberalen Wunderland wurde Irland erst durch den konsequenten Abbau der Regulierungen und den Verzicht auf eine wirksame Bankenregulierung. Schattenbanken konnten in Irland ungestört ihr finanzielles Unwesen treiben und ihre toxischen Papiere vor eifrigen Regulierern oder dem eigenen Aufsichtsrat verstecken. Nur so konnte es passieren, dass beispielsweise die depfa mit einer einzigen Milliarde Euro Eigenkapital in Dublin ein Kreditvolumen von 73 Milliarden Euro aufbauen konnte – die Saat, die später als Hypo-Real-Estate-Pleite aufgehen sollte.
Vom Vorbild zum Bittsteller
Warum aber hat die EU nie etwas gegen dieses schwarze Steuer- und Regulierungsloch auf der grünen Insel getan? Vor der Krise galt Irland nicht etwa als Hasardeur, sondern erstaunlicherweise als Vorbild. Das Handelsblatt lobte die "kontaktfreudige und serviceorientierte" irische Bankenaufsicht, die FDP verwies immer wieder auf den Vorbildcharakter der niedrigen Körperschaftssteuer und die Heritage Foundation erklärte Irland sogar zu einem der wirtschaftlich "freisten Länder der Welt".
Heute will natürlich niemand mehr etwas von seinem Geschwätz von gestern wissen. Das Kasino, in das Irland verwandelt wurde, ist zusammengebrochen und am Ende gewinnt – wie immer – die Bank. In diesem Falle sind die Gewinner unter anderem deutsche und britische Banken, die massiv Kredite an irische Zockerbuden vergeben haben, die nun zu Lasten des irischen Steuerzahlers inklusive der Verluste verstaatlicht werden mussten. Das Modell war so einfach wie genial: Nicht realisierbare Forderungen aus dem Finanzsektor wurden an den irischen Staat weitergereicht und dafür leiht man ihm nun das Geld - das Geld also, das der irische Staat und die EU durch die Übernahme der Forderungen retten.
Wie eine gute Idee ...
Wer nun aber denkt, dass die EU den Iren strenge Auflagen als Gegenleistung für die milliardenschweren Hilfen machen würde, der sieht sich enttäuscht. Irland darf sein Steuerdumping auch unter dem Euro-Rettungsschirm weiter betreiben. Das war ursprünglich anders gedacht.
Sowohl EU-Kommissar Olli Rehn, als auch die französische Finanzministerin Lagarde und das deutsche Auswärtige Amt ließen keinen Zweifel daran, dass man den Iren nur dann Finanzhilfen zukommen lassen würde, wenn sie sich von ihrem ruinösen Steuerdumping verabschieden. "Es ist wahrscheinlich, dass Irland bald kein Niedrigsteuerland mehr sein wird", so ein Sprecher Rehns am Montag.
... von Merkel und Sarkozy vom Tisch gefegt wurde
Doch da haben Rehn, Lagarde und Westerwelles Staatssekretär Hoyer ihre Rechnung wohl ohne "Mutti" gemacht. Am selben Tag erklärte Irlands Finanzminister Lenihan der verdutzten Presse, dass es "weder direkten noch indirekten Druck" auf Irland gegeben habe, die Körperschaftsteuer anzuheben. Stattdessen hätten Nicolas Sarkozy und Angela Merkel den Iren versichert, dass die Steuerpolitik eine innere Angelegenheit Irlands sei.
Dies bestätigt auch der irische Premierminister Brian Cowen, der zu Protokoll gab, dass das Thema Körperschaftssteuer bei den Verhandlungen über das Hilfspaket überhaupt nicht angesprochen wurde.
Die Öffentlichkeit kann nun darüber rätseln, welche Macht es geschafft hat, dass die EU-Kommission, das französische Finanzministerium und das deutsche Auswärtige Amt bei den Verhandlungen in diesem elementaren Punkt überhaupt gar nicht zu Wort kamen. Fest steht, dass die amerikanischen IT-Giganten schon am Wochenende massiv auf die irische Regierung eingewirkt haben, den Körperschaftssteuersatz beizubehalten. Die offene Drohung, in ein anderes EU-Land abzuwandern, war es auch, die die irische Regierung so lange hat zögern lassen, bevor sie das Unvermeidbare akzeptierte und in Brüssel um Hilfe bat.
Es ist also anzunehmen, dass die Beibehaltung des Steuerdumpings schon vor dem Einlenken der irischen Regierung auf oberster Ebene als conditio sine qua non festgemacht wurde. Das wiederum sagt viel über die Entscheidungsstrukturen in der EU aus: Während EU-Kommissar Olli Rehn und europäische Spitzenpolitiker am Montag noch im Nebel stocherten, hatten offenbar Nicolas Sarkozy und Angela Merkel bereits Nägel mit Köpfen gemacht. So viel zum Thema "unsere Politik wird in Brüssel gemacht". Offenbar ist das Interesse der Banken an einem Rettungsschirm für ihre irischen Forderungen so groß, dass dafür sämtliche volkswirtschaftliche Kritikpunkte am Steuerdumping auf der grünen Insel von zwei Staatschefs einfach hinweggefegt wurden. Das ist Politik nach Gutsherrenart und umso bedenklicher, wenn man sich das Volumen des Rettungspakets anschaut – rund 90 Milliarden Euro.
Dabei wäre eine Erhöhung der Körperschaftssteuer eine sehr gute Gelegenheit für Irland, um sich an eigenem Schopf aus dem Schuldensumpf zu ziehen. Eine Erhöhung um 1,5 Prozentpunkte auf 14 Prozent brächte dem irischen Fiskus stolze 1,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Eine Erhöhung auf den EU-Durchschnitt von 25 Prozent brächte somit 12,5 Milliarden Euro. Das wäre bereits der Löwenanteil der 15 Milliarden Euro, die Irland nun mit seinem am Wochenende zusammengestellten Vierjahresplan einsparen will.
Anstatt internationale Konzerne zur Kasse zu bitten und damit im Nebeneffekt eine der größten europäischen Wettbewerbsverschiebungen zu beseitigen, geht Irland aber lieber den neoliberalen Weg: Man will den Mindestlohn absenken, 28.000 Staatsbedienstete entlassen und die Sozialkosten um – je nach Quelle – 5% bzw. 10% herunterfahren. Wie man mit einer Senkung des Mindestlohns nun den Staatshaushalt sanieren will, wissen allerdings auch nur überzeugte Marktfundamentalisten.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Der Druck auf Portugal wächst, sich frühzeitig unter den Euro-Rettungsschirm zu begeben, um Spanien zu schützen
Nach dem erfolgreichen Generalstreik, der am Mittwoch Portugal weitgehend lahm gelegt hat, wächst der Druck auf das Land, sich unter den Euro-Rettungsschirm zu begeben. Damit soll angeblich verhindert werden, dass die Krise auch das viertgrößte Euroland nach unten zieht, weil Spanien im Nachbarland stark engagiert ist. Deshalb steigt in Madrid die Nervosität. Die Zinsen für spanische Staatsanleihen explodieren und Forderungen werden immer lauter, die Gesamtsumme des Rettungsschirms deutlich aufzustocken, um auch Spanien auffangen zu können. Es geht auch darum, immer mehr Ländern den rabiaten Sparkurs aufzuzwingen, wie er Irland wegen der Bankenrettung vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von der EU-Kommission verordnet wird.
Die portugiesischen Gewerkschaften haben am Mittwoch die Muskeln spielen lassen. Erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten sind die beiden großen Gewerkschaften wieder gemeinsam zum Generalstreik angetreten. Weil auch die sozialistische Regierung unter José Sócrates den einst ausgewogen Sparkurs aufgegeben hat und nun ebenfalls vor allem die einfache Bevölkerung zur Kasse bittet, kam es zum wohl größten Streik in der Geschichte des Landes.
Tatsächlich ging am Mittwoch nur wenig in dem Land am Rande Europas. Das öffentliche Leben lag weitgehend lahm. Die Flüge fielen fast vollständig aus, es gab in der Hauptstadt Lissabon praktisch keine U-Bahnen und nur wenige Züge fuhren durchs Land. Schulen und Universitäten blieben oft geschlossen und auch in der Privatwirtschaft ging bisweilen nichts mehr.
Die Gewerkschaften waren mehr als zufrieden mit ihrer Kampfaktion. Manuel Carvalho da Silva, Chef der "Confederação Geral dos Trabalhadores Portugueses" (CGTP) sprach von einer "historisch nie da gewesenen Beteiligung". Gemeinsam mit der "União Geral de Trabalhadores" (UGT) befürchtet er, dass auch Portugal totgespart wird. "Die ungerechten Einsparungen werden die bei 10,9 Prozent liegende Arbeitslosigkeit weiter ansteigen lassen", erklärte der CGTP-Generalsekretär.
Rezept fürs Desaster
Tatsächlich hatte aber der bisherige Sparkurs schon dazu geführt, dass das Haushaltsdefizit gesenkt wurde, das 2009 wegen der Krise auf 9,3% angeschwollen war. Gegenüber dem Defizit Griechenlands (-15,4), Irlands (-14,6%), Großbritanniens (-11,4%) oder Spaniens (-11,1%) fiel es ohnehin deutlich moderater aus. Es steigt auch nicht auf 32%, wie es Irland 2010 wegen der Bankenrettung erwartet. Man kann den neuen Sparkurs Lissabons als Rezept für ein Desaster bezeichnen, mit dem Portugal letztlich vor den Ratingagenturen eingeknickt ist. Dem Einfrieren der Löhne im öffentlichen Dienst im ersten Sparpaket folgt nun eine Kürzung um durchschnittlich 5%. Steuern werden erhöht, die Mehrwertsteuer soll sogar auch 23% steigen .
Das alles wird massiv weiter Kaufkraft abziehen und auch das Wachstum abwürgen, das Portugal mit seinem zunächst ausgewogenen Sparkurs im 3. Quartal sogar auf 0,4% steigern konnte. 0,2% waren es im Vorquartal. Das Land wird sich dann auch auf den Weg Griechenlands und anderer Länder machen, die längst mit den Sparmaßnahmen wieder in die Rezession zurückkatapultiert wurden. Der Streik in Portugal dürfte sich somit eher präventiv gegen das gerichtet haben, was noch auf das Land zukommen soll.
Die irischen Staatsbedienstete mussten schon Gehaltseinbußen von 25% hinnehmen und gerade erst wurde ein neues Sparprogramm beschlossen. Stellenstreichungen gehören genauso dazu, wie Steuererhöhungen. Sozialleistungen werden massiv gekürzt, Studiengebühren erhoben und sogar der Mindestlohn soll gesenkt werden. Die Unternehmen und Grundbesitzer bleiben erneut verschont. Von Steuererhöhungen sollen sie weitgehend ausgenommen werden, obwohl die Körperschaftssteuer im europäischen Vergleich besonders niedrig ausfällt. Der Unternehmenssteuersatz soll bei 12,5% bleiben, mit dem auch Ländern wie Portugal eine unlautere Konkurrenz gemacht wird.
IWF-Rosskur auch für Portugal
Die Rosskur, die Griechenland und Irland von der EU und vom IWF auferlegt wird, soll nun auch in Portugal zur Anwendung kommen. Deshalb wird nach Irland nun auch Portugal verstärkt genötigt, sich ebenfalls unter den Rettungsschirm zu begeben. So berichtet die FTD, die Europäische Zentralbank (EZB) und eine Mehrheit der Euro-Länder drängten Portugal dazu, einen Antrag auf Hilfe zu stellen. "Wenn Portugal den Schirm nutzen würde, wäre das für Spanien gut, weil das Land in Portugal stark engagiert ist", zitiert die Zeitung das Bundesfinanzministerium.
Tatsächlich explodieren die Zinsen für portugiesische Staatsanleihen weiter, nachdem die Bundeskanzlerin Angela mit ihrem Vorstoß zur Unzeit, die Banken an einer Staatspleite zu beteiligen, den Weg dazu bereitet hatte. Das lässt die Schulden einiger Länder immer unbezahlbarer werden, weshalb vor allem darüber das Ausfallrisiko steigt. Die Zinsdifferenz (Spread) gegenüber deutschen Staatsanleihen stieg am Donnerstag schon auf fast 4,5% für Portugal und auf gut 6,5% für Irland. Auch Spanien rückt immer weiter in den Fokus. Das Land muss für seine Schulden schon doppelt so hohe Zinsen wie Deutschland bezahlen. Als diese Woche kurzfristige Anleihen mit einer Laufzeit von drei und sechs Monaten ausgegeben wurden, musste Madrid schon 1,87% und 2,26% Zinsen bieten, um sie loszuschlagen. Dass ist fast doppelt so viel als noch vor knapp einem Monat.
Angeblich will man Portugal unter den Rettungsschirm zwingen, um Druck von Spanien zu nehmen, dessen Banken ja besonders in Portugal engagiert sind . Dass kann als Märchen bezeichnet werden, schließlich wurde Irland unter den Schirm gedrängt, um angeblich Druck von Portugal zu nehmen. Die Lage wird aber dort trotz des irischen Nothilfeantrags immer prekärer. Deshalb sollte man auch nicht glauben, dass Spanien aus der Schusslinie kommen würde, wenn nun auch Portugal die Nothilfe beantragt. Vielleicht wählt das Land ohnehin einen ganz anderen Weg und steigt aus dem Euro aus, wie schon längst dort diskutiert wird .
Genau umgekehrt dürfte es in der Realität aussehen. Deshalb darf man sich auch nicht wundern, wenn nun allseits über die Aufstockung des EU-Rettungsschirms diskutiert wird. Zwar wird stets von 750 Milliarden Euro gesprochen, dabei ist der Umfang schon jetzt 860 Milliarden Euro, da Griechenland einen Sonderfonds erhalten hat. An den diskutierten 85 Milliarden Euro, die Irland erhalten soll, kann es also kaum liegen, dass schon davon geredet wird, man müsse den Umfang auf 1,5 Billionen Euro ausweiten.
Die Verdoppelung der Summe hält der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, für "vorstellbar". Um die Märkte zu beruhigen, fordert der Finanzexperte Henning Vöpel vom Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Institut (HWWI), "so schnell wie möglich" eine Aufstockung um eine halbe Billion auf 1,25 Billionen Euro. Dass mehr Geld gebraucht wird, das hatte auch Bundesbankpräsident Axel Weber schon am Donnerstag in die Diskussion geworfen. Falls auch Spanien auf Hilfe angewiesen sei, wären seiner Meinung nach aber im schlimmsten Fall nur weiter 145 Milliarden nötig.
Woher die Aufregung?
Sie kann ja kaum daher rühren, wenn Irland den 750 Milliarden Topf als erstes Land um knapp 100 Milliarden erleichtert, um eine Aufstockung um 145-750 Milliarden zu fordern. Schließlich dürfte sogar die mögliche Nothilfe Portugals erneut nur etwa mit der Summe zu Buche schlagen, wie sie für Griechenland und Irland anfällz. Es wäre also noch gut eine halbe Billion Euro vorhanden. So zeigt diese Debatte nur, dass die Nothilfe Spaniens schon längst eingeplant wird. Bei den Forderungen nach einer Verdoppelung der Rettungssumme wird sogar weit über Spanien hinausgedacht. Wenn das viertgrößte Euroland unter den Schirm muss, dann steht mit dem Schuldenmeister Italien der nächste und noch größere Kandidat an. Der Fall wäre mit den bisherigen 860 Milliarden nicht mehr zu stemmen.
Klar ist, dass Portugal nur der Hebel ist, um das wirklich kranke Spanien anzugreifen. Denn anders als Portugal ist wie in Irland auch beim portugiesischen Nachbar mit viel Getöse eine Immobilienblase geplatzt, von dem sich das Land lange nicht erholen wird. Die EU-Rekordarbeitslosigkeitsquote von 20,8%, die Eurostat schon für September ermittelt hat, macht eine Problemstellung deutlich, hinter der die irischen und portugiesischen Schwierigkeiten fast schon gering erscheinen. Mit der steigenden Arbeitslosigkeit steigen auch die Kreditausfälle. Die Ausfallrate ist bei den angeblich so soliden spanischen Banken im September auf inzwischen gefährliche 5,6% gestiegen.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Von der Deutschen Wiedervereinigung bis zur Pleite Griechenlands - eine kleine historische Bilanz nach zehn Jahren Eurozone
Dass der Euro Schwächephasen aufweisen wird, damit musste gerechnet werden. Immerhin war der Euro 1999 mit 1,15 zum Dollar an den Start gegangen und hatte schon 2001 nur noch 85 Cents gekostet. Wenn die Kaufkraftparität zum Dollar überwiegend mit rund 1,25 angegeben wird, sollte zum aktuellen Wechselkurs von um die 1,32 eigentlich noch nicht einmal von einer Eurokrise, sondern eher von einer Überbewertung die Rede sein. Dennoch gehen Gerüchte um, die Bundesbank sei bereits wieder dabei, vorsorglich D-Mark zu drucken, während US-Ökonomen bereits die Tage bis zum Auseinanderbrechen der Eurozone zählen sollen.
Nun sind die strukturellen Probleme der Eurozone offenkundig. Von Anfang an war bekannt, dass es sehr schwer sein wird, angesichts der in den einzelnen Ländern voraussichtlich sehr unterschiedlichen Wachstums- und Preissteigerungsraten einen einheitlichen Zins vorzuschreiben. Ebenso war von Anfang an klar, dass für Länder mit Leistungsbilanzproblemen der übliche Ausgleich über den Wechselkurs unmöglich wird.
(http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33965/33965_1.gif)
Mitgliedsländer der EU und der Eurozone
Politisch begegnet wurde diesen Problemen einerseits mit der Hoffnung, dass der gemeinsame Währungsraum zu einer starken Konvergenz der Wirtschaftszyklen führen werde, anderseits wurden die fiskalischen Konvergenzkriterien einer maximal dreiprozentigen Neuverschuldung und einer Schuldenobergrenze von 60 Prozent verordnet, was die Solvenz der Eurozonestaaten sicherstellen sollte. Es gilt übrigens vor allem als Idee der Bundesbank, dass staatliche Budgetdisziplin und eine strikte Unabhängigkeit der Notenbank quasi automatisch zu einer wirksamen Stabilitätskultur führen würden, so dass das Problem eines Staatsbankrotts folglich nicht einmal angedacht wurde.
Das alles hat sich inzwischen als Wunschtraum erwiesen, wobei mit Griechenland und Irland auch schon die Prototypen negativer ökonomischer Eskalationsszenarien vorliegen. Griechenland muss dabei für ausuferndes Klientelwesen und Bürokratie herhalten, wie sich unschwer aus dem Ausmaß der gezielten Manipulation der Statistiken oder aus den geschäftlichen Erfahrungen von Siemens schließen lässt.
Irland zeigte hingegen, dass die fiskalischen Stabilitätskriterien besonders leicht zu erfüllen sind, wenn zu niedrige Zinsen und massenhaft aus dem Ausland einströmendes öffentliches wie privates Kapital für einen jahrzehntelangen Boom sorgen. Ökonomisch bedeutet hereinströmendes Kapital allerdings, dass inländisches Vermögen verkauft oder von Inländern Kredite aufgenommen wurden. Insofern ist zwar nicht verwunderlich, dass die privaten Schulden aus dem Ruder gelaufen sind, kaum jemand hatte hingegen vorausgesehen, dass durch den Zwang, das Finanzsystem zu retten, die privaten zu öffentlichen Schulden wurden, wie es nicht nur dem einstigen "Keltische Tiger" und Budgetmusterschüler zugestoßen ist.
Belastung durch Fehler bei der Wiedervereinigung
Wie es so weit gekommen ist, lässt sich im Rückblick gut erkennen und soll hier kurz nachgezeichnet werden. Die Geschichte beginnt wohl am besten mit der Wiedervereinigung Deutschlands, die nicht nur die Voraussetzung für die Euroeinführung war – schließlich war die Zustimmung Frankreichs zur Wiedervereinigung an die Zustimmung Deutschlands zur Währungsunion geknüpft -, sondern wohl auch der wichtigste Grund für die schweren ökonomischen Verwerfungen innerhalb der Eurozone sein dürfte.
Denn in jenem historischen Pakt gab Deutschland seine langjährige Forderung auf, die Währungsunion mit einer engen politischen Union zu verknüpfen, die es möglich gemacht hätte, den unterschiedlichen Preis- und Wachstumsdynamiken der einzelnen Länder mit einer europaweit koordinierten Fiskalpolitik entgegenzutreten.
Als besonders gravierend sollte sich erweisen, dass sich Deutschland zuvor durch eine extrem ungeschickte Vorgehensweise bei der Wiedervereinigung selbst in eine prekäre Lage gebracht hatte. Denn Deutschland beging bei seiner eigenen kleinen Währungsunion mit der Ex-DDR denselben Fehler, den schon Adolf Hitler bei der Annexion Österreichs gemacht hatte: Um seinen Landsleuten einen "Gefallen" zu tun, gewährte der faschistische Diktator dem österreichischen Schilling einen Wechselkurs, der weit jenseits der Marktpreise stand. Das ermöglichte den Österreichern anfangs zwar günstige Urlaubs- und Einkaufsreisen nach Deutschland, die preislich nicht mehr konkurrenzfähige österreichische Industrie wurde jedoch stranguliert.
Die Politiker des wiedervereinigten Deutschland – namentlich Helmut Kohl – hatten diese finanzhistorische Lektion offenbar verschlafen bzw. ignoriert: Gegen den heftigen Widerstand von Bundesbankchef Pohl wurde 1990 der Vertrag über die Währungsunion unterzeichnet und von Bundestag und Volkskammer mit großer Mehrheit bestätigt. Die Geldbestände wurden generell 2:1 und bis zu 6.000 DM pro Privatperson wurde sogar 1:1 umgetauscht. Parität galt auch für laufende Zahlungen, während alle Schulden 2:1 umgestellt wurden. Am Markt war die Ostmark hingegen mit einem Kurs von mindestens 4:1 gehandelt worden, woraus sich enorme ökonomische Verwerfungen ergeben mussten.
In Summe wurden am 1. Juli 1990 mehr als 180 Mrd. DM ausgezahlt, was wenig daran änderte, das der Westgüter-Kaufrausch nur sehr kurze Zeit anhielt. Der so genannte "Vereinigungsboom" war zudem mit dem vollständigen Zusammenbruch des ostdeutschen Inlandsabsatzes und der Exporte erkauft, so dass es Ende 1991 in der ehemaligen DDR und Ost-Berlin bereits etwa eine Million Arbeitslose gab. Mit der darauf folgenden Wirtschaftskrise stieg die Arbeitslosigkeit in den alten Bundesländern rasch auf 30 Prozent an. Gesamtdeutschland bezahlt die monetäre Wiedervereinigung über die folgenden Jahrzehnte mit unterdurchschnittlichen Wachstumsraten und fiel in der internationalen Reichtums-Rangliste bei Einkommen und Vermögen um mehr als zehn Plätze und damit hinter Länder wie Österreich und Frankreich zurück.
Euro-Einführung und die platzende Dotcom-Blase
Erst mit dem New Economy-Boom der späten 1990er Jahre schien diese Krise überwunden. Und so startete der Euro 1999 mit einem damals als ambitioniert eingeschätzten Wechselkurs von 1,15 zum Dollar. Als nach 2000, kurz nach der realen Euroeinführung, die Blase platzte, erwies sich Deutschland neuerlich als kranker Mann Europas, der offenbar in einer Situation gefangen war, die als Bilanz-Rezession bezeichnet werden kann. Während die Wiedervereinigung noch immer nicht verdaut war, hatte nun besonders der jugendlich-dynamische Teil der Wirtschaft durch den Börsencrash einen empfindlichen Vermögensverlust zu verkraften, obgleich der Wert ihrer Schulden gleich geblieben war. Unternehmen und Haushalte hatten im Schnitt also zu hohe Schulden angehäuft und versuchten diese zu reduzieren, um ihre Vermögensbilanzen zu verbessern - allerdings um den Preis einer schwächelnden Binnennachfrage. Da der Privatsektor sparte, blieben nur der Staat und der Auslandssektor, um wenigstens etwas Wachstum zu erzielen.
Da kam die neue Währungsunion gerade recht. Denn die Eurozoneländer, die sich keine DDR und keinen großen "Neuen Markt" geleistet hatten, standen nun wesentlich besser da, viel besser jedenfalls. Insbesondere die traditionellen Hochzinsländer an der südlichen Peripherie traten mit Ausnahme Italiens nun in kräftige Boomphasen ein und Irland legte noch einen letzten Gang zu, trotzdem hielt die EZB die Zinsen Deutschland zuliebe lange sehr niedrig.
Das war gleichzeitig aber auch in Japan, den USA und Großbritannien der Fall, so dass die niedrigen Eurozinsen nicht zu einer starken Euro-Abwertung und einer gesamteuropäisch aktiven Handelsbilanz führten, sondern zu einem Aufblähen der Ungleichgewichte innerhalb Europas. Denn während in Deutschland Lohnzurückhaltung und Sparsamkeit geübt wurde, führten die Niedrigzinsen in den jetzigen Krisenländern nicht nur zu Bau-Booms oder einer Verluderung der Bürokratie, sondern auch zu hohen Preis- und Lohnsteigerungen, die vor allem die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland und ihre Attraktivität im Tourismus unterminierten. Während es Deutschland also gelang, seine internen Defizite durch eine hochaktive Handelsbilanz auszugleichen, drehten die Leistungsbilanzen der Boomstaaten massiv ins Minus, was den enormen Anstieg der Auslandsverschuldung mit sich brachte, die heute so problematisch erscheint.
Die kurze Zeit der great moderation
Bis 2008 waren die hohen Wachstumsraten der Peripherie jedoch noch als ausgesprochen positiv gesehen worden, da sie anscheinend einen erfolgreichen Aufholprozess dokumentierten. Auch an den Bondmärkten wurde diese Story geglaubt. So hatten die Aufschläge für Staatsschulden gegenüber der Deutschen Benchmark vor der Lehman-Pleite bei keinem Eurozonenland mehr als 0,5 Prozentpunkte betragen, was zudem hauptsächlich mit der geringeren Liquidität dieser Titel als mit einem höheren Ausfallsrisiko begründet wurde – schließlich galt es schlicht als undenkbar, dass ein Eurozonenland seine Gläubiger werde hängen lassen, wovon damals übrigens auch die Ratingagenturen überzeugt waren.
Aber diese hatten zu diesem Zeitung auch AAA-Ratings für Anleihen vergeben, die ausschließlich auf US-Hypotheken gestützt waren, von denen bei näherer Betrachtung auch damals schon hätte vermutet werden können, dass außer in der besten aller möglichen Welten nur wenige davon bis zum Abreifen korrekt bedient werden würden.
Für den klassisch geschulten Ökonomen hatte bis dahin jedoch das Dogma gegolten, dass eine Notenbank nur den kurzfristigen Zinssatz beeinflussen könne. Setzt sie diesen zu niedrig an, würden die Bondmärkte das Vertrauen in die Solidität der Geldpolitik verlieren und höhere Langfristzinsen verlangen um die Inflationsrisiken auszugleichen. Diesmal war der Boom jedoch mit der "search für yield", einer Jagd nach höheren Renditen verbunden, die die Preise für alle Arten von Risiken in die Höhe trieb und die Risikoprämien weltweit fallen ließ.
Folglich sanken auch die Zinsen für langfristige Staatsschulden, und als die Notenbanken endlich die Kurzfristzinsen anhoben, kam es zur Kompression von kurz- und langfristigen Zinsen. Denn während die kurzfristigen Zinsen anstiegen, gingen die langfristigen Zinsen weiter zurück. Da die Banken traditionell aber über die sogenannte Fristentransformation vor allem an dieser Differenz verdienen, mussten sie, um ihre Eigenkapitalrentabilität auch nur zu halten, einerseits ihre Bilanzen ausweiten und ihr Leverage erhöhen. Anderseits mussten sie gegen immer weniger Kompensation immer höhere Risiken eingehen, um etwas mehr an Zinsen zu erhalten, dies zudem verstärkt außerhalb der Bilanzen und mit Hilfe von Finanzderivaten.
Aus Sicht der herrschenden makroökonomischen Ideologie war dies auch durchaus begründbar, denn inzwischen hatten sich ausgehend von den USA die Geldpolitiker weltweit davon berauschen lassen, dass die zahlreichen Finanzcrashes wie die Asienkrise, die Russlandkrise oder die New Economy-Krise nicht zu dramatischen Einbrüchen der Realwirtschaft geführt hatten: Dafür klopften sich die Notenbanker nun gegenseitig auf die Schultern und von der Fed wurde für die vergangenen 20 Jahre der Ausdruck "Great Moderation" erfunden, die von einer hohen Stabilität von Beschäftigung, Wachstum und Inflation in den westlichen Industriestaaten geprägt sein und laut nicht wenigen neoliberalen Wirtschaftsprofessoren ewig währen sollte.
Das Kartenhaus bricht zusammen
Die Banken vergaben folglich sorglos Kredite an zunehmend weniger kreditwürdige Kunden und refinanzierten diese mit kurzfristigen Interbankkrediten, wobei die großen US-Banken zwar den Takt vorgaben, sich aber auch die europäischen Banken mitreißen ließen. In den Boomjahren vor 2008, als die Wall Street noch meinte "jede" Übernahme finanzieren zu können und die Preise für alle Arten von Risiken so niedrig waren wie nie zuvor, hatten die strengen Sittenwächter der Bondmärkte indes keine Chance gehabt, ihre zuvor jahrelang geübte Aufsicht über die finanzielle Stabilität der Kreditnehmer aufrecht zu erhalte.
Nicht wenige professionelle Real-Money Bondinvestoren, die typischerweise Pensionsgelder langfristig veranlagen und zumeist über eine solide ökonomische Ausbildung verfügen, hatten schon vor der Krise zu den Skeptikern gezählt, womit sich teilweise begründen lässt, warum die umlaufenden Schrottanleihen in so großer Zahl bei den Banken geblieben waren. Dass sie weder die ruinösen Privatkreditvergaben der Banken noch die Erosion z.B. der griechischen Bürokratie verhindern konnten, lag aber wohl vor allem daran, dass Aufsichtbehörden und Notenbanken es zugelassen hatten, dass die Banken außerbilanzielle Sondergesellschaften errichteten, die mit billigen kurzfristigen Geldern gewaltige Portfolios aus langfristigen Wertpapieren finanzierten, ohne viel Eigenkapital dafür bereitstellen zu müssen.
Der Absatz der Schrottanleihen war damit also auch ohne langfristige Real-Money-Investoren sichergestellt. Allerdings hatten sich Banken wie Privatschuldner wie gigantische Hedge Fonds verhalten. So verließen sich die Banken darauf, ihre kurzfristigen Verbindlichkeiten stets problemlos prolongieren zu können und strichen die Differenz zu den Langfristzinsen ein. Die US-Hypothekenschuldner spekulierten hingegen darauf, dass der Wert ihrer Immobilien immer weiter steigen werde und verkonsumierten die noch nicht realisierten Vermögenszuwächse.
Als dann im Sommer 2007 die Werthaltigkeit der strukturierten Schuldtitel, die allesamt auf privaten Schulden basierten, infrage gestellt wurde, brach das Kartenhaus zusammen. Den Anfang machten die berüchtigten US-Subprimehypotheken, die tatsächlich von kaum der Hälfte der Kreditnehmer ordnungsgemäß bedient wurden und zudem über kompliziert verschachtelte Verbriefungen weltweit an unbekannte Investoren verkauft worden waren. Zudem stellte sich nun heraus, dass sich diese Papiere großteils noch immer in den Bilanzen der Banken befanden, und dass auch etliche weitere Kreditkategorien ähnliche Probleme hatten. Folglich ging das Vertrauen der Banken untereinander immer weiter zurück, bis sie nach der Lehmanpleite die gegenseitigen Finanzierungen praktisch völlig einstellten.
Zu diesem Zeitpunkt war es völlig egal, wie werthaltig die Bilanz einer Bank tatsächlich beschaffen war, denn das wussten oft nicht einmal die Banken selbst, die noch dazu auch riesige Portfolios aus Derivaten aufgebaut hatten, deren Wert im Falle in der Krise ebenfalls zusehends fraglich wurde. Da praktisch alle Banken aber auf laufend revolvierende Interbankfinanzierungen angewiesen waren, brach das globale Finanzsystem zusammen und musste von Notenbanken und Politik gerettet werden.
Dadurch kam nicht zum Erliegen des Welthandels die schwerste globale Wirtschaftskrise nach dem 2. Weltkrieg, sondern es gingen auch die privaten Schulden auf die Regierungen über. Damit hatten die Bondmärkte endlich wieder die Macht über die Regierungen an sich gerissen.
Die üblichen Verdächtigen erwischte es sofort, etwa einige osteuropäische Staaten oder Island, das umgehend unter seinen strauchelnden Banken zusammenbrach. Angesichts der unzähligen Staatspleiten seit dem 2. Weltkrieg war dies aber eher eine Rückkehr zur Normalität.
Im Frühjahr 2008 legten die Bondmärkte indes ein Schäuflein zu und nahmen zuerst Österreich aufs Korn. Denn die österreichischen Banken waren überproportional in Osteuropa engagiert, wobei sie allerdings glaubhaft machen konnten, dass sie diese Krise durchstehen würden. Österreich verschwand nach kurzer Panik wieder aus dem Radar der Märkte – allerdings hatte der vorübergehend um fast einen Prozentpunkt angestiegener Zins das Land wohl mehr als hundert Millionen Euro gekostet. Ende Herbst 2008 war zuerst auch Dubai in Probleme geraten, dann traf es mit Griechenland den nächsten Eurozonenstaat, dies freilich mit etwas mehr Erfolg.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Auhauaha! Das hört sich ja ziemlich deprimierend an!
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Für die, die kein Vermögen haben, eigentlich nicht.
Und die werden immer mehr.
Die einzig wirklich wichtige Frage scheint mir, wie und wann man von uns die Begleichung der Staatsschulden verlangen will.
Beziehungsweise, wie wir uns gegebenenfalls davor schützen können.
Eine Wiedereinführung der D-Mark wäre vielleicht geeignet, uns hierzulande vor weiteren Verpflichtungen aus Garantien oder Hilfen für (in der Hinsicht ganz geschickte) andere Euro-Länder zu schützen, aber an den bereits zu unseren Lasten verbuchten Billionen und den daraus abgeleiteten Zins- und Tilgungsverpflichtungen ändert das zunächst gar nichts. Und schon die können wir auch in Generationen nicht mehr loswerden. Was tun, auswandern? Wer nimmt unsereinen denn auf, so ganz ohne fette Brieftasche...
Aber fragen darf ich mich wohl, warum Banken von unserem Staat und / oder der EU hunderte von Milliarden hinten hineingeschoben bekommen und ansonsten Für vom Staat, also dem Steuerzahler, geliehenes Geld keine zwei Prozent Zinsen zu zahlen haben, aber für'n normalen Dispo von uns, den eigentlichen Steuerzahlern, etwa dreizehn Prozent verlangen, für Kleinkredite immer noch deutlich über zehn.
Bei dem krassen Missverhältnis verstehe ich überhaupt nicht, wie Banken angeblich über zu wenig Eigenkapital verfügen sollen.
Diese Wucherer würden wir per neuer D-Mark ganz sicher nicht aus dem Tempel treiben können.
Vielleicht wäre es doch besser gewesen, die bei Gelegenheit einfach zusammenbrechen zu lassen, frische Gelder nur noch gegen Geschäftsanteile oder gleich komplette Verstaatlichung.
Das Grundproblem ist, wer 500 Euro zuwenig hat, dem brechen sie's Genick. Aber wer Millionen Schulden hat, der wird mit Kaffee und Gebäck im Separee verwöhnt, der Milliardenbetrüger gar mit Abermillionen an Boni beglückt.
Das ist ganz sicher eine globale Verschwörung. Man presst die ganze Weltbevölkerung in eine gigantische Schuldenfalle, zugunsten einiger weniger Mächtiger. So hofft man wohl, fast sieben Milliarden Menschen unter's Joch zu kriegen, zugunsten einiger tausend Mächtiger, gegen die dann kein Menschenrecht und keine Verfassung mehr hilft. Gegen die Blutsauger könnte noch nicht einmal ein Krieg geführt werden, da diese räumlich auf der ganzen Welt verteilt und sehr mobil sind.
Jürgen
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Die Eurozone war ein einmaliges volkswirtschaftliches Experiment - sie war jedoch von Geburt an zum Scheitern verurteilt
2010 war ein Annus horribilis für die Europäische Währungsunion. Die Staatsfinanzierung von Griechenland, Irland und Portugal hat de facto die EZB übernommen, während die solventen EU-Staaten schon jetzt für Forderungen in Billionenhöhe bürgen. Die Eurokrise köchelt vor sich hin und hat noch lange nicht ihren Siedepunkt erreicht. Sollte sich die EU nicht auf eine abgestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik einigen, steht sie vor einem Scheidepunkt. Neben den ökonomischen Problemen der Gemeinschaftswährung sind es jedoch nun vor allem die politischen Probleme, die der Gemeinschaftswährung ein jähes Ende bereiten könnten. Es ist unwahrscheinlicher denn je, dass es den Euro in der momentanen Form in zehn Jahren noch geben wird.
War der Euro eine Totgeburt?
Als der Euro am 1. Januar 2002 als offizielles Zahlungsmittel eingeführt wurde, stand seine Geburt unter einem schlechten Stern. Zehn Jahre zuvor zerbrach bereits der Vorgänger des Euro an einer mangelnden politischen Abstimmung der Mitgliedsländer. Das EWS wurde 1979 als Kind von Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing als Nachfolger des Bretton-Woods-Systems der festen Wechselkurse ins Leben gerufen. Ziel des EWS war es, die festen Wechselkurse auf europäischer Ebene wieder einzuführen, indem man die Mitgliedswährungen in einem engen Band halten wollte - sollte eine Mitgliedswährung aus diesem Band auszuscheren drohen, verpflichteten sich die Mitgliedsstaaten über ihre Zentralbanken zu intervenieren.
Schon damals gab es jedoch ideologische Differenzen zwischen den europäischen Kernstaaten, die sich vor allem in der Währungs- und Finanzpolitik manifestierten. Die harte D-Mark des exportorientierten Deutschlands war eine Art Ankerwährung des EWS, der permanente Aufwertungsdruck der D-Mark dessen Geburtsfehler. Als Deutschland nach der Wiedervereinigung seine Wettbewerbsfähigkeit abermals steigern konnte und die Bundesbank den Leitzins mitten in einer europäischen Wirtschaftsflaute erhöhte, führte dies 1992 zum Bruch des EWS. Italien und Großbritannien mussten nach Spekulationsangriffen das EWS verlassen, kurze Zeit später mussten Portugal, Spanien und Irland abwerten. Mitte 1993 wurde das EWS de facto beerdigt, als man die zulässige Schwankungsbreite der Mitgliedswährungen von 4,5 Prozent auf stolze 30 Prozent ausweitete. Die Parallelen zur Euro-Krise drängen sich förmlich auf. Für Deutschland folgten neun harte Jahre, in denen eine harte D-Mark die Exporte ins europäische Ausland behinderten. Damit sollte mit der Einführung des Euro Schluss sein, da die Gemeinschaftswährung gar keine Auf- und Abwertungen zwischen den Mitgliedsländern mehr zulässt.
Der Euro war und ist ein Kind der Deutschen und nach nicht einmal einer Dekade läuft die Gemeinschaftswährung bereits Gefahr, an ihren Geburtsfehlern zu Grunde zu gehen. Seit der Einführung des Euro stiegen die Gewinne deutscher Unternehmen ebenso wie deren Exporte. Ein Hauptgrund für diese Entwicklung waren und sind die relativ zu niedrigen Löhne in Deutschland. Höhere Löhne steigern nicht nur die Lohnkosten und senken somit die Exporte, sondern steigern auch die Binnennachfrage und somit die Importe. Wenn man sich die volkswirtschaftliche Schieflage der Eurozone anschaut, dann geht es daher auch weniger um die Im- oder Exporte, sondern um die Differenz zwischen ihnen, die sogenannte Außenhandelsbilanz. In einem geschlossenen System kann allerdings eine Volkswirtschaft nur dann stetige Exportüberschüsse haben, wenn eine andere Volkswirtschaft stetige Importüberschüsse aufweist. Da die exportierten Güter jedoch auch bezahlt werden müssen, führt ein stetiger Exportüberschuss immer dann zu einem stetigen Kapitalabfluss, wenn die Investitionen der Exporteure im Land der Importeure kleiner sind als der Warenexportüberschuss. Genau dies ist jedoch in der Eurozone der Normalzustand. Wenn die finanziellen Mittel der Importeure jedoch aufgebraucht sind, lässt sich dieses Modell nur weiterbetreiben, wenn der Exporteur dem Importeur Geld "leiht".
Unüberbrückbare Differenzen
Im Endergebnis werden deutsche Waren ins Ausland verkauft und mit Geld bezahlt, dass die deutsche Volkswirtschaft den Käufern "leiht". Gäbe es keine Währungsunion, wäre dieses Geld schon längst durch stetige Aufwertungen der D-Mark und Abwertungen anderer europäischer Währungen "verbrannt". Mit dem Auseinanderbröckeln der Eurozone wird jedoch immer deutlicher, dass das deutsche "Erfolgsmodell" kein Perpetuum mobile ist. Will man nicht von der deutschen Exportorientierung abrücken, wird man - wohl oder übel - die Forderungen deutscher Unternehmen, Privatpersonen und auch des deutschen Staates im Euroausland "glattziehen" müssen. Dann können wir dem Ausland frisches Geld leihen, mit dem es unsere Produkte kaufen kann. Dies ist ökonomisch möglich, aber politisch wohl kaum durchzusetzen. Wenn Angela Merkel lautstark fordert, dass die Gläubiger an den Abschreibungen der Papierforderungen an die Euro-Peripherie beteiligt werden sollen, jubelt die schwäbische Hausfrau. Jubelt sie immer noch, wenn ihr aufgeht, dass sie selbst der Gläubiger ist? Jubelt sie auch dann noch, wenn ihr aufgeht, dass die deutschen Exportüberschüsse nicht nur aufgrund ihrer Lohnzurückhaltung erzielt, sondern auch mit ihrem Geld gekauft wurden?
Wenn die Mitglieder einer Währungsunion in den Punkten Wachstum, Defizit, Produktivität und Leistungsbilanz langfristige Diskrepanzen aufweisen, ist die Gemeinschaft und ihre Währung langfristig auch nur durch dauerhafte Transfers zusammenzuhalten. Aus der halben EU einen Transferempfänger zu machen, ist jedoch politisch schwer realisierbar. Aber ohne die Möglichkeit, die Differenzen der europäischen Volkswirtschaften durch Auf- und Abwertung der lokalen Währungen auszugleichen, wird die deutsche Volkswirtschaft jedoch wohl oder übel ihre Forderungen abschreiben müssen, wenn man diese nicht durch Transfer selbst ausgleichen will. Weder Griechenland noch Irland (dessen Überschuldung andere Gründe hat) werden unter dem status quo ihre Schulden zurückzahlen können - schon gar nicht unter einem deutschem Sparkommissariat. Auch Portugal, Spanien und Italien werden als Schuldner mittel- bis langfristig ausfallen. Die entscheidende Frage wird daher sein, wie man diese Sorgenkinder in der Gemeinschaftswährung halten will.
Last Exit Haircut?
Selbstverständlich ist ein Staatsbankrott nicht mit dem Ende der Geschichte zu verwechseln. Die Krisenpolitik der EU hat bereits jetzt dazu geführt, dass die EZB sich massiv als Staatsfinanzierer betätigt. Staatsanleihen der Problemländer werden am Markt Insidern zufolge ausschließlich von der EZB gekauft. Die EZB zahlt somit die privaten Gläubiger aus und wird bei einem Staatsbankrott und dem damit einhergehenden Haircut neben einigen bereits verstaatlichten oder künftig zu verstaatlichenden Banken der Hauptgeschädigte sein. Welche Auswirkungen hätte ein Haircut, bei dem primär die EZB und die Staaten Papierforderungen abschreiben? Die EZB ist eine Zentralbank und kann - theoretisch - negative Bilanzen ganz einfach durch das Drucken von Papiergeld in einem Schattenhaushalt "glattziehen". Nach monetaristischer Logik wäre dies zwar inflationsfördernd - warum und an welcher Stelle ein solcher Buchungstrick der EZB inflationsfördernd sein soll, erschließt sich jedoch nicht.
Düstere Aussichten
Welche Wege gibt es also aus der Euro-Krise? Eine andauernde Transferunion ist politisch nicht umsetzbar. Eine Gemeinschaftsanleihe (Euro-Bond) würde zwar den Finanzierungsdruck der PIIGS-Staaten deutlich verringern - an den grundlegenden Problemen würde dies jedoch auch nichts ändern. Ein Spardiktat ist nicht umsetzbar und wird über kurz oder lang zu einem Staatsbankrott der Problemländer führen. Ein Haircut - sofort oder später - belastet vor allem die Konten der Volkswirtschaften, die über Jahre hinweg Exportüberschüsse erzielen konnten, ändert aber nichts an der Schieflage der Volkswirtschaften innerhalb der Währungsunion. Ohne eine Beseitigung dieser Schieflage wird die Eurozone aber auf Dauer nicht fortbestehen können. Bereits heute fordern etliche Volkswirte den Austritt der südlichen Problemstaaten aus der Eurozone - noch mehr Volkswirte fordern allerdings den Austritt Deutschlands aus der Gemeinschaftswährung.
Ohne eine langfristige gemeinsame und aufeinander abgestimmte Finanz- und Wirtschaftspolitik droht dem Euro das vorzeitige Aus. Da aber eher die Hölle zufriert, als dass Deutschland sich von seiner neoliberal geprägten Exportorientierung verabschiedet, und eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik Handelsbilanzdefizite ausgleichen müsste, ist diese "Wirtschaftsregierung" ebenfalls ein schwer vorstellbares Szenario. Eine Gemeinschaftswährung ohne gemeinschaftlichen Willen ist jedoch wahrscheinlich ohnehin ein Kunstgebilde, dem man keine Träne nachweinen sollte.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Wenn sich die Eurozone auflösen und Deutschland wieder zur D-Mark zurückkehren würde, könnten sich die europäischen Volkswirtschaften wieder erholen - die deutsche Wirtschaft hätte dann jedoch einen hohen Preis zu zahlen
Lange Zeit war die Aufforderung, Deutschland solle aus der Eurozone austreten und zur "guten alten D-Mark" zurückkehren, eine Position mit Exotenstatus, die vornehmlich im rechtspopulistischen Umfeld zu hören war. Heute ist diese Forderung unter anderem von den Nobelpreisträgern Joseph Stiglitz und Paul Krugman, sowie vom Entfant terrible der Währungsspekulation, George Soros, zu hören. Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Hatten die Rechtspopulisten letztendlich doch Recht oder haben sich die Paradigmen in den letzten Jahren derart verschoben? Letzteres ist der Fall, die deutsche Exportorientierung hat den Bogen überspannt, tiefe Risse durchziehen die Gemeinschaftswährung und Europa scheint nicht gewillt zu sein, diese Risse politisch zu kitten.
Mittel- bis langfristig wird sich die Eurozone die Frage stellen müssen, ob finanziell solide und wettbewerbsfähige Volkswirtschaften wie Deutschland nicht nur für die Schulden der Peripherie bürgen, sondern letztlich auch mit Steuergeldern und Abschreibungen in den Bilanzen der Banken für Verluste geradestehen. Dabei gibt es gewichtige Gründe gegen ein "weiter so". Einerseits ist es nur schwer vorstellbar, dass der deutsche Wähler es allzu lange akzeptieren wird, dass der Import deutscher Waren im Euro-Ausland mit seinen Steuergeldern finanziert wird. Andererseits ist allerdings auch nur schwer vorstellbar, dass die Bevölkerung der angeschlagenen Euroländer wie Griechenland, Irland oder Portugal sich das Spardiktat von IWF und Eurozone allzu lange gefallen lassen wird.
Ein Staatsbankrott wäre zwar eine Alternative zur dauerhaften künstlichen Beatmung durch das Eurosystem - eine Lösung der Probleme wäre dies jedoch auch nicht, da Staaten, die den Weg des Staatsbankrotts gehen, erfahrungsgemäß sehr lange brauchen, um sich ohne fremde Hilfe und zu akzeptablen Bedingungen wieder an den Kreditmärkten versorgen zu können. Ein Staatsbankrott würde zwar den akuten Refinanzierungsdruck wegnehmen - ohne die Möglichkeit, die eigene Währung abzuwerten, würde sich an den Rahmenbedingungen, die erst die prekäre Lage ausgelöst haben, aber nichts ändern. Auch nach einem Haircut wären Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien nicht wettbewerbsfähig.
Der Riss innerhalb der Eurozone verläuft zwischen Nord und Süd. Auf der einen Seite gibt es eine Gruppe von Staaten mit einer positiven Leistungsbilanz und einem relativ geringen Haushaltsdefizit, zu der neben Deutschland auch die Niederlande, Finnland und Österreich gehören. Auf der anderen Seite gibt es eine große Gruppe rund um Spanien, Portugal, Griechenland und Irland, die sowohl gigantische Leistungsbilanzdefizite als auch große Haushaltsdefizite aufweisen. Diese Länder werden auch langfristig ohne Transferleistungen nicht auf eine solide volkswirtschaftliche Basis kommen - erst recht dann nicht, wenn die Gruppe um Deutschland nicht ihre Leistungsbilanzüberschüsse abbauen will. Zwischen diesen beiden Gruppen verläuft der Riss und es ist langfristig kaum vorstellbar, dass beide Gruppen in der Gemeinschaftswährung bleiben.
Die Lissabon-Verträge erlauben zwar den freiwilligen Austritt aus der Europäischen Union, einen Austritt nur aus der Währungsunion sehen sie indes nicht vor. Dennoch vertreten die meisten Völkerrechtler die Position, dass man einen Euro-Staat, der freiwillig aus der Gemeinschaftswährung ausscheren will, nicht daran hindern könne. Dies setzt allerdings die Freiwilligkeit voraus. Ein Land gegen dessen Willen aus der Währungsunion auszuschließen, ist indes nicht möglich. Für Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien wäre ein Austritt aus der Gemeinschaftswährung zwar ein harter Schnitt, der aufgrund der zu erwartenden Abwertung der nationalen Währungen Vermögen und Kaufkraft vernichten würde. Verglichen mit einem dauerhaften Spardiktat aus Brüssel (EU) oder Washington (IWF) ist ein solcher Schnitt jedoch nicht zwingend die schlechteste Lösung.
Übergangslösung Süd-Euro?
Der Süd-Euro - oder "Medi" - würde den südeuropäischen Staaten die Möglichkeit geben, gegenüber dem Dollar und dem Euro stark abzuwerten. Infolge dessen würden sich die Importe aus dem Dollar- und Euro-Ausland verteuern, während die eigenen Exporte sich ebenso wie die Löhne verbilligen würden. Die Süd-Peripherie würde somit konkurrenzfähiger und könnte sich re-industrialisieren. Der Widerstand gegen diesen "Süd-Euro" kommt daher auch weniger aus den betroffenen Ländern, sondern vielmehr aus der Gruppe der Länder, die zwischen den beiden Extremen liegen - Länder wie Frankreich, Italien oder auch Belgien, die lediglich ein geringes Leistungsbilanzdefizit aufweisen und volkswirtschaftlich (noch) relativ gesund sind.
Mit einem Ausscheiden der defizitären Gruppe wären Frankreich, Italien und Belgien plötzlich die Euroländer, die sich mit dem Leistungsbilanzüberschuss der Gruppe um Deutschland messen müssten. Die Folge wäre ein härterer Euro, der die Konkurrenzfähigkeit dieser Staaten nachhaltig schwächen würde. Die Folgen wären absehbar: Frankreich, Italien und Belgien würden mittel- bis langfristig noch mehr Anteile am internationalen Markt an Deutschland abgeben müssen und ihre eigenen Volkswirtschaften auf eine harte Probe stellen. Auch wenn die Defizitsünder an der Peripherie der Eurozone von Politik und Medien immer wieder verurteilt werden, so stellen sie doch implizit einen ausgleichenden Gegenpol innerhalb der Eurozone dar.
Eine Trennung in Nord- und Süd-Euro wäre nur dann eine dauerhafte Lösung, wenn die Nord-Gruppe ausschließlich aus Staaten mit Volkswirtschaften bestehen würde, die mit der deutschen Volkswirtschaft vergleichbar sind - außer den Niederlanden, Finnland und Österreich gibt es da aber keine anderen Kandidaten. Es ist daher auch wahrscheinlicher, dass sich der Euro nicht in zwei Gruppen aufteilen wird, sondern in Nationalwährungen, die über ein flexibles Währungssystem zwar an eine Ankerwährung - sei es der Euro oder die D-Mark - gebunden sind, aber dennoch bei Bedarf auf- und abwerten können.
Die Rückkehr der D-Mark
Ein denkbares Szenario wäre also eine ultraharte D-Mark, die als Ankerwährung für die ebenfalls harten Währungen der Niederlande, Finnlands und Österreichs fungiert, und eine zweite Währungsgruppe, in der beispielsweise der französische Franc oder ein Korb aus Währungen der Mitgliedsstaaten die Funktion einer Ankerwährung einnehmen könnte. Um akute Finanzierungsprobleme einzelner Staaten abzuwenden, könnten die Krisenmechanismen bestehen bleiben und auch ein Euro-Bond ist nicht davon abhängig, dass alle Staaten eine Gemeinschaftswährung haben. Der Zerfall der Gemeinschaftswährung wäre somit mitnichten das Ende der Europäischen Union oder gar Europas, wie es neuerdings unheilschwanger aus Berlin und Brüssel schallt. Im Gegenteil - jedem Neubeginn wohnt ein Zauber inne. Ein Abschied von der Gemeinschaftswährung birgt zwar Risiken, aber auch Chancen.
Mit dem Ende der Gemeinschaftswährung könnten die nationalen Währungen wieder nach den volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen neu bewertet werden. Die D-Mark würde zweifelsohne ganz kräftig aufgewertet werden. Eine Aufwertung von 25 bis 30% gegenüber den anderen europäischen Währungen wäre ein denkbares Szenario. Was wären die Folgen einer solchen Aufwertung? Importe würden sich für deutsche Kunden verbilligen, während Exporte sich - je nach Anteil der deutschen Wertschöpfung im Endprodukt - für die Endkunden im Ausland verteuern würden. Dies würde zwangsläufig zu einer Erhöhung der Importe und einem leichten Rückgang der Exporte führen. Oder um es auf eine griffige Formel zu bringen: Deutschland könnte endlich die Früchte seiner wirtschaftlichen Stärke genießen. Wie dies aussehen könnte, zeigt beispielsweise unser südlicher Nachbar Schweiz. Auch der Schweizer Franken ist eine harte Währung. Importgüter sind für Schweizer Endkunden relativ günstig, dennoch exportiert auch die Schweiz konkurrenzfähige Güter auf die Weltmärkte.
Doch eine solche "Helvetisierung" Deutschlands muss politisch auch gewollt sein. Und hier sind Zweifel angebracht. Das deutsche Unternehmertum - hier vor allem die Exportbranche - sieht bekanntermaßen bereits in jedem Promille, um das sich die Lohnnebenkosten erhöhen sollen, eine Gefährdung für den Standort Deutschland. Will man dieser Argumentation folgen, wäre ein Austritt aus dem Euro dann wohl der Todesstoß für das deutsche Modell. Überlebensfähig ist ein Modell, das sich auf derart extreme Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen gründet, jedoch ohnehin nicht. Vielleicht war der Euro genau das Kunstgebilde, das dem deutschen Modell noch einmal zehn Jahre Gnadenfrist eingeräumt hat.
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Ja, meint eine Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums
Eine am 10. Januar vorgelegte Empfehlung (http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Presse/pressemitteilungen,did=376082.html) des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums dürfte vor allem in Griechenland, Spanien und Portugal für Nervosität sorgen. In dem von Minister Brüderle ausdrücklich begrüßten Gutachten wird nämlich einer geordneten Insolvenz hochverschuldeter EU-Staaten das Wort geredet.
Galt bisher die Verhinderung eines Bankrotts von Staaten des Euroraumes offiziell in politischen und wirtschaftlichen Kreisen als wichtiges Ziel, so gehen die Empfehlungen des neuesten Gutachtens in eine andere Richtung.
"Wir sind der Auffassung, dass man grundsätzlich bereit sein muss, auch einem solchen Staat zu sagen, ihr müsst in die Insolvenz gehen, weil die Insolvenz ist für den Staat letztlich hilfreich, denn die Anleger, die die Staatsschuld halten von diesem Staat, können dann zur Kasse gebeten werden, dass sie sagen wir auf 20, 25 Prozent ihrer Ansprüche verzichten müssen, oder, wenn sie es nicht tun, gar nichts vielleicht erhalten werden", bekräftigte der Autor der StudieManfred Neumann diese Vorschläge in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.
Neumann ist auch der Überzeugung, dass ein insolventer Staat den Euro nicht aufgeben müsse und die Währung dadurch auch keinen Schaden nehmen würde. "Sie würde vielleicht um drei, vier Cent mal sich bewegen, aber das ist nun wirklich keine Tragik, über die man reden muss. Ich glaube, dass die Politik da zu viel Wirbel daraus gemacht hat", so Neumann.
Er macht auch darauf aufmerksam, dass diese Empfehlungen nur mit großem Druck auf die verschuldeten Länder umgesetzt werden können: "Freiwillig tut das keine Politik, kein Politiker, aber wenn er mal in der Situation ist, wo er keine Alternativen hat, muss er es halt tun", antwortet der Autor der Studie auf die Frage, ob er es für vorstellbar hält, dass Griechenland und Irland den von Brüderles Beratern vorgezeichneten Weg überhaupt einschlagen werden. Neumann geht davon aus, dass seine Vorschläge in die künftigen Verhandlungen um die Schulden von Ländern im Euro-Raum einfließen werden und dass dies eine "disziplinierende Wirkung" haben wird.
Sicher dürfte auf jeden Fall sein, dass Deutschland, das mit seiner Niedriglohnpolitik andere Länder nieder konkurriert, seine dadurch gewonnene ökonomische Macht im EU-Rahmen noch stärker ausspielen und den Druck auf die Länder in der Peripherie erhöhen wird. Ob eine solche Politik Erfolg hat, dürfte vor allem davon abhängen, ob die deutsche Position unter den anderen Ländern mit einem starken Euro Unterstützung findet oder ob das deutsche Auftrumpfen nicht auch dort eher auf Unmut stößt.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Auf dem Weg in die größte Depression aller Zeiten
Wenn es nach der Untersuchungskommission geht, die vom amerikanischen Präsidenten eingesetzt wurde, so ist die Notenbank für die Weltwirtschaftskrise von 2008 maßgeblich verantwortlich. Doch was nützt uns diese Erkenntnis, wenn die Schuldigen erstens frei herumlaufen oder zweitens noch an der Macht sind.
Sowohl Alan Greenspan als auch Ben Bernanke gehörten eigentlich ins Gefängnis. Die Anklagepunkte lauten: rücksichtsloses Herbeiführen von Börsenblasen, Schüren der Inflation, Enteignung des Mittelstandes durch deflationäre Schocks, Massenmord in der Dritten Welt durch Inflation der Nahrungsmittelpreise sowie das Herbeiführen von Verschuldungsorgien, die Währungskrisen und Staatsbankrotte auslösen können. Es wird Zeit, dass die Verantwortlichen vor ein ordentliches Gericht gestellt werden, damit den Exzessen Einhalt geboten wird. Geschieht dies nicht, werden wir bald Ölpreise von über 200 USD haben und politische Krisen werden den Globus wie ein Krebsgeschwür überziehen.
Fast hat es den Anschein, als ob die Krisen absichtlich geschürt wurden, um Chaos und Anarchie zu nutzen um eine neue Weltordnung einzuführen. Auch China ist kein Ort der Stabilität mehr, wenn die inflationären Schübe anhalten, da eine Eskalation der Nahrungsmittelpreise auch das Riesenreich destabilisieren kann. Zu diesem Plan gehört wohl auch der Eurocrash, jedoch stellt sich hier die entscheidende Frage, ob die Amerikaner hier nicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben.
In der Zinseszinsfalle
Im Gegensatz zu den USA scheint Europa durch die bundesdeutsche Wirtschaft und die hohe Sparquote der Deutschen besser gegen die Schuldenkrise gewappnet als die dem allgemeinen Finanz-Nirwana zustrebenden USA. Aktuell leiht sich eine von Privatunternehmen kontrollierte Organisation, genannt Federal Reserve, jeden Monat 100 Milliarden Dollar, um die US-Wirtschaft künstlich am Leben zu erhalten, oder besser gesagt, um sie auf einen Wachstumspfad zu bringen.
Mittlerweile besitzt die Fed mehr Staatsanleihen (Treasuries) als die Volksrepublik China. So betrug das Volumen an Treasuries, Schatzwechseln und anderen US-Schuldtiteln im Besitz der Notenbank in der vergangenen Woche 1,11 Billionen US Dollar. Die von China gehaltenen Bestände belaufen sich laut einer Statistik des US-Finanzministeriums nur noch auf 896 Milliarden US-Dollar. Nur um die Zinsen der gemachten Schulden zu bezahlen, wird in den führenden Industrienationen zukünftig mehr als ein Drittel des Bruttosozialproduktes dafür verwendet werden müssen. Ein Zustand der nur zu einer einzigen Lösung führen kann: einer Währungsreform im globalen Maßstab.
Wann werden US-Staatsanleihen abgewertet
Betrachtet man den Zustand des US-Dollar, so besteht das hohe Risiko, dass dieser nach einem krisenbedingten Anstieg massiv crashen könnte und die Weltreservewährung dann endgültig begraben werden muss. Dann wären die heutigen Edelmetallpreise geradezu lächerlich tief, denn hier müsste man in der Tat von einem Goldpreis von 5.000 USD und einem Silberpreis von 100 USD ausgehen.
Der Endsieg der Fiat-Ökonomen ist dann erreicht, wenn sie alles soweit destabilisiert haben, dass eine neue Weltwährung alternativlos wird, um dieses Unwort des Jahres zu bemühen. Der Kauf von US-Staatsanleihen ist, wie es Bill Gross von Pimco ausdrückte, ein Pakt mit dem Teufel, solange Bernanke seine Helikopter-Politik in Sachen Gelddrucken fortsetzt. Der große Schock für die Finanzmärkte wird kommen, wenn die US-Regierung das Triple-A-Rating ihrer Anleihen verliert.
Dieses Ereignis kommt einem Supergau an den weltweiten Finanzmärkten gleich, wobei am Tag, wenn dieses geschehen sollte, nur Cash in Hartwährungen, Gold und Silber sowie ausgewählte Value-Aktien die Bürger vor einer massiven Enteignung schützen können. Ein Banken-Run im großen Ausmaß dürfte dann anders als 2008 nicht mehr zu verhindern sein. Die Welt wartet deshalb auf diejenigen Bundesrichter in den USA, die als Exorzisten auftreten und das Teufelshandwerkzeug von Bernanke, nämlich seine Niedrigszinspolitik, beenden.
Scheckheft-Orgien
Wie schon der Skandal des Bailouts des Versicherers AIG zeigte, basierte die Rettung oder Nichtrettung von Firmen während des Krisenjahres 2008 auf geheimen Absprachen, Insiderhandel und Marktmanipulationen. Im Stile von geheimdienstlichen Vorgehensweisen mittels Desinformation und Panikmache wurde nicht nur der größte US-Firmen-Bailout aller Zeiten durchgeführt, sondern gleichzeitig der Weg zu einer der größten Gelddruckorgien der Wirtschaftsgeschichte geebnet. Und hier beginnt das Versagen der Politik.
Außer vielleicht Angela Merkel hat am Anfang der Krise kein Politiker wirklich verstanden, was hier gespielt wird. Deshalb war ihre Zurückhaltung vor allzu euphorischen Rettungspaketen weise. Als Lehman Brothers im September 2008 kollabierte, begriffen die US-Verantwortlichen relativ schnell, dass sie einen riesigen Fehler gemacht hatten. Die Komplexität war größer, als sich dies der Finanz-Seiltänzer Hank Paulson, ein ehemaliger Goldman-Sachs-Manager, vorgestellt hatte. Ein Kollaps von AIG musste deshalb auf Teufel komm raus, respektive auf Kosten der Steuerzahler, vermieden werden.
Die Weltwirtschaftskrise sollte mittels Milliardenspenden auf Kosten des normalen Bürgers behoben werden, um einige wenige Spekulanten vor dem verdienten Untergang zu retten. Das schwarze Loch der Finanzmärkte als Fass ohne Boden legte den Nährboden für zukünftige Staatspleiten.
Die Scheckheft-Orgien von Paulson und Bernanke zu Lasten des Mittelstandes dürften eine der größten Dreistigkeiten der Wirtschaftsgeschichte sein. Die Beliebigkeit, gemäß derer einzelne Firmen überleben und andere Pleite gehen mussten, ist an krimineller Energie kaum zu überbieten. Die Aktionäre sollten bei allen Rettungsaktionen bluten, während die Anleihebesitzer auf Teufel komm raus gerettet werden sollten.
Dies ist wohl kein Zufall, wenn man weiß, dass der Mittelstand in den USA vorwiegend Aktien und die oberen Zehntausend vorwiegend Anleihen zur damaligen Zeit gehalten haben. Deshalb war die Verstaatlichung von Banken von Anfang an keine Option. Anstatt die Banken zu übernehmen, alle Bankvorstände zu entlassen und die Banken durch Verkäufe der Vermögensbestände zu sanieren, mussten stattdessen die Anleihebesitzer geschont werden. Deshalb durfte auch General Motors nicht pleitegehen, da deren Anleihebesitzer sonst einen Totalverlust zu fürchten gehabt hätten.
Der Mega-Bankraub
Der größte Bankraub aller Zeiten wurde vor den Augen aller US-Bürger vollzogen, ohne dass irgendeiner der Finanzbanditen dingfest gemacht wurde. Deshalb kommt heute WikiLeaks und anderen Enthüllungsplattformen die entscheidende Aufgabe zu, die Wahrheit über dieses Kapitalverbrechen, hier trifft der Name im besten Sinne des Wortes, zu enthüllen.
Das Ausmaß des Betruges ist deshalb so gewaltig, weil im Verborgenen der Finanzmärkte eine derart große Derivatisierung stattfand, dass ein ordentlicher Bankrott alle Dominosteine instantan zum Einsturz gebracht hätte. Im Nachhinein wäre dies wahrscheinlich die bessere Option gewesen, weil die Konkursverschleppung nicht Teil der Lösung ist, sondern eine Prolongierung des Problems mit sich bringt.
Mit der Finanzkrise 2008 haben die Banker, obwohl sie am Debakel an den Märkten schuld waren, die eigentliche Macht übernommen und das eigene Unvermögen dadurch kompensiert, dass man der Bevölkerung die Bezahlung der Schulden auferlegte. Der Präsident war als Marionette machtlos und musste tatenlos zusehen, wie die Banker auch Staatsbankrotte in Kauf nahmen, um ihr Fehlerverhalten ungeschehen zu machen. Die Notfallprogramme kosteten den US-Steuerzahler insgesamt etwa 12,3 Billionen USD, eine unvorstellbar hohe Summe.
Von langer Hand vorbereitet
Wer nicht weiß, wie viel Geld hier vernichtet wurde, dem soll dies durch das Ausschreiben der Zahl verdeutlicht werden: 12,3 Billionen USD = 12,300 Milliarden USD = 12,3 Millionen Millionen USD oder anders ausgedrückt 40.000 USD pro Bürger, ob Kleinkind, Steuerzahler oder Greis. Eine unvorstellbare Summe in kürzester Zeit.
Benötigen andere Generationen für die Anhäufung einer solchen Schuld Jahrzehnte, so gelang dies der Generation Bankster in nur wenigen Jahren - und dies alles gemäß der Devise: Geliehenes Geld muss nicht zurückbezahlt werden, das übernehmen andere für dich. Die Tischlein-Deck-Dich-Mentalität, eine ureigene Erfindung von Bankern, erlaubte diesem Genre das bedingungslose Zocken auf Teufel komm raus, ohne sich um irgendwelche Haftungsfragen oder Risikobewertungen kümmern zu müssen. Alles, was an Risikomanagement existierte, diente nur zur Illusionierung der Massen und der Desinformation.
Der Crash von 2008 war kein naturgegebenes Ereignis, sondern eine kriminelle Handlung, die von langer Hand vorbereitet wurde und letztendlich die Schuldigen auch noch für ihre Straftaten belohnte. Deshalb kann es nur eine einzige Lösung des Problems geben, um zukünftige Krisen zu vermeiden: Die Auflösung der Federal Reserve ("End the Fed", wie es Ron Paul gefordert hat) und die Bestrafung der Schuldigen. Der Enteignung der Hausbesitzer hätte die Verstaatlichung der Besitztümer der kriminellen Banker vorausgehen müssen. Doch noch ist es nicht zu spät, die Bonuszahlungen der letzten 10 Jahre von allen Bankern weltweit auf Heller und Pfennig zu beschlagnahmen. Diese Gerechtigkeitslücke gilt es zu schließen, wenn es jemals wieder Vertrauen in den Staat geben soll.
Die Erfindung der Pfandhaus-Ökonomie
Die Fed wusste alles und sie tat alles, was zur Krise führte, vorsätzlich. Die Fed log, wenn immer sie in Erklärungsnot kam und die Fed leugnet bis heute die Verantwortung an der größten Vermögensvernichtung aller Zeiten. Deshalb gehört diese Institution mit all ihren Ablegern zerschlagen. Yes we can! Damit die Welt finanziell wieder genesen kann, muss die heutige Fedpolitik nach der Eliminierung der Fed umgekehrt werden. Die Bewältigung der Krise erfordert Blut, Schweiß und Tränen, wie es Winston Churchill formulierte, und nicht Sex, Drugs and Rock'n'Roll bzw. Schulden, mehr Schulden und noch mehr Schulden.
Die Federal Reserve ist viel höhere Risiken eingegangen, als es die Allgemeinheit bisher annahm. So wurden am amerikanischen Parlament vorbei mit Billionen jongliert. Eine Buchführung der Fed würde deren Korruptheit sofort ans Tageslicht bringen. Die Funktion der Fed besteht nur noch darin, den Finanzjongleuren der Finanzindustrie zu dienen, wobei es scheinbar egal ist, ob die reale Wirtschaft zugrunde geht.
Fast hat es den Anschein, dass in den USA Bankster regieren, während das Repräsentantenhaus und der Kongress die Rolle von abnickenden Marionetten spielen müssen. Hierbei agiert die Fed als globales Pfandhaus, wobei sie etwa 9 Billionen USD auf 18 Finanzinstitute verteilte, indem sie alles, was die Banken besaßen, als Sicherheiten hereinnahm. Damit wurde in den USA die erste postmoderne Pfandhaus-Ökonomie begründet, die im noch längst nicht beendeten Quantitative-Easing ihren Höhepunkt fand. Man verpfändet alles, was man an Vermögen hat, nur um nicht in die Versuchung des Sparens zu kommen. Konsum um jeden Preis, bis auch das Pfandhaus pleitegeht.
Selbstverständlich ist es einem Pfandhaus auch egal, was die Finanzdienstleister mit dem von der Fed geliehenen Geld anstellten. Ob sie es wie Goldman Sachs zum Zocken verwandten oder wie JP Morgan Silber shorteten, die Ausleiher der Geldes mussten keine Rechenschaft darüber ablegen, was sie mit dem Geld anstellten. Es geht bei diesen Transaktionen nur darum, die Spielschulden der amerikanischen Finanzaristokratie zu begleichen.
United Bankruptcies of America (UBA)
Die Plünderung der westlichen Volkswirtschaften durch Bankster stellt sicherlich den Höhepunkt einer Entwicklung hin zu Spielcasino-Ökonomien dar, nur mit dem Unterschied, dass die größten Spieler mit einem Bailout rechnen können. Die Lasten haben die hart arbeitenden Menschen zu tragen, von der Krankenschwester bis zum Busfahrer, die mit Kürzungen im Gesundheitswesen, Entlassungen, Gehaltskürzungen und höheren Grundkosten durch die Inflation für das Missmanagement der Bankster bestraft werden. Ben Bernanke hat die amerikanische Verfassung mit Füssen getreten und ist damit der erste postmoderne Finanzterrorist. Er ist schlimmer, als ein Bin Laden je sein könnte, weil er die gesamte westliche Welt mit seinen Aktionen ins Finanz-Nirwana schickt.
Der Mann, der angetreten ist, die Deflation mit einer hohen Inflation zu bekämpfen, wird ab einem bestimmten Zeitpunkt die größte Deflation erzeugt haben, die die USA je gesehen haben, wenn nicht die Notbremse einer neuen Weltwährung gezogen wird. Ben Bernankes Irrtum ist, dass er glaubt, mehr Geld erzeuge gleichzeitig mehr Wachstum. Doch was geschieht, wenn das Geld nicht in den Markt gelangt. Wenn immer mehr Menschen verarmen und Unternehmen zahlungsunfähig werden, wer soll dann Kredite schöpfen? Wer soll konsumieren?
Die zusätzliche Geldmenge hilft dem bankrotten US-Staat jedoch nur mittelfristig, ohne Lehren aus der Krise weiterzuwirtschaften und den Banken zu überleben. Es dürfte kaum gelingen, eine Wirtschaft, die nur noch als hoch verschuldete Dienstleistungs-Ökonomie existiert, langfristig auf Vordermann zu bringen. Die Kaufkraft kann nur stimuliert werden, wenn die Menschen Arbeit haben und Geld verdienen. Bei einer Massenarbeitslosigkeit sinken die Steuereinnahmen und die Sozialausgaben steigen. Mittlerweile sollen 43 Millionen US-Amerikaner von Lebensmittelmarken abhängig sein. Doch nicht nur die amerikanische Unterschicht ist pleite, sondern auch die amerikanischen Kommunen, weshalb man die USA bald umbenennen dürfte in Vereinigte Pleiten von Amerika (United Bankcruptcies of America, UBA).
Auf dem Weg in die Mega-Depression
In den UBA ist die Krise der Kommunalanleihen bereits in vollem Umfang angelaufen. Gerüchte über anstehende Pleiten der ersten US-Städte waren jüngst zu hören, was viele Banken und Pensionsfonds massiv belasten dürfte. Die Insolvenzen von Unternehmen und Privatleuten nehmen zu, was die Arbeitslosigkeit im günstigsten Fall auf dem aktuellen Level hält, jedoch eine weitere Zunahme befürchten lässt.
Es hat den Anschein, dass das UBA-Inflations-Experiment nur einen Ausgang nehmen wird. Die Dollarschwemme erzeugt zunächst in der gesamten Welt eine starke Inflation, die dann in eine massive US-Deflation umschwenken wird. Dies wird der finale Akt der Krise sein, welche dann in eine Bargeldkrise überwechseln wird, da immer weniger Leute über die notwendigen Mittel verfügen werden, die nötigsten Dinge zu bezahlen. Es drohen mittelfristig nach dem Auslaufen der Gelddruckorgien steigende Zinsen und stark sinkende Sachwertpreise auf der ganzen Front: Aktien, Immobilien, Rohstoffe, Edelmetalle. Alle Schulden-Ökonomien sind langfristig auf Deflation ausgerichtet.
Wenn Schulden nicht mehr bezahlt werden können, stellen die Banken die Schulden sofort fällig, oder diese müssen nachbesichert werden. Damit entsteht der Druck auf die Konsumenten, neue Geldmittel zu beschaffen, was nur durch Verkäufe bestehender Vermögenswerte entstehen kann, womit der Dominoeffekt der sinkenden Preise ausgelöst wird. Die Folge könnte die größte Depression sein, die die US-Wirtschaft und in Folge der gesamte Planet je gesehen hat.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Die Zinsen für Staatsanleihen steigen angesichts der Hinweise weiter, dass die EZB die aufgekauften Staatsanleihen abstoßen will, auch für Spanien sieht es düster aus
Die Eurokrise drängt mit Macht zurück auf die Tagesordnung. Angesichts der Hinweise, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den umstrittenen Sündenfall beenden will, Staatsanleihen von Problemländern zu kaufen, haben die Zinsen für portugiesische Staatsanleihen neue Rekorde erklommen. In Lissabon setzt sich die Ansicht durch, dass die Lage ohne EU-Hilfe kaum mehr zu meistern ist. Wie vor einem Jahr in Griechenland hält aber auch Portugal offiziell an der Position fest, noch keine Unterstützung zu benötigen. Die Ratingagenturen setzen derweil schon in Richtung Spanien nach. Moody's senkte die Kreditwürdigkeit und mit einem "negativen" Ausblick werden weitere Abstufungen und höhere Zinsen programmiert, womit das nächste Land in arge Bedrängnis gerät.
Man darf nun kaum noch davon ausgehen, dass Portugal der Gang unter den EU-Rettungsschirm verschont bleibt. Schon im Februar hatte sich die Euro-Krise schneller als vermutet nach einer trügerischen Ruhe zurückgemeldet. Nach einer erneuten kurzen Ruhe vor dem Sturm bläst der Wind nun wieder kräftig. Jedenfalls schießen nach der trügerischen Stabilisierung auf hohem Niveau die Zinsen für portugiesische Staatsanleihen erwartungsgemäß weiter hoch.
Am Mittwoch musste das Land schon unbezahlbare 6% Zinsen bieten, um Staatsanleihen in der Höhe von einer Milliarde Euro mit der kurzen Laufzeit von zwei Jahren loszuwerden. Das sind erneut fast 2% mehr, als das Land bei einer gleichwertigen Versteigerung noch im September 2010 bieten musste. Das ist vor allem vor dem Hintergrund bedeutsam, dass bis 2013 noch das Rundum-Sorglos-Paket der EU gilt, das die Anleger bei diesen Anleihen von allen Risiken befreit. Da längerfristige Anleihen, mit Laufzeiten über 5, 10 oder 15 Jahre, ein geringes Risiko bergen, dass auch Anleger an einer möglichen Staatsinsolvenz beteiligt werden könnten, werden sie längst deutlich über der Marke von 7% gehandelt, die allgemein als Absturzmarke gehandelt wird.
Noch im Januar gelang es der Europäischen Zentralbank (EZB) nur mit massiven Aufkäufen portugiesischer Anleihen, die psychologisch bedeutsame Marke mit 6,7% knapp zu unterschreiten. Man könnte angesichts der Tatsache, dass sich Portugal am Mittwoch zwar noch einmal Geld an den Kapitalmärkten besorgen konnte, das bekannte Lied vom "erfolgreichen Platzieren von Staatsanleihen" anstimmen, doch es ist klar, dass derlei Zinsen das Land in den Ruin treiben. So bleiben nun auch die weitgehend stumm, die dieses Lied noch im Januar geträllert haben. Inzwischen hat sich wohl herumgesprochen, dass es kein Erfolg ist, viele Jahre etwa dreimal so hohe Zinsen wie Deutschland bezahlen zu müssen.
Portugal geht denselben Weg wie Griechenland und Iralnd
So mehren sich nun auch in Lissabon die mahnenden Stimmen. Der Finanzstaatssekretär Carlos Costa Pina sagte am Mittwoch besorgt: "Derlei Zinshöhen sind auf die Dauer untragbar." Natürlich fügte Pina bei, wie es auch in Griechenland und Irland lange zu hören war, dass man die Zinsen noch ertragen könne und keine Hilfe von der EU benötige. In Irland und Griechenland wurde die Behauptung sogar noch bemüht, als der Hilfsantrag an die EU praktisch schon auf dem Weg war. Doch vorsichtshalber sprach der Staatssekretär die EU sogar schon direkt an. Wenn die Zinsen auf diesem Niveau blieben, seien "dringende Maßnahmen" aus Brüssel zur "Stabilisierung des Euro" notwendig, sagte er.
Luis Marques Mendes, bis 2007 Vorsitzender der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei (PSD) wurde da schon deutlicher. Er beklagte kürzlich in einem Interview mit der Financial Times, dass Portugal "auf dem Drahtseil" balanciere. Der Nachfolger von José Manuel Durão Barroso, der an die Spitze der EU-Kommission abgerückt war, fügte an: "Ein Antrag auf finanzielle Hilfe innerhalb der nächsten drei bis vier Wochen scheint unvermeidlich zu sein."
Doch in der PSD werden Teile der Partei immer nervöser, schließlich könnte sie bei vorgezogenen bei Neuwahlen nun wieder die Macht übernehmen. Es ist die PSD, die anders als ihr Name vermuten lässt, eher christdemokratisch ausgerichtet ist, die der Minderheitsregierung unter Ministerpräsident José Sócrates eine Mehrheit für den Sparkurs verschafft. Obwohl die PSD bei Umfragen nun an der Grenze zur absoluten Mehrheit angelangt ist, ist kaum zu erwarten, dass sie Socrates schon heute bei einem Misstrauensvotum im Parlament fallen lässt, das eine kleinere Oppositionspartei beantragt hatte. Denn sie will nicht vollständig für den Gang unter den Rettungsschirm und andere unpopuläre Entscheidungen verantwortlich gemacht werden und überlässt das den Sozialdemokraten, die sich in Portugal Sozialisten (PS) nennen.
Die Geschehnisse in Portugal erinnern sehr an die Vorgänge, die aus Griechenland und Irland hinlänglich bekannt sind. So ist es nun nur noch eine kurze Frage der Zeit, wann Portugal ihnen auf ihrem Weg nachfolgt und unter den EU-Rettungsschirm kriecht. Allerdings ist Portugal, anders als das enorm verschuldete Griechenland oder Irland, dessen Defizit wegen der Bankenrettung explodiert ist, vor allem Opfer davon, dass über das kleine Land ein Angriff auf Spanien und den Euro läuft. Das Haushaltsdefizit sinkt längst wieder und die Verschuldung liegt im europäischen Durchschnitt. Trotzdem werden seit langem die Zinsen für das Land stetig nach oben getrieben, seit es von der Ratingagentur Moody's in einem Atemzug mit Griechenland genannt wurde.
Die Lage hat sich für Portugal aber nicht nur verschlechtert, weil es immer mehr Geld aus dem Haushalt für Zinsen aufwenden muss, anstatt die Milliarden in Investitionen und Bildung zu stecken. Weil Socrates letztlich dem Druck der Ratingagenturen - aus Brüssel, Berlin und Paris sekundiert - nachgegeben hat, wurde der einst ausgeglichene Sparkurs aufgegeben. Das Rezept für ein Desaster wurde gewählt, das angesehene Ökonomen als "verrückt" bezeichnet hatten. So wurde auch in Portugal damit begonnen, die einfache Bevölkerung zur Kasse zu bitten.
Die Rezession ist erwartungsgemäß wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden, womit die Erholung zusätzlich erschwert wird. Im vierten Quartal, so teilte Eurostat gerade mit, schrumpfte die Wirtschaftsleistung des Landes erstmals wieder um 0,3%. Die Arbeitslosenquote ist ein weiterer negativer Effekt. Eurostat gibt sie für Januar mit 11,2% an. Hohe Preise für Grundnahrungsmittel und Energie tragen ihren Teil dazu bei, die Kaufkraft weiter zu senken und den Absturz zu verstärken, womit Portugal zweifaches Opfer der Spekulation wird. Eurostat hatte schon im Januar eine Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahr von schon 3,6% errechnet.
Ausweitung des Rettungsschirms steht wieder zur Debatte
Spätestens im April könnte es nun ernst werden, denn im nächsten Monat und im Juni braucht Portugal insgesamt zur Refinanzierung auslaufender Anleihen frische 9,5 Milliarden Euro. Da die Renditen auf zehnjährige Anleihen am Mittwoch auf dem Sekundärmarkt schon mit 7,7% einen neuen Höchststand seit der Einführung des Euro erreicht haben, wird es wohl zwischen Berlin, Paris und Brüssel demnächst wieder zu den gewohnt hektischen Aktivitäten kommen, wie sie schon vor der eiligen Griechenland-Rettung zu beobachten waren. Wird Portugal aufgefangen, wird die Debatte um die Ausweitung des Rettungsschirms wieder mit voller Wucht losgehen, welche die Bundeskanzlerin mit aller Macht hinter den Wahltermin am 27. März in Baden Württemberg verschieben will.
Es drängen sich die Parallele zu Griechenland geradezu auf, als vor allem der schwarz-gelbe Schlingerkurs in Berlin vor einem Jahr vor bedeutsamen Wahlen in Nordrhein-Westfalen fast einen Flächenbrand im Euroraum bewirkt hat. Es wurde ein Schwelbrand, der sich seither langsam weiter frisst. Die kurzfristige Strategie von Merkel, Schäuble, Westerwelle und Brüderle, die bisher eine nachhaltigere Lösung für die Eurokrise verhindert haben, könnte als ausgerechnet kurz vor den für die CDU und FDP so entscheidenden Wahlen zum Stuttgarter Landtag erneut zum teuren Rohrkrepierer für den deutschen Steuerzahler werden. Eine Ausweitung des Rettungsschirms wird - vor oder nach den Wahlen - ohnehin kommen, eventuell gepaart auch mit den gemeinsamen Euroanleihen, die von Merkel ebenfalls (noch) abgelehnt werden.
Es ist eben keine Lösung für ein strauchelndes Land, wenn man es mit Krediten auffängt, deren Zinsen ebenfalls unbezahlbar sind. Irland muss mit 5,82% sogar noch höhere Zinsen zahlen als Griechenland. Der Insel wurde ausreichend Seil gegeben, "um sich mit selbst zu erhängen", wird in Dublin sarkastisch vermerkt. Dabei haben die Iren mit der Verstaatlichung der Banken vor allem dafür gesorgt, dass Banken und Versicherungen in Großbritannien oder Deutschland nicht durch eine Bankenpleite in arge Bedrängnis kommen. Dass Merkel auch noch den IWF ins EU-Rettungsboot geholt hat, der dann mit eiserner Hand im Land durchgreift, ist ebenso kein Anreiz für Portugal, schnell Hilfe aus Brüssel zu beantragen. Die Erfolge der Washingtoner Rezepte sind, wie Rumänien deutlich macht, eher bescheiden, um es vorsichtig auszudrücken. So wird Socrates versuchen, sich so lange wie möglich auf dem den Drahtseil zu halten.
Gibt die Europäische Zentralbank den Tabubruch auf?
Doch Socrates kommt immer deutlicher aus der Balance. Dass die Zinsen für die Anleihen des Landes hochschießen und im April wohl kaum unter der Absturzmarke bleiben dürften, hängt auch mit den Meldungen zusammen, dass die EZB sich mit der Rolle als Bad Bank nicht abfinden will, in die zweifelhafte Anleihen ausgelagert werden. Inzwischen hat sie mindestens für 77 Milliarden Euro Anleihen von Krisenländern aufgekauft, um die Zinsen für deren Anleihen zu drücken. Einen Absturz hat das aber in Irland nicht verhindern können und das Vorgehen ist offensichtlich auch in Portugal erfolglos.
Der Spiegel hat berichtet, dass man bei den Frankfurtern den umstrittenen Sündenfall nun beenden will. Schließlich bedeutet der Aufkauf von Staatsanleihen nichts anderes, als die Notenpressen anzuwerfen, um es bildlich auszudrücken. Das heizt bekanntlich die Inflation an, die ohnehin schon deutlich gestiegen ist. Eurostat hat für Februar in einer Vorrausschätzung für den Euroraum eine Inflationsrate von 2,4% angegeben, womit sie schon deutlich über dem Stabilitätsziel von 2% liegt. Und letzte Woche hatte der EZB-Präsident Jean-Claude Trichet eine baldige Anhebung des Leitzinses in Aussicht gestellt, um den Inflationsrisiken zu begegnen. In diese Richtung geht auch, dass Trichet offensichtlich die Staatsanleihen wieder loswerden will. "Die Zentralbank drängt in internen Gesprächen mit den Euro-Regierungen darauf, dass der europäische Rettungsschirm Anleihen von Griechenland, Portugal und Irland übernimmt", wurde berichtet.
Demnach sollen die Papiere durch die Europäische Finanzierungsfazilität (EFSF) übernommen werden, also in den EU-Rettungsschirm verschoben werden. Zwar wird der Fonds derzeit nur von Irland belastet, weil für Griechenland eilig eine eigene Kasse geschaffen werden musste, doch eine Übernahme der Krisenanleihen würde dann schon schwer zu Buche schlagen, wenn zusätzlich Portugal aufgefangen wird. Zwar liegt der EU-Anteil am Gesamtvolumen von 750 Milliarden bei 440 Milliarden Euro, tatsächlich können davon nur 250 Milliarden direkt an die Absturzkandidaten weitergereicht werden. Sonst verliert der EFSF die höchste Bonitätsnote (AAA). Nur die enorme Überdeckung sorgt dafür, dass der EFSF sich Geld für niedrige Zinsen an den Finanzmärkten besorgen kann. Real sind damit die Euro-Bonds längst durch die Hintertür eingeführt worden, auch wenn das Berlin nicht eingesteht.
Diese Hinweise auf einen neuen EZB-Kurs müssen ernst genommen werden, schließlich ist der Tabubruch in der Zentralbank höchst umstritten und trug zum Ausscheiden von Axel Weber bei, der sich stets gegen Aufkäufe von Staatsanleihen ausgesprochen hat. Auch der nun aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge von Trichet, der Italiener Mario Draghi, warnt immer stärker vor der Inflationsgefahr. Auch er spricht sich mehr oder weniger deutlich dazu aus, den Tabubruch zu beenden oder wenigstens nicht auszuweiten.
Für Spanien wird es richtig ernst
Es wird immer offensichtlicher, dass Berlin, Paris und Brüssel mit der Politik einen Flicken über den nächsten zu setzen, endgültig an eine Grenze stoßen. Da die Finanzmärkte den Gang Portugals unter den Rettungsschirm schon vorwegnehmen, wird es nun eng für den Euro. Denn nun wird zum Frontalangriff auf das erste große Euroland übergegangen.
Portugal ist letztlich nur der Hebel dazu, um an Spanien anzusetzen, dem viertgrößten Land im Euroraum. Es ist sicher kein Zufall, dass ausgerechnet heute Moody's den Druck auf das Nachbarland erhöht hat. Die Ratingagentur stufte die Bonitätsnote Spaniens um eine Stufe auf Aa2 herunter und machte mit einem "negativen" Ausblick deutlich, dass weitere Abstufungen und damit steigende Refinanzierungskosten für das Land anstehen. Schon als die Agentur im Dezember den negativen Ausblick bestätigt hatte, zogen die Zinsen für spanische Anleihen kräftig an.
Die Karawane zieht also schon jetzt weiter in Richtung Spanien . Es wird aber erheblich schwerer, dieses Land vor dem Absturz zu retten, um vom Schuldenmeister Italien erst gar nicht anzufangen. Da ist nicht nur der deutlich höherer Kapitalbedarf im Vergleich zu kleinen Ländern wie Griechenland, Irland oder Portugal. Da sind vor allem die enormen vielschichtigen Probleme, welche die geplatzte Immobilienblase aufgezeigt hat. Dem Aufblähen schaute man, auch bei den Ratingagenturen, jahrelang zu und jubilierte sogar über das kräftige Wachstum, die es dem Land bescherte, anstatt frühzeitig vor den tiefen Fall zu warnen, der unweigerlich damit verknüpft war.
Dass in Spanien schon etwa 21% der aktiven Bevölkerung offiziell keinen Job mehr haben und fast jeder zweite junge Mensch ohne Stelle ist, macht das Desaster mehr als deutlich. So weist nun auch Moody's in der Begründung zur Abstufung auf die hohen Kosten für die Restrukturierung der Sparkassen hin, die erneut mindestens 20 Milliarden Euro verschlingen dürfte. Der Erfolg ist ebenso ungewiss, wie schon bei der ersten teuren Sparkassenrettung. Mit ihrer Begründung zeigt Moody's erneut, dass man eigentlich von den Entwicklungen im Land nur einen blassen Schimmer hat. Denn weitgehend ausgeblendet bleibt, dass die spanischen Banken immer stärker unter Kreditausfällen leiden. Die Ausfallquoten der Banken haben die der Sparkassen längst überflügelt. Arbeitslosigkeit, hohe Energiepreise und die Inflation machen Familien und Unternehmen zu schaffen. Dazu kommen die Konflikte. So ist an Ostern und im Sommer erneut mit Chaos im Flugverkehr zu rechnen, weil die Regierung die Privatisierung der Flughäfen vorantreibt, wogegen an insgesamt 22 Tagen gestreikt werden soll.
In Spanien kommt aber ein Faktor hinzu, der besonders gravierende Auswirkungen hat. Die Hypothekenzinsen sind variabel an den Euribor gebunden. Das ist der Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Nach einem Rekordtief steigt der Euribor nun aber wieder deutlich an. Der erwartete Zinsschritt der EZB wird schon vorweggenommen. Da die Banken die Zinsen mit kurzer Verzögerung voll auf die Kreditnehmer abwälzen, droht neue Welle von Kreditausfällen, wie sie 2008 mit einem stark steigenden Euribor im Rahmen der Finanzkrise ausgelöst wurde, womit die Blase zum Platzen kam. Familien, die sich angesichts sinkender Kaufkraft gerade noch über Wasser halten, brechen dann unter steigenden Hypothekenzinsen sogar zusammen, wenn sie ihren Job nicht verlieren.
Deshalb braut sich gerade über Spanien ein weiteres Unwetter zusammen. Die sozialdemokratische Regierung, die in der Krise völlig versagt hat, wird nun auf die Füße fallen, dass sie an dem Bankensystem nicht gerüttelt hat. Dabei bekam sie spätestens 2008 gezeigt, welch unkontrollierbare Auswirkungen diese frei flutenden variablen Zinsen haben. Während niedrige Zinsen die Bauwut heftig befeuerten, Familien dazu verleitete, völlig überteuerte Wohnungen zu kaufen, sorgte das hochschießen der Zinsen für den Kollaps.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Fast 5 Millionen Menschen in Spanien sind ohne Job, aber auch Deutschlands Staatsverschuldung wächst und liegt bereits über dem EU-Durchschnitt
Nachdem man in Berlin, Paris und Brüssel zugelassen hat, dass Portugal unter den Rettungsschirm getrieben wurde, geht es nun dem viertgrößten Euroland an den Kragen. Denn Spanien hat deutlich dramatischere strukturelle Probleme als Portugal. Das hat gestern auch die vierteljährliche Jobstatistik gezeigt. Fast 5 Millionen Menschen sind nun ohne Stelle. Zudem steigen die Zinsen für spanische Staatsanleihen weiter an. Interessant sind aber auch die neuen Verschuldungsdaten von Eurostat. Deutschlands Staatsverschuldung liegt nun schon über dem EU-Durchschnitt und vor Frankreich. Auf der Rangliste der Schuldner liegt Deutschland nun auf einem Platz direkt hinter Portugal.
Es war schon nach den Daten der Arbeitsämter klar, dass die Arbeitslosigkeit in Spanien weiter steigt. Doch nun kam die Studie zur erwerbstätigen Bevölkerung (EPA), die nicht nur bei Arbeitsämtern gemeldete Arbeitslose registriert. Die Statistik des Arbeitsministeriums ist ohnehin deutlich geschönt, weil bestimmte Arbeitslose nicht einmal als solche registriert werden, wenn sie Arbeitslosengeld beziehen.
In der EPA zählt das Statistik-Institut (INE) etwas genauer, aber diese EPA-Studie wird vierteljährlich erstellt. Demnach haben sich ins Heer der Arbeitslosen im ersten Quartal erneut 213.500 Menschen eingereiht. Ende März waren damit schon 4.910.200 Menschen arbeitslos. Das sind also fast zwei Millionen mehr als in Deutschland, aber bei nur halber Bevölkerung. Die Arbeitslosenquote des Rekordhalters in der EU ist inzwischen auf 21,29% angeschwollen. In Andalusien und den Kanarischen Inseln werden 28% ermittelt, während es am anderen Ende der Skala im Baskenland 13,5% sind.
Dass man nun 1,4 Millionen Familien zählt, in denen alle Mitglieder arbeitslos sind, macht ein unbeschreibliches Drama deutlich. Denn es gibt in Spanien nach dem Ende des Arbeitslosengeldanspruchs in fast allen Regionen nur noch für sechs Monate gerde einmal 400 Euro Sozialgeld. Dann reißt das spanische Sozialnetz vollständig und ganze Familien stürzen ab und können sich nur noch durch Betteln, Schwarzarbeit oder Diebstahl über Wasser halten.
Das macht deutlich, in welche Misere ein europäisches Land gerade abstürzt. Trotz ständiger Beschwörungsformeln der sozialdemokratischen Regierung, wird es zudem sehr lange Zeit in schwerstem Fahrwasser bleiben. Schließlich sind mit der extremen Arbeitslosigkeit vielfältige Probleme und Kosten verbunden. Beispielsweise steigt die Kreditausfallquote dramatisch an. Nach den Sparkassen werden nun auch immer stärker die Banken in Bedrängnis kommen. Die Lage schön zu reden, wird nicht funktionieren, auch wenn in den Chor inzwischen auch der Internationale Währungsfonds (IWF) eingestimmt hat. Da liegen Analysten der Financial Times richtiger, die davon sprechen, dass ein "selbstgefälliges Europa" einsehen müsse, dass Spanien das nächste Absturzland ist.
Man muss neben der sehr starken Verschuldung von Familien und Firmen eben auch die extreme Arbeitslosigkeit als Absturzfaktor sehen. Sie ist ein deutlicher Indikator für die riesigen strukturellen Probleme des Landes, nachdem die Immobilienblase geplatzt ist (Spanien schlittert weiter in Richtung Abgrund). Dazu kommt, dass Spanien schon den europäischen Arbeitslosenrekord hielt, bevor die sozialdemokratische Regierung auf den von Berlin diktierten strengen Sparkurs ging. Da jetzt das Land nun wie Griechenland und Portugal zudem in die Rezession zurückgespart wird, muss klar sein, dass Spanien der nächste Kandidat für den Rettungsschirm ist, der damit an seine Grenze kommt.
Die Arbeitslosenquoten in Griechenland (14,1%), Irland (14.9%) und Portugal (11,1%) liegen noch immer deutlich unter den spanischen Extremquoten. In Griechenland steigt sie aber mit dem strikten Sparkurs besonders stark an, wie europäische Statistikbehörde Eurostat kürzlich ebenfalls festgestellt hat.
Spanien: Niedrige Staatsverschuldung, aber hohes Haushaltsdefizit
Nachdem man in Berlin, Paris und Brüssel zugelassen hat, dass Portugal abstürzt, hat man Spekulanten im Angriff auf das erste große Euroland Spanien bestärkt. So hatte kürzlich die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit Spaniens erneut um eine Stufe auf "Aa2" herabgestuft. Da der Ausblick "negativ" ausfiel, dürften angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen neue Abstufungen anstehen, womit die Refinanzierungskosten für das Land noch weiter anziehen werden. Die Arbeitslosenzahlen bieten dafür eine neue Steilvorlage. Zudem sorgt auch noch die Debatte um die anstehende Umschuldung Griechenlands für deutliche Unruhe bei Geldgebern.
Aber auch ohne neue Abstufungen schießen die Zinsen weiter hoch. Zuletzt konnte am Dienstag das Land zwar neue Anleihen platzieren, doch die Preise dafür stiegen deutlich an. Mit einer Anleihe mit einer Laufzeit von nur drei Monaten hat der spanische Staat knapp 1,2 Milliarden Euro aufgenommen. Doch die Rendite lag dabei schon bei fast 1,4%. Das sind 0,5 Prozentpunkte mehr als bei einer vergleichbaren Versteigerung im März. Die Kosten sind also in wenigen Wochen um mehr als 50% gestiegen. Ähnlich sah es auch Papieren mit einer sechsmonatigen Laufzeit aus. Auch hier kletterten die Renditen deutlich von knapp 1,4% auf knapp 1,9 Prozent. Diese sehr starken Steigerungen hatte man zuletzt in Portugal beobachten können, wie zuvor schon in Griechenland und Irland, die daran jeweils abgestürzt sind.
Es wird Spanien dabei nichts mehr nützen, dass es eine niedrige Staatsverschuldung ausweist. Gerade hat Eurostat die Daten vorgelegt. Demnach liegt Spanien bei der Staatsverschuldung noch immer deutlich unter dem EU-Durchschnitt mit gut 60% im Verhältnis zum jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Problem ist aber, dass in dem Land auch 2010 das Haushaltsdefizit von 9,2% über dem Defizit Portugals (9,1%) lag. Wie schnell sich der Schuldenberg aber enorm erhöhen kann, wenn man zur die Banken des Landes auffängt, hat Irland gezeigt. Noch 2009 lag das Land mit einer Staatsverschuldung von fast 66% des BIP unter dem Durchschnitt im Euroraum. Da das irische Defizit 2010 aber sogar auf 32,4% explodierte, ist das Land nun nicht nur über dem Durchschnitt (85,1%) angelangt, sondern mit 96,2% in der Spitzengruppe vorgestoßen, die nahe an der sehr gefährlichen Marke von 100% angelangt sind oder schon darüber liegen.
Spitzenreiter Griechenland, Deutschland liegt bereits über dem EU-Durchschnitt
Spitzenreiter ist abgeschlagen Griechenland mit fast 143% gefolgt von Italien mit 119%. Dahinter liegt Belgien, das nun bei fast 97% angelangt ist und 2011 die gefährliche Marke genauso überschreiten wird wie Irland und wahrscheinlich Portugal (93,0%). Die Berliner Prediger von massiven Sparprogrammen haben inzwischen ebenfalls zur Spitzengruppe aufgeschlossen.
Die Staatsverschuldung in Deutschland ist nun auf 83,2% des BIP angeschwollen. Damit liegt Deutschland gerade noch unter dem Durchschnitt im Euroraum, aber deutlich über dem EU-Durchschnitt (80%) und steht auf der Rangliste der Schuldner direkt hinter dem gerade abgeschmierten Portugal.
Deutschland hat nun Frankreich (81,7%) den Rang abgelaufen und ist ebenfalls höher verschuldet als Ungarn (80,2%), Großbritannien (80,0%), Österreich (72,3%), Malta (68,0%), die Niederlande (62,7%), Zypern (60,8%) und Spanien (60,1%). Am anderen Ende der Skala weist Estland (6,6%) mit Abstand die niedrigste Verschuldungsquote auf. Es folgen Bulgarien (16,2%), Luxemburg (18,4%), Rumänien (30,8%), Slowenien (38,0%), Litauen (38,2%), die Tschechische Republik (38,5%) und Schweden (39,8%).
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Als im letzten Jahr der erste sogenannte "Euro-Rettungsschirm" verabschiedet wurde, klagten mehrere Personen vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen, darunter der renommierte Staatsrechtler Karl-Albrecht Schachtschneider und der als recht unabhängig geltende Abgeordnete Peter Gauweiler. Heute Vormittag verlasen die Karlsruher Richter die Überlegungen, die sie auf die von den Klägern aufgeworfenen Fragen hin angestellt hatten.
Danach sind die bisherigen "Euro-Rettungsschirme" zwar zulässig, dürfen aber nicht zu einer so starken Verschuldung führen, dass ein Parlament keine Handlungsspielräume mehr hat. In der Frage, wann dies genau der Fall ist, lässt das Bundesverfassungsgericht selbst einen nicht näher begrenzten "Einschätzungsspielraum", der von der Politik wahrscheinlich dankbar genutzt wird.
Allerdings ist es dem Bundesverfassungsgericht nach "auch dem Bundestag als Gesetzgeber verwehrt, dauerhafte völkervertragsrechtliche Mechanismen zu etablieren, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen". Ob dies, wie manche Kommentatoren meinen, auch eine Verbot von Eurobonds beinhaltet, lässt sich wahrscheinlich eher nach einer gründlichen rechtswissenschaftlichen Diskussion des heutigen Urteils als auf die Schnelle entscheiden.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Wie lange noch?
Am 26. Oktober 2011 stimmten 503 der 596 Abgeordneten des Deutschen Bundestages für die Bereitstellung eines sogenannten Euro-Rettungsschirmes in Höhe von einer Billion Euro. Fernsehreporter fanden zuvor heraus, dass die Abgeordneten wenig oder nichts über die Materie wussten. Das ist keine Schande. Sie gilt als Expertenthema. Zum Glück leistet sich deshalb der deutsche Staat zehntausende Finanzexperten an den Hochschulen, in der Bundesbank, in den Landesbanken und den Finanzministerien.
Drei Jahre zuvor, am 17. Oktober 2008, war es den Experten bereits einmal gelungen, die Abgeordneten zur Verabschiedung eines sogenannten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes mit einem Verfügungsrahmen von 480 Milliarden Euro zu bewegen. In dessen Paragraph 11/3 fand sich der bemerkenswerte Satz "Ein Haushalts- und Wirtschaftsplan wird nicht aufgestellt". Der Autor dieser Zeilen fand dies und weiteres erwähnenswert und veröffentlichte dazu im März 2009 sein Buch "Der große Raubzug", das in Telepolis in einem Interview von Peter Mühlbauer vorgestellt wurde (Systemische Korruption).
Da ich nicht als Finanzexperte gelte, durfte ich bisher meine Studien nur als sogenannter "Wirtschaftsjournalist" in die Öffentlichkeit bringen. Immerhin gibt es dazu doch einige Stellungnahmen der Politik, etwa von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble , der finanzpolitischen Sprecherin der SPD, Nicolette Kressl, und vom Finanzstaatssekretär Helmut Koschyk, der durch die parlamentarische Anfrage der Linken in der Drucksache 17/4350 der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages der Linken erschreckt wurde, wie denn die Bundesregierung zu der von mir vorgeschlagenen, freiwilligen Tilgung der Staatsschulden stehe (s.a.: An der Tilgungsfront). Selbstverständlich sprachen sich alle geschlossen gegen jede Form der Tilgung von Staatsschulden, freiwillig oder per Gesetz, aus.
Seit der Veröffentlichung des Buches haben sich die deutschen Staatsschulden um weitere 400 Milliarden erhöht. Im Oktober 2011 stellte dazu die sogenannte Gemeinschaftsprognose der Wirtschaftsforschungsinstitute, zu denen auch die Konjunkturforschungsstelle der ETH-Zürich zählt, auf Seite sechs fest: "Die Finanzpolitik der Bundesrepublik sollte ihren Konsolidierungskurs fortsetzen."
In der Schweiz gab die Bundesregierung 2009 eine Garantie von 66 Milliarden Franken zur Rettung der UBS AG ab. Die Devisenreserven der Schweizer Nationalbank in Höhe von 189 Milliarden Franken sind fast völlig in noch immer von drei US-Ratingagenturen mit AAA bewerteten Staatsanleihen der USA, Deutschlands und Frankreichs angelegt.
Damit hängt nun das gesamte staatlich beeinflussbare Finanzkapital von Deutschland und der Schweiz von einer bisher unbeachteten Kapitalart ab: von sogenanntem Sozialkapital. Dieses ist die Summe nichtmaterieller Güter wie Vertrauen, Geschenkkultur, Opferbereitschaft, Solidarität und Hilfsbereitschaft in der Gemeinschaft. Sollten nämlich die Bürger auf die Idee kommen, den Zins und die Tilgung für die Staatsanleihen nicht mehr bezahlen zu wollen, weil sie ihre Steuergelder anders einsetzen möchten, etwa für regenerative Energien, Naturschutz, Bildung, Sozialhilfe, Kinderbetreuung, KMU-Förderung und öffentlichen Nahverkehr, sind die Schuldtitel wertlos.
Dies könnte bedeuten, dass Staatsanleihen neu bewertet werden müssen.
Da der einzig messbare materielle Ausdruck des Sozialkapitals die freiwillig geleisteten Steuern an das Gemeinwesen sind, ist dieses faktisch gepfändet worden.
Zum Glück für die Emittenten und ihre Kunden, die weiter hartnäckig auf die kontinuierliche ("Wir brauchen Rechtssicherheit") Selbstvermehrung von Geld bestehenden Anleger, dürfen weder die Völker der EU noch die Schweizer über solche Themen abstimmen. Es reicht daher, eine parlamentarische Mehrheit für Schuldenermächtigungsgesetze zu bekommen.
Für diese aber sind die Expertenmeinungen ausschlaggebend. Der Staat hört dabei entgegen vieler Vorurteile selten und kaum auf nicht beim Staat angestellte Experten. Wenn also eine börsennotierte Bank, die sich in dem Paradox der Systemrelevanz (bei Verlusten) und des angeblichen Privatbesitzes (bei zu versteuernden Gewinnen und Haircuts) befindet, Einfluss auf den Geldsegen der Steuerkassen nehmen möchte, hält sie sich an die staatlichen Experten.
In Deutschland funktionierte dies bis zum Juli 2011 so: Private Banken, unter ihnen Morgan Stanley, Goldman Sachs und Lehman, finanzierten eine sogenannte Initiative Finanzstandort Deutschland (Das plötzliche Verschwinden der Initiative Finanzstandort Deutschland). Da diese keine Rechtsform hatte, konnten in ihr ohne jede parlamentarische Kontrolle das Bundesfinanzministerium und die Bundesbank Mitglieder sein. Am 11. Dezember 2008 bedankte sich bei einem Treffen der Initiative Josef Ackermann bei Peer Steinbrück für die ausgereichte Bankenhilfe. Steinbrück wiederum forderte die Initiative auf, ein "fokussiertes Modell der Politikberatung" (Zitat) vorzulegen, um die europäische Integration im Finanzsektor zu vollziehen.
Mit der Abstimmung am 26.10.2011 ist dies gelungen. Ab jetzt sind die rund 2 Billionen Euro jährliche Steuern der Bürger in den 17 Euro-Staaten eine zwangsgepfändete Verfügungsmasse für jene angeblichen Marktteilnehmer, die bei Nichtzahlung mit dem Bankrott drohen können.
Hinter ihnen allerdings stehen weniger böse Spekulanten, sondern etwa 100 Millionen Rentner und Pensionäre in den USA, Frankreich, Österreich, Belgien, Holland, Finnland und Deutschland, die glauben, "das System" könne ihnen aus Steuermitteln anstatt 1.000 Euro monatlich 2.000-10.000 Euro monatlich plus Krankenversorgung bezahlen.
Unser Sozialkapital ist nicht weg - es hat jetzt nur ein anderer. Wie lange noch?
Quelle und Links : http://www.heise.de/tp/artikel/35/35778/1.html
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Selbstverständlich sprachen sich alle geschlossen gegen jede Form der Tilgung von Staatsschulden ... aus.
Für mich heißt das, niemand hat die Absicht, die Staatsschulden jemals zurückzuzahlen (zu beginnen).
Bedeutet das nicht eigentlich schon Insolvenz?
Ich meine, wenn unsereiner mit der Absicht an seine Bank herantritt, für seine Schulden keine Tilgung vornehmen zu wollen, dann drohen sofortige Kündigung, Pfändung, Zwangsvollstreckung und so weiter.
Und die Kreditwürdigkeit wäre endgültig perdu.
Es sieht also ganz so aus, als ob auch unser Land längst pleite ist und man nur noch von Insolvenzverschleppung reden kann.
Der einzige Trost ist, dass die großen Gläubiger genau dieselben sind, die uns nach wie vor eine gute Kreditwürdigkeit bescheinigen.
Dafür gibt es allergrößten Grund zur Sorge, dass die gewaltigen reinen Luftbuchungen der Finanz- und Spekulationswelt demnächst mit unserem echtem sauer erarbeitetem oder erspartem Geld bezahlt werden sollen, bzw. mit dem unserer Kinder und Kindeskinder...
So verbleibt am Ende nur noch eine Frage:
Begreift die Politik diesen gigantischen Betrug am Volke nicht oder ist sie daran aktiv beteiligt?
Oder vielleicht noch eine allerletzte:
Was genau würde eigentlich passieren, wenn Deutschland für sich einen 50%igen Schuldenschnitt verlangte?
Jürgen
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Während der erste Warnschuss der Finanzmärkte offenbar keine Wirkung auf Angela Merkel zeigte, dürfte der Käuferstreik wohl andauern – und letztlich auch hier ein Umdenken erzwingen
Es war schon eine Überraschung: Anstatt wie gewohnt als letzter "sicherer Hafen" niedriger Zinsen zahlen zu müssen, wenn andere Eurozonestaaten abstürzen, scheinen die Märkte inzwischen auch von Deutschland die Nase voll zu haben.
Bisher hatte Deutschland durch einen niedrigeren Eurokurs und noch niedrigere Zinsen von jeder Verschärfung der Eurozonenkrise direkt profitiert, während die wohl ebenso solide aufgestellten Länder Finnland, Holland und Österreich schon vor drei Wochen die harte Hand der Märkte zu spüren bekommen hatten, wobei Nobelpreisträger Paul Krugman Österreich daraufhin bescheinigt hatte, eine solidere Haushaltspolitik zu führen als Deutschland.
Allerdings war der Schock offenbar nicht groß genug, um Bundeskanzlerin Angela Merkel den Ernst der Lage vor Augen zu führen. So wurden die zehnjährigen Bundesanleihen trotz Nachfragemangel zu einer Rendite von weniger als zwei Prozent emittiert, was noch immer nur knapp über den absoluten Tiefstständen seit der Euroeinführung liegt. Noch dazu war das nicht abgesetzte Volumen schon mehrmals noch höher, und historisch betrachtet war es viel eher ungewöhnlich, dass in den vergangenen drei Jahren kaum jemals substantielle Anteile der Emissionen von der Bundesbank übernommen werden mussten.
(http://www.heise.de/tp/artikel/35/35948/35948_1.jpg)
Angesichts von zwei Prozent Rendite ist ohnehin rätselhaft, welcher rationale Investor jetzt noch Bundesanleihen kaufen würde. Schließlich ist die Inflationsrate bereits jetzt fast doppelt so hoch und die unklaren monetären Verhältnissen lassen durchaus steigende Inflationsraten befürchten, während die Anleihenpreise angesichts der sehr hohen Kurse viel mehr Raum nach unten als nach oben haben. Wenn substanzorientierte Langfrist-Investoren also Bundesanleihen kaufen sollten, dann also vermutlich nur noch deshalb, weil wenigstens die nominelle Tilgung derzeit noch halbwegs gesichert erscheint.
In einem Deflationsszenario à la Japan, wie es im Zuge einer andauernden Eurozonenkrise durchaus eintreten könnte, würden Bundesanleihen vielleicht ein gutes Investment sein – das allerdings auch nur dann, wenn es nicht zu schlimm kommt und etwa nach einer Pleite Italiens eine generelle Regulierung der europäischen Staatschulden durchgeführt wird, oder wenn auf ein Deflations- ein Hyperinflationsszenario folgt, bei dem die Krise zuerst mit exzessivem Gelddrucken bekämpft wird, auf das dann vielleicht eine drastische Geldentwertung folgt. Allerdings dürfte aktuell niemand die Wahrscheinlichkeiten für denkbare Zukunftsszenarien angeben können - und noch weniger für jene, die heute noch undenkbar erscheinen.
Insofern sind zwei Prozent Langfristzinsen für Deutschland jedenfalls absurd, insbesondere als die Bundesanleihen aus der Sicht internationaler Investoren inzwischen nicht nur Inflations- und Wechselkursrisiken tragen, sondern eben auch Kreditrisiken, die bei Ländern wie Japan, den USA, der Schweiz oder Großbritannien notfalls immerhin noch von der eigenen Notenbank übernommen werden würden.
Merkels Verweigerung erhöht nicht Deutschlands Kreditwürdigkeit
Deutschland hat diese Möglichkeit nicht und folglich gibt es in der Eurozone keinen wirklich risikofreien Schuldner, sieht man ab von den überschüssigen Reserven der Banken bei der EZB, die von Woche zu Woche auf immer neue Rekordstände klettern, obwohl sie nur mit einem schlappen halben Prozent verzinst werden.
Dieses Geld könnten die Banken zwar nach wie vor in Bundesanleihen stecken, ohne ihr Eigenkapital zu belasten, allerdings wird es zusehends schwieriger, dafür gute Gründe zu finden. So kann bei Eurozonestaatsanleihen von Risikofreiheit keinesfalls mehr die Rede sein, weshalb auch die Regulatoren kaum umhin kommen werden, bald auch für Staatsanleihen eine Eigenkapitalunterlegung zu fordern.
Dieses zusätzliche Risiko ist zwar noch lange nicht aktuell, aber auch jetzt dürften Banken mit Bundesanleihen kaum sehr viel verdienen können. Damit das aber ein Geschäft wird, müsste der Spread zwischen den kurzfristigen Refinanzierungszinsen und den Zinsen der Bundesanleihen wohl weiter ansteigen, was beides offenbar gerade der Fall ist. Immerhin notieren die zehnjährigen Bundesanleihen nicht mehr bei den minimalen 1,64 Prozent Jahresrendite vom 24. September, und auch die EZB hat schon am 9. November die Refinanzierungszinsen von 1,5 auf 1,25 Prozent gesenkt und dürfte im Dezember eine weitere Senkung vornehmen.
Bis das aber eine ausreichende Kompensation für die derzeit unabsehbaren Risiken sein wird, dürfte noch eine erhebliche Spread-Ausweitung nötig sein, insbesondere da Angela Merkel auch nach diesem ersten Warnschuss der Märkte weiter darauf beharrt, weder Eurobonds noch eine stärkere Rolle der EZB zuzulassen.
Wie die Reaktion der Märkte zeigte – sofort nach der Meldung, dass Merkel Eurobonds wie EZB-Käufe weiterhin strikt ablehne, brache Aktien- und Eurozonen-Staatsanleihekurse weltweit kräftig ein -, steigert Merkels Verweigerungshaltung aber auch Deutschlands Kreditwürdigkeit nicht. Das ist auch verständlich, denn ohne massive Eingriffe scheint die Lage nicht mehr unter Kontrolle zu bringen zu sein, und wenn tatsächlich ein großes Land wie Spanien oder Italien tatsächlich straucheln sollten, dann würden in der darauffolgenden Finanzkrise die Karten wohl ohnehin völlig neu gemischt.
Viel weniger klar ist, warum durch die Eurobonds eigentlich die Zinsen Deutschlands ansteigen müssen. So wird Deutschland sicher nicht gezwungen werden, den eigenen Finanzierungsbedarf über Eurobonds zu decken, sondern wird weiterhin eigene Papiere emittieren. Die Garantien, die Deutschland für die Eurobonds würde leisten müssen, werden zwar sicherlich auch die Markteinschätzung der Bundesemissionen beeinflussen, genau so werden aber wohl auch weiterhin die individuelle Budgetpolitik, die Exportkonjunktur usw. die Zinsen beeinflussen, die Deutschland abverlangt werden.
Immerhin bestehen erhebliche Zinsdifferenzen zwischen Bundesanleihen und den Anleihen europäischer Institutionen wie der Europäische Investitionsbank (EIB), die laut ihrem letzten Jahresbericht immerhin 334 Milliarden Euro an verbrieften Wertpapieren begeben hat. Organisiert ist die EIB als Aktiengesellschaft, deren Kapital von den einzelnen EU-Staaten gezeichnet wurde, allerdings wurde von den 232,4 Milliarden Euro an insgesamt gezeichnetem Kapital 220,7 Mrd. noch nicht abgerufen. Sollte es dort also zu Problemen kommen, müsste Deutschland zumindest seine Kapitalzusage überweisen, so dass hier letztendlich längst Bonds in Umlauf sind, die von den Eurozonestaaten im Rahmen ihrer Kapitalzusagen gemeinsam garantiert werden.
Diese Papiere wurden lange mit Zinsaufschlägen von kaum zehn Basispunkten (100 BP = 1 Prozentpunkt) gegenüber Bundesanleihen gehandelt, was sich erst änderte, als im November Gerüchte auftauchten, die EU wolle die EIB verstärkt zur Finanzierung der Krisenländer heranziehen. Daraufhin schossen die Umlaufrenditen um rund einen halben Prozentpunkt nach oben und übertrafen sogar den bisherigen Rekord-Spread gegenüber den Bundesanleihen während der Lehman-Pleite von 2009. Das war allerdings vor der gescheiterten Bundesanleihenemission, die für die anderen Eurozonestaaten immerhin einen Vorteil hatte. Denn weil die (ohnehin durchweg extrem niedrigen) Kurse der anderen Eurozoneanleihen weitgehend stabil blieben, während die Bundesanleihen einbrachen, reduzierten sich für Länder wie Österreich, Finnland und auch Frankreich wenigstens vorübergehend die an den Märkten als ultimatives Risikomaß geltenden Risikoaufschläge gegenüber den Bundesanleihen – was allerdings ein schwacher Trost gewesen sein dürfte.
Quelle : http://www.heise.de/tp/
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Der G20-Gipfel angesichts der Griechenland-Wahl und des Absturzes des viertgrößten Eurolands Spanien
Am Montag werden sich die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Schwellen- und Entwicklungsländer (G20) in Mexiko treffen. Erneut wird dieser Gipfel unter dem Schatten von den Entwicklungen in Griechenland stehen. Doch mit dem lange absehbaren Absturz Spaniens ist mit dem viertgrößten Euroland ein Schwergewicht hinzugekommen. Ein Domino-Effekt, ausgelöst durch Griechenland, dürfte Spanien zu Fall bringen und könnte Italien mitreißen, was auch ungeahnte Folgen für die Weltwirtschaft hätte.
Seit nahezu drei Jahren entwickelt sich die Euro-Krise weiter und hat sich von Griechenland über Irland und Portugal inzwischen schon bis nach Spanien durchgefressen. Schaut man sich die Medienlandschaft der letzten Wochen an, dann scheint es so, als würden die Griechen bei den Wahlen am Sonntag (Euro und Chaos, Drachme und Chaos oder endlich eine Lösung?) über die Zukunft des Euro oder Europas entscheiden. Allseits wird versucht, Druck auf das Land auszuüben, um das Wahlergebnis entsprechend so zu beeinflussen. Es sollen die Parteien erneut gewählt werden, die im Mai für ihren Kurs gnadenlos abgestraft wurden.
Dem Land wird ganz offen mit einem Rauswurf aus dem Euro gedroht, wenn sie erneut in einer souveränen Entscheidung die Parteien wählen, die den "verrückten Sparkurs" ablehnen. Offen hat die Spaltung Europas der französische Finanzminister angedroht, wobei ausgerechnet seine Sozialisten (PS) die Wahlen im eigenen Land gewonnen, weil sie zu Hause die allein auf Austerität ausgerichtete Politik ablehnen.
Dabei ist ohnehin allen klar, dass ein Rauswurf nicht möglich ist. Griechenland müsste nach den geltenden Verträgen gleichzeitig sogar aus der EU austreten. Warum sollte das Land das tun? So hat die linke Syriza-Partei, die bisher als Wahlsieger gehandelt wird, von einer "politischen und medialen Erpressung" gesprochen und stets betont, in der Gemeinschaft bleiben und den Euro behalten zu wollen. Allerdings will sie vom strikten Sparkurs abweichen und über bisherige Vereinbarungen neu verhandeln.
Unverständlich ist das nicht, denn der Sparkurs hat das Land von der tiefen Rezession längst in die Depression gedrückt. Nachdem die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal 2011 im Jahresvergleich um 7% geschrumpft war, ging sie im ersten Quartal 2012 mit 6,5% noch stärker als ohnehin erwartet zurück. Das Land hat schon vier Rezessionsjahre hinter sich, in denen die Wirtschaftsleistung um etwa 20% geschrumpft ist. Die Arbeitslosigkeit ist derweil auf etwa 23 Prozent angestiegen und weit über 50% der jungen Menschen sind ohne Job.
Zwar wurde das Haushaltsdefizit um 6,5 Prozentpunkte gedrückt, aber das hat den zweifelhaften Effekt, dass die Verschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung von 145% Ende 2010 auf 165,3% Ende 2011 explodiert ist. Mit diesem Kurs wird also aller Wahrscheinlichkeit nach auch das mit dem Schuldenschnitt angestrebte Ziel verfehlt werden, 2020 die Verschuldung auf 120% zu senken. Zu erinnern sei zudem daran, dass selbst beim Erreichen des Ziels praktisch nichts gewonnen wäre. Das wäre der Schuldenstand, der für das Griechenland zu hoch war, als das Land vor gut zwei Jahren Nothilfe beantragt hat.
Vorbereitung auf die Panik
Obwohl ein Austritt aus dem Euro wenig wahrscheinlich ist, bereitet man sich auf ein entsprechendes Chaos nach den Wahlen am Sonntag vor, falls die geballte Propaganda die Wirkung auf die Wähler verfehlt und Syriza wie prognostiziert die Wahlen gewinnt. Man bereitet sich also auf eine gewisse Panik vor, die man erst mit der Rauswurf-Debatte geschürt hat. In Griechenland hat sie schon Wirkung entfaltet. Der "Bank run", der schon im Mai eingesetzt hat, führte in den Tagen vor den Wahlen dazu, dass die Griechen täglich bis zu eine halben Milliarde Euro an Euro-Bargeld abgehoben haben (Griechenland: Ratlose Panik macht sich breit). Vermögende Griechen haben ohnehin ihr Geld längst in Sicherheit gebracht, wie die Kapitalflucht der letzten Jahre zeigte.
Erwartet wird nun, dass ein Bank run nach einem Wahlsieg von Syriza sehr bedrohliche Ausmaße annimmt. So wird allseits von Vorbereitungen auf dieses Szenario berichtet. Abhebungen an Schaltern oder Geldautomaten sollen zumindest in Griechenland beschränkt werden und die Banken könnten sogar zeitweise ganz geschlossen bleiben. Auch über die Aussetzung des Schengen-Abkommens sei debattiert worden, um in einem Ernstfall die Grenzkontrollen zwischen den europäischen Staaten wieder aufzunehmen.
"Selbstverständlich ist es so, dass wir uns auf alle Szenarien einstellen müssen, weil wir sonst unserer Aufgabe nicht gerecht würden", hatte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker erklärt. Olivier Bailly, Sprecher von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gab zu, die Kommission sei damit beauftragt worden, die Vereinbarkeit verschiedener Szenarien mit dem EU-Recht zu prüfen. Im Vertrag von Lissabon sind Kapitalverkehrskontrollen nur für den Fall erlaubt, dass die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit bedroht sind.
Bailly sprach zwar auch davon, dass die Abschottung der Grenzen aus "ökonomischen Gründen nicht zugelassen" sei, doch das sagt nichts. Man muss sich nur anschauen, unter welchen fadenscheinigen Begründungen immer wieder der Schengen-Vertrag ausgesetzt wird. Zum Beispiel im Mai, als der Europäische Zentralbankrat in Spanien tagte. Grenzkontrollen wurden im Vorfeld wieder eingeführt, obwohl nicht einmal zu einer Demonstration gegen das Banker-Treffen in Barcelona aufgerufen worden war (Die EZB hat ihr Pulver verschossen und ist ratlos).
Furcht vor dem Domino-Effekt
Die Frage ist, ob die Szenarien, eine Parallelwährung für Griechenland einzuführen, real sind oder ebenfalls nur dazu dienen, Druck auf die Hellenen vor den Wahlen zu machen. Die Ökonomie-Professorin Miren Etxezarreta zweifelt daran, dass Griechenland aus dem Euro austreten wird. Auch Costas Isychos, der Verantwortliche von Syriza für die internationalen Beziehungen, hat gewichtige Argumente dafür, dass es sich nur um eine Drohkulisse handelt.
Mit einem ausgezeichneten Spanisch erklärte er in spanischen Medien: "Weder die Weltwirtschaft und noch weniger die Wirtschaft Europas sind darauf vorbereitet, einen Austritt Griechenlands aus dem Euro verkraften zu können." Das habe weniger mit den direkten ökonomischen Auswirkungen im Land und in Europa zu tun, sondern mit dem "Dominoeffekt" auf Länder wie Portugal oder Spanien, der sich auf die Märkte in den USA, Russland und China ausbreiten werde. Er verweist darauf, dass sich die Notenbankpräsidenten etlicher Länder schon deutlich gegen einen Austritt Griechenlands ausgesprochen hätten.
"Die Frage ist, ob der Euro und die Eurozone den Brand überleben können, der in Griechenland begonnen und sich derweil sogar schon auf Spanien, Irland und Portugal ausgebreitet hat", meint Isychos. Allein steht er damit nicht. Auch Wirtschaftsblätter wie die Financial Times Deutschland (FTD) sprechen von der Furcht vor dem "Lehman-Moment". Erinnert wird an den Beginn der Finanzkrise, als der Zusammenbruch einer US-Investmentbank enorme Schockwellen über die ganze Welt schickte (Finanzkrise bedroht das weltweite Finanzsystem).
Die Auswirkungen sind noch heute deutlich spürbar. Damals begann man auch in Europa damit, mit vielen Milliarden Banken zu retten. Die Vorgänge in Irland, Portugal und zuletzt Spanien zeigen, wie aktuell die Krise ist. Das lässt erahnen, welche Auswirkung es weltweit haben dürfte, wenn statt einer Bank eine gesamte Volkswirtschaft unkontrolliert abschmiert.
Um die Furcht davor etwas zu mildern, ließ man längst durchsickern, dass die wichtigsten Notenbanken weltweit sich schon auf eine koordinierte Aktion zur Stabilisierung der globalen Finanzmärkte vorbereiteten. Da man es zugelassen oder sogar befördert hat, dass sich der Schwelbrand über Griechenland nun sogar ins viertgrößte Euroland durchgefressen konnte, sind die Folgen der Ausweitung zu einem großen Flächenbrand aber damit wohl kaum beherrschbar. Schon in der Zeit nach der Lehman-Pleite hatte sich gezeigt, wie auch weltweit konzertierte Aktionen der Notenbanken fast wirkungslos verpuffen.
Der G20-Gipfel und die Euro-Dämmerung
Unter diesen Vorzeichen steht der G20-Gipfel in Mexiko am Montag. So muss man sich dort mit der Tatsache befassen, dass inzwischen auch Spanien in einer sehr gefährlichen Situation steckt. Wäre ein begrenzter Absturz Griechenland eigentlich beherrschbar, ist er wegen Spanien zu einer Gefahr für die Weltwirtschaft geworden. Deshalb haben sich die sieben wichtigsten Industrieländer schon damit befasst, dass längst auch auf der Iberischen Halbinsel ein gefährlicher Bank run eingesetzt hat.
Ohnehin ist allen klar, dass eine Verschlimmerung der Lage in Spanien wiederum das große Italien in den Abgrund ziehen dürfte. Spätestens mit dem Absturz des drittgrößten Eurolands und seiner enormen Verschuldung von zwei Billionen Euro würde die Lage unbeherrschbar. Mit Italien wird es gefährlich für den Euro, denn alle Rettungsfonds versagen an der Größe und der Verschuldung des Landes.
So ist es eigentlich auch nicht verwunderlich, wenn die Notmaßnahmen wie Kapitalverkehrskontrollen und Einführung der Grenzkontrollen längst nicht nur auf Griechenland beschränkt debattiert werden. Zeichnet sich hier also das Szenario ab, das Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman vorhergesagt hat? Der hatte vor einem Monat von der "Eurodämmerung" gesprochen. Im Rahmen einer Griechenland-Krise käme es zu einer massiven Kapitalflucht aus Spanien und Italien, weil Einleger ihr Geld nach Deutschland verschieben würden. Er rechnete deshalb damit, dass es auch in diesen Ländern zum Verbot kommen dürfte, Geld ins Ausland zu überweisen. Auch Bargeldauszahlungen würden stark eingeschränkt werden, wie es nun schon angedacht ist. Um den Euro zu retten, müsste Deutschland bereit sein, für die Schulden von Spanien und Italien zu garantieren.
Angesichts weitreichender Entscheidungen, die beim G20-Gipfel in Mexiko fallen könnten, ist es kein Zufall, dass Bundeskanzlerin Merkel ihren Abflug um 12 Stunden verschoben hat. Sie will sich angesichts der Entwicklungen in Griechenland noch in der Regierung vor dem Gipfel und mit europäischen Partnern abstimmen können. Neben dem bekannten Rufen nach Wachstumsförderung werden Angela Merkel in Los Cabos, egal wie die Griechenland-Wahlen ausgehen, auch die Forderungen nach Eurobonds entgegen schallen, um die Zinslast für Länder wie Italien noch erträglich zu halten. Bisher weigert sich Merkel hartnäckig, doch wäre es nicht das erste Mal, dass sie angesichts einer akuten Krisensituation bisherige Positionen über Bord wirft.
Dass der Euro wegen Griechenland in Gefahr gerät, ist ohnehin eine falsche Debatte. Stets war klar, dass Italien eine Zeitbombe für die Gemeinschaftswährung darstellt und auch für dieses Land wird die Lage nun bedrohlich. Mit den Renditen für spanische Anleihen sind auch die Zinsen für italienische Papiere in den letzten Wochen weiter gestiegen. Die Banken-Rettung in Spanien hat Rom ebenfalls keine Verschnaufpause verschafft. In der vergangenen Woche musste Rom schon für dreijährige Anleihen eine durchschnittliche Rendite von 5,3% bieten. Die Zinsen liegen also für diese Papiere schon über dem Satz von 5%, die der Chef der italienischen Notenbank im vergangenen Jahr als noch erträgliche Zinsen für zehnjährige Anleihen nannte. Ignazio Visco weißt um die Gefahren, die sich für Italien aus der hohen Verschuldung von mehr als 120% der jährlichen Wirtschaftsleistung ergeben.
Das Land ist deshalb noch anfälliger als Spanien, dessen Verschuldung Ende 2011 mit 735 Milliarden Euro nur knapp 70 Prozent der Wirtschaftsleistung ausgemacht hat. Da die Verschuldung trotz der Sparprogramme weiter schnell zunimmt und dazu neue 100 Milliarden Euro für die Bankenrettung kommen, dringt aber auch das von der Rezession geplagte Spanien nun bei der Verschuldung in die gefährliche Spitzengruppe vor. Die Zeit, die mit immer neuen Rettungsmaßnahmen immer teurer erkauft wird, läuft ab, egal wie Griechenland am Wochenende wählt.
Quelle : http://www.heise.de/tp/