Bundesdatenschutzbeauftragter befürchtet Einknicken des Gesetzgebers vor der Werbelobby
Die Vorlage seines turnusmäßigen Tätigkeitsberichtes nutzte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Peter Schaar, zu einem Appell an das Parlament, wenigstens die angesichts der zahlreichen Datenschutzskandale der letzten Monate auf den Weg gebrachten Gesetzgebungsvorhaben möglichst zügig zu einem Abschluß zu bringen. Sie sollen mehr Transparenz in die Tätigkeit von Auskunfteien und Beschränkungen des Handels mit personenbezogenen Daten bringen.
Sollte das bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr gelingen, befürchtet er negative Auswirkungen "im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit demokratisch organisierter Politik". Die Bürger erwarteten zu Recht, "dass es nicht bei Ankündigungen bleibt, sondern dass der Datenschutz tatsächlich verbessert wird". Das Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften hatte die Bundesregierung Mitte Dezember auf den Weg gebracht. Doch inzwischen hätten sich "die Lobbyisten der Werbewirtschaft, des Adresshandels, aber auch die Profiteure des illegalen Datenhandels massiv eingeschaltet", erklärte Schaar in Berlin. Er befürchte nun, "dass der Gesetzentwurf scheitert".
Die seit mehr als einem Jahrzehnt verschleppte Runderneuerung des Datenschutzrechts könnten die jüngsten Initiativen ohnehin nicht ersetzen. So wichtig die angestrebten Verbesserungen im Detail seien, dürften sie "nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Modernisierung des Datenschutzrechts in seiner Struktur und und in seinen grundlegenden Regelungsmechanismen heute dringender ist denn je", mahnt der Bundesdatenschutzbeauftragte in seinem 22. Tätigkeitsbericht. Die Diskrepanz zwischen der Situation der siebziger Jahre, auf die das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) seinerzeit zugeschnitten wurde, und der rasanten Entwicklung der Informationstechnik werde immer größer.
Beim Eintritt in das Zeitalter des Ubiquitous Computing erwiesen sich hergebrachte Rechtsbegriffe wie "verantwortliche Stelle", "Auftragnehmer" oder "personenbezogene Daten" genauso diskussionsbedürftig wie die dem Datenschutzrecht zugrundeliegenden Prinzipien und Konzepte. Erfolgreiche Regelungsansätze wie die aus dem US-amerikanischem Raum stammende Verpflichtung zur Information über Datenschutzverstöße sollten aufgegriffen werden.
Zwar habe die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder Anfang 2008 die Notwendigkeit zur grundlegenden Revision des BDSG noch einmal bekräftigt, "dennoch sind auch im Berichtszeitraum keine wesentlichen Schritte in diese Richtung eingeleitet worden", zieht Schaar Bilanz. Zudem seien die Datenschutzaufsichtsbehörden gemessen an ihren stetig wachsenden Aufgaben "hoffnungslos unterbesetzt" und hätten kaum rechtliche Möglichkeiten, illegale Datenverarbeitungen zu unterbinden und festgestellte Verstöße wirksam zu sanktionieren.
Bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichtes erneuerte Schaar seine Forderung, die zahlreichen Grundrechtseinschränkungen durch die Antiterror-Gesetzgebung der Vergangenheit einer unabhängigen Evaluierung zu unterziehen. Hinsichtlich der bevorstehenden Volkszählung 2011, die in einem neuen Verfahren erstmals aus einer Kombination von Registerzusammenführungen und Befragungen bestehen wird, zeigte sich Schaar "mit einer Ausnahme" zufrieden, nachdem er im Gesetzgebungsverfahren erreichen konnte, dass die adressscharfe Zuordnung der Zensusdaten mit Hilfe der im Anschriften- und Gebäuderegister enthaltenen kleinräumigen geografischen Koordinaten unterbleibt. Datenschutzrechtlich problematisch bleibe jedoch weiterhin die vorgesehene Datenerhebung in sogenannten "sensiblen Sonderbereichen" wie zum Beispiel in Krankenhäusern und in Haftanstalten, wo anders als bei der Volkszählung von 1987 die Daten personenbezogen erfasst werden sollen - und dies, "obwohl das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil empfohlen hatte, in Bereichen, in denen die Gefahr einer sozialen Abstempelung besteht, die Erhebung möglichst in anonymisierter Form durchzuführen".
Quelle : www.heise.de
Bundesdatenschutzgesetzes wird morgen beschlossen
Die zweite Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes wird am 3. Juli 2009 im Bundestag verabschiedet. Der entschärfte Entwurf ist eine Reaktion auf eine Serie von Datenschutzskandalen, doch Daten- und Verbraucherschützer sowie Werbewirtschaft und Zeitschriftenverleger lehnen die Vorlage ab. Aus unterschiedlichen Gründen.Die Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zum Datenhandel und Datenschutzaudit wird am 3. Juli 2009 im Bundestag mit Regierungsmehrheit verabschiedet werden. Mit dem seit Jahren geplanten Gesetzeswerk war die Große Koalition angetreten, um den illegalen Datenhandel zu bekämpfen. Zahlreiche schwere Vergehen von Unternehmen sorgten 2008 für entsprechenden öffentlichen Druck.
Nach der geplanten Neuregelung sollen Werbezusendungen grundsätzlich von der vorherigen Einwilligung des Angeschriebenen abhängen. Verbesserungen beim Arbeitnehmerdatenschutz, striktere Anforderungen an die Datensicherheit und mehr Präventionsmöglichkeiten für die Datenschutzaufsicht gehören ebenfalls zu dem Paket.
Ausnahmsweise sollen jedoch Werbebriefe bis zum Widerspruch des Angeschriebenen immer dann zulässig bleiben, wenn aus dem Brief die Quelle der Adresserhebung eindeutig hervorgeht. Weiter darf Eigenwerbung mit Kundendaten betrieben werden, die durch frühere Vertragsbeziehung in Unternehmensbesitz gelangten. Das Listenprivileg erlaubt Unternehmen bislang, ohne Einwilligung der Betroffenen auf listenmäßig erfasste personenbezogene Daten zu Name, Beruf, Adresse und Alter für die Werbung zuzugreifen, diese anzureichern und weiterzuverkaufen.
Verbraucherschützer beklagen Streichung von Opt-in
Für die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) ist der Kompromiss nicht akzeptabel. "Die Verbraucher wurden von der großen Koalition verschaukelt", so Vorstand Gerd Billen. Er bezeichnete die Novelle als herbe Niederlage. Gestrichen aus dem Entwurf wurde die Einwilligungslösung (Opt-in), nach der der Verbraucher aktiv zustimmen muss, bevor seine Daten weiterverkauft werden dürfen. Das versprochene Verbot der Datenweitergabe ohne Einwilligung und ein Verbot der untergeschobenen und erzwungenen Einwilligungen sei darin nicht mehr enthalten. In beiden Punkten sei die Politik zurückgerudert. Auch wurde die Forderung nicht aufgegriffen, die Verbraucherorganisationen mit dem Recht auszustatten, gegen Datenschutzverstöße mit einem Verbandsklagerecht effektiv vorzugehen. Stattdessen habe man sich dem Lobbydruck aus Versandhandel, Direktmarketing- und Verlagsbranche gebeugt, so Billen.
Für Jan Korte vom Parteivorstand Der Linken sind deshalb die nächsten Datenschutzskandale schon vorprogrammiert. "Der monatelange massive Druck der Lobbyverbände kippte sowohl die Abschaffung des Listenprivilegs beim Datenhandel, als auch ein generelles Koppelungsverbot aus dem Koalitionskompromiss", beklagte Korte. Alle ursprünglich getroffenen einigermaßen festen Regelungen seien in einem Meer von Ausnahmen versenkt worden.
Verleger befürchten wirtschaftliche Nachteile
Der Verband deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) kritisiert die Novelle von der anderen Seite. Der VDZ erkenne zwar an, dass sich Parlamentarier beider Regierungsparteien bemüht hätten, den ersten, "äußerst wirtschafts- und pressefeindlichen Regierungsentwurf abzumildern", erklärte ein Vertreter. Mit dem vereinbarten Kompromiss sei die Gewinnung einer ausreichenden Zahl potenzieller Neu-Leser aber fraglich. Die erzwungene Klarnamenkennzeichnung des Adresslieferanten könne nämlich dazu führen, dass die verfügbaren Adressen ganz erheblich zurückgingen.
Der Bundesverband des Deutschen Versandhandels kritisiert, dass das neue Gesetz eine deutliche Mehrbelastung der Wirtschaft bedeute, und das, obwohl es mehr als fraglich sei, ob das Ziel - mehr Schutz vor Datenmissbrauch - erreicht werden könne.
Quelle : www.golem.de (http://www.golem.de)