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gamescom: Spieler, zur Sonne, zur Freiheit - Kultur der Videospiele

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SiLæncer:
Vom übervölkerten Utopia der Videospiele
Mit Pixelklumpen und düsteren Labyrinthen begann die Geschichte der elektronischen Spiele. Heute liegen hinter dem Bildschirm blühende Landschaften. Doch knapp 40 Jahre nach dem Urknall stößt das digitale Universum an seine Grenzen.


Anders als das Wunderland hinter dem Spiegel ist die Kunstwelt hinter dem Bildschirm bewohnbar: Das ist vielleicht die wichtigste Lehre, die man aus der Geschichte der Computer- und Videospiele ziehen kann. In den letzten Jahren hat es jedenfalls eine wahre Völkerwanderung in die digitalen Paradiese gegeben, und die Migranten kommen aus allen Milieus.

Noch vor wenigen Jahren waren die Spiele ein Feld für Einzeltäter, die sich nächtelang an den Kabelsalat ihrer Konsolen andockten. Doch irgendwann vor zwei, drei Jahren fiel das Signal für den Massenaufbruch. Zuerst saugten Online-Spiele wie „World of Warcraft“ ganze Heerscharen von Büroangestellten auf, die dort nach Feierabend ihre Zweitkarrieren als Magier oder Blutelfen betrieben. Dann bahnten sich ganze Sippen – samt Kleinkindern und Greisen – mit dem weißen Plastikstab der Wii in der Hand ihren Weg in die bunten Monitorwelten. Und zuletzt erschuf das Autoknackerspiel „GTA IV“ eine künstliche Metropole, die schon in der ersten Woche nach dem Erscheinen sechs Millionen Gamer dazu verlockte, sich in ihren Straßenschluchten zu verlieren. In den Spielkonsolen und Bürorechnern sind ganze Kontinente herangereift, hier ist Neuland entstanden, das vom rapide wachsenden Volk der Gamer geradezu überrannt wird.

… und es machte Pong

Man muss sich die Anfänge der Geschichte der Computerspiele in Erinnerung rufen, um die atemberaubenden Dimensionen dieser neuen Welt zu begreifen. In „Pong“, das 1972 von Atari veröffentlicht wurde und dessen erste Vorform aus dem Jahr 1958 stammt, flog noch ein weißer Punkt über den Bildschirm und titschte zwischen zwei beweglichen Linien am Bildrand hin und her, die von jeweils einem Spieler gesteuert wurden und als Schläger dienten. In der zweidimensionalen Frühphase der Videospiele war die Begrenzung der Spielewelt identisch mit der des Monitors. Denn mehr als einen Bildschirminhalt konnten die damaligen Speicherchips nicht fassen.

Der Arbeitsspeicher des legendären Commodore 64 war 1982, wie der Name schon sagt, eben bloß 64 Kilobyte groß – während die jüngste Spielkonsole, die 25 Jahre später erschienene Playstation 3, einen Arbeitsspeicher von 256 Megabyte besitzt, also die Speichermenge von 4096 C64-Rechnern. Bei frühen Spielen wie „Donkey Kong“ war deshalb jedes Level auf genau einem Bildschirm untergebracht – und jedes neue Spielkapitel sah dem alten verteufelt ähnlich. Man konnte den engen Grenzen des Bildschirms also gar nicht entkommen.

Nichts bringt die Ausweglosigkeit der urtümlichen Ersatzwelten besser zum Ausdruck als die Tatsache, dass Computerspiele lange Zeit hauptsächlich in Korridoren spielten. Die Urform aller Korridorspiele war „Pac-Man“, ein zweidimensionales Telespiel, bei dem der Spieler ein gefräßiges Kugelwesen durch ein kleines Labyrinth lenkte, wobei es darum ging, möglichst viele Punkte zu verzehren und selbst nicht von den in den Gängen spukenden Geistern verspeist zu werden.

Fluchtpunkt

Der Korridor ist der Inbegriff einer Welt, in der es keine Willensfreiheit gibt, sondern nur die Wahl zwischen zwei Impulsen: Flucht und Angriff. Wer im Labyrinth von „Pac-Man“ auf der Stelle verharrte, um an einer Kreuzung über die Wahl des Wegs zu meditieren, vielleicht aber auch nur, um eine neue Packung Schokochips aufzumachen – der war eine sichere Beute von Inky, Blinky, Pinky und Clyde.

Auch in den ersten dreidimensionalen Spielen blieb der Korridor die wichtigste architektonische Grundform. Das liegt sicher daran, dass Korridore leicht zu programmieren sind: Sie bestehen lediglich aus vier Linien, die in einem gedachten Fluchtpunkt zusammenlaufen. Außerdem schränkt ihre Tunnelform die Bewegungsfreiheit ziemlich weit ein, und sie lassen das sture Geradeauslaufen als natürliches Verhalten erscheinen. In den Tiefen der Korridore, besonders in toten Winkeln und im Rücken des Spielers, lauern meist namenlose Gefahren, die die Alarmzentren des Gehirns beschäftigen – sodass die Vorstellung, eine Außenwelt zu durchstreifen und sich an ihrer Fülle zu erfreuen, abwegig erscheint. Korridore führen auf Korridore, die wiederum in anderen Korridoren münden.

Pac-Man (1980): In den Korridoren der Labyrinthe gab es nur vor oder zurück, Angriff oder Flucht.
Das Universum der Korridorspiele war labyrinthisch und düster – ein einziger Kerker, in dem es keine Erlösung gab. Selbst der Tod zwang den Spieler nur dazu, in ewigen Reinkarnationsschleifen immer dieselben Gänge entlangzulaufen und dort immer denselben erbärmlichen Kreaturen zu begegnen.

Doom (1993): Kultur reift meistens nicht im prallen Sonnenschein heran, sondern in düsteren Kellergewölben.
Dunkle Brutstätten

Damit keine Zweifel aufkommen: Es gibt brillante Korridorspiele, vom Klassiker „Doom“ bis hin zum jüngeren Ego-Shooter „F.E.A.R.“. Trotzdem wirft gerade dieses Genre immer wieder die Frage auf, warum ganze Heerscharen junger und oft hochbegabter Männer ihre besten Jahre damit verschwenden, in unterirdischen Minen und havarierten Raumschiffen gegen Ausgeburten der Hölle zu kämpfen – und das auch noch in abgedunkelten Zimmern.

Als Antwort könnte man auf eine ganze Reihe klassischer Orte verweisen, die den Höhlen der Gamer ähnelten. Die Kulturgeschichte hält jede Menge solcher Schmuddelecken bereit, auch wenn dort keine Kabel auf dem Boden herumlagen. Zum Beispiel die Schreibstuben, in denen sich die Mönche des Mittelalters beim Schein schwacher Kerzen ihre Augen verdarben. Oder die Gelehrtenzimmer, in denen der Staub auf den Büchern das Einzige war, was von Zeit zu Zeit aufgewirbelt wurde. Kultur reift eben meistens nicht im prallen Sonnenschein heran, sondern in ungesunden Bibliotheken, Büros, Labors oder schrammeligen Untergrund-Clubs. Die Brutstätten des Neuen sahen immer schon lebensfeindlich aus – und das gilt eben auch für die elektronischen Spielhöhlen.

Trotzdem verkörperten die lichtfernen, tunnelförmigen Computerwelten der frühen Jahre all das, wovor uns unser Instinkt immer gewarnt hat. Und so war es fast unmöglich, kein schlechtes Gewissen zu haben nach einem an der Atari-2600-Konsole verdaddelten Sommerabend.

Aber dieses Höhlengemälde, das nicht nur von Feinden der Spielkultur gerne an die Wand gemalt wird, stimmt heute nicht mehr. Es ist etwas Neues herangewachsen in den Dunkelkammern, in denen die Freaks und die Nerds mit ihren künstlichen Welten experimentierten. Unbemerkt sind die elektronischen Universen expandiert. Die jämmerlichen Pixelklumpen, die sich über die grünen Monitore der Computersteinzeit bewegten, vergrößerten sich durch Zellteilung. Übervölkerte Städte und ganze Erdteile sind in den verbesserten Rechnern der letzten Jahre gereift – und die Grenzen der digitalen Paradiese rückten immer weiter nach außen, als wollten sie irgendwann ganz mit dem Horizont verschmelzen.

Ausweitung der Kampfzone

Natürlich sind die Grenzen elektronischer Welten immer durch das Volumen des Speichermediums festgelegt, und das bleibt immer endlich. Doch diese Form der Endlichkeit gilt auch für die Lebenswelt, in der wir uns tagtäglich bewegen – und unsere Erde kann im Gegensatz zu elektronischen Datenträgern nicht weiter wachsen. Das analoge Universum scheint im Zeitalter der großen Krisen sogar gealtert, verbraucht und geschrumpft – fast wie ein altes Telespiel, das ein paar Mal zu oft durchgespielt wurde. Die künstlichen Paradiese dagegen haben ihre Grenzen schleichend nach außen verschoben – ganz wie die Wüsten, die das Gesicht der Erde durch allmähliche Ausdehnung verändern. Nur sind die elektronischen Welten längst keine lebensfernen Einöden mehr, sondern blühende Landschaften.

Elektronische Spiele zielten nach ihren abstrakten Anfängen, als die ersten Charaktere noch wie blasse Einzeller über grünschwarze Monitore krochen, schon sehr bald auf eine möglichst detailreiche Nachbildung der sichtbaren Welt ab. Seither wird mit jeder neuen Spielegeneration ein neuer Grad an Realismus ausgerufen, der die überwundene Stufe als minderwertige Ausschussware erscheinen lässt – was allerdings nach der nächsten Markteinführung neuer Grafikkarten auch für die noch zuletzt für ihre ultimative Optik gepriesenen Titel gilt. Spiele, die einst als Grafikwunder galten, wirken schon ein paar Jahre später wie zweifelhafte Machwerke. Plötzlich fallen die geometrischen Kanten auf, die auf das unter den Texturen verborgene Baugerüst schließen lassen. Und Maueroberflächen, deren raue Textur man beim ersten Betrachten noch mit dem Finger ertasten zu können glaubte, sehen auf einmal wie aufgeklebte Fototapeten aus.

Neuer Naturalismus

Tatsächlich ist Realismus, wie man weiß, eine extrem zeitgebundene Kategorie. Was einmal als getreues Wirklichkeitsabbild durchging, erscheint nach wenigen Jahren nicht selten lächerlich: Realismus ist ein höchst flüchtiger Effekt, der an der vordersten Front der Unterhaltungsindustrie mit höchstem Aufwand immer neu hergestellt werden muss, da er sich nie länger hält als ein paar Jahre.

Das Streben der Spielentwickler nach dem ultimativen Realismus kann also niemals sein Ziel erreichen. Doch obwohl sich jedes neue Level im elektronischen Naturalismus mit der Zeit abnutzt und obwohl die Next-Gen-Spiele von morgen die Retroklassiker von übermorgen sind, haben die Computerspiele in den letzten zwanzig Jahren – was das Visuelle angeht – eine erstaunliche Evolution vollzogen. Den Beginn des hyperrealistischen Wettlaufs markierte die Erfindung der 3D-Animation in den frühen achtziger Jahren, in ihrer einschneidenden Wirkung durchaus vergleichbar mit der Einführung der Zentralperspektive in der Renaissancemalerei. Denn im Vergleich zu den dreidimensionalen Welten waren die zweidimensionalen Spiele der Frühzeit in einer geradezu mittelalterlichen Ästhetik befangen: Kleine Pixelmännchen marschierten an flächigen Bildhintergründen vorbei, die in den berüchtigten Basisfarben Cyan, Magenta und Gelb leuchteten – ganz so, wie die Ikonenmalerei ihre Heiligenfiguren immer vor Blattgold zeigte.

Elektro-Rokoko

Seit der Eröffnung des dreidimensionalen Raums spielen die Texturen und Polygone eine Schlüsselrolle: Es geht darum, die Oberfläche der echten Außenwelt als digitale Kunsthaut nachzubilden und zugleich die Skelette der Dinge in immer verwinkelteren Vektorgrafiken zu modellieren. Denn jedes Objekt in der dreidimensionalen Spielewelt besteht bekanntlich aus zusammengesetzten Mehrecken, die selbst alle zweidimensional sind. Man könnte diese geometrischen Figuren auch aus Papier ausschneiden, aneinanderkleben und mit bunten Oberflächen bekleben: Im Grunde wird in den Entwicklungsstudios gearbeitet wie in den Bastelstuben des neunzehnten Jahrhunderts, als es noch keine Unterhaltungselektronik gab.

Aus je mehr kleinsten Basteleinheiten ein künstliches Gebilde zusammengesetzt ist, desto mehr erscheint es wie aus einem Guss. Der kurvenreiche Leib von Lara Croft zum Beispiel bestand in der ersten Ausgabe von „Tomb Raider“ im Jahr 1996 noch aus nur 400 Polygonen. In der 2007 erschienenen Jubiläumsausgabe „Tomb Raider Anniversary“ setzte sich der Körper der Archäologin aus über 7000 Polygonen zusammen. Der Fortschritt im Detailrealismus ist also in Zahlen darstellbar – und gerade Konsolen der dritten Generation wie die Playstation 3 und die Xbox 360 schwelgen auf verschwenderische Weise in den Reizen der Sichtbarkeit.

Kameo – Elements of Power (2005): Mehr Glaubwürdigkeit hat auch die Landschaftsmalerei des neunzehnten Jahrhunderts nicht hervorgebracht.
In „Kameo“ zum Beispiel, einem Fantasy-Actionspiel für die Xbox 360, führt der in unwirklichen Nazarener-Farben erstrahlende Hintergrund ein Eigenleben, das die mit Zauberkräften versehene Spielheldin fast zur Statistin degradiert: Seltsame Vögel wabern zu Tausenden am Himmel, weiße Flocken schweben und weben im Äther, und kein Ruckeln lässt spüren, dass die Konsole zum Zweck dieser Darbietung in jedem Augenblick Abertausende von Rechenaufgaben ausführt. Mehr Glaubwürdigkeit hat auch die Landschaftsmalerei des neunzehnten Jahrhunderts nicht hervorgebracht – und das Spiel zeigt seine Welt in einer fotorealistischen Tiefenschärfe, die selbst Filmaufnahmen bei Außendrehs kaum erreichen. Noch mehr Lichtreflexe lassen sich in einem Bild unmöglich unterbringen. Jeder weitere Versuch, die hochpotenten Grafikprozessoren der neueren Konsolen noch stärker auszulasten, könnte nur in einem überladenen Elektro-Rokoko münden, den irgendwann kein Mensch mehr ernst nehmen würde. Die Spielebranche muss sich folglich andere Missionen suchen als die Eroberung der Netzhaut durch gestochen scharfe Visionen. Und das tut sie längst.

Illusion der Masse

Seit der Oberflächenrealismus eine kaum noch zu steigernde Perfektion erreicht hat, entdeckt die Spielebranche mehr und mehr, dass uns auch andere Faktoren als die Grafik in Spielewelten hineinziehen. So hat sich das Interesse von einer verabsolutierten Ästhetik, die allen Naturgesetzen trotzt, hin zur Physik und ihren Gesetzen verlagert. Eine Leitdisziplin der neueren Spiele heißt Biomechanik. Bei Lucas Arts etwa, der Software-Werkstatt des Filmregisseurs und Science-Fiction-Großmeisters George Lucas, hat man Experimente mit „Digitaler molekularer Materie“ (DMM) durchgeführt. Das ist scheinbar ein Widerspruch in sich, denn elektronische Welten bestehen aus Vektorgrafiken, Tiefe ist in ihnen bloß eine Illusion, und Materie existiert hier schlichtweg nicht. Lucas Arts versucht in seinen Laborversuchen mit DMM auch keineswegs, echte Molekularstrukturen nachzubilden – so weit sind die Rechner und die Entwickler noch lange nicht fortgeschritten. Dennoch gelingt es, den nur durch ihre Außenhaut definierten Gegenständen die Eigenschaften fester Körper einzuimpfen, sodass sie Schwere, Trägheit, Sprödigkeit oder Härte besitzen und entsprechend unterschiedlich auf Zerstörung reagieren: Eine Metallplatte verbiegt sich, ein Eisblock zersplittert und Gelatine wackelt – da haben selbst Festkörperphysiker kaum noch etwas zu mäkeln.

Außerdem bemüht sich die Industrie um die psychologische Aufrüstung der Charaktere – und versucht in den großen Blockbuster-Spielen Charaktere aufzubauen, die ähnlich wie die Helden von Hollywood zur emotionalen Anteilnahme einladen. So reichert man die elektronischen Figuren – lange Zeit nur als Dummys ins Gefecht geschickt und als digitales Kanonenfutter ohne große Anteilnahme verheizt – allmählich mit humanen Elementen an. Der übergroße Wunsch der Entwickler zielt darauf, im Gamer neben Schadenfreude, Wut und Hoffnung auch feinere Regungen wie Mitleid oder Zuneigung zu entfachen.

Mittäterschaft

Doch auch wenn man einer Computerspielfigur womöglich niemals echte Tränen hinterherweinen wird: Open-World-Games wie „GTA IV“ erlauben eine viel buchstäblichere Form der Identifikation, indem sie das Schicksal des Spielhelden ganz der Willkür des Spielers überlassen – der kann den Einwanderer vom Balkan auf eine filmreife Mafia-Laufbahn schicken, aber ebenso gut bloß im geklauten Auto durch die Gegend gondeln und den Jazzsender im Autoradio dudeln lassen. „GTA IV“ handelt letztlich von der großen Freiheit, das Gute oder eben auch das Böse zu tun – und diese absolute Wahlfreiheit bietet kein Roman seinem Leser und auch kein Kinofilm seinem Zuschauer.

GTA IV (2008): Das Gangster-Epos handelt von der großen Freiheit, das Gute oder das Böse zu tun.
Grundsätzlich lebt keine Gattung so sehr von der Kunstfertigkeit ihrer Benutzer wie die der Computerspiele: Erst unter den Fingern des Gamers verwandeln sich tote Datenpakete in belebte Kosmen. Für bloße Zuschauer ist hier kein Platz. Denn nichts sieht trostloser aus als ein animierter Charakter, der verlassen in einem bevölkerten Szenario herumsteht und, höchstens vom programmierten Muskeltonus bewegt, auf die Impulse des Eingabegeräts wartet. Man sollte also die klassische Rezeptionssituation beim Computerspielen – heruntergelassene Rollläden, minimale Bewegungen am Eingabegerät, gebannter Blick auf den bläulich schimmernden Bildschirm – nicht mit geistiger Starre verwechseln. Ebenso gut hätte man die kontemplative Lesehaltung der mittelalterlichen Mönche, die sich murmelnd über ihre Handschriften beugten, unter den Verdacht der dumpfen Passivität stellen können. In den elektronischen Spielen erfüllt sich vielmehr die uralte Sehnsucht der Kunst, den Betrachter zum aktiven Teilhaber der ästhetischen Sphäre zu machen. Was hier verlangt wird, ist weniger Anteilnahme als regelrechte Kollaboration. Denn wer spielt, der macht sich selbst die Hände schmutzig, ganz gleich, was sein digitaler Stellvertreter für Geschäfte zu erledigen hat – während der Kinozuschauer seine Hände, an denen höchstens das Salz vom Popcorn klebt, sogar nach dem Abspann eines Horrorfilms in Unschuld wäscht.

Vielleicht ist der Erfolg, den Computerspiele bei der täuschenden Nachahmung des echten Lebens haben, auch gar nicht ausschlaggebend für ihre Zukunft. Denn seltsamerweise machen jene uralten Videospiele, die nicht nur aufgrund ihrer vorsintflutlichen Optik ganze Lichtjahre von der uns bekannten Welt entfernt scheinen, oft mehr Spaß als die neuesten Next-Gen-Blockbuster, die auf den überteuerten Monsterkonsolen der Zukunft laufen. Manchmal stellen billige Automatenspiele der Frühzeit, wie „Metal Slug“, wo man mit futuristischen Waffen ausgerüstet durch einen von rechts nach links scrollenden Hintergrund läuft und sich den Weg bis zum Endgegner freischießt, alle millionenschweren Produktionen der Gegenwart in den Schatten.

Irgendetwas in der Geschichte der elektronischen Spiele sperrt sich gegen den permanenten Fortschritt, gegen das immerwährende Aufpolieren der Optik und die Verlebendigung der Figuren. Etwas sehnt sich zurück in jenes dunkelschwarze Nirgendwo hinter dem Bildschirm, wo die ersten Spielfiguren ihr bizarres Dasein fristeten.

Reiz des Unvollkommenen

Dieser Widerstand gegen die Perfektion ist nicht bloß eine Abwandlung jener Nostalgie, die überkommene Medien wie Vinylschallplatten, Stummfilme und Opern umgibt. Und sie hat vielleicht auch nicht ausschließlich damit zu tun, dass primitive Unterhaltungselektronik unsere Kindheit begleitet hat. Unsere Schwäche für die verfremdeten Computerspiele aus alten Tagen liegt in einer Eigenschaft der Spiele selbst begründet: Denn diese strebten in ihren Anfängen gar nicht auf die realistische Welt und ihre Gesetze zu. Obwohl frühe Spiele im Realismusvergleich mit heutigen Produkten der Unterhaltungsindustrie katastrophal abschneiden, ist der Spielspaß bei diesen primitiven Werken oft mindestens genau so groß.

Auch der maßgebliche Erfolg von Nintendos Spielkonsole Wii fußt darin, dass dieses Gerät auf den ersten Blick wie ein gewaltiger Rückschritt in der Evolution der Elektrospiele wirkt. Das ganze Konzept der Wii ist eine wohlkalkulierte Rückkehr zum Archaischen: Die Figuren, die auf dem Bildschirm für uns Tennis spielen, haben die grafische Komplexität von Lego-Männchen. Und der Controller liegt genauso gut in der Hand wie ein Faustkeil im Paläolithikum, er ist auch ebenso universell einsetzbar.

Faustkeil der Moderne

Es gibt halt Bewegungen, die man aus dem Rückenmark abrufen kann: Und die mit einem Bewegungssensor ausgestattete Wii-Konsole nutzt genau diese in Fleisch und Blut übergegangenen Muster. Während herkömmliche Controller immer an den Kommandostand eines Gefechtspanzers erinnern, soll die mit einem Raumsensor ausgestattete Wii-Fernbedienung eine Erweiterung des Körpers darstellen. Sie macht damit die seit Jahrzehnten umstrittene Versprechung des Medienphilosophen Marshall McLuhan wahr, der Medien 1964 als „Erweiterungen des Menschen“ bezeichnet hatte.

Trotzdem gibt es für die Spiele keine Rückkehr ins Paradies der Einfachheit. Selbst bei der Wii bleibt reine Intuition eine Illusion. Denn ob man in Wii-Partyspielen durchgeknallten Häschen mit der Fernbedienung Möhrensaft in den Schnorchel spritzt, bis sich die Taucherbrillen füllen, oder ob man durch Schütteln des Controllers Maschinenpistolen nachlädt: Das Hirn ist zumindest am Anfang genauso beschäftigt wie mit einer mittelschweren Denksportaufgabe, und es dauert eine Weile, bis man diese Lernanstrengung vergisst. Außerdem hat Nintendo das eigene Programm der Reduktion aufs Wesentliche längst wieder sabotiert, indem es einen Zusatz-Controller nach dem anderen auf den Markt wirft und so genau jenes undurchdringliche Kabelgewirr wieder heraufbeschwört, dem die Konsole den Kampf angesagt hat.

Vielleicht sind elektronische Spiele auch genau darin mit der Kunst verwandt, dass der schöne Schein hier niemals ohne das Zuschalten des Denkapparats zu genießen ist – und dass es gehörige Mühen erfordert, sich ganz natürlich durch ihre Labyrinthe zu bewegen. Das galt für die einsamen Pioniere, die sich einst als „Space Invaders“ in die Tiefen des Weltalls vorgewagt haben – und das gilt genauso für die ganz normalen Legionen, welche die Parallelwelten unserer Tage bevölkern.

Der Autor ist Kulturredakteur der Zeitschrift Vanity Fair. Im März 2008 erschien sein Buch „Digitale Paradiese, Von der schrecklichen Schönheit der Computerspiele“ bei Kiepenheuer & Witsch.

Quelle : www.heise.de

SiLæncer:
Zur neuen Computerspielemesse Gamescom in Köln erwarten die Veranstalter im August mehr als 200.000 Besucher. "Ich gehe fest davon aus, dass wir die Leipziger Zahl übertreffen werden", sagte der Geschäftsführer der Kölner Messegesellschaft, Oliver P. Kuhrt, am Dienstag. Die Gamescom hatte bislang unter dem Namen Games Convention als europäische Leitmesse in Leipzig stattgefunden und dort zuletzt 203.000 Gäste angezogen. Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) hatte Anfang 2008 den Umzug in die Domstadt beschlossen, weil er dort bessere Perspektiven für die Messe sieht.

Für die Gamescom vom 19. bis 23. August in Köln hätten sich bisher mehr als 300 Aussteller angemeldet, sagte Kuhrt. Darunter seien "alle maßgeblichen Unternehmen". 40 Prozent der Firmen kämen aus dem Ausland. Eine Prognose, wie viele Aussteller noch dazu kommen, wollte Kuhrt nicht abgeben. Zahlreiche Unternehmen wollten auf der Gamescom Welt- und Europapremieren von Computerspielen präsentieren.

Die deutsche Gamesbranche hat nach BIU-Angaben im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2007 ihren Umsatz um 14 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro gesteigert. Mehr als 55 Millionen Computerspiele wurden verkauft. Größte Wachstumstreiber waren Spielkonsolen. Trotz Wirtschaftskrise geht der Verband auch für 2009 von einem Umsatzplus aus und erwartet "ein gesundes Wachstum" zwischen 3 und 5 Prozent. Zahlen für das erste Halbjahr 2009 will der BIU zu Beginn der Gamescom vorlegen.

"Im Fokus der Veranstaltung stehen Spiele zum Mitmachen", sagte BIU-Geschäftsführer Olaf Wolters. An vielen Plätzen auf dem Gelände und in den Hallen könnten die Besucher nach Herzenslust "zocken" und neue Spiele testen. "Die Zielgruppe für Computerspiele verändert sich", sagte Wolters. "Sie wird deutlich älter, und es gibt immer mehr weibliche Spieler." Die Gamescom solle verstärkt Familien ansprechen.

Auch in der Kölner Innenstadt werden Spielstationen aufgebaut, auf Bühnen treten Musiker und andere Künstler auf. Eröffnet wird die Gamescom mit einem Konzert der Punkband Tote Hosen. Ein großes Thema werde auch der Jugendschutz sein, hieß es. Seminare und Workshops beschäftigen sich mit Medienkompetenz und richten sich an Jugendliche, Eltern und Lehrer. Die Leipziger Messe will sich unterdessen als Games Convention Online neu erfinden und rechnet zum Termin Ende Juli/Anfang August mit 70.000 Besuchern.

Quelle : www.heise.de

SiLæncer:
Microsoft hat seinen Dienst Games for Windows Live auf Version 3.0 aufgerüstet. Die neue Version bringt einen "Marketplace" genannten Online-Shop mit, über den Publisher Addons und andere Zusatzinhalte zu ihren Spielen als Download verkaufen können. Gezahlt wird mit Microsoft Points, die Spieler für ihr Online-Nutzerkonto per Kredit- oder Prepaidkarte erwerben können.

Darüber hinaus bietet Microsoft Publishern zusätzliche Kopierschutzoptionen an. Anbieter können zukünftig ihre Spiele mit einer "Server Side Authentification" absichern, bei der ein Spiel fest mit dem persönlichen Online-Konto des Spielers verknüpft wird und beim Start über eine Online-Verbindung zu einem Lizenz-Server authentifiziert wird. So können die Spiele zwar auf beliebig vielen PCs installiert werden, starten lassen sie sich aber immer nur auf einem Gerät zur selben Zeit. Ebenso ist ein späterer Wiederverkauf ausgeschlossen, da die Titel nur einmalig mit einem Benutzer-Account verknüpft werden können. Der Käufer erlangt – wenn man so will – also nur noch ein persöhnliches Nutzungsrecht.

Ähnliche Schutzsysteme werden bei anderen Download-Anbietern wie Steam bereits seit geraumer Zeit eingesetzt, mit Games for Windows Live 3.0 weitet Microsoft sie auch auf den Retail-Bereich aus. Sinnvoll ist eine solche Absicherung vor allem für Online-Spiele. Offline-Titel können weiterhin mit herkömmlichen Methoden gesichert werden, die keine Online-Verbindung benötigen. Die Wahl des Kopierschutzes liegt beim Publisher, der zusätzlich eine "Zero Day Piracy Protection" einbauen kann, der einen Start des Spiels vor dem offiziellen Verkaufsstart verhindern soll.

Bereits jetzt bietet Microsoft Games for Windows Live 3.0 als Download an. Erste PC-Spiele, die Games for Windows Live 3.0 mitbringen, sollen im Herbst in den Handel kommen.

Quelle : www.heise.de

SiLæncer:
Am 11. August will Microsoft ein umfangreiches Software-Update für die Xbox 360 veröffentlichen und den digitalen Vertrieb von Spielen und Accessoires ausweiten. Der in die Menü-Oberfläche integrierte Online-Shop soll dann neben Xbox- und Arcade-Spielen erstmals auch ältere Xbox-360-Titel zum Download auf die Festplatte anbieten. Über 20 Titel, darunter Bioshock, Assassins Creed und Mass Effect sind zum Start geplant. Im Wocherhythmus sollen weitere folgen.

Sämtliche Angebote im Online-Shop können von Käufern zukünftig über ein 5-Sterne-System bewertet werden. Dazu zählen auch die im Ausland bereits gestarteten "Xbox Live Indie Games". Wann die von unabhängigen Programmieren erstellen XNA-Spiele in Deutschland veröffentlicht werden, gab Microsoft bislang nicht bekannt.

Ihre Avatare sollen Xbox-360-Spieler künftig mit virtuellen Klamotten einkleiden. Jacken, T-Shirts, Hosen, Schuhe oder Sonnenbrillen von Modemarken wie Adidas, Quiksilver, Roxy oder Tokidoki sollen im Online-Shop für Microsoft Points verkauft oder als Prämien für besondere Spielleistungen vergeben werden. Mit einem so ausstaffierten Avatar treten Spieler später in Online-Spielen auf.

Quelle : www.heise.de

SiLæncer:
Kurz vor der in Köln startenden Spielemesse Gamescom mehren sich die Hinweise, dass Sony Computer Entertainment eine neue Hardware-Revision der Playstation 3 vorstellen könnte. Die neue Version soll deutlich kleiner, sparsamer und vor allem billiger werden. Experten rechnen mit einem Preisnachlass von 100 Euro. Bereits im September könnte eine PS3 Slim für 300 Euro in den Handel kommen, die das bisherige 400-Euro-Modell ablöst.


heise online ist den verschiedenen Spuren nachgegangen und gibt eine kleine Vorschau auf das, was Sony auf seiner dreistündigen Pressekonferenz am 18. August vorstellen könnte.

Siehe dazu auch:

    * Sonys kleines Geheimnis, Gamescom-Special 2009

Quelle : www.heise.de

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